Radio Darmstadt ist ein nichtkommerzielles Lokalradio. Sein Trägerverein wurde 1994 gegründet, um eine Alternative und Ergänzung zu den bestehenden öffentlich-rechtlichen und privaten kommerziellen Hörfunksendern aufzubauen. Menschen und Nachrichten, die im ansonsten durchformatierten Sendebetrieb keine Chance auf Öffentlichkeit besaßen, sollten hier ihren Platz finden. Dies galt für politische Fragen, lokale Themen und musikalische Nischen. Ende 1996 erhielt der Verein für ein derartiges Programm die Sendelizenz. Zehn Jahre später läßt sich die Tendenz beschreiben, daß (lokal)politische Themen immer weniger Platz im Darmstädter Lokalradio finden, während die Musikberieselung zunimmt. Zu diesem Wandel gehört, daß Fragen der Außendarstellung ein wesentlich größeres Gewicht erhalten als das Verbreiten journalistisch abgesicherter Tatsachen. Wer diese neue journalistische Ethik nicht mitträgt, wird aus dem Verein und dem Radio hinausgedrängt. [mehr]
Diese Dokumentation geht auf die Vorgänge seit April 2006 ein. Hierbei werden nicht nur die Qualität des Programms thematisiert, sondern auch die Hintergründe und Abläufe des Wandels vom alternativen Massenmedium zum imageorientierten Berieselungsprogramm dargestellt. Der Autor dieser Dokumentation hat von Juni 1997 bis Januar 2007 bei Radio Darmstadt gesendet, bis ihn ein aus dieser Umbruchssituation zu verstehendes binnenpolitisch motiviertes Sendeverbot ereilte. Als Schatzmeister [1999 bis 2001], Vorstand für Studio und Technik [2002 bis 2004] und Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit [2004 bis 2006] kennt er die Interna wie kaum ein anderer. [mehr]
In der Dokumentation werden die Namen handelnder Personen aufgeführt. Damit werden Argumentationsstränge leichter nachvollziehbarer gemacht und Verantwortliche benannt. Zur Klarstellung: Eine Diffamierung einzelner Personen ist hiermit nicht beabsichtigt. [mehr]
Auf dieser Seite werden die Vorkommnisse des Monats Oktober 2007 dokumentiert.
Die seltsamen Kapriolen des Darmstädter Lokalradios und seines Trägervereins finden eine für den Verein unerfreuliche Resonanz. Die Landesmedienanstalt teilt den Verantwortlichen mit, daß es Probleme mit der Verlängerung der erteilten Sendelizenz gebe. Ein wichtiger Grund hierfür sind die in dieser Dokumentation mannigfach vorzufindenden Probleme im Umgang mit Presserecht, Zugangsoffenheit und technischer Kompetenz. Die interne Diskussion im Lokalradio versucht, die Verantwortung für das Vorgehen der LPR Hessen dem Ende September 2007 aus dem Trägerverein ausgetretenen ehemaligen Vorstandsmitglied Walter Kuhl anzulasten. Dabei hätte der Verein doch gar nichts zu befürchten, wenn alles in bester Ordnung wäre. Doch genau dies ist nicht der Fall. Gerade Walter Kuhl hatte den Verantwortlichen im Verlauf der letzten Monate immer wieder in internen Schreiben und Diskussionen vor Augen geführt, daß die Sendelizenz auf dem Spiel stehe, wenn weiterhin derart verantwortungslos vorgegangen wird. Das für den 6. Oktober anberaumte Strategieseminar des Vereins kommt somit genau zur rechten Zeit. Der Verein wird beweisen müssen, ob er über die notwendige Reife verfügt, aus der von ihm selbst verschuldeten Krise herauszufinden.
Im Gegensatz zu den voran gegangenen Monaten kann diese Dokumentation nur noch begrenzt auf die Darstellung interner Vorgänge zurückgreifen. Dennoch wird auch weiterhin nicht spekuliert, sondern jede einzelne Darstellung ist – notfalls auch vor Gericht – belegbar. Der Autor dieser Dokumentation verfügt zudem seit einigen Monaten über eine eigene komplette Aufzeichung des von Radio Darmstadt gesendeten Programms. Die in der Dokumentation auszugsweise zitierten Programmstrecken können daher ausreichend belegt werden.
Montag, 1. Oktober 2007
Neue technische Scherze
Das gestrige Sendeloch um 23.02 Uhr ruft nach einer Minute Stille die Sendeloch-Erkennung auf den Plan. Irgendwer oder irgendeine muß dies bemerkt haben, denn um 23.17 Uhr wird dann doch noch die vorgesehene Wiederholung gestartet, jedoch nicht vermittels der Stereofiles des Sendecomputers, sondern mit den Monofiles der Dokumentation über das Abspieltool Winamp. Es scheint jedoch so, als habe Winamp nicht richtig verstanden, was zu tun ist, denn nach anderthalb Stunden wird um 0.47 Uhr dem Sportredakteur Bernd S. abrupt das Wort entzogen. Die Wiederholung der Abendsendungen wird wieder von vorne gestartet. Wiederum anderthalb Stunden später dasselbe Spiel. Die dritte Wiederholung endet um 3.46 Uhr, doch nun werden wir mit Stille beglückt. Das kann die Sendeloch-Erkennung nicht auf sich beruhen lassen, weshalb Radio Darmstadt sich als erstklassiger Dudelsender outet. Die einprogrammierte Playlist scheint jedoch nicht auf stundenlang zu überbrückende Sendelöcher eingestellt zu sein, denn um 8.02 Uhr endet die Dudelei mit einem erneuten Sendeloch. Die Sendeloch-Erkennung erkennt nach einer Minute das von ihr selbst ausgelöste Sendeloch und startet das Dudeln mit einer neuen Playlist. Um 10.46 Uhr wird erstaunlicherweise wiederum Winamp mit der Fortsetzung des um 3.46 Uhr unterbrochenen Programms gefüttert.
Diesen Winamp-Neustart nutzt unsere Technikbastelcrew, um den von ihr im Februar und März angerichteten Schaden zu vervollkommnen. Beim Einbau der Sendeloch-Erkennung wurde nämlich nicht nur ein Stereokanal angezapft, der seither deshalb nur mit halber Lautstärke zu hören ist, sondern es wurde zusätzlich das innovative Feature einer Brummschleife auf diesem Kanal zugeschaltet. Heute nun paßt ein Techniker die Kanalbelegung der Vorgabe des Schaltplans an, so daß nun nicht mehr der rechte, sondern der linke Kanal der schwächere ist. Zugleich wird die Brummschleife auch dem anderen Stereokanal zur Verfügung gestellt. Und, als wenn dies noch nicht genügend Unfug wäre, wird auch noch der digitale Ausgang aufgedreht, so daß ein übersteuertes Signal zur Sendeantenne auf dem Dach der Hochschule Darmstadt geführt wird. Der Sender klingt deshalb wunderlich verzerrt, so als wolle man auch noch die letzten wohlwollenden Hörerinnen und Hörer vergraulen.
Dienstag, 2. Oktober 2007
Kurzzeitgedächtnis
Lokalredakteur Markus Lang startet seinen Knackpunkt mit der Ansage: "Am Mikrofon, hatte ich glaub ich schon gesagt, nochmal: Markus Lang." Hat er aber nicht. Sein Wortbeitrag begann gerade einmal zehn Sekunden zuvor. Schlechte Vorbereitung rächt sich durch Konzentrationsmängel.
Donnerstag, 4. Oktober 2007
Lizenz gefährdet
Ein oder mehrere Vertreter der LPR Hessen sind heute beim Trägerverein von Radio Darmstadt vorstellig geworden. Dem Vernehmen nach ging es um die Verlängerung der Sendelizenz von Darmstadts Lokalradio. Im Gegensatz zu fünf anderen hessischen nichtkommerziellen Lokalradios hatte RadaR e.V. kein Schreiben mit der Aufforderung erhalten, die Verlängerung der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Zulassung zu beantragen [1]. Demnach hat die Versammlung der Landesmedienanstalt auf ihrer letzten Sitzung Ende September befunden, die ihr vorliegenden und in dieser Dokumentation belegten Vorwürfe zunächst zu prüfen. Zudem liege ein alternativer Lizenzantrag der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt vor. Dem Trägerverein von Radio Darmstadt wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Versammlung werde, so heißt es, auf ihrer Sitzung Ende Oktober darüber entscheiden, ob die ausgelaufene Lizenz verlängert wird oder neu ausgeschrieben werden muß. [2]
Freitag, 5. Oktober 2007
Deutschlandfunk sendet auf 103,4 MHz
Angesichts dessen, daß die LPR Hessen gestern ein ernsthaftes Wort mit den Verantwortlichen von Radio Darmstadt gesprochen hat, ist das heute gesendete Programm die Krönung desolater Verhältnisse. Als verantwortliches Vorstandsmitglied hätte ich umgehend dafür gesorgt, daß es keine weiteren Vorfälle mehr gibt, welche die Verlängerung der Sendelizenz gefährden könnten. Doch was geschieht auf Darmstadts Lokalfrequenz?
Nachts um 2.00 Uhr endet die dreistündige eigenwillige, dafür jedoch wichtige und informative Oktoberausgabe von C–Radar. Im Anschluß daran übernimmt der Deutschlandfunk den Sender. Neun Stunden und elf Minuten lang wird anstelle der Wiederholung des gestrigen Abendprogramms das Programm des Deutschlandfunks übernommen.
Um 8.27 Uhr schreibt mir das Vorstandsmitglied Benjamin Gürkan, er lese mit Freuden meine Dokumentation. Vielleicht hätte er statt dessen das Radio einschalten sollen, um den Deutschlandfunk auf der Frequenz von Radio Darmstadt zu empfangen. Der Livestream war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon abgeschaltet und so konnte Benny das Programm in Weiterstadt wohl schlecht empfangen. Anders ist es nicht zu erklären, daß er sich an der hier vorliegenden Dokumentation ergötzt, anstatt schleunigst zum Sender zu fahren und den Deutschlandfunk zu stoppen.
Um 11.11 Uhr gibt es ein einminütiges Sendeloch, ehe die Sendeloch-Erkennung auftragsgemäß Dudelmusik einspeist. Warum nicht spätestens jetzt die Wiederholung des gestrigen Abendprogramms gestartet wird, würde mich schon interessieren. Jedenfalls gibt es anschließend zweieinhalb Stunden Musik, die wir auch auf jedem anderen Sender hören könnten, bevor sich der Sendecomputer mal wieder aufhängt. Da seit der Zerschlagung der Radiowecker-Redaktion im Herbst 2006 sich tagsüber kaum noch eine oder jemand im Sender aufhält, können weder Katharina Mann noch Norbert Büchner den Sender vor sich selbst retten, wie sie dies bis zu ihrem rechtswidrigen Vereinsausschluß im September 2006 immer wieder getan hatten. Also hören wir nun siebzig Minuten lang eine alternative Ausgabe eines Computerhängers [mp3], bis um 14.56 Uhr vier Minuten zu früh die griechische Musiksendung Radio Akroama gestartet wird.
Doch es gibt auch zwei positive Entwicklungen zu vermelden. Erstens: der übersteuerte Sound des Senders wurde auf ein erträgliches Niveau zurückgefahren. Zweitens: die fette Brummschleife an der Sendeloch-Erkennung scheint beseitigt worden zu sein. Nach über sieben Monaten wird auf Druck der LPR endlich gehandelt!
Montag, 8. Oktober 2007
Auf den Hund gekommen?
Nach der Kulturredaktionssendung nickelodeon folgt laut (inzwischen virtuellem) Programmschema der Party Monday. Der Redakteur dieser Sendung hat den Verein jedoch vor etwa einem halben Jahr im Streit verlassen, so daß die Unterhaltungsredaktion in der Pflicht ist, diesen Sendeplatz vielleicht doch einmal mit qualitätsvollem Inhalt zu füllen. Allein, es erscheint keine und niemand. Also bleibt dem Techniker der Kultursendung nichts anderes übrig, als eine Konserve einzulegen. Die Sendung Auf den Hund gekommen scheint sich als Notfallreserve einer gewissen Beliebtheit zu erfreuen, so daß wir nun die Wiederholung der Augustausgabe hören dürfen. Doch auch um 20.00 Uhr erscheint keine und niemand zum Crazy Monday. Ob das jetzt daran liegt, daß der Moderator länger arbeiten muß, oder daran, daß ohne Programmflyer und ohne Programmübersicht auf der sendereigenen Webseite so langsam keine und niemand mehr durchblickt, ist schwer zu sagen. Jedenfalls wird auch diese Stunde mit dem Hundemagazin, diesmal (vermutlich) mit der Maiausgabe, überbrückt, bevor Marc W. einen neuen DJ einführt, der uns zwei Stunden lang minimal techno zu Gehör bringt. Wenn das so weiter geht, wird rund um die Uhr nur noch elektronische Musik gesendet.
In einer E-Mail an seine Vereinsmitglieder hat der Vorstand des Lokalradios Radio Darmstadt (Radar) mitgeteilt, dass die Verlängerung der Sendelizenz gefährdet ist. Grund sei, dass bei der Landesanstalt für privaten Rundfunk (LPR) eine Beschwerde über Radar eingegangen ist, und dass sich ein zweiter Verein namens "Dissent – Medienwerkstatt" gegründet hat, der eine Lizenzierung für Darmstadt anstrebt. Hinter beidem stecken ehemalige Radar-Verantwortliche.
Die LPR hat den Radar-Vorstand dazu aufgefordert, bis kommenden Dienstag, 16. Oktober, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Am 29. Oktober wird die Landesanstalt in einer Versammlung darüber befinden, ob die Sendelizenz in Darmstadt neu ausgeschrieben wird oder ob Radar einen Verlängerungsantrag stellen darf. Der Vorstand ruft die Mitglieder auf, Unterstützungsschreiben von kooperierenden Institutionen zu sammeln und hat bereits ein Strategieseminar abgehalten.
Radar-Vorstand Markus Lang räumt auf Anfrage ein, dass es "eine reelle Bedrohung" gebe. Allerdings sei der Verein im elften Sendejahr etabliert und erfülle alle Voraussetzungen für eine Lizenzverlängerung. Radar erwäge, Strafanzeige wegen Urheberrechtsverletzungen gegen ehemalige Verantwortliche zu stellen, weil sie Sendeinhalte oder Vereinsinterna öffentlich machten, indem sie sie ins Internet stellten oder der Presse zuspielten, so Vorstand Benjamin Gürkan. "Es gibt Leute, die den Verein kaputt machen wollen."
Urheber der Beschwerde ist der ehemalige Vereinsvorstand Walter Kuhl, der im vergangenen Jahr abgewählt wurde, dagegen geklagt hatte, und inzwischen ausgetreten ist. Kuhl macht auch auf seiner Internetseite Waltpolitik.de gegen den Verein mit derzeit rund 600 Mitgliedern mobil.
Er schreibt, dass der Sender bestimmte Kriterien eines nichtkommerziellen Lokalradios nicht mehr erfülle. Als Beispiele nennt er, dass politische Themen immer weniger Platz fänden und die Sendungen zu einem "mainstreamigen Musikberieselungsprogramm" geworden seien. Detailliert listet er technische Pannen auf und hält Versprecher von Moderatoren fest – unter Nennung von Namen. Im Gegenzug lobt er seine eigene Arbeit: Vorkommnisse wie diese seien "in der Amtszeit des Autors dieser Dokumentation nicht vorgekommen".
Kuhl nennt zudem die Namen von vier früheren Programmverantwortlichen, die gegen die Tendenz gestanden hätten, im "Radio eine Abdudelmaschine eigener Musik" zu sehen. Zwei der Genannten sitzen im dreiköpfigen Vorstand des neuen Vereins, der die Lizenzierung anstrebt und sich bereits im Internet präsentiert.
Quelle: Frankfurter Rundschau, 9. Oktober 2007, Ausgabe R3S, Seite 21
Beschimpfungen vermeiden, oder diese (wenn unbedingt notwendig) deutlich als "Kommentar" kennzeichnen [aus den Sendekriterien von Radio Darmstadt, verabschiedet am 11. September 2006]
Die Drohung mit Strafanzeige und Urheberrecht verdeckt, worum es wirklich geht: die Vorstandsmitglieder Markus Lang und Benjamin Gürkan haben ein Interesse daran, Kritik mundtot zu machen. Gerade in der derzeitigen Lizenzierungsphase ist jede kritische Äußerung zu den Verhältnissen bei RadaR e.V. und Radio Darmstadt ein Minuspunkt. Die in dieser Dokumentation benannten Inhalte werden gar nicht erst in Frage gestellt. Statt dessen sucht man sich ein Instrument, wie man Kritik genauso abbügeln kann, wie vereinsintern mit Repression (Vereinsausschluß, Hausverbot, Kündigung, Sendeverbot) gehandelt wurde. Nur ist die Spielzeugwelt von Radio Darmstadt nicht mit der wirklichen Welt da draußen zu vergleichen. Die Regeln der albernen Sendekriterien gelten eben nicht im außerhalb des Senders gültigen Presserecht. Im wirklichen Leben gibt es eben einen wirklichen Journalismus neben dem aufgeblasenen Imagejournalismus der Sendekriterien.
Besonders widerlich finde ich, daß Benjamin Gürkan auch Dritte mit hineinzieht. Er bedroht ein Vereinsmitglied mit rechtlichen Schritten, weil dieses den Webspace für diese Dokumentation zur Verfügung stellt. Derartige Drohungen waren für denselben Benjamin Gürkan im September 2006 der Vorwand, Katharina Mann und Norbert Büchner aus dem Verein rauszuschmeißen. Aber es ist eben ein Unterschied, ob man eine Unterlassungsklage angedroht bekommt oder ob man selbst eine aussprechen kann. Wenn man eine angedroht bekommt, reagiert man mit Härte, wenn man selbst eine ausspricht, ist das auf einmal vollkommen in Ordnung. Leg dich bitte mit mir an und nicht mit denen, die du glaubst weichkochen zu können. Alles andere wäre doch wohl feige.
Natürlich ist diese Zwischenbemerkung keine Beschimpfung. Aber wer weiß, wie andere das sehen …
Dienstag, 9. Oktober 2007
Virtueller Rundgang
Auf dem Strategieseminar am vergangenen Samstag scheint sich eine Arbeitsgruppe gebildet zu haben, welche die vom zuständigen Vorstandsmitglied Markus Lang vernachlässigte Öffentlichkeitsarbeit voranbringen möchte. Dieser überaus löbliche Vorsatz findet Eingang auf die sendereigene Webseite. Im zehnten Monats ihres Bestehens finden wir darauf endlich einmal die Kontaktadressen der vierzehn Redaktionen und einen Mitgliedsantrag für den Trägerverein. Sogar ein virtueller Rundgang durch einzelne Senderäume wird angeboten. Nun soll das Engagement nicht kleingeredet werden. Aber wäre es vielleicht nicht doch besser, erst die Essentials auf die Reihe zu kriegen und anschließend Werbung für Coca Cola zu machen? Bekommt der Verein wenigstens Geld für diese Onlinewerbung? Und wann wird endlich das Oktoberprogramm online gestellt?
Geschrieben am 10. Oktober 2007
Von heute an werden (vorläufig) keine weiteren Tagesberichte im Internet veröffentlicht. Dies hat nichts mit den angedrohten rechtlichen Schritten zu tun. Vielmehr soll der Sender selbst eine Atempause erhalten, eine Woche lang zu zeigen, daß es auch anders geht. Denn laut gestrigem Artikel in der Frankfurter Rundschau soll der Trägerverein bis zum 16. Oktober eine Stellungnahme gegenüber der LPR Hessen abgeben. Und da sollten alle Kräfte angespannt werden, eine wirklich stichhaltige Begründung dafür abgeben zu können, warum die Zugangsoffenheit verwehrt wurde, Plagiate nicht unterbunden werden, oder das laufende Programm die seltsamsten Kapriolen nimmt.
Nachtrag, Mitte Oktober 2007
1. Der Programmrat hat am Montag auf Druck der LPR Hessen die Aufhebung der Sendeverbote gegen Katharina Mann, Norbert Büchner und Walter Kuhl beschlossen. Hätte der Programmrat früher Einsicht gezeigt, wäre dem Verein vielleicht so manches erspart geblieben. Aber Einsicht ist ohnehin nicht die Stärke des Trägervereins. Um zu verhindern, daß ich die von der LPR Hessen eingeforderte Zugangsoffenheit auch wahrnehmen kann, wurde mir gegenüber am 15. Oktober 2007 ein Hausverbot ausgesprochen.
2. Im heutigen Darmstädter Echo [10. Oktober] schreibt mawi: Kann Radio Darmstadt weitersenden?
3. In der heutigen Rhein-Main-Ausgabe der FAZ [10. Oktober] schreibt rsch.: Dudelfunk oder Wortbeiträge. Radio Darmstadt bangt um die Sendelizenz.
Nachtrag, November 2007
Die folgenden Einträge wurden Mitte November 2007 erstellt, nachdem die Grundsatzentscheidung der LPR Hessen, RadaR e.V. die Verlängerung der Zulassung zu ermöglichen, getroffen worden war.
Mittwoch, 10. Oktober 2007
Das Musikradio
Für die sich derzeit häufenden Fälle, in denen Sendungen des Themenradios ausfallen, sollte eine zeitlose Ersatzsendung vorliegen. Diese in den Anfangsjahren des Senders gepflegte Tugend ist längst durch das Einlegen beliebiger Musik–CDs oder das Starten belangloser Mainstreamtitel per PC ersetzt worden. Da Radio Darmstadt ein Spaßradio ist, ist es vollkommen folgerichtig, daß es keinen Spaß bereitet, eine Ersatzsendung für alle Fälle vorzuproduzieren. Es ist eben spaßiger, für die Hörerinnen und Hörer, die einen thematischen Inhalt erwarten, einfach nur Musik bereitzustellen. Das schont die Gehirnzellen auf beiden Seiten des Äthers.
Heute haben wir in der Kernzeit von 17.00 bis 23.00 Uhr Musikradio pur. Zur italienischen Magazinsendung Tiramisú kann der Moderator berufsbedingt nicht persönlich erscheinen, also wird italienische Mainstream-Musik eingelegt. Die nachfolgende Sendung JazzScene des Fördervereins Jazz ist naturgemäß musiklastig, was in diesem Fall auch keinen Kritikpunkt darstellt, sondern dazugehört. Es folgt um 19.00 Uhr eine Stunde Jazz aus Marburg. Für 20.00 Uhr ist die schwul-lesbische Sendung Andersrum vorgesehen. Diese hat sich in den letzten Monaten zu einem Gemisch aus abgelesenen Internetmeldungen und viel Musik entwickelt. Als Ersatz packt Vorstandsmitglied und Redaktionssprecher Markus Lang seine Trance-Sammlung aus. Das für 21.00 Uhr angekündigte zweistündige Special der Auslandsredaktion entpuppt sich als eine Stunde Black Music, gefolgt von einer Stunde angeblich "pfiffiger Musik" (so CD–Verwalter Ralf D.) aus den 1990er Jahren. Immerhin plappert er uns nicht nur die Super-Hits aus den 90er Jahren um die Ohren.
Um den 10. Oktober 2007 herum
Ein Sender verfaßt Unterstützungsschreiben
Nachdem der erste Schock überwunden ist, führt das Erscheinen eines Vertreters und einer Vertreterin der LPR Hessen im Sendehaus zu hektischen Aktivitäten. Anstatt jedoch die angesprochenen Probleme schleunigst zu beseitigen, wird weiterhin am verlogenen Image gearbeitet. Insbesondere die Jugendredaktion YoungPOWER ist rührend um die Formulierung von Unterstützungsschreiben bemüht. Andere Mitglieder des Trägervereins treten an Kulturgruppen, politische und städtische Institutionen heran. Sie verraten selbstverständlich nichts darüber, wie es bei Radio Darmstadt wirklich zugeht. Einige angesprochene Unterstützer waren daher bestürzt, als sie Informationen über die wahren Zustände erhielten. Als Beispiel für ein im Sender entworfenes Unterstützungsschreiben mag folgender Text gelten, der dem Autor dieser Dokumentation anonym zugänglich gemacht wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Radio Darmstadt sendet seit mehr als 10 Jahren das Programm von Bürgern für Bürger der Stadt Darmstadt. Der Sender leistet dabei einen wichtigen Beitrag für die lokale Kommunikation und Information. Die Meinungsvielfalt ist eine der Leitideen des Trägervereins RadaR e.V., welcher dieser u.a. mit der Jugendredaktion "YoungPOWER" Rechnung trägt. Mit Bestürzung hat RadaR deshalb erfahren, dass die zuständige Landesanstalt für privaten Rundfunk (LPR) die Sendelizenz vorerst nicht verlängern will.
Wir bitten Sie deshalb, den Antrag von RadaR e.V. auf Lizenzverlängerung bei der LPR mit einem kurzen Schreiben zu unterstützen.
Wenn Sie uns helfen möchten, faxen Sie uns das Unterstützungsschreiben wenn möglich mit Stempel und Unterschrift bitte wieder an die Faxnummer: 06151 87 00 102 zurück. Bitte möglichst bis Freitag, 12.10.07 zurückschicken, da die LPR ihre Entscheidung bald fällen wird. Oder per Post an uns zurück.
Mit freundlichen Grüßen und Herzlichen Dank
YoungPOWER – die POWER für dein Radio
LPR Hessen
Wilhelmshöher Allee 262
34131 Kassel
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit sprechen wir uns für die Lizenzverlängerung von Radio Darmstadt aus. Radio Darmstadt existiert seit mehr als 10 Jahren. Mit Bestürzung haben wir erfahren, dass die Sendelizenz des Trägervereins RadaR e.V. vorerst in Gefahr zu sein scheint.
Radio Darmstadt bietet Jugendlichen eine Möglichkeit sich in die Gesellschaft mit ein zu integrieren und erste Erfahrungen in dem Bereich Journalismus zu sammeln. Das ehrenamtliche Engagement steht hierbei im Vordergrund. Außerdem erwerben die jungen Leute soziale Kompetenz. Auf der Ausbildungsmesse Darmstadt haben wir auch schon mit der Jugendgruppe kooperiert.
Durch seine zahlreichen Redaktionen ist der Sender in der Lage, die unterschiedlichsten Gruppen zu repräsentieren und lokalnahe Themen wiederzugeben. Des Weiteren ist Radio Darmstadt eine sehr gute Alternative zu digitalen Printmedien in der Umgebung.
Wir empfinden Radio Darmstadt unter anderem mit seiner Jugendredaktion YoungPOWER als einen wichtigen Verein für die Wissenschaftsstadt Darmstadt. Ein Verlust dieses Radios wäre für die Stadt Darmstadt nicht tragbar.
Mit freundlichen Grüßen
Donnerstag, 11. Oktober 2007
Der Computer spinnt
Wenn sich schon das Mittwochabendprogramm in einer den Geist des Senders erhellenden Beliebigkeit präsentiert, so wird in der Nacht mit der noch beliebigeren Wiederholung irgendeines Programms fortgefahren. Der Grund scheint der (wiederholte) Ausfall des Sendecomputers zu sein, mit dem normalerweise die Wiederholungssendungen gefahren werden. Deshalb werden zunächst die ersten drei Stunden des Dienstagabendprogramms gestartet. Immerhin wird somit den Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmern ein inhaltlich gefülltes Themenradio angeboten. Ab 2.00 Uhr erschallt dann der Musikteppich vom Mittwochabend.
Am Donnerstagmorgen zeigt sich der Radiowecker-Moderator als Rechenkünstler. Sein heutiges Kalenderblatt dreht sich um Uwe Barschels Tod in der Badewanne: "Genau zehn Jahre ist es heute her."
Da der Sendecomputer immer noch herumspinnt, organisiert sich Christian K. die Dateien aus der Dokumentation. Bei Radio Darmstadt werden nämlich alle Sendungen zu Dokumentationszwecken aufgezeichnet; diese Aufzeichung geschieht unabhängig von der Aufzeichnung der zu wiederholenden Sendungen. Die Dokumentationsdateien sind von geringerer Qualität und werden monaural auf einem allgemein zugänglichen Server abgelegt. Deshalb ertönt Radio Darmstadt heute in der von Vorstand Benjamin Gürkan mitzuverantwortenden brillianten Qualität [anspielung].
Donnerstag, 11. Oktober 2007
Fehlerhafte Einladung
Auf dem Strategieseminar am 6. Oktober hat sich eine Arbeitsgruppe zur Öffentlichkeitsarbeit zusammengefunden. Diese plant für den 3. November eine grooooße RadaR-Party in der Bessunger Knabenschule. Als Ersatz für den nicht erstellten Programmflyer gibt es hierzu wenigstens ein Programmblatt mit der Programmvorschau vom 8. Oktober bis zum 4. November. Eine grobe Übersicht enthüllt einige bemerkenswerte Unzulänglichkeiten. Demnach beabsichtigt der Sender an zehn Stunden, überhaupt kein Programm auszustrahlen, bei weiteren zwölf Stunden wird das Programmschema falsch wiedergegeben. Das Layout wurde schnell zusammengeschustert und deshalb werden beispielsweise an vierzehn Stellen die Trennstriche zwischen zwei Sendungen fehlerhaft oder gar nicht gesetzt. Wie wenig bei der Erstellung dieses Programmblatts gedacht wurde, enthüllt sich jedoch bei der fehlerhaften Angabe zur Übernahme der Nachrichten des Deutschlandfunks. Seit einem halben Jahrzehnt sind diese morgens im Radiowecker um 6.30 und 7.30 Uhr zu hören, an Feiertagen und am Wochenende eine Stunde später. Dies scheint sich noch nicht zu unserem neuen Kompetenzteam herumgesprochen zu haben, weshalb das Programmblatt diese Zeiten durchgehend mit 7.30 und 8.30 Uhr angibt. So sieht also die Öffentlichkeitsarbeit des Senders in kompetenten Händen aus …
Freitag, 12. Oktober 2007
Abzocke, um nicht zu sagen: Wucher
Das ehemalige Vorstandsmitglied Niko Martin führt im Rahmen zweier von der LPR Hessen gefördeter Medienkompetenzprojekte einwöchige sogenannte Übungsredaktionen mit jugendlichen Migrantinnen und Migranten im Sendehaus durch. Für eine derartige Woche im Sommer dieses Jahres stellt ihm der Trägerverein von Radio Darmstadt eine Rechnung in Höhe von € 1.250,– für die Nutzung der Räumlichkeiten aus. Diese Rechnung geht Niko Martin heute zu. Skandalös hieran ist nicht nur, daß Medienkompetenz bei Radio Darmstadt ganz offensichtlich unerwünscht ist und deshalb durch hohe finanzielle Belastungen verleidet werden soll. Hinzu kommt, daß die Mietkosten für die Senderäume im Prinzip durch Fördermittel selbiger LPR Hessen schon abgedeckt worden sind. Der Verein RadaR e.V. möchte also gleich doppelt abkassieren. Und das nicht zu knapp.
Der Verein zahlt für die rund 240 Quadratmeter an Mieten und Nebenkosten rund 2.300 Euro pro Monat. Die Übungsredaktion fand an fünf Tagen zu jeweils acht Stunden auf etwa zwei Dritteln der nutzbaren Fläche statt. Rechnen wir das also einmal durch: 2300 Euro mal 2/3 der Fläche mal 40 von 720 Stunden eines durchschnittlichen Monats ergeben einen Betrag von gerade einmal 85 Euro. Dieser Betrag könnte allenfalls dann in Rechnung gestellt werden, wenn eine Fremdnutzung vorliegt. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die Ergebnisse dieser Übungsredaktion sind in eine Sendung bei Radio Darmstadt eingeflossen. Ganz abgesehen davon hat sich bei der Durchführung der Übungsredaktionen herausgestellt, daß ein Sendestudio aufgrund eines von der Bastelgruppe verursachten Schadens am Mischpult selbiges nicht nutzbar war, im anderen regelmäßig Kopfhörer, CD–Player oder Mikrofone defekt waren, so daß von einer sinnvollen Nutzung nur sehr eingeschränkt die Rede sein kann. Sprich: die Nutzungskosten werden für etwas in Rechnung gestellt, das nicht oder nur eingeschränkt funktioniert. Insofern wären selbst die 85 Euro noch zu hoch veranschlagt.
Halten wir also fest: Selbst wenn die Rechnungsstellung für die Benutzung der Vereinsräume rechtmäßig wäre, hätte der Verein hierfür mehr als den 14–fachen Mietpreis herauszuschinden versucht. Nun ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein daran gehalten, keine auf Gewinn orientierten Geschäfte zu tätigen. Hier jedoch liegt eindeutig der Versuch vor, einen exorbitanten Gewinn aus der Projekttätigkeit Dritter zu ziehen, mehr noch: gleich doppelt abzukassieren. Ich denke, dieser Fall könnte das Finanzamt interessieren, zumal wenige Tage später eine zweite derartige Rechnung in gleicher Höhe ausgestellt worden ist.
Samstag und Sonntag, 13./14. Oktober 2007
Musik, Musik, fettes Sendeloch, Musik!
Am Samstag entpuppt sich die angekündigte zweistündige Sendung Let's Fezz 2 Night in der ersten Stunde als bloßes Mainstreamgedudel und in der zweiten als eine Jazzsendung aus Marburg. Auch die DJ–Zone hat nachts um 1.00 Uhr keine Lust mehr und startet statt dessen die Wiederholung des Samstagabendprogramms. Am Sonntag erhalten wir deswegen ein einhundertminütiges Sendeloch von 7.07 bis 8.47 Uhr. Das kommt davon, wenn der Sendecomputer streikt und die per Hand gestarteten Audiodateien nicht ausreichen. Um 17.00 Uhr wird am Sonntag wieder einmal nicht das Raumfahrtjournal eingelegt, sondern noch einmal das Musikgedudel vom gestrigen Samstag, 19.00 Uhr. Deutlicher kann der Sender seine Egal-Haltung nicht ausdrücken. Und dafür will er eine Verlängerung der Sendelizenz haben? Für subventionierte Ignoranz?
Donnerstag, 18. Oktober 2007
Interne Gründe
Auch am Donnerstagabend ersetzt ein Musikteppich das im Programm vorgesehene Themenradio. Hier erklärt uns Ralf D. als stellvertretender Sprecher der Auslandsredaktion, daß José M. und sein Team "heute aus internen Gründen nicht selber senden" können. Ausbildungs-Vorstand Benjamin Gürkan hatte aufgrund angeblicher technischer Mängel ein Sendeverbot verhängt. Wären die in der Sendung El amor a la vida aufgetretenen technischen Mängel tatsächlich ein Grund für ein Sendeverbot, dann müßten noch ganz andere Sendungen suspendiert werden, am besten gleich der gesamte Technikvorstand, weil die meisten technischen Mängel auf dessen Untätigkeit zurückzuführen sind. Der wahre Grund ist vielleicht eher ein anderer: Bei der Vorsprache der LPR Hessen am 4. Oktober könnte durchaus auch die Missionstätigkeit der Gruppe um M. eine Rolle gespielt haben.
Als Reaktion auf den Artikel Kann Radio Darmstadt weitersenden? im Darmstädter Echo vom 10. Oktober 2007 druckt das Lokalblatt einen einzigen Leserbrief ab. Wenn wir davon ausgehen, daß dies der Zahl der Einsendungen entspricht, dann kann das Interesse an Darmstadts Lokalsender nicht allzu groß sein, schon gar nicht bei den Betreiberinnen und Betreibern.
Martin Zint, hauptberuflich Journalist, gehört der Gründergeneration des Trägervereins an und war von Oktober 1996 bis Januar 1998 Vorstand für Aus– und Weiterbildung. Seit 1998 ist er nur noch sporadisch mit eigenen Beiträgen für die Redaktion treffpunkt eine welt zu hören gewesen, in der auch die derzeitige Vorstandsfrau Susanne Schuckmann seit Ende 2005 redaktionell verankert ist. Ausgehend von seinen Erfahrungen aus der Anfangszeit und ohne konkrete Kenntnis von der Umbruchsituation seit 2006 versucht er, den derzeitigen eher peinlichen Zustand des Senders in wohlformulierte Worte zu packen. Die Diskrepanz zu dem, was in dieser Dokumentation angeführt wird, springt ins Auge. Er schreibt in einem am 22. Oktober veröffentlichten Leserbrief unter der vermutlich vom Darmstädter Echo gewählten Überschrift Erfolgreiches Lernprojekt:
Zum Artikel "Kann Radio Darmstadt weitersenden? Lokalfunk: Ex–Mitglieder des Trägervereins wollen die 'Radar'-Lizenz für sich – Landesanstalt prüft Beschwerde" vom 10. Oktober im Lokalteil Darmstadt:
Natürlich kann Radio Darmstadt weitersenden. Alles andere wäre ein Skandal. Dem meines Wissens nach mitgliederstärksten Nichtkommerziellen Lokalradio Hessens (NKL) mit etwa 600 Mitgliedern kann doch nicht ernsthaft die Lizenz entzogen werden.
Klar passieren bei der Vielzahl der Beteiligten Fehler. NKL ist eben ein Lernprojekt, ein erfolgreiches übrigens. Bei meinen gelegentlichen Besuchen im Sender treffe ich engagierte, meist junge Menschen, die ein sinnvolles Betätigungsfeld gefunden haben.
Das Spektrum ist ungewöhnlich breit, ich kenne keinen anderen Ort in Darmstadt, an dem so viele unterschiedliche Gruppen zusammenkommen und an einem gemeinsamen Produkt arbeiten. Dafür steht Radar seit über zehn Jahren. Dass einige Enttäuschte jetzt ihren eigenen Laden aufgemacht haben, sollte ein funktionierendes Modell von Bürgerradio nicht gefährden.
Martin Zint argumentiert wie andere RadaR-Mitglieder: Darmstadts Lokalradio sei in Gefahr. Nein – die Existenz eines nichtkommerziellen Lokalradios stand zu keiner Zeit in Frage. Hier geht es vielmehr um die Trägerschaft. Ein Skandal wäre es, wenn die allzu offensichtlichen Lizenzverstöße und vereinsinternen Rechtsbrüche ohne Folgen blieben. Das Spektrum mag einmal breit gewesen sein, aber es wird immer schmaler. Die Frauenredaktion hat sich aufgrund der derzeitigen Zustände verabschiedet, der Kinderredaktion wurde die Arbeit unmöglich gemacht. Nach und nach verabschieden sich Sendungen im Themenradio, ihr Sendeplatz wird durch Musik gefüllt, entweder durch belanglosen Dudelfunk oder durch eine DJ–Gruppe, die sich immer mehr im Sender breit macht. Es geht daher nicht um das Enttäuschtsein; es geht darum, welchen Weg RadaR nimmt. Daß das qualitative Niveau seit anderthalb Jahren deutlich hörbar abnimmt, mag zwar Martin Zint nicht bemerkt haben, Darmstadts zuhörende Bevölkerung jedoch schon.
Würde die LPR Hessen heute eine Reichweitenuntersuchung durchführen, dann wäre das Ergebnis alarmierend. Auch wenn Quotendruck im nichtkommerziellen Lokalradio keine Rolle spielen sollte, so muß diese Institution ihre gesellschaftliche Nützlichkeit auch darüber nachweisen, daß sie außerhalb eines selbstreferenziellen Vereinsfunks ihre eigene Öffentlichkeit findet. Deshalb ist das Gerede davon, daß bei der Vielzahl der Beteiligten Fehler passieren, irreführend. Es geht weder in dieser Dokumentation noch in der Kritik an den Zuständen bei Radio Darmstadt um Fehler. Vielmehr geht es um die systematische Verweigerung einer gesellschaftlichen Verantwortung, die auch dadurch gekennzeichnet ist, daß die Fehlerkultur thematisiert und durch eine Diskussion um Inhalte und Qualitätsvorstellungen ersetzt wird. Das Lernprojekt Radio Darmstadt befindet sich nicht mehr in der Experimentierphase eines Veranstaltungsradios oder in den Anfängen eines Dauersendebetriebes, wie vor zehn Jahren. Nach über zehn Jahren kann durchaus erwartet werden, daß ein solches Lokalradio einen selbstkritischen Umgang mit der eigenen Programmleistung pflegt. Im übrigen sind es weniger die neu Hinzugekommenen, die fehlerauffällig sind, sondern diejenigen, die schon etwas länger dabei sind. Dies spricht für Lernresistenz, nicht für Lernerfolg.
Martin Zint als Journalist will doch nicht allen Ernstes die einfältigen Sendekriterien des Programmrats, die sehr gut für das Selbstverständnis von Darmstadts Lokalradio stehen, als Ausdruck eines erfolgreichen Lernprojekts anführen? Gelernt wird nämlich nicht sonderlich viel. Vielmehr wird vereinsintern – auch schriftlich – ein Zurück zu den Zuständen gefordert, wo das Radio Machen noch Spaß gemacht hat. Dies ist ein Plädoyer für ein Spaßradio – und damit ist das Thema des nichtkommerziellen Lokalfunks eindeutig verfehlt.
»» [1] Die Situation beim siebten hessischen nichtkommerziellen Lokalradio in Wiesbaden ist aufgrund eines noch schwebenden früheren Lizenzierungsverfahrens eine andere.
»» [2] Auch im nichtkommerziellen Journalismus sollte man und frau die von einem Vorstandsmitglied von RadaR verbreiteten Informationen nachrecherchieren. Dies gilt selbst dann, wenn sie der Lokalpresse (bspw. Darmstädter Echo am 10. Oktober) entnommen werden. Richtig ist, daß sich am 29. Oktober der Programmausschuß mit dieser Frage befaßt und am 5. November die Versammlung der LPR Hessen die Zulassungsvoraussetzung des Trägervereins von Radio Darmstadt grundsätzlich bejaht hat. Voraussichtlich Anfang Dezember wird dann die Lizenz verlängert werden, sobald das durchaus noch bestehende Problem mit der Zugangsoffenheit geklärt worden ist.
Diese Seite wurde zuletzt am 25. März 2008 aktualisiert. Links auf andere Websites bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. © Walter Kuhl 2001, 2007, 2008, mit Ausnahme des Fotos RD061228.jpg © Deutschlandradio – Bettina Straub. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.
URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/radiodar/radar710.htm