Zum Sinn und Zweck dieser Dokumentation.
Der Sommer kommt (wenn auch bei Radio Darmstadt ein wenig später) und damit unvermeidlich neue Programmausfälle. Ehrenamtlich Sendende wollen in ihren wohlverdienten Urlaub fahren. Sie hinterlassen Lücken im Programm, die die ohnehin vorhandenen Lücken deutlicher zutage treten lassen. Zudem muß der Programmrat sich im Juli eingestehen, daß die seit mehr als einem Jahr diskutierte Programmreform am Unwillen der sendenden Vereinsmitglieder gescheitert ist. Statt dessen wird eine Qualitätsoffensive ausgerufen. Woher diese Qualität jedoch kommen soll, bleibt vollkommen ungeklärt. Und schließlich gibt sich der Sender ganz tolerant, zumindest verbal. Herbert Marcuse würde wohl eher von einer „repressiven Toleranz“ gesprochen haben, und dies korrespondiert dann doch wieder mit dem zwanghaften Festhalten an Programmreformen, die keine und niemand will.
Die Anspielungen dieser Zusammenfassung werden im Text erklärt.
Im dritten oder gar vierten Anlauf gelingt es zu Monatsbeginn am 1. Juli dem Vorstandsmitglied Günter Mergel endlich, einen im April 2008 aufgezeichneten Vortrag des deutsch-kanadischen Historikers Fred Kautz zur Sendung zu bringen. Mergels neue Sendereihe trägt den beziehungsreichen Titel „Bildungslücke“. Kautz hatte im „Linkstreff Georg Fröba“ das im Mai 2006 im Stuttgarter Theiss Verlag herausgebrachte „Stadtlexikon Darmstadt“ gegen den Strich gebürstet und hierbei auf allzu auffällige Lücken hinsichtlich alter und neuer Nazis hingewiesen. Man und frau darf gespannt sein, welche Bildungslücken Mergel in Zukunft entdecken und schließen wird. Vielleicht sollte er als Verantwortlicher des Trägervereins von Radio Darmstadt dafür sorgen, daß die Sendenden nicht einfach das Internet ablesen, sondern ihre eigenen Gedanken zu Gehör bringen. Vorausgesetzt es gibt sie. Eine vereinsinterne Bildungsarbeit könnte hier wahre Wunder wirken.
Auf der Webseite des Senders sind bislang (Stand: Mitte Juli 2009) keine Hinweise auf die neue Sendereihe zu finden. Immerhin liefert die Suchfunktion fünf Ergebnisse. Zwei davon führen ins RadaR-interne Datennirvana und drei auf die in drei Programmflyern abgedruckten Programmhinweise. Diese Webseite glänzt ohnehin mit buntem Design und dann doch eher kargen und wenig gepflegten Inhalten. Das war schon einmal anders. Das Design war vielleicht nicht so poppig-buntig, dafür war die Webseite eine wahre Fundgrube sorgfältig zusammengetragener und aktuell gehaltener Informationen. Aber das war offensichtlich nicht erwünscht; und so wurde diese alte Webseite im November 2006 abgeschaltet, um durch etwas technisch Aufgemotzteres, dafür inhaltlich Anspruchsloseres ersetzt zu werden. Spötter meinen, hier paßt die Form zum Inhalt.
Zum Schluß verkündet uns der Redakteur, der erstmals seit fünf Jahren wieder mit einer eigenen Sendung on air gegangen ist, daß nun (sein Redaktionskollege) Ralf D. mit der Sendung „JazzZeit“ folge. Dies ist insofern richtig, als Ralf D. eine Konserve einzulegen pflegt, die er von Radio Unerhört Marburg mitgebracht hat. Er selbst ist bei Radio Darmstadt in der Regel nur noch durch abgelesene Pressemitteilungen oder vorgetragene Artikel oder Konserven seiner vor Jahren ergrauten Sendereihe Jazz mit Ralf zu vernehmen. Vorzugsweise hören wir seine Jazzwortrhythmen dann, wenn er eine oder mehrere Kolleginnen vertritt, so auch am 8. Juli. Die beiden queeren Moderatorinnen Susan und Antje seien „aus beruflichen Gründen“ abwesend, und da hilft Ralf gerne aus. Als Konserve hören wir eine Sendung zum „United Jazz- und Rock-Ensemble“, die am 12. Juli 2003 bei Radio Unerhört Marburg zu hören war. Ansonsten hat er nun wirklich Wichtigeres zu tun, beispielsweise sein Stimmrecht im Programmrat des Senders abzusichern.
Man oder frau könnte seine diesbezügliche Tätigkeit auch als Redaktions-Hopping bezeichnen, denn er findet immer eine Redaktion, die ihm das Mandat erteilt. Manche Redaktion ist froh, auf diese Weise nicht selbst Zeit im nutzlosesten Gremium des Senders verschwenden zu müssen, und Ralf D. hat dann ein Pöstchen, um wichtig zu sein. Vor kurzem wählte ihn die Redaktion treffpunkt eine welt zu ihrem Vertreter, ohne daß er je in dieser Redaktion durch eigene Sendungen aufgefallen wäre. Altersbedingt war er noch nicht Vertreter der Jugendredaktion YoungPOWER bzw. der Studiredaktion AudioMax, sowie aufgrund des falschen Geschlechts auch nicht Vertreter der sich 2007 verabschiedet habenden Frauenredaktion „FriDa“. Die beiden politischen Redaktionen „Gegen das Vergessen“ und Alltag und Geschichte werden garantiert niemals auf die Idee kommen, sich von diesem Menschen vertreten zu lassen; und bei der Sportredaktion gibt es genügend redaktionsinterne Platzhirsche. Soweit mich meine Erinnerung nicht trügt, hat er im Verlauf der letzten zwölf Jahre die Redaktion „HerrMann“, die Kultur-, Auslands-, Musik-, Wissenschafts- und Unterhaltungsredaktion, sowie „Blickpunkt Gesellschaft“ vertreten. t1w wäre dann Redaktion Nr. 8. Bleibt eigentlich nur noch die Seniorenredaktion „Mohnrot“ übrig; das passende Alter hat er ja demnächst. Oder er vertritt die Lokalredaktion, zumal er Pressemeldungen der Stadt Darmstadt besonders eloquent vorzutragen weiß.
Die Musikredaktion gehört zu den drei Redaktionen mit dem größten Sendevolumen. Einen nicht unerheblichen Teil des eigenen Sendeplatzes machen sogenannte „Open Houses“ aus. Hierbei handelt es sich um Sendeplätze, die redaktionsintern nicht vergeben werden konnten oder die für Neueinsteigerinnen und Debütanten freigehalten werden. Manchmal kommt es vor, daß ein Sendeplatz nicht nur nicht vergeben worden ist, sondern auch keine und niemand sich hierfür verantwortlich fühlt. Zwar besitzt die Musikredaktion ein Dreigestirn, welches dafür Sorge zu tragen hat, daß die Redaktion nach innen und außen gut vertreten ist. Doch manchmal fühlt sich halt keine und niemand für das eigene Programm zuständig, weshalb auf dem Sender zunächst ein Sendeloch und dann – ganz redaktionskonform – Musik vom Feinsten zu hören ist. So auch am 3. Juli. Um 21.00 Uhr ist keine und niemand da. Der Redakteur der vorangehenden Sendung legt noch schnell Musik ein, in der Hoffnung, daß die Musikredaktion sich bloß verspätet habe, und geht.
Zu den innovativen Features der Technikcombo, die sich seit Herbst 2006 des Senders bemächtigt hat, gehört eine Sendeloch-Erkennung. Diese bemerkt, wenn ein größeres Sendeloch droht, und schaltet sich selbsttätig ein. Wird vom Mischpult wieder ein Sendesignal verbreitet, schaltet die Sendeloch-Erkennung die anstelle der Stille eingespielte Musik wieder ab. Am Freitag, den 3. Juli, war sie ab etwa 21.00 Uhr im Einsatz, und da sich im Sender keine und niemand wirklich für ein qualitatives Programm verantwortlich fühlt, dudelte das Ding bis zum morgendlichen Radiowecker zehn Stunden lang munter vor sich hin. Zu den besonders innovativen Features dieser ohnehin innovativen Apparatur zählt die weltweit einmalige Trickschaltung. Die Sendeloch-Mimik schöpft ihre eingespielte Musik aus einem Pool von etwa einhundert hitverdächtigen Mainstream-Titeln, wohl um vom Musikgeschmack her keiner und niemandem weh zu tun. Schließlich will man und frau bei Radio Darmstadt nicht den Formatradios die soundsoviel Hits am Stück kampflos überlassen. Offenbar gibt es einen Zufallsgenerator, der nicht nur die Reihenfolge der Titel steuert, sondern auch ihre Anzahl. Anders ist es nicht zu erklären, daß auch in diesem Monat die von der Sendeloch-Mimik eingespielte Musik zuweilen in Stille übergeht, ohne daß hierfür ein Grund erkennbar ist. „Oh“, denkt sich die Sendeloch-Erkennung nach einer Dreiviertelminute, „hier liegt wohl ein Sendeloch vor.“ Und flugs startet sie das Dudelprogramm von vorne, um das Sendeloch, das sie selbst verursacht hat, mit gefälliger Musik zu kaschieren. Manchmal erkennt die Sendeloch-Erkennung allerdings auch Sendelöcher, wo keine sind, weil die Techniker trotz mehrmaliger Hinweise immer noch nicht kapiert haben, was eine Klassiksendung von einem Sendeloch unterscheidet. Wer dauernd Techno und House hört und auch noch denkt, dies sei die ganze Welt der Musik, dem fehlt es halt am nötigen Rüstzeug.
Im Statut der Musikredaktion findet sich folgende Passage:
„Die Musikauswahl in den kommerziellen Privat- und den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern betrachtet, kann folgendes feststellt werden: Diejenigen Sender, die für ein junges, kaufkräftiges Publikum Programm machen, zeichnen sich durch eine stilistisch stark einseitige Musikauswahl aus. Auch die Anzahl der gespielten Titel, meistens Top-Hits, ist sehr begrenzt, wird aber dafür um so häufiger wiederholt, ‚abgedudelt‘. In diesen Sendern findet eine Auseinandersetzung mit und Betrachtung der Musik nicht (oder nicht mehr) statt. Experimente werden kaum gewagt, Innovationen finden nicht statt. Die kulturell orientierten Sender des ö[ffentlich]-r[echtlichen] Rundfunks beschäftigen sich dagegen sehr intensiv mit Musik. Allerdings wird hier bis auf wenige Ausnahmen nur Musik vorgestellt, die von der Gesellschaft als kulturell wertvoll eingestuft wird (E-Musik). Subkulturelle Strömungen oder Popkultur werden zwar in Sondersendungen abgehandelt, aber dem Publikum zur Hauptsendezeit nicht zugemutet.
Aus diesen Mängeln der ‚großen‘ Sender ergeben sich für die Musikredaktion von RadaR im wesentlichen zwei Schwerpunkte ihrer Arbeit: Zum einem garantiert die Musikredaktion eine Förderung der Musikstile, die im Radio ansonsten zu kurz kommen, zum anderen will sich die Musikredaktion auch mit populärer Musik beschäftigen. Dabei betrachtet die Musikredaktion jede Musikrichtung als Ausdruck von Kultur, gleichgültig ob es die ‚Kultur der Straße‘ oder gesellschaftlich ausgegrenzte Kultur ist. Die Musikredaktion möchte nicht, daß RadaR ähnlich an Musik verarmt, wie es bei anderen Sendern geschehen ist. Sie achtet in ihrem Programm auf Vielfalt, und sie wird im ganzen Sender vermehrt eine Vielfalt der Stilrichtungen einfordern.“
Hehre Vorsätze! Allein, es zählt die Praxis, und hier dudelt eine extrem eingeschränkte „Rotation“ vor sich hin. Wer zu den wenigen Menschen gehört, die das Programm des Senders regelmäßig verfolgen, kommt nicht umhin, schon beim Einschalten des eigenen Radiogeräts bestimmen zu können, ob das reguläre oder das Notprogramm läuft. Das ist zwar praktisch, um wieder abschalten zu können, aber im Sendehaus führt dies nicht zur Konsequenz, diesem Unfug ein Ende zu bereiten. Vor einigen Jahren noch gab es nicht nur einen Chef oder eine Chefin vom Dienst, die derartige Sendeloch-Dudeleien abstellten, sondern auch aufmerksame Vereinsmitglieder, die im Zweifelsfall umgehend ins Sendehaus eilten, um das reguläre Programm wiederherzustellen. Doch diese engagierten Personen wurden aus dem Sendehaus vergrault oder mittels Hausverboten [1] ganz ausgegrenzt. Und so ermöglicht es auch die Musikredaktion, den Mainstream zu hören, der auch anderweitig, zudem in besserer technischer Qualität, läuft.
Was so „schlimm“ ist an Mainstream-Musik? Hierin drückt sich ein Zwang zur Konformität aus, ein gesellschaftliches Verhältnis, in dem abweichende Meinungen nicht geduldet werden und deshalb weichgespült werden müssen. Es handelt sich hierbei um ein Gehirnwäscheprogramm, das zu Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit erzieht. In der gehörten – oder hier: gespielten – Musik drückt sich die Lebenshaltung aus. Die hundert Hits am Stück des Sendeloch-Erkennungs-Computers korrespondieren so betrachtet mit dem Zerfall kommunikativer Strukturen im Inneren des Vereins und seines Senders und mit dessen Außenwirkung. Eine „Graue Maus“ will keine und niemand hören. Das sich hierin ausdrückende Programmkonzept gibt es schon anderswo. Weshalb eine oder jemand sich dieses „Programm“ antun soll, erschließt sich mir folglich nicht [2]. Hier wird eine Sendefrequenz durch ein selbstverwaltetes Jugendzentrum für Unfug vergeudet, obwohl es in Darmstadt eine Gruppe gibt, die ein qualitätsvolles Programm zu gestalten in der Lage ist und deren nicht konformistische Mitglieder der Trägerverein von Radio Darmstadt durch Vereinsausschlüsse, Haus- und Sendeverbote konsequent vom Zugang zum Sender abzuhalten versucht.
Es kommt aber noch besser.
Am Freitagabend (immer noch am 3. Juli) beginnt um 21.00 Uhr eine zweitägige Sendestrecke, die zur Hälfte nur noch als Notprogramm bezeichnet werden kann. Das Motto scheint zu lauten: es ist doch egal, was wir senden, es hört uns ja ohnehin keine zu; anders ist dieses Programm kaum zu verstehen. Denn auch am Samstagmittag dudelt es wieder vor sich hin, weil zwei Stunden des freitagabendlichen Sendelochs wiederholt werden. Um 23.00 Uhr hören wir in der Nacht von Samstag auf Sonntag nicht die je nach Musikgeschmack mehr oder weniger erlesenenen Beats der DJ-Zone, so daß anstelle der vorgesehenen elektronischen Computerrhythmen [3] zehn Stunden lang einfallslos Programm wiederholt wird. Am Sonntagnachmittag schaltet sich für zwei Stunden wieder der Dudelfunk ein, weil die vorgesehene griechische Sendung seitens der Auslandsredaktion nicht eingelegt wurde [4]. Genau betrachtet hat die Sprecherin selbiger Redaktion um 13.00 Uhr einfach zwei Stunden Wiederholungsprogramm eingelegt und ist dann gegangen. Nach mir die Sintflut. Mitdenken scheint ein Fremdwort bei Radio Darmstadt zu sein. Auch die Sportredaktion glänzt durch Abwesenheit, weshalb wir zum x-ten Mal die 2008er Aprilausgabe des Hundemagazins hören dürfen. Ist der Sender derart „auf den Hund gekommen“?
In ihrer zweistündigen Sendung über Rio Reiser hangelt sich die Musikredakteurin Barbara N. am Samstagabend vermittels Ablesens von Artikeln und Texten aus der Wikipedia, anderen Internetquellen und aus Büchern durch dessen Gesang. Weshalb bringt sie nicht ihre eigenen Gedanken über einen Künstler, der ihr vermutlich (musikalisch) etwas bedeutet, zum Ausdruck? Irgendwie scheint es manchen Redakteurinnen und Moderatoren schwer zu fallen, selbstständig zu denken. Das Ablesen ersetzt nicht nur den eigenen Gedanken, es transportiert auch Gedanken, die unreflektiert unter die Menschheit gestreut werden. Solcherlei Herangehen befördert die Verbreitung von Ideologie.
Die Tendenz, sich auf Konserven zurückzuziehen, ist ohnehin seit einiger Zeit festzustellen. Die Kulturredaktion hat aus der Not eine Tugend gemacht und dem Kind einen Namen gegeben: Retro. Angesichts Hunderter von Konserven, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, wäre es wahrlich ein Leichtes, das gesamte Programm durch Konservenrecycling zu gestalten. Angereichert durch die Dudelmusikmaschine könnte dies jeden überflüssigen eigenen kreativen Gedanken ersetzen; auch das lästige und deshalb zuweilen auch nervend modulierte Vorlesen fremder Texte könnte entfallen. Nun spricht nichts dagegen, wirklich gute und/oder interessante Sendungen zu wiederholen. Hier jedoch werden Lückenfüller gesucht, und da ist jede Konserve recht. Dem widerspricht nicht, wenn der Redakteur Michael S. passend zum Heinerfest 2009 Konserven herauskramt, die bei den Heinerfestradios 1997 bis 1999 im Hof des damaligen Sendehauses in der Bismarckstraße 3 entstanden sind.
Am 7., 8. und 15. Juli besaßen die Hörerinnen und Hörer die Gelegenheit, blanken Amateurismus und Semiprofessionalität miteinander zu vergleichen. Für den 7. und 8. Juli hatten die Auslandsredaktion und die Jugendredaktion YoungPOWER beim Programmrat Sendezeit zur Durchführung eines Projektwochenradios angemeldet. Etwa 20 Kinder und Jugendliche aus der Bernhard-Adelung-Schule und des Schulzentrums Marienhöhe waren an einem Radioprojekt in den Räumen von Radio Darmstadt beteiligt.
Das Ergebnis war in zwei je einstündigen Sendungen am Dienstag- und Mittwochvormittag zu hören. Es mag ja sein, daß die Kids es spaßig fanden, ein Sendestudio von innen kennenzulernen. Das Anspruchsniveau für die vorbereiteten Beiträge scheint jedoch nicht sonderlich hoch gewesen zu sein. An beiden Tagen saß je ein Redakteur der Jugendredaktion an den Reglern und dirigierte die Schar der Kinder und Jugendlichen durch das Programm. Im Hintergrund dudelten typische YoungPOWER-Unterleger und zuweilen beschlich mich beim Zuhören der Verdacht, als seien für den Redakteur die kurzen Worteinsprengsel eher eine lästige Pflichtübung inmitten eines Musikteppichs. Vermutlich flossen hierbei Projektgelder an die für das Projekt verantwortlichen Personen; ich frage mich, wofür. Das Resultat war, gelinde gesagt, peinlich. Und das lag nicht an den Kids, sondern an denen, die geglaubt haben, sie besäßen die Qualifikation zur Durchführung derartiger Medienkompetenzprojekte. Von Kompetenz war jedenfalls nicht viel zu spüren. Geschlossene Fragen dominierten, kurze vorbereitete Texte wurden schnell durchgehechelt. Dies ließ wenig Raum für spontane Gedanken. Ja, nein, durchschleusen, abhaken, die Nächsten bitte.
Ganz anders das Radioprojekt aus der Eleonorenschule, das zwei Stunden lang im Abendprogramm des 15. Juli zu hören war. Hier war der medienpädagogische Einfluß zweier gestandener Radiocracks, nämlich Norbert Büchner und Niko Martin, nicht zu überhören; hinzu kam, daß es den Jugendlichen hörbar Spaß gemacht hat, sich Themen so zu erarbeiten, daß das Wegzappen schwerfiel. Mich hat besonders der Beitrag beeindruckt, in dem ein in der Regel fades, belangloses und langweiliges Straßeninterview dynamisch in einen gebauten Beitrag eingebunden wurde. Den Sendeplatz stellte die Redaktion Alltag und Geschichte zur Verfügung, organisiert hatte das Projekt Tim Sackreuther, als verantwortliche Lehrerin unterstützte Frau Böhm. Gut gemacht!
Das Vorstandsmitglied Markus Lang arbeitet zwar in der Lokalredaktion mit, häufig jedoch hören wir auf dem Sendeplatz Knackpunkt wenig „Aktuelles und Brisantes“, so der Untertitel zur Sendung. So auch am 7. Juli, als zunächst einmal ein bißchen Musik abgedudelt wurde, bis die abzuspielende CD gefunden und eingelegt wurde. Es handelte sich um die Märzausgabe 2007 des inzwischen aus Protest gegen die Zumutungen des NRW-Mediengesetzes eingestellten arbeitskritischen Magazins Besser Leben des Medienforums Münster. Thema war der damals bevorstehende G8-Gipfel in Heiligendamm, was uns eine Ahnung von den Assoziationen des Herrn Lang vermitteln könnte, vorausgesetzt, er hat sich mit dieser CD aus der Konservenabteilung des Senders überhaupt etwas gedacht. Der Beitrag paßte insofern, als in den Tagen nach der Sendung die G8 im italienischen L'Aquila tagten.
Als geschickt untergründig assoziativ ist auch die Konserve zu verstehen, die als „Knackpunkt“ am 17. Juli eingelegt wurde. Gerade erst wurde der polnische Politiker Jerzy Buzek zum Präsidenten des recht machtlosen Europäischen Parlaments gewählt, schon ist Radio Darmstadt topaktuell dabei und stellt uns das EU-Mitgliedsland Polen näher vor. Obwohl: genau betrachtet handelt es sich um eine Konserve der Sendereihe „infocast“ der Radiofabrik in Salzburg, die zur Vorbereitung der Aufnahme zehn neuer Mitgliedsstaaten 2004 produziert worden war. Logisch, daß uns ungeschnitten und unkommentiert erzählt wird, am 1. Mai trete Polen der EU bei.
Am 9. Juli gerät am Vormittag die Wiederholung der Vorabendsendungen aus dem Takt, weshalb der Rechner (oder das Programm) neu gestartet werden muß. Am Abend muß sich t1w-Redakteur Heinrich R. mit einem defekten Mikrofon herumärgern. Vermutlich bemerkt er nicht einmal, daß seine Worte durch periodische Aussetzer des Mikrofons in Mitleidenschaft gezogen werden. Vermutlich bemerkt er es deshalb nicht, weil die Techniker des Vereins der Meinung sind, daß es vollkommen ausreicht, wenn die Anzahl der Kopfhörer in den Sendestudios gen Null tendiert. Wenn dann doch einmal einer verfügbar ist, dann hat er einen Wackelkontakt; und das zieht sich dann keine und niemand auf. So entfällt jede Selbstkontrolle der eigenen Sendung und es wird auf „gut Glück“ gesprochen. Natürlich war auch dies in den besseren Zeiten des Senders einmal anders.
Noch vor einigen Jahren wurden alle Kopfhörer regelmäßig repariert, manchmal auch neue beschafft. Die verwendeten AKG-Kopfhörer besitzen sogar die geniale Eigenschaft, daß man und frau von der Ohrmuschel bis zum Kleinstteil jedes Ersatzteil einzeln beziehen kann. Alles, was nun nötig ist, um derartige Wackelkontakte zu vermeiden, ist die Kunst des Lötens. Ich hatte schon vor zwei Jahren beim damaligen Vorstandsmitglied Peter Fritscher angemahnt, daß ausreichend Kopfhörer zur Verfügung stehen. Außer einer rotzigen Antwort geschah nichts. Seit mindestens zwei Jahren wird dieses Problem seitens der Techniker verschleppt bzw. ausgesessen. Können sie etwa nicht … löten? Ich halte diese unglaubliche Ignoranz gegenüber den Erfordernissen eines qualitativen Sendebetriebs und den Bedürfnissen der Sendenden für einen Skandal. Andererseits: die Sendenden wollten das so. Sie wollen, daß ihre Sendungen mit Wacklern, Spratzlern und ähnlichen technischen Artefakten ausgestrahlt werden, nur um sich selbst zu beweisen, wie notwendig drei Hausverbote gegenüber früheren Verantwortlichen sind. Und so klingt dann auch ihr Programm.
Aussetzer ganz anderer Art bestimmen die Morgenschiene von Radio Darmstadt. Nachdem im Herbst 2006 die Redaktion „Radiowecker“ gezielt zerschlagen worden war, dümpelte zunächst ein einsamer donnerstäglicher Radiowecker (der Unterhaltungsredaktion) quasi als gallisches Dorf vor sich hin. Später kam ein zweiter am Samstag hinzu, kurzzeitig auch eine Musikzumutung, die sich als Radiowecker tarnte. Dann versuchte ein Quartett rund um Vorstandsfrau Susanne Schuckmann, den Mittwoch zu beleben, allein – das Ergebnis war neben durchschnittlich brauchbaren Beiträgen irgendwo zwischen unfreiwilliger Komik und peinlichem Vortrag zu verorten [5]. Nicht einmal ein halbes Jahr hielt das Quartett durch, dann verschwand es so schnell, wie es gekommen war, von der Bildfläche – oder, um im Bild zu bleiben, von der Hörfläche. Bald darauf gesellten sich Thomas T. und Bülent D. zu Christian K., und die Drei teilten die morgendlichen Sendetermine unter sich auf. Doch die Verschleißerscheinungen kamen schneller als erwartet, so daß Bülent D. erst sporadisch und dann ganz den Montag aufgeben mußte. Kurz darauf wackelten auch sein Freitagswecker am 10. und am 17. Juli. Ab August 2009 wird das gallische Dorf nur noch von einem Radiowecker am Samstag begleitet, den Christian K. immer öfter ebenfalls selbst ausfüllen muß. Diese Geschichte wird uns von interessierten Kreisen aus dem Sendehaus in der Wikipedia so verkauft (Stand: Mitte Juli 2009):
„Das Aushängeschild des Senders ist der Radiowecker (Unterhaltungsredaktion), welcher seit Sendestart täglich zu hören ist. Insbesondere in den letzten Jahren wurde er inhaltlich und qualitativ stets verbessert. Ein speziell auf Darmstadt zugeschnittenes Magazin präsentiert den Hörern aktuelle Inhalte und blickt hierbei auch gerne mal hinter die Fassaden Darmstadts. Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag sendet er morgens zwei Stunden von 6 bis 8 Uhr; An Samstagen und Feiertagen von 7 bis 9 Uhr. Am Mittwoch und Sonntag ist er derzeit nicht zu empfangen.“
Täglich zu hören – außer Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag. Auch die behauptete stete qualitative Verbesserung nötigt mir ein leichtes Grinsen ab. Obwohl nicht zu überhören ist, daß Christian K. tatsächlich besser geworden ist, eben die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.
Neben dem Radiowecker, der an beiden Freitagen (10. und 17. Juli) ersatzlos entfällt, ist an beiden Tagen ebenso am Nachmittag die griechische Musiksendung Radio Akroama urlaubsbedingt off air. Am 10. hören wir abends „eine ganz spezielle Sondersendung“ aus dem Retro-Archiv des Michael S. Das besonders Spezielle daran ist, daß es sich zum einen um eine Konserve handelt, die schon häufiger bei klaffenden Löchern aushelfen mußte, zum anderen wurde uns sinnigerweise die zweite Sendestunde der Konserve eingespielt. Folglich wurde am 27. Juli eine wwitere „ganz spezielle Sondersendung“ eingelegt, die diesmal Sommer, Sonne und Urlaub zum Thema hatte. Das ist schließlich etwas ganz Besonderes! Ganz nach dem Motto: macht nix, weil: auf Sinn kommt es hier nicht an.
Das wirklich Besondere der Sendung am 27. Juli nun war, daß sie in eine Art Dauerwiederholung geschickt wurde. Von neun Uhr am Abend bis sechs Uhr am Morgen tröteten uns dieselben zwei Sendestunden entgegen – und das ist in der Tat „eine ganz spezielle Sondersendung“. Das kommt davon, wenn es kein qualifiziertes Programm gibt und sinnlos Konserven eingelegt werden, um deren Brauchbarkeit und Nachfolge sich keine und niemand kümmert. Irgendwer hätte natürlich darüber sinnieren können, was nach Ablauf der zweistündigen Konserve denn geschehen soll. Doch das drohende Sendeloch wurde elegant umschifft, um den Preis, daß sich alle Welt fragt, ob Radio Darmstadt jetzt auch nachts einen Sonnenstich hat.
In gewisser Weise könnte so auch das Umgehen mit zwangsweise eingereichten Sendungs-CDs interpretiert werden. Anstatt dafür Sorge zu tragen, daß derartige Sendungen pünktlich gestartet werden, damit sie auch pünktlich enden, stiehlt sich der Hausverbote aussprechende Vorstand aus seiner Verantwortung. Wenn nun der Unterhaltungsredakteur Michael G. seine Sendung, wie so häufig, am Montagnachmittag gnadenlos überzieht und damit die vorproduzierte CD zu spät startet, dann ist es dem Techniker der Kulturredaktion vollkommen schnuppe, ob die auf CD gebrannte Sendung fertig abmodertiert ist oder nicht. Er würgt sie einfach ab, so geschehen zum wiederholten Male am 13. Juli. Dies versteht der Trägerverein des Senders unter „Zugangsoffenheit“, mehr noch, dies wird uns von Kulturredakteur Rüdiger G. als „Toleranz“ verkauft. Selbstgefällig salbadert der ehemalige Pfarrer in seiner anmaßenden Sendung Politische Kultur darüber, wie tolerant und aufgeschlossen er die Welt sieht; nur in seinem eigenen Nähkistlein am Steubenplatz gelten die hehren Werte selbstredend nicht.
„Viel wichtiger ist es, für Toleranz zu werben. Ich sage ganz einfach: Toleranz heißt Ertragen. Wir müssen ertragen lernen, daß es ganz verschiedene Menschen gibt mit ganz verschiedenen Traditionen und ganz verschiedenen Lebensstilen. Eigentlich ist mein Gefühl immer, daß die Buntheit des Lebens der Reiz des Lebens ist. Stellen Sie sich vor, wie langweilig Darmstadt im 19. Jahrhundert war, als nur Datterich hier lebte und ein paar Spießer. Wie furchtbar! Da hätte ich nicht in Darmstadt leben wollen. Hier aber in einer Stadt, wo wir versuchen zu lernen, tolerant miteinander umzugehen, dort kann das Leben Spaß und bunt und witzig sein.“ [6]
Würde er beispielsweise im Programmrat oder auf einer Mitgliederversammlung seines Vereins dieselbe Toleranz im Umgang mit den von seinem Verein Ausgestoßenen predigen, würde er erfahren, wie tolerant der Verein, dem er angehört, ist. Wer fährt ihm dann noch die Technik, wer verschafft ihm Zugang zum kostenlosen Besuch des Staatstheaters, sollte er es wagen, sich für eine gerechte Sache und nicht für die Sache der Mehrheit einzusetzen? Kein Wunder, daß er die vom Programmrat im Januar 2007 beschlossenen spaßigen, bunten und witzigen Sendeverbote gegen drei mißliebige Personen mit beschlossen hat. Das eine, die Toleranz, hat ja mit dem anderen, der Ausgrenzung, nicht das geringste zu tun. Daß bei zwei Personen sogar ausdrücklich festgehalten worden ist, daß sie keine Sendeverfehlung begangen hätten, sondern man und frau sie einfach nur loswerden wollte, zeigt, daß die politische Kultur von Radio Darmstadt zenureske Züge trägt. Erst ein Machtwort der hessischen Landesmedienanstalt konnte diesen rechtswidrigen Zustand neun Monate später beenden. Wo war hier die Toleranz?
Es ist so: Der Zwang zur Konformität gibt sich tolerant und landet im Takt der Mainstream-Musik, die der Sendeloch-Computer vorgibt, beim Opportunismus. Ich empfehle Rüdiger G., Herbert Marcuses Analyse der repressiven Toleranz einmal in Bezug auf sich und seinen Verein erneut zu lesen. Lesen bildet. Manchmal stellt sich sogar eine Erkenntnis ein, die man (und frau) lieber nicht wahrhaben will.
Genug davon! Fahren wir fort im Programm. Am 15. Juli fällt die Kinosendung „Movietime“ wieder einmal aus; die Wiederholung des Vorabendprogramms läuft einfach weiter. Bis Anfang 2007 hätten noch ein Chef oder eine Chefin vom Dienst die Situation geklärt. Doch der Vorstand hatte Volkes Stimme gehört und den ungeliebten, aber notwendigen Dienst nach zehn Jahren abgeschafft und durch Nichts ersetzt. Folglich wird tags darauf die Wiederholung wiederholt, was den Radiowecker-Redakteur Christian K. derart verunsichert, daß er ein falsches Tagesprogramm ansagt, es jedoch richtig einspielt. Die Kinowelt des Peter F. ist auf der Webseite von Radio Darmstadt ohnehin nicht zu finden. Schlamperei. Es ist ohnehin nicht die einzige Sendung, die hinter dem aufgemotzten Typo 3-Outfit nicht zu finden ist. Da hat sich ein Spielkind eine Beschäftigung verschafft, nur vergessen, daß der Content nicht von selbst fließt. Bemerkenswert daran ist, daß selbst die Seiten des Vorstandes von selbigem nicht gepflegt werden. Daß sich dahinter das unausgesprochene Eingeständnis verbirgt, tatsächlich auch über keine Inhalte zu verfügen, ist hingegen nur ein böswilliges Gerücht …
Der Stimme der Architektur ist am selben Abend (angeblich) der Gesprächspartner abhanden gekommen, weshalb die Redaktionsgruppe ein Telefoninterview über „Bauen in Afghanistan“, gesendet am 18. Februar 2009, noch einmal einspielt.
Tags darauf, am 16. Juli, wird der zweite Teil der Hörzeitung aus unbekanntem Grund gegen 20.30 Uhr mitten in der Sendung einfach abgebrochen und durch ein kleines Sendeloch, gefolgt von der Mainstream-Musik-Rotations-Berieselungs-Maschine, ersetzt.
Auf der Juli-Sitzung des Programmrats von Radio Darmstadt wird das offensichtliche Scheitern der vor zwei Jahren eingeleiteten Programmreform eingestanden. Beklagt worden war aus der Musik- und der Unterhaltungsredaktion, daß ihre Sendungen an den Tagesrand (bzw. Nachtrand) abgedrängt worden wären. Allerdings mußte erst die Sprecherin der Auslandsredaktion Klartext sprechen. Sie nannte den wirklichkeitsfremden Versuch, das Programm vielfältig inhaltlich aufzublähen, „zwanghaft“. Während der Programmrat nicht einmal in der Lage sei, die Kernzeit des Programms, also die für die Wiederholung aufgezeichnete Schiene zwischen 17.00 und 23.00 Uhr, zu füllen – mehrere Sendelöcher waren die Folge –, palaverte er monatelang über eine Ausweitung des Programmschemas um zwei oder drei Stunden in den Nachmittag hinein. Eine Psychoanalytikerin anstelle der Redaktionssprecherin hätte vermutlich genauer von einer Zwangsneurose gesprochen. Ich sehe darin eine Vermeidungsstrategie, sich ernsthaft den Anforderungen zu stellen und einer Debatte um den selbstzerstörerischen Kurs des Vereins und seines Senders auszuweichen. Einmal stand die Sendelizenz ja schon deswegen auf der Kippe.
Ausgangspunkt der programmlichen Überlegung war, die leider tolerant zu erduldenden Sendungen von drei mit Hausverbot belegten Personen in ein sogenanntes „Offenes Haus“ in die Nachmittagsstunden abzuschieben. Die Sendungen dieses „Offenen Hauses“ sollten nicht wiederholt werden. Dies, so erhoffte man und frau sich vermutlich, würde die Lust am Einreichen von Sendungen für eine Sendezeit, in der ohnehin kaum eine oder jemand zuhört, derart schmälern, daß die drei Personen endlich aufgeben. Das Vorstandsmitglied Benjamin Gürkan beantragte folgerichtig im Vorgriff auf diese Entscheidung im Dezember 2007 den montäglichen Sendeplatz der Redaktion Alltag und Geschichte für eine eigene Mediensendung. Weil: der Sendeplatz stünde ihm zu.
Dynamisiert wurde diese Überlegung dadurch, daß die Sendelizenz von Radio Darmstadt zunächst nur befristet verlängert worden war. Man und frau sah sich unter Zugzwang, die eigene Relevanz zu belegen. Wenn man und frau nachweisen könne, so der zugrunde liegende Gedanke, daß man und frau eine programmliche Vielfalt abdecke, welche die Sendungen der aus dem Haus Verbotenen ersetzen, dann hätte die LPR Hessen keinen Grund mehr, die Zugangsoffenheit zu bezwerifeln. Die Lizenz zum Weitersenden wäre gesichert.
Also fingen die Damen und Herren des Programmrats an, Gedanken zu einer neuen Programmstruktur zu entwickeln. Mehr Inhalte bedeutet mehr Sendezeit, also eine Ausweitung des Programms. In diese Gedanken wurden die vorangegangenen Überlegungen zum „Offenen Haus“ integriert. Weiterhin solle das Programm auch nach außen transparenter werden, weshalb Informations-, Musik- und Unterhaltungs-Schienen erdacht wurden, die – so der allerwichtigste Punkt – mit unterschiedlichen Farbtönen im Programmflyer kenntlich gemacht werden sollten. Doch hier fing der Streit an. Kann eine Unterhaltungssendung Informationen verbreiten? Was unterscheidet Musik von Unterhaltung? Und wo sortiert man und frau die Sendungen der Migrantinnen und Migranten ein? Und so wurden Konzepte hin und her geschoben, ohne die Belange und Bedürfnisse der rund 150 sendenden Vereinsmitglieder zu erfragen, gar zu berücksichtigen. Offensichtlich saß der Stachel der Kritik am gesendeten Programm derart tief, daß man und frau durch vielfältige virtuelle Aktivitäten die reale Misere bekämpfen zu können glaubte. Allein – der Zustrom neuer Sendender ist seit drei Jahren ein karges Rinnsal, während an anderer Stelle Sendungen wegbrechen, und zwar nicht an irgendwelchen Rändern, sondern erstmals in der Sendergeschichte im Herzen des Programms.
Auf der Programmratssitzung am 13. Juli kam das Eingeständnis: ein neues Sendeschema ist derzeit nicht durchsetzbar. Diese Erkenntnis scheint sich auch bis zum Vorstand durchgesprochen zu haben. Die durch unsinnige Schemadiskussionen gebundene und nun frei werdende Energie könne man und frau doch für die Verbesserung der Programmqualität nutzen. Das mag sein. Allerdings ist der Programmrat in seiner zwölfjährigen Geschichte in dieser Hinsicht kaum tätig gewesen. Kein Wunder, daß er im September 2006, gelinde gesagt, seltsame Sendekriterien verkündete und im Januar 2008 sich mangels eigener Vorstellungen neue diktieren ließ. Insofern ist es wenig verwunderlich, wenn vorgeschlagen wurde, die Lücken des Programms mit Beiträgen aus dem Audiopool des Bundesverbandes Freier Radios zu füllen. Deutlich bringt der Programmrat hiermit zum Ausdruck, daß er angesichts nicht vorhandener eigener Programminhalte kapituliert.
Benjamin Gürkan schlägt vor, gute Inhalte zu kaufen. Er will bewährte Sozialtechniken aus der Welt des brutalen kapitalistischen Managements nutzen, um aus den Beschäftigten – bzw. hier: den Sendenden – mehr Leistung herauszuholen. Besonders gute Sendungen sollen als Motivationsanreiz mit einem Preis prämiert werden. Ich frage mich, wer von den Qualitätsexperten, die auch drei Jahre nach ihren einfältigen Sendekriterien keine Qualität haben hervorbringen können, soll denn die besonders hitverdächtigen Sendungen bewerten und belohnen? Geht das über Seilschaften, Wohlverhalten oder Freundschaften, gar: wer mag wen (nicht)? Oder wird Gürkan dem Programmrat auch diesmal Kriterien diktieren, die quasi-objektiv „Qualität“ benennen? An die Stelle der kollektiven, von einem gemeinsamen Interesse geleiteten Diskussion tritt das Geld (oder ein Äquivalent). Auf die hieraus resultierende Neiddebatte im Sendehaus bin ich ja jetzt schon gespannt …
Auch an anderer Stelle wird die Misere deutlich. Auf der Webseite des Senders wird dringend dafür geworben, mit eigenen Sendeideen zu Radio Darmstadt zu kommen. Noch vor einigen Jahren war der Zustrom neuer Sendender ein Selbstläufer, wozu nicht zuletzt die Vielzahl der von der Radiowecker-Redaktion angebotenen Praktika beigetragen hatte. Doch diese Redaktion wurde plattgemacht, deren Mitglieder vertrieben; Praktika gibt es seither nicht mehr. Wer wollte sie auch anbieten, selbst auf dem lächerlichen Niveau des sendereigenen Projektwochenradios?
Gleichzeitig werden die im vergangenen Jahr angeschafften Taschen mit dem Logo des Senders verramscht. Gut informiert, wie der Sender zuweilen ist, beginnen bei ihm Sommer und Badesaison am 10. Juli, vermutlich nach Steubenplatziger Sommerzeit. Es scheint so, als sähen die Sendenden nicht ein, für den eigenen Sender offensiv mit einer blauen umgehängten LKW-Plane zu werben [7]. Was also tun? Der Sender will offensiv in die Öffentlichkeit gehen und stellt sich von August bis Oktober an jedem Samstag demonstrativ drei Stunden lang auf den Luisenplatz. Der Stand soll von Redaktionsmitgliedern besetzt werden. Mal sehen, ob die Verantwortlichen es schaffen, ihre eigenen Mitglieder zu motivieren. Als die Lizenz aller hessischen nichtkommerziellen Lokalradios 2006 zur Disposition stand, schaffte man und frau es gerade ein einziges Mal, derart öffentlichkeitswirksam präsent zu sein. Seit einiger Zeit ist es immer wieder dieselbe kleine Clique, die – wenn überhaupt – nach außen geht. Die restlichen 95% interessiert das nicht die Bohne. Wahrscheinlich wird der Verein seine relativ schlecht bezahlten Hauptamtlichen zum Arbeitsdienst [8] abstellen müssen. Denn die Motivation im Sendehaus, über den Tellerrand der eigenen Sendung hinauszuschauen, ist bekanntermaßen nahe am Nullpunkt angelangt. Das ist keine bissige Bemerkung meinerseits, das wird durchaus offen im Sender selbst so gesehen.
Wir dürfen gespannt sein, wie der Programmrat aus diesem Desaster Qualität hervorzaubern will. Wenn er sich einmal selbst ehrlich im Spiegel anschaut, sollte er wegen erwiesener Nutzlosigkeit abtreten. Aber was wird dann aus Ralf D.?
Kommen wir zu den News. News sind wichtig, denn sie suggerieren Aktualität. Bei Radio Darmstadt kann es schon einmal vorkommen, daß die zu Sendungebeginn schnell aus dem Internet zusammengestoppelten Neuigkeiten schon etwas älter sind. Patina angesetzt hat jedenfalls die Nachricht, die uns in der Spieleshow In-Game am 11. Juli als „News“ vorgesetzt wird. Hierbei handelt es sich um eine Online-Petition gegen das Verbot von Action-Computerspielen vom 5. Juni 2009. Einen Monat später hat sich diese Neuigkeit sogar bis ins Sendehaus herumgesprochen, weshalb sie gleich frisch über den Äther geblasen wird. Allerdings scheint der Redakteur – Entschuldigung, hochtrabend von „Chef-Redakteur“ Nils P. als „Newschef“ angepriesen – Dennis L. nicht ganz verstanden zu haben, um was es geht, denn er erzählt uns, und das nicht abgelesen, wenn auch arg stockend, in seinen eigenen Worten:
„Wie der Name schon sagt, würde diese Petition, sollte sie im Bundestag verabschiedet werden, hätte halt natürlich zur Folge, daß sämtliche Actionspiele im deutschen Raum verboten werden würden.“
Ob das so stimmen kann? Egal. Bei Radio Darmstadt kommt es bei so vielen Möchtegern-Chefs auf den Newshype an, nicht darauf, ob die Nachricht auch richtig vermittelt wird. Zum einen Ohr rein, zum anderen raus. Wozu dann noch genau lesen und nacherzählen? Ob Günter Mergel hier eine Bildungslücke schließen kann? Immerhin wird er seit dem 6. Juli als Mitglied des Spiele-Redaktionsteams geführt.
In der Nacht darauf hören wir die DJ-Zone bzw. eine Techno-Konserve. Diese wird im Verlauf der Nacht gestartet und endet wenig verwunderlich um 10.19 Uhr in einem Sendeloch. Tja, so ist das eben, wenn die eine Fraktion davon ausgeht, daß am Sonntagmorgen eine türkische Sendung beginnt, nur die Redakteurin der Sendung aka Hacer Y. nichts davon weiß, weil sie im Urlaub weilt. Wie gut, daß auf dem Computer noch einhundert Hits am Stück schlummern …
Groß aufgemotzt kommt zwei Wochen später (also am 25. Juli) die Spieleshow erneut daher, deren Chefs wir ja schon kennengelernt haben. Heute erfahren wir, daß es auch einen Personalchef gibt, das ist so ein 18-jähriges Bürschchen. Viele Chefs, aber kein Fußvolk. Mit geheimnisvollem Tonfall stellen sie ihre großartige neue Webseite vor, die auch drei Wochen später immer noch aus einer einzelnen schnell zusammengestoppelten Startseite besteht.
Nun gehört das heutzutage dazu, wenn man und frau der Welt großkotzig entgegentritt. Viel Schaum um wenig Inhalt. Verkaufsstrategie. Weshalb aber die zuhörenden Kids aufgefordert werden, sich eine Seite anzuschauen, die de facto inexistent ist, wissen wohl nur die Spielegötter. Für die nächsten 14 Tage wurde schon einmal viel Content versprochen, aber bei der Sommerhitze scheinen die Bits und Bytes im Datennirvana verdampft zu sein. Kommt vielleicht noch.
Ok, nun zu den Inhalten der Sendung. Die gibt es tatsächlich, auch wenn sich im Verlaufe der Sendung herausstellt, daß der Heise-Newsticker eine brauchbare Ablesequelle abgibt. Mir liegt hierzu eine Mitteilung des Heise-Verlags vor, daß er derartige Vorleseübungen der Herren „In-Game“-Redakteure als eine Urheberrechtsverletzung betrachtet. Zudem gibt es Spieleberichte, die zwar zum Teil abgelesen sind, aber im Internetabgleich keinen direkten Treffer brachten. Vielleicht sind sie ja ausnahmsweise einmal mit eigener Feder verfaßt.
Zum Schluß weist uns Nils P. noch auf seine Nachtsendung, die DJ-Zone, hin, die zwei Stunden später jedoch ohne Erklärung ausfällt. Offensichtlich hat das nächtliche Technogedudel Schwierigkeiten mit dem Durchhaltevermögen. Auf der Programmratssitzung im August wird der Sendeplatz der „DJ-Zone“ von der Unterhaltungsredaktion daher auch zurückgegeben werden.
Das Programm eines nichtkommerziellen Lokalradios gestaltet sich naturgemäß anders als das des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder eines kommerziellen Dudelsenders. Insbesondere ist nicht immer gewährleistet, daß mit Ende der einen Sendung notwendigerweise auch die nächste beginnt. Vor allem an den Sollbruchstellen beim Übergang zum zu wiederholenden Programm schleichen sich mannigfaltige Fehlerquellen ein, die – weil die nachts Sendenden auf sich allein gestellt sind, auch weidlich ausgenutzt werden. Hilfestellungen gibt es selten, und wenn die Technik mal wieder nicht so will wie sie soll, dann erleben wir Improvisationen, die mal sinnvoll sind und mal nicht. Das alles wäre kein Problem, wenn eine ordnende Hand eingreifen und für Aufklärung sorgen würde, aber auch hier weht der neue Wind im Sendehaus, dem es egal ist, wie die Sendenden mit den Tücken der Sendetechnik und Programmgestaltung klarkommen. Hauptsache, wir können Gas geben und mit neuen schnuckeligen Technikapparaturen spielen!
So kommt es häufiger vor, daß der Start des auf dem Computer vorliegenden Wiederholungsprogramms nicht funktioniert, sei es weil er abgestürzt ist, sei es weil eine Leitung nicht geschaltet ist, oder sei es gar, weil die Sendenden glauben, etwas stimme nicht, obwohl alles in Ordnung ist. Dies geschieht beispielsweise, wenn das Liveprogramm um 17.00 Uhr mit einem Sendeloch beginnt und der oder die zuletzt Sendende glaubt, aus dem Wiederholungs-Computer käme kein Signal. So hören wir um Mitternacht der Nacht vom 16. zum 17. Juli nicht etwa die erste zu wiederholende Stunde, sondern steigen gleich in die zweite ein.
In diesem konkreten Fall kann dies jedoch auch daran liegen, daß die Wissenschaftsredaktion vor Monaten die Parole ausgegeben hatte, die Wiederholungen sollten pünktlich um 23.00 Uhr starten und nicht erst, wenn die Nachrichten des Deutschlandfunks verklungen sind. Der Sinn ist, daß ganz Programmflyer-konform zu jeder vollen Stunde eine neue Sendung beginnt und nicht erst fünf oder zehn Minuten später. Allerdings stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, um 23.10 Uhr nach Ende der Nachrichten mitten in eine Wortsendung hineinzuplatzen. Nicht bei allen Sendenden war nun angekommen, daß diese eigenmächtige Wiederholungsregelung nicht vom Programmrat autorisiert war, weshalb es jetzt hier so gewesen sein könnte, daß die Redakteure der Sendung 12 Zoll sich gedacht haben, die Wiederholung im Hintergrund ihrer noch bis Mitternacht laufenden Sendung schon um 23.00 Uhr zu starten und logischerweise dann pünktlich zu Beginn der zweiten wiederholten Sendestunde den Regler hochgezogen haben.
Ich gebe zu, das ist alles schwer zu verstehen. Aber ich habe die Erfahrung machen müssen, daß bei Radio Darmstadt derart krumm um die berühmten drei Ecken gedacht wird, daß sich einer oder einem der Sinn (oder Unsinn) einer Maßnahme nur durch detektivischen Scharfsinn erschließt.
Nun wäre das alle vielleicht keiner Rede wert, wenn nicht ausgerechnet die Nachtschiene ein Tummelplatz mannigfaltigster Kapriolen wäre. Wenn nämlich der Wiederholungscomputer tatsächlich kein Signal liefert oder ein Sendender glaubt, dem wäre so, dann setzt hektische Betriebsamkeit ein. Es werden die auf einem anderen Computer aus Gründen der Programmdokumentation aufgezeichneten Audiodateien heruntergeladen und zu einem Sechsstundenblock (Wiederholung der Sendungen von 17.00 bis 23.00 Uhr) zusammengestellt. Wenn hierbei vergessen wird, den Repeat-Modus einzustellen, kommt es häufiger vor, daß nach besagten sechs Stunden am frühen Morgen die Wiederholung des Vorabendprogramms im Nichts endet. Die Folge: ein Sendeloch – und der Rest ist Rumgedudel. So geschehen beispielsweise am Morgen des 24. Juli. Nun mag das nachts sowieso keine und niemand hören oder als störend empfinden, aber sinnfrei ist es dennoch. Früher hörten des Nachts Taxifahrer und Krankenschwestern gezielt Radio Darmstadt, weil es dort weder einschläfernde Musikteppiche noch sinnfreie Wiederholungszerstückelungen gab. Aber das interessiert unsere technikbegeisterten Spielkinder schon deshalb nicht, weil sie von sich auf andere schließen und deshalb denken, alle finden das genauso toll wie sie. So hört es sich dann auch an.
Sehr wissenschaftlich hörte sich das Programm der Redaktion am 17. Juli an, als sie bar jeden Inhalts lieber Musik spielte. Dieses Selbstverständnis scheint die Redaktion auch in Zukunft pflegen zu wollen, weshalb sie auf der Programmratssitzung noch mehr derartigen Sendeplatz zu akquirieren gedachte. Daß es sich bei diesem Sendeplatz um einen Sendeplatz einer Wortredaktion handelt, paßt ins Bild. Wort ist blöd, wir spielen lieber Musik. Ist ja auch praktischer: das erspart uns die Suche nach Inhalten, die wir ansonsten mühselig aus dem Internet vorlesen müßten. Aber auch hier lauert die Tücke im Objekt. Mal will der Computer mit den unzähligen Hits am Stück keinen Ton von sich geben, mal ein lange nicht gewarteter CD-Spieler. So verkündet ein Wissenschaftsredakteur leicht konsterniert am 17. Juli so gegen 22.47 Uhr. „Sorry, der CD-Player springt gerade nicht an.“
Tags (bzw. korrekt: nachts) darauf gibt es keine DJ-Zone. Da am folgenden Sonntagmorgen auch keine türkische Moderatorin im Sendehaus ist, wird halt das Abendprogramm solange wiederholt, bis dann doch irgendwann einmal jemand im Sendehaus erscheint.
Aurel J. läßt in seinem „Offenen Haus“ am Dienstag, den 21. Juli, ab 17.00 Uhr eine Konserve einspielen, doch die stellt sich als zwei Minuten zu kurz heraus. Die Redakteurin der nachfolgenden Sendung mußte aus familiären Gründen ihre Sendung ebenfalls vorproduzieren und bat im Büro deshalb darum, sie um 18.00 Uhr zu starten. Clever, wie die Büroangestellte nun war, startete sie zur Überbrückung der fehlenden beiden Minuten diese Sendung schon um 17.58 Uhr. Weniger clever, dafür sinnfrei war hingegen ihre Entscheidung, die vorproduzierte CD noch einmal pünktlich um 18.00 Uhr zu starten. Die geneigte Hörerin wird sich wohl gedacht haben, hier hat die Sendende wohl einen Sprung in der Schüssel. Dabei hätte es vollkommen ausgereicht, diese beiden Minuten mit dem Abspielen einer der vielen im Sendehaus herumfliegenden Musik-CDs zu überbrücken. Das wäre angesichts eines sich im Sender etablierenden Mainstream-Gedudels doch gar nicht aufgefallen.
Am 22. Juli hören wir vier Stunden lang ab 19.00 Uhr zunächst eine polnische und dann eine afghanische Sendung. Obwohl: wir hätten sie hören sollen, die afghanische Sendung, aber seltsamerweise erschienen die beiden Moderatorinnen nicht. Die polnische Moderatorin wußte sich wohl auch nicht so recht zu helfen und verließ das Sendehaus, mit der Folge eines Sendelochs. So hörten wir anstelle interessanter afghanischer Musik den Dudelautomaten, ehe um 23.00 Uhr tatsächlich wieder reguläres Programm erschall. Das Sendeloch gegen 21.13 Uhr wurde natürlich wiederholt und führte zu gewissen konfusen Reaktionen. Unterhaltungsredakteur Christian K. erkannte bei der Vorbereitung seines Radioweckers am Donnerstagmorgen ein Problem und startete um 4.25 Uhr die Wiederholung neu. Eine hingegen unbekannt gebliebene Person machte ihr konfuses Unverständnis öffentlich, als sie mit mehrmaligem Neustart und öffentlichem Vorspulen versuchte, einen sinnvollen Neubeginn zu finden. Woher sollte sie auch vom Sendungsausfall am Abend zuvor erfahren haben? Im Sender wird ja nicht miteinander kommuniziert.
Erschwerend kam hinzu, daß am besagten Donnerstag (23. Juli) um 16.04 Uhr das Sendesignal für etwas mehr als zwei Stunden abgeschaltet wurde, vermutlich im Vorgriff auf den Umzug der Sendeanlagen an einen neuen Standort. Also rauschte es bis um 18.14 Uhr mitten in ein aufgezeichnetes Gespräch mit Mohssen Massarrat hinein. Allerdings scheint es sich um eine Notsendung gehandelt zu haben, denn sie wurde schon einmal am 11. Juni ausgestrahlt.
Weshalb der Musikredakteur der letzten Livesendung die Audiodateien vom Dokumentationscomputer holte und nicht die Wiederholung einfach startete, weiß nur er allein. Ich habe den Eindruck, daß manche Redakteure der Musikredaktion aus allzu leidvoller Erfahrung der Technik des Wiederholungscomputers nicht vertrauen, weil er häufiger nicht funktioniert hat. In diesem Fall hat das fatale Folgen. Während der Wiederholungscomputer die Sendungen so aufgezeichnet hatte, wie sie aus den Studios zur Sendeantenne geschickt wurden, zeichnet der Dokumentationscomputer das gesendete Programm auf, so wie es andernorts im Radio zu hören ist. Hätte der Redakteur den Wiederholungscomputer gestartet, hätte es kein aufgezeichnetes Rauschen gegeben, so hingegen mußte der Redakteur das Ende des Rauschens finden, um von dort an die Wiederholung zu starten. So platzen wir also in das Gespräch mit Mohssen Massarrat hinein. Peinlicherweise vergaß der Redakteur, die Wiederholungsdateien in eine Repeat-Schleife zu legen, weshalb ein Sendeloch um 3.50 Uhr die Folge war. Bis zum Start des letzten Radioweckers mit Bülent D. dudelte der Sender folglich wieder einmal sinnfrei vor sich hin.
In der Folge fällt um 15.00 Uhr die griechische Sendung aus und um 17.00 Uhr hören wir als „Knackpunkt“ die vierte Folge der Radiofabrik-Sendereihe zu Osteuropa, diesmal zu Tschechien. Irgendeine halbwegs um vier Ecken gedachte Assoziation zu einem aktuellen Thema ist hier nicht zu erkennen. Statt dessen wird irgendeine Konserve eingelegt. Die Sinnfreiheit des Programms erfährt nach dem „KultTourKalender“ eine Fortsetzung, als der Techniker der Kultursendung anstelle des ausfallenden Gelabers mit Silke und Koray eine Konserve mit Natalie B. einlegt. Aus dramaturgischen Gründen, die nur dieser Techniker – es handelt sich um Ralf D. – versteht, startet er eine Viertelstunde später eine andere Konserve, wiederum moderiert von Natalie B. So dürfen wir dann um 19.16 Uhr die Ansage hören, es sei 19.00 Uhr, was uns schon gar nicht mehr erstaunt, denn wir wissen ja, daß am Steubenplatz auch der Sommer erst am 10. Juli beginnt. Das sinnfreie Konservenprogramm findet seine Fortsetzung, als die zweistündige Konserve in einem Sendeloch endet. Hier hätte eigentlich eine Spätausgabe von „Evrenselin Sesi“ zu hören sein sollen, der zuständige Redakteur war jedoch etwas verpeilt und gar nicht in Darmstadt.
Tags darauf (26. Juli) litt die Klassik-Sendung der Kulturredaktion unter starken Verzerrungen im Höhenbereich. Klassische Musik ist eben weder Mainstream-Gedudel noch Techno, sondern ein Fremdkörper; und entsprechend nachlässig gehen die Techniker des Senders mit den Bedürfnissen auch der Sendenden um, die nicht zu ihrer eigenen Zielgruppe gehören.
Am 29. Juli sendet Peter F. seine Kinosendung „Movietime“ in geradezu außerirdischer Mikrofonqualität, was beweist, daß die Standards bei Radio Darmstadt inzwischen nach unten absolut offen sind. Und so jemand bildet die neu zum Sender kommenden Redakteurinnen und Moderatoren aus! Eine Stunde später beschwert sich Kulturredakteur Christian K, zurecht über die nicht gewarteten CD-Spieler und erklärt, als das Gerät den falschen Track anspielt: „Der CD-Player macht mal wieder Springprozessionen.“
Von einer besonderen Genialität muß der Mensch im Sendehaus befallen gewesen sein, dem es gelungen ist, eine zweistündige Sendung zum nationalsozialistischen Völkermord an den europäischen Sinti und Roma durch Dudelfunkmusik zu begleiten. Wieder einmal wurde eine zwangsweise auf CD eingereichte vorproduzierte Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte durch Inkompetenz mißhandelt. Nach Ende der ersten CD hätte die zweite gestartet werden müssen; vermutlich geschah dies auch. Allerdings wurde entweder vergessen, den Regler hochzuziehen, oder der entsprechende Mischpultzug war nicht auf Sendebetrieb eingestellt. Wie auch immer – erst gab es ein kleines Sendeloch und dann die lustigen Hits aus dem Dudelcomputer. Naja, nach knapp acht Minuten hat es dann eine oder jemand auch bemerkt. Immerhin. Aber bei einer solchen Grundeinstellung ist es kein Wunder, daß der Programmrat zwei Wochen später die Konsequenz zog und der Redaktion „Gegen das Vergessen“ den Sendeplatz entzog. Dann muß man und frau sich um einen zum Thema passenden Musikgeschmack keine Sorgen mehr machen.
Wochentag | Datum | Zeit | Ausgefallene Sendung | Redaktion | Ursache | Ersatz |
Freitag | 3. Juli | 21–23 | Open House | Musik | nicht erschienen | Sendeloch-Dudelmusik |
Freitag auf Samstag | 3./4. Juli | 23–7 | Wiederholung | Musikredaktion nicht erschienen | Sendeloch-Dudelmusik | |
Samstag | 4. Juli | 9–11 | Lichtblick | Ausland | Urlaub | Wiederholung |
Samstag | 4. Juli | 13–15 | Wiederholung Open House | als Sendeloch aufgezeichnet | Sendeloch-Dudelmusik | |
Samstag auf Sonntag | 4./5. Juli | ab 23 | DJ-Zone | Unterhaltung | nicht erschienen | Start der Wiederholung vorgezogen |
Sonntag | 5. Juli | 11–13 | Una Domenica Italiana | Ausland | Urlaub | Fortsetzung Radara Yakalananlar |
Sonntag | 5. Juli | 15–17 | Parathiro me thea | Ausland | nicht erschienen, fehlerhafte Programmierung der vorangegangenen Wiederholung | Sendeloch-Dudelmusik |
Sonntag | 5. Juli | 18–19 | RadaR Sportplatz | Sport | kein Programm | Auf den Hund gekommen, April 2008 |
Dienstag | 7. Juli | 18–19 | Knackpunkt | Lokal | nicht erschienen | Konserve Medienforum Münster: Besser Leben, März 2007 |
Mittwoch | 8. Juli | 20–21 | Ganz schön queer | Lokal | berufliche Gründe | Konserve Jazz mit Ralf, gesendet bei Radio Unerhört Marburg am 12. Juli 2003 |
Freitag | 10. Juli | 6–8 | Radiowecker | Unterhaltung | berufliche Gründe | Wiederholung läuft weiter |
Freitag | 10. Juli | 15–17 | Radio Akroama | Ausland | Urlaub | Wiederholung läuft weiter |
Freitag | 10. Juli | 19–20 | Indianapolis | Unterhaltung | nicht erschienen | 2. Sendestunde einer zweistündigen „ganz speziellen Sondersendung“ zum Thema Summertime |
Mittwoch | 15. Juli | 17–18 | Movietime | Unterhaltung | nicht erschienen | Wiederholung läuft weiter |
Mittwoch | 15. Juli | 21–23 | Stimme der Architektur | Kultur | unbekannt | Wiederholung der Sendung vom 18. Februar 2009 |
Donnerstag | 16. Juli | 5–6 | Wiederholung | fehlerhafte Programmierung | Sendeloch-Dudelmusik | |
Freitag | 17. Juli | 6–8 | Radiowecker | Unterhaltung | berufliche Gründe | Wiederholung läuft weiter |
Freitag | 17. Juli | 15–17 | Radio Akroama | Ausland | Urlaub | Wiederholung läuft weiter |
Freitag | 17. Juli | 17–18 | Verkehrspolitik, Tausch mit Knackpunkt | Lokal | persönliche Gründe bzw. nicht erschienen | Konserve der Radiofabrik Salzburg zum EU-Beitritt Polens vom April 2004 |
Samstag | 18. Juli | 9–11 | Lichtblick | Ausland | Urlaub | Wiederholung |
Samstag auf Sonntag | 18./19. Juli | ab 23 | DJ-Zone | Unterhaltung | nicht erschienen | Start der Wiederholung vorgezogen |
Sonntag | 19. Juli | 9–11 | Radara Yakalananlar | Ausland | Urlaub | Wiederholung läuft weiter |
Mittwoch | 22. Juli | 21–23 | Hamawass | Ausland | unbekannt | Sendeloch-Dudelmusik |
Donnerstag | 23. Juli | 16.06–18.14 | Sender abgeschaltet | Rauschen | ||
Donnerstag | 23. Juli | 18–19 | treffepunkt eine welt | t1w | unbekannt | Wiederholung der Sendung vom 11. Juni |
Freitag | 24. Juli | 15–17 | Radio Akroama | Ausland | Urlaub | Wiederholung läuft weiter |
Freitag | 24. Juli | 18–19 | Knackpunkt | Lokal | nicht erschienen | Radiofabrik Salzburg: 4. Folge: Tschechien (Konserve, 2004) |
Freitag | 24. Juli | 19–21 | Silkes und Korays Welt | Unterhaltung | nicht erschienen | Woman Power (Konserve) |
Freitag | 24. Juli | 21–23 | Evrenselin Sesi | Alltag und Geschichte | nicht erschienen | Sendeloch-Dudelmusik |
Samstag auf Sonntag | 25./26. Juli | 23–9 | DJ-Zone | Unterhaltung | nicht erschienen | manipulierte Wiederholung mit Bevorzugung von „In-Game“ |
Sonntag | 26. Juli | 9–11 | Radara Yakalananlar | Ausland | Urlaub | Wiederholung läuft weiter |
Sonntag | 26. Juli | 21–23 | nicht vergeben | Programmrat | Programmrat fragen | eine Art Spezialausgabe von Area 64 |
Montag auf Dienstag | 27./28. Juli | 21–6 | nachträglich vergeben | Unterhaltung | falsch programmiert | „Eine ganz spezielle Sondersendung“ zum Thema Sommer, Sonne und Urlaub, die ganz speziell neun Stunden lang hintereinander wiederholt wurde. |
Dienstag | 28. Juli | 18–19 | Dengê Ferat | Alltag und Geschichte | Urlaub bzw. nicht erschienen | Wdh. Hörzeitung Feuilletonteil |
Dienstag | 28. Juli | 22–23 | Gospelrock | Musik | abgesprochener Tausch | Country pur |
Donnerstag | 30. Juli | 21–23 | nicht vergeben | Programmrat | Programmrat fragen | Jazz mit Ralf, am 8.5.2004 und 12.6.2004 bei Radio Unerhört Marburg gesendete Konserven |
Freitag | 31. Juli | 15–17 | Radio Akroama | Ausland | Urlaub | Wiederholung läuft weiter |
Wochentag | Datum | Zeit | Ausgefallene Sendung | Redaktion | Ursache | Ersatz |
»» [1] Ich weiß: mittels steht mit Genitiv. Aber ohne das Endungs-n klingt es einfach falsch. Natürlich läßt sich das Problem auch durch die Konstruktion „mithilfe von“ umgehen, womit der Dativ auch ganz offiziell eingeführt würde, zumal der Genitiv auch im Deutschen ein aussterbender Kasus zu werden scheint.
»» [2] Das soll nicht heißen, daß Radio Darmstadt voll und ganz auf Mainstream-Linie liegt. Neben den inhaltlichen Feigenblättern wie „Mohnrot“, Sendungen der Redaktion treffpunkt eine welt oder der beiden dezidiert politischen Redaktionen gibt es natürlich auch ein Musikspartenprogramm, das als Nische geduldet wird. Nicht einmal die Unterhaltungsredaktion ist derart eindimensional, obwohl deren Sendungen schon immer erschreckend gequält-fröhlich und Mainstream-dudelig daherkamen. Doch immer dann, wenn Lücken zu füllen sind, wird die Dominanz von Mainstream-Strukturen deutlich, nicht nur bei Sendelöchern. Manche Redaktionen, wie YoungPOWER kultivieren ihren Abklatsch dessen, was sie in den Formatradios gehört haben, bis zum Abschalten. Ich habe mir sagen lassen, daß an einigen Darmstädter Schulen gezielt diese Sendung eingeschaltet wird, um sich über diese Karikatur des Formatradios ohne Format totzulachen.
»» [3] Die Webseite des Senders verspricht uns (Stand Mitte Juli 2009) jede Samstagnacht die DJ-Zone, aber auch hier scheint es Ermüdungs- und Auflösungserscheinungen zu geben. Meist ist es nur noch Nils P., der das Programm aufrecht erhält, seine früheren Kumpels haben sich offensichtlich abgeseilt. Ohnehin besteht die Sendung meist aus einem Liveteil, dem eine zusammengemischte Konserve folgt. Mitunter mixt der residente DJ Nils P. seinen Beats auch noch eine Wiederholung seiner Game Show In-Game unter, damit wir auch im Nachtprogramm eine Chance erhalten, Neuigkeiten zu erfahren, die seine Spielecrew auf fremden Webseiten zum Ablesen vorgefunden hat.
»» [4] Wobei bei diesem Sendeplatz ohnehin nicht klar ist, ob der Sendungsname aus Gewohnheit durch die monatlichen Programmflyer durchgeschleppt wird oder ob hier tatsächlich griechisches Musikprogramm intendiert war. Wie auch immer – offensichtlich fühlt sich hier keine und niemand zuständig, mit der Folge eines aus Ignoranz entstandenen Sendelochs.
»» [5] Diese Behauptung wird auf meinen Dokumentationsseiten zu den Monaten August 2007 bis Januar 2008 eindrucksvoll belegt.
»» [6] Rüdiger G. in seiner Sendung „Politische Kultur“ am 13. Juli 2009. Die Aussage, nur Datterich und ein paar Spießer hätten Darmstadt bewohnt, zeugt von einer wenig durchdachten Geschichtsklitterung. Tatsächlich gab es neben der großherzoglichen Bürokratie und ein paar Krämern auch eine hart um die nackte Existenz kämpfende arbeitende Klasse, die man halt außerhalb der selbstgefälligen Theaterwelt wahrnehmen muß.
»» [7] Vielleicht sollte die Kassenprüfung des Vereins einmal ergründen, wieviele Taschen zu welchem Preis 2008 erworben wurden, und, wieviele Taschen im Juli 2009 als Ladenhüter noch vorhanden sind.
»» [8] Der Begriff stammt nicht von mir, sondern entstammt einem geschichtslos eingebrachten Antrag des Vorstands für eine Mitgliederversammlung Ende 2006. Durch sogenannte „Arbeitsdienste“ sollten die bisherigen CvD-Dienste ersetzt werden. Der Begriff sorgt für einigen Unmut und wurde durch den neutraleren Befriff „Vereinseinsatz“ ersetzt.
Radio Darmstadt ist ein nichtkommerzielles Lokalradio. Sein Trägerverein wurde 1994 gegründet, um eine Alternative und Ergänzung zu den bestehenden öffentlich-rechtlichen und privaten kommerziellen Hörfunksendern aufzubauen. Menschen und Nachrichten, die im ansonsten durchformatierten Sendebetrieb keine Chance auf Öffentlichkeit besaßen, sollten hier ihren Platz finden. Dies galt für politische Fragen, lokale Themen und musikalische Nischen. Ende 1996 erhielt der Verein für ein derartiges Programm die Sendelizenz. Zehn Jahre später läßt sich die Tendenz beschreiben, daß (lokal)politische Themen immer weniger Platz im Darmstädter Lokalradio finden, während die Musikberieselung zunimmt. Zu diesem Wandel gehört, daß Fragen der Außendarstellung („das Image“) ein wesentlich größeres Gewicht erhalten als das Verbreiten journalistisch abgesicherter Tatsachen. Wer diese neue journalistische Ethik nicht mitträgt, wird aus dem Verein und dem Radio hinausgedrängt. [mehr]
Diese Dokumentation geht auf die Vorgänge seit April 2006 ein. Hierbei werden nicht nur die Qualität des Programms thematisiert, sondern auch die Hintergründe und Abläufe des Wandels vom alternativen Massenmedium zum imageorientierten Berieselungsprogramm dargestellt. Der Autor dieser Dokumentation hat von Juni 1997 bis Januar 2007 bei Radio Darmstadt gesendet, bis ihn ein aus dieser Umbruchssituation zu verstehendes binnenpolitisch motiviertes Sendeverbot ereilte. Als Schatzmeister [1999 bis 2001], Vorstand für Studio und Technik [2002 bis 2004] und Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit [2004 bis 2006] kennt er die Interna wie kaum ein anderer. [mehr]
In der Dokumentation werden die Namen handelnder Personen aufgeführt. Damit werden Argumentationsstränge leichter nachvollziehbarer gemacht und Verantwortliche benannt. Zur Klarstellung: Eine Schmähung einzelner Personen oder gar des gesamten Radiosenders ist hiermit nicht beabsichtigt. [mehr]
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