Kanalsalat
Kann ja mal vorkommen: der rechte Kanal ist offline.

Radio Darmstadt

Ein Radiowecker am Samstag im Air Check

Dokumentation

Radio Darmstadt ist ein nichtkommerzielles Lokalradio. Sein Trägerverein wurde 1994 gegründet, um eine Alternative und Ergänzung zu den bestehenden öffentlich-rechtlichen und privaten kommerziellen Hörfunksendern aufzubauen. Menschen und Nachrichten, die im ansonsten durchformatierten Sendebetrieb keine Chance auf Öffentlichkeit besaßen, sollten hier ihren Platz finden. Dies galt für politische Fragen, lokale Themen und musikalische Nischen. Ende 1996 erhielt der Verein für ein derartiges Programm die Sendelizenz. Zehn Jahre später läßt sich die Tendenz beschreiben, daß (lokal)politische Themen immer weniger Platz im Darmstädter Lokalradio finden, während die Musikberieselung zunimmt. Zu diesem Wandel gehört, daß Fragen der Außendarstellung ein wesentlich größeres Gewicht erhalten als das Verbreiten journalistisch abgesicherter Tatsachen. Wer diese neue journalistische Ethik nicht mitträgt, wird aus dem Verein und dem Radio hinausgedrängt. [mehr]

Diese Dokumentation geht auf die Vorgänge seit April 2006 ein. Hierbei werden nicht nur die Qualität des Programms thematisiert, sondern auch die Hintergründe und Abläufe des Wandels vom alternativen Massenmedium zum imageorientierten Berieselungsprogramm dargestellt.

Der Autor dieser Dokumentation ist seit Juni 1997 Redakteur bei Radio Darmstadt und erfreute sich von Januar bis Oktober 2007 eines nur aus dieser Umbruchssituation zu verstehenden, binnenpolitisch motivierten Sendeverbots. Nachdem das Sendeverbot nicht länger aufrecht erhalten werden konnte, wurde es flugs in ein Hausverbot umgewandelt. Als Schatzmeister [1999 bis 2001], Vorstand für Studio und Technik [2002 bis 2004] und Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit [2004 bis 2006] kennt der Verfasser die Interna wie kaum ein anderer. [mehr]

Zwangsläufig erscheinen in dieser Dokumentation auch einzelne handelnde Personen mit Klarnamen. Damit sollen einzelne Argumentationsstränge leichter nachvollziehbarer gemacht und Verantwortliche benannt werden. Zur Klarstellung: Eine Diffamierung einzelner Personen oder gar des gesamten Radioprojekts ist hiermit nicht beabsichtigt [mehr]. Das Wesen einer Dokumentation besteht darin, daß sie etwas dokumentiert, nämlich das, was tatsächlich vorgefallen ist.


Inhaltsangabe dieser Seite

Seit den Anfängen von Radio Darmstadt gibt es einen morgendlichen Radiowecker. Dieser war zunächst bei der Unterhaltungs­redaktion angesiedelt, bis er sich aufgrund mangelnder redaktioneller Unterstützung durch die Unterhaltungsfritzen als eigene Redaktion selbständig machte. 2006 wurde die Redaktion aufgrund von Anfeindungen und dem rechtswidrigen Ausschluß zweier Redaktionsmitglieder aus dem Verein von den aufgeputschten Mitgliedern desselben Vereins zerschlagen.

Seit dümpelt morgens in wechslnder Besetzung und mit wechselnden Zeiten so etwas daher, was vorgibt, ein Radiowecker zu sein. Siehe hierzu beispielsweise die Dokumentations­seite Der Radiowecker – eine Anmaßung oder die Monatsseiten zum August 2007 und zum September 2007. Nach dem leider viel zu frühen Tod des wackeren Kämpen für ein morgendliches Weckprogramm, dem Lokalredakteur Christian Knölker, schien der Untergang selbigen Radioweckers besiegelt. Doch es kam anders. Zwei neue Redakteure sahen ihre Chance und deshalb hören wir derzeit mittwochs und donnerstags, sowie an jedem 4. Samstag ein Programm, das irgendwie auch eine Art Radiowecker darstellt. Als Kuriosum am Rande sind zwei dieser Radiowecker bei der Unterhaltungs­redaktion angesiedelt, der samstägliche bei der Internationalen Redaktion mit dem polnischen Kollegen Elik Plichta.

Am 26. Mai 2012 war Elik Plichta verhindert, weshalb Ralf Donath als deutsches Mitglied der Internationalen Redaktion für ihn einsprang. Dies hatte fatale Folgen … und erfordert daher einen Air Check. In der Wikipedia wird hierunter ein einfacher Mitschnitt einer Sendung verstanden. Dies ist jedoch unvollständig. Ein Air Check läßt sich für eine sorgfältige Analyse des Aufgezeichneten verwenden; insofern ist der Begriff erweiterbar.


Basisinformationen

Ralf Donath ist seit den Anfängen des Darmstädter Lokalradios dabei. Seit 1997 sitzt er im Programmrat und vertritt mal diese, mal jene Redaktion, vorzugsweise dann, wenn die Redaktion froh darüber ist, jemanden gefunden zu haben, der freiwillig für sie zu den Sitzungen des ungeliebten Gremiums geht. Dieser Programmrat hat sich im Spätherbst 2010 eine Qualitäts­offensive auf die Fahnen geschrieben, deren Ergebnis irgendwie nicht auf dem Sender zu hören ist. Doch dies ist eine andere Geschichte, die ich in meiner Sendung Zwischen Polizeifunk und Lesekompetenz am 26. März 2012 ausgebreitet habe.

Ralf Donath ist demnach einer der Qualitätschecker, und schon deshalb wäre es zu erwarten gewesen, daß wir, sagen wir mal vorsichtig, eine Sendung ohne größere Höhen und Tiefen zu erwarten hatten. Nun mag es sich um eine Frage des Anspruchs handeln, was wir unter Qualität verstehen. Manche finden es eine Qualität, den Dudelfunk kommerzieller Vorbilder bis zum Näselformanten einwandfrei nachbilden zu können, anderen mag es schon reichen, mit Vorleseübungen Bürgernähe vorzutäuschen. Das sehe ich dann doch etwas anders und habe deshalb als eine Annäherung an ein interessantes Programm Goldene Regeln für den nichtkommerziellen Hörfunk zusammengestellt.

Der Radiowecker am 4. Samstag eines Monats ist von 7.00 bis 9.00 Uhr zu hören. Üblicherweise wird er zuvor und danach von der Wiederholung des Vorabend­programms eingerahmt. Zu seinen Features gehört das zewimalige Einblenden der Nachrichten des Deutschlandfunks um 7.30 und um 8.30 Uhr, jeweils garniert durch einen Ankündigungs- und einen Abspannjingle. Verkehrs­nachrichten aus dem Raum Darmstadt gehören eher nicht zu diesem Radiowecker, im Gegensatz zu den Ausgaben am Mittwoch und am Donnerstag. Ob es wenigstens einmal eine Wettervorhersage gibt, müßte anhand des Anhörens früherer Ausgaben geklärt werden. Elik Plichta verbringt die meiste Zeit am Samstagmorgen damit, Musik einzuspielen; Inhalte sind eher Mangelware.

Der Einstieg

Ralf Donath steigt mit einem Radioweckerjingle pünktlich um 7.00 Uhr ein, es folgt ein Unterleger, der nach einigen Sekunden heruntergezogen wird, um folgende, etwas überraschende Mitteilung zu machen.

„Samstagmorgen, 26. März 2012. Im Radiowecker begrüßt Sie heute morgen nicht Elik Plichta, wie sonst, der ist nämlich verreist, sondern an seiner Stelle. Das macht aber nichts.“

Angesichts der Reise in die Vergangenheit bin ich mir da nicht so sicher. Ob Elik Plichta auch so hübsche Sendeartefakte zusammenbekommen hätte, wie wir sie kurz darauf zu hören bekommen? Ich zweifle.

Es folgt das Mantra über den Sender mit all seinen Frequenzen. Dann ist der Unterleger zu Ende und wir hören sieben Sekunden lang … gar nichts. Diese merkwürdigen Pausen werden uns den gesamten Radiowecker über begleiten. Ob dies an der Aufmerksamkeit des Redakteurs liegt, der gleichzeitig moderiert und seine Technik bedient, oder an den Tücken selbiger Technik, muß ich hier offen lassen. Ich tippe aufgrund meiner Erfahrungen mit den technischen Spielereien der bastelnden Laiengruppe auf Letzteres, aber sicher bin ich mir da nicht. Sehr hübsch ist jedenfalls das, was nach den sieben Sekunden folgt:

„Der erste Titel, der heute morgen live eingespielt wird, kommt von Barclay James Harvest: Early Morning.“

Das ist ja mal eine Ansage: Ein Titel wird live eingespielt. Zwar ist die Band nicht im Studio, aber das macht nichts. Der Livecharakter ergibt sich aus dem Druck auf eine Taste oder den Klick auf eine Maus. Wäre ja auch schlimm, wenn die Einspielung gar nicht live wäre, sondern einer Konserve entstammt …

Manchmal frage ich mich, weil derlei Mumitzmoderation kein Einzelfall bei diesem Sender ist, ob die Luft im Sendehaus verraucht ist.

Nachdem nun Barclay James Harvest verklungen ist, können wir die ersten Takte des folgenden Titels hören, ehe unerwartet das Nichts zuschlägt. Zwanzig Sekunden lang, bis wieder eine Stimme erklingt:

„Im Radiowecker bei Radio Darmstadt gibt's jetzt einen Beitrag von Radio Rabe, das ist das Radio in Bern. Das Thema ist die Fragestellung: Ist Altruismus nur uneingennützig? Das hören wir uns in wenigen Sekunden an.“

Allein schon diese kurze Moderation eröffnet neue Fragestellungen. Ist Radio Rabe das Radio in Bern oder nur sein nichtkommerzielles? Weshalb spielt Ralf Donath uns etwas aus Bern vor, wo wir doch im Radiowecker aus Darmstadt gerne etwas über Darmstadt hören würden? Und weshalb hören wir dies erst in wenigen Sekunden? Vielleicht, weil Ralf Donath intuitiv in der Lage ist, das nun folgende Sendeloch vorwegzunehmen? Spiritismus auf dem Sender?

Nach immerhin neun Sekunden werden wir mit Klangbrei erfreut. Gleichzeitig spricht nun fünf Sekunden lang eine Moderatorin aus Bern und singt eine Band den eine halbe Minute zuvor abgewürgten Song. Dann gibt es wieder eine Portion Funkstille, diesmal zehn Sekunden lang. Also ehrlich, so werde ich ja nie wach, wenn ich damit geweckt werden soll!

Zur Überbrückung dieser Funkstille spielt uns der Redakteur nun einen anderen Track ein, der mit Vogelgezwitscher beginnt. Dann brummt eine Fliege/Mücke/­Biene/Wespe, Tritte kommen hinzu, und es macht „batsch“. Und wieder zwitschern die Vöglein munter vor sich hin. Ob Ralf Donath hiermit die Krisen­bewältigungs­strategie seines Senders illustrieren wollre? Scheint gelungen zu sein, denn dann gibt es wieder dreizehn Sekunden rein gar nichts zu hören.

„Es ist in den Akkus unserer Handys drinne …“

Das war aber nicht der versprochene Beitrag. Sofort zieht Ralf Donath diesen Einspieler aus dem Verkehr und ersetzt ihn durch weitere 22 Sekunden wohltuende Ruhe. Just in dem Moment, in dem die Sendeloch-Erkennungs­automatik des Senders anspringt, um Jingles und dudelige Mainstream­musik auszuwerfen, hören wir unseren Moderator etwas hilflos:

„Ich finde gerade die richtige Einspielung nicht. Dann kommt jetzt erstmal ein Hinweis von der Bundesgesundheits­zentrale in Köln.“

Immerhin ertönt nun der richtige Spot. Doch danach … wieder einige Sekunden Funkstille. Obwohl, nicht ganz. Denn wer ihr/sein Radio in Erwartung eines Senderauschens etwas lauter gestellt hatte, konnte ein Fluchen hören: „Scheiße!“ Alsdann blendet Ralf Donath in den schon im Hintergrund angelaufenen Beitrag aus Bern ein, was zwar irgendwie den technscuen Problemen geschuldet ist, aber auch versinnbildlicht, wie egal es eigentlich ist, was an Inhalten am Samstagmorgen gesendet wird.

Schauen wir uns die Sequenz nun einmal in der Vidualisierung durch das Audioschnitt­programm Audacity etwas näher an:

Radiowecker visualisiert.

Der Fluch ist durch einen grauen vertikalen Balken markiert.

Trotzdem ganz interessant

Zwischen dem Berner Beitrag und der nachfolgenden Musikein­spielung gab es mal wieder ein kleines, aber überflüssiges Loch, ehe Ralf Donath einen Jingle seines Freundes Günter Mergel einspielt, der in den vergangenen sechs Jahren in der Vereinspolitik zu den Falken gehört und damit dazu beigetragen hat, die Sendelizenz aufs Spiel zu setzen. Hiermit wird eine Positionierung des gerade sendenden Redakteurs deutlich, es sei denn, es gehört zum Standard bei Radio Darmstadt irgendetwas einzublenden, Hauptsache, es übertönt die peinliche Stille.

Um 7.19 Uhr endet mal wieder eine Musik­einspielung, und das Gerät mag noch einen nachlegen. Das mag jedoch Ralf Donath nicht, und deshalb zieht er den Regler runter, sammelt sich und redet lieber selbst. Er kündigt nun eine Übernahme vom Audioportal des Bundesverbandes Freier Radios an, in dem der politische Geschäftsführer der Piratenpartei in einem Interview mit Radio Lora in München zu Wort kommt, aufgezeichnet vor drei Wochen. Wenn wir nun wissen, daß Ralf Donath schon im Piratenlook gesehen wurde, wissen wir auch, weshalb ihm die Piraten auf dem Sender am Herzen liegen. Das ist jedoch kein Problem, denn es hindert keine Rechtssatzung die Sendenden bei Radio Darmstadt daran, ihre politischen Präferenzen zum Ausdruck zu bringen. Eher stellt sich die Frage, weshalb der Redakteur nicht die Darmstädter Piraten zu Wort kommen läßt. Das hätte wenigstens einen Hauch von Lokalbezug.

Um 7.30 Uhr werden die Nachrichten des Deutschlandfunks eingeblendet, die mit den Worten „Soweit die Meldungen“ enden. Dies ist der Marker für diejenigen Sender, die die Nachrichten übernehmen, jetzt auszublenden und wieder das eigene Programm zu spielen. Insofern ist die nun nachfolgende Ansage „Die nächsten Nachrichten um 8.00 Uhr“ irreführend, weil falsch. Bei Radio Darmstadt gibt es die nächsten Nachrichten nämlich erst eine halbe Stunde später. Die Ausblendung erfolgt mittels zugehörigem Jingle, wonach wir vom Redakteur auf das folgende Programm hingewiesen werden: zehn Minuten Musik, gefolgt von einem „längeren Wortbeitrag“. Derart unklare Ansagen sollen gewiß die Spannung erhöhen …

Um 7.42 Uhr gibt es auch einmal eine Zeitansage, ansonsten läuft die versprochene Musik nicht zehn Minuten, sondern dreizehn. Der Player mag sogar noch mehr spielen, was dem verdatterten Redakteur folgende Mitteilung entlockt:

„Und ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, daß da immer gleich der nächste Titel startet. Das Lied „Narcotic“ von Liquido wollte ich doch erst später spielen.“

Spätestens hier frage ich mich, mit was für einer seltsam eingestellten Technik dieser Sender eigentlich herumspielt. In den „guten alten Zeiten“, als die Digitalisierung aller Sendemedien noch nicht so weit fortgeschritten war und ein CD-Spieler (digitales Gerät, analoge Ansteuerung) noch zwischen dem erwünschten Abspielen eines oder mehrerer Songs unterscheiden konnte, kam derlei hilflose Sinnlosigkeit nicht vor. Ist das eine Macke von mAirList (was ich mir nicht vorstellen kann) oder ein geniales Feature des Senders, um seine Sendenden auf Trab zu halten?

„Ich werd's auch später spielen. Also – man soll ja nicht ‚also‘ sagen. Warum nur protestiert …“

Sehr geheimnisvoll. Man soll nicht „also“ sagen. Diese vollkommen unnütze Information für das Publikum entschlüpfte einem offenkundig genervten Redakteur. Dahinter stecken vermutlich die heiligen Sendekriterien des Senders, die in Punkt 2.7 vorschreiben, Verlegenheitslaute und Füllwörter zu vermeiden. Vielleicht sollte der Programmrat einmal für alle diejenigen, die teilhaben wollen an den seltsamen Geheimnissen dieses Senders, seine Sendekriterien offen legen und auf der Webseite zum Radio veröffentlichen. Dann wird auch eine solche Verlegenheits­moderation verständlicher …

So jedenfalls leitet Ralf Donath über zum Verlesen der Kurzbeschreibung des nun folgenden Beitrags, der aus Ausschnitten zweier Redebeiträge auf einer Großdemonstration am 26. November 2011 in Dannenberg besteht. Gewiß ist es sinnvoll, der Anti-AKW-Bewegung ungefiltert Gehör zu verschaffen, aber weshalb denn mit Kamellen, die schon ein halbes Jahr alt sind? Hat der Redakteur einfach einmal im Beitragspool der freien Radios herumgewühlt und sich Beiträge zurechtgelegt, die zwar nicht wirklich aktuell, dafür zeitlos sind? Ich denke eher, das liegt daran, daß der Beitrag von Radio Unerhört Marburg stammt, einem Sender, bei dem Ralf Donath auch zugegen ist. Insofern auch eine Art Lokalkolorit. – Die offizielle Erklärung lautet, bitte anschnallen!

“Ich fands trotzdem ganz interessant, das Thema jetzt auch in Darmstadt mal zu bringen. Und jetzt gibts Musik …“

Da wird sich Aurel Jahn aber freuen, daß seine Sendungen über den Widerstand gegen die Atomkraft von Ralf Donath so sträflich ignoriert werden. Nun weiß unser Redakteur natürlich auch, was der Aurel dienstags auf dem Sender so treibt, und deshalb können wir mit Fug und Recht auf eine weitere Ausgabe von Verlegenheits­moderation schließen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die spannende Ansage, es folge Musik, was – weil das Publikum bekanntlich blöd ist (oder richtiger: für blöd verkauft wird) – selbiges niemals bemerken würde. Die versprochene Musik ist dann nach einer zehnsekündigen Stille zu vernehmen.

Und damit haben wir die erste Sendestunde erfolgreich hinter uns gebracht.

Tücken der Anmoderation

Die zweite Sendestunde beginnt mit dem Radiowecker-Jingle, dem schon bekannten Unterleger und der mantraartigen Eigenwerbung für Darmstadts nichtkommerzielles Lokalradio. Nachdem der Unterleger ausgeplätschert hat, werden wir mit sieben Sekunden Stille verwöhnt, bevor unvermittelt ein Beitrag über den Wahlkampf der Schweizer SVP im vergangenen Jahr eingespielt wird. Genauer: es handelt sich um eine Studie dazu, die im April vorgestellt wurde und nun mit einem Monat Verzögerung auch Darmstadt erreicht hat. Anmoderation des Beitrags: Fehlanzeige. Wir werden mit uns allein gelassen. Immerhin gibt es im Anschluß an rund fünfzehn Sekunden Stille eine Abmoderation, die so einiges aufklärt. Nun ist gegen das Einspielen derartiger Fremdbeiträge nichts zu sagen. Das mache ich zuweilen auch in meinen eigenen Sendungen. Dann habe ich jedoch einen Grund. Hier, bei Ralf Donath, liegt keiner vor, obwohl – ich gehe davon aus, daß der Grund darin liegt, die Sendezeit gefüllt zu bekommen, für die unser Redakteur eingesprungen ist. Notprogramm eben mit beliebigem Inhalt.

Es folgt Musik, diesmal sogar ohne vorherige Erklärung, daß nun Musik folge. Danach vernehmen wir ein wenig erstaunt:

„Radio Darmstadt, der Radiowevker, 8 Uhr und 17 Minuten, sind noch 13 Minuten bis halb 9. Hier geht es weiter mit einem Beitrag von Sabine Gerlach von D-Radio Kultur zur Frauenfußball-Berichterstattung. Oder besser gesagt: Nicht-Berichterstattung.“

Hupps? Eine Übernahme fremden Programms? Das klärt sich schnell auf. Es handelt sich zwar um eine Programm­übernahme, aber eine von Radio Magic City Six in Berlin, das selbige Sabine Gerlach für den 18. April 2012 interviewt hat. Immer diese ungenauen Moderationen … – Zu Ende dieses ansonsten hörenswerten Interviews moderiert sich die Interviewerin selbst ab, was bei unserem Redakteur zu leichter Konfusion führt:

„Ja, das ist ja nett, daß die Kollegin mir das abgenommen hat, das hier so schön anzusagen. Sie hören jetzt wieder den Radiowecker bei Radio Darmstadt. In wenigen Sekunden 8 Uhr 27, drei Minuten vor halb 9. Und wer es noch nicht mitbekommen hat, heute ist Samstag, der 26. Mai 2012.“

Ich denke, sie hat das eher abgesagt, aber geschenkt. Warum wir allerdings jetzt wieder den Radiowecker hören, erschließt sich nicht. War er in den Minuten zuvor untergetaucht? Und wer das mit dem 26. Mai noch nicht so ganz mitbekommen hatte, war das nicht unser Redakteur in seiner Eröffnungs­moderation? Das Gehirn schlägt hier einen Purzelbaum und projiziert die eigene Gedanken­losigkeit nach außen.

Es folgen ein bißchen Plätschermusik und um 8.30 Uhr die Nachrichten des Deutschlandfunks, die wenig überraschend auf den wiedergenesenen Wellen von Radio Darmstadt so enden: „Die nächsten Nachrichten um 9.00 Uhr.“ Kaum, zumindest nicht auf dem hiesigen Sender. Um 9.00 Uhr beginnt hier eine erneute Runde der Wiederholung des Vorabend­programms.

Nach diesen Nachrichten rieselt die Musik bis zum nächsten Beitrag, diesmal zum Eurovision Song Contest in Aserbaidschan, gesendet bei Radio Lora in München am 3. April 2012. Seither hat es sich geflüstert, daß es mit den Menschenrechten in Aserbaidschan ähnlich gut oder schlecht steht wie in so mancher Musterdemokratie. So gibt es (nicht nur) in den USA politische Gefangene, werden in Deutschland Zensurwünsche aus Regierungskreisen laut oder Regierungs­gegnerinnen, beispielsweise in Stuttgart, Berlin oder bei Blockupy in Frankfurt, von speziell ausgebildeten Greiftrupps verprügelt. Zitat aus der Kurzbeschreibung zum Beitrag:

„Der Regierung Aserbaidschans werden Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen, NGOs und Aktivisten im Land werden bei ihrer Arbeit behindert und massiv verfolgt.“

Insofern hatte das mit einer Vertreterin von amnesty international Anfang April geführte Gespräch Ende Mai keinen wirklichen Erkenntnisgewinn zu beieten und ist dann wohl eher dem Umstand geschuldet, sich aus dem Beitragspool des Bundes­verbandes Freier Radios bedienen zu können. „Radar“ als Trägerverein von Radio Darmstadt ist übrigens aus diesem Verband aus „ideologischen Gründen“ ausgetreten. Die Inkonsequenz dieses Handelns liegt auf der Hand, ohne daß Ralf Donath (meines Wissens) öffentlich im Verein gegen diesen Austritt opponiert hätte.

Nach dem Beitrag gab es ein bißchen Chaos mit Stille, Sprechtext und falsch eingespielter Musik. Überspringen wir das schnell und kommen zum Hinweis auf das Tagesprogramm am Samstag:

„Ab 9.00 Uhr hören Sie die Wiederholungen von gestern abend. Zuerst eine Stunde der Lokalredaktion Blickpunkt VorOrt. Aurel Jahn über Stolpersteine in Darmstadt. Dazu gibts jetzt einen etwas längeren Text.“

Den er zur Hälfte vorträgt und fortfährt:

„Um 10.00 Uhr folgt eine Sendung der Kulturredaktion. Ab 11.00 Uhr hören Sioe zwei Stunden russisches Programm, darauf folgt ab 13.00 Uhr unser Lanka Radio, Informationen für Interessierte. Daran schließt sich um 15.00 Uhr das polnische Magazin Bigosch an, heute ohne Elik Plichta, der in der Weltgeschichte unterwegs ist. Um 17.00 Uhr folgt das Jugendradio Young Power. Soweit ein Blick auf das Tagesprogramm von Radio Darmstadt.“

Vermutlich geht danach die Sonne unter und eine Aufzählung der weiteren Livesendungen des Tages erübrigt sich. Endlich verabschiedet sich unser Redakteur, und das Programm geht seinen weiteren Weg.

Dudelfunk ist Kultur

Am vorangegangenen Freitagnachmittag und -abend berichtete Aurel Jahn unächst um 17.00 Uhr über eine Bürgerversammlung zur geplanten Fahrrasstraße in der Wilhelminenstraße am 23. Mai 2012. Da der KultTourKalender wieder einmal ausfiel, sprang Aurel Jahn auch hier ein und wiederholte eine seiner Konserven zu einem Thema, das durchaus mehrfach eingebracht werden darf. Er hatte, wie Ralf Donath schon angekündigt hatte, am 27. Januar 2012 eine Sendung zu Stolpersteinen in Darmstadt zusammengestellt. Am Freitagabend moderierte Aurel Jahn diese Sendung auch selbst an und legte den etwa 50minütigen Mitschnitt ein. Gegen 18.52 Uhr folgte dem Mitschnitt kein Sendeloch, sondern unmittelbar im Anschluß, passen wie die Faust aufs Auge, knallige Dumpf­backenmusik.

In der Theorie hätte sich diese Sendefolge zwischen 9.00 Uhr und 11.00 Uhr wiederfinden müssen. Warum dies nicht geschah, kann uns Ralf Donath ja einmal erklären. Aus welchem Studio hat er versucht zu senden, doch nicht etwa aus Studio 3? Dieses war im vergangenen Juni mit großem Getöse an einem schwach besuchten Tag der offenen Tür eingeweiht worden [facebook], war im Frühjahr diesen Jahres immer noch nicht sendefähig und scheint auch weiterhin seine Mucken zu besitzen. Da die Wiederholung nicht wie vorgesehen gestartet wurde, läßt dies die Frage zu, ob selbige Wiederholung per Computer überhaupt ansteuerbar war. Das würde erklären, weshalb anstelle der Wiederholung Freund Murphy vorbeigeschaut hat.

Denn weder wurde die Diskussion zur Fahrradstraße wiederholt noch das Vorwort zum Mitschnitt, gesprochen von Aurel Jahn. Insofern war der Text zum Tagesprogramm fehlerhaft, denn Aurel Jahn war über Stolpersteine in Darmstadt nicht zu hören. Folgerichtig war der Mitschnitt gegen 9.52 Uhr beendet, ohne daß ihm irgendetwas folgte außer … nun, einem Sendeloch. Anstelle der Dumpf­backenmusik vom Freitagabend ertönte eine Stunde und acht Minuten lang Dumpf­backenmusik aus dem Sendeloch-Wiederholungs-Computer. Hierbei handelte es sich logischerweise auch nicht um eine Sendung der Kulturredaktion. Für dieses Malheur ist wohl der Redakteur des Radioweckers verantwortlich zu machen, der sich im Programmrat als eifriger Verfechter einer an den Sendekriterien orientierten Qualitäts­offensive hervorgetan hat. Leider nahm es weder der Radiowecker noch das anschließende Chaos mit den Sendekriterien und der Qualität so genau, weshalb ich diese ganze Programmratschose ohnehin für eine ausgemachte Farce halte.

Was bleibt als Gesamteindruck dieses Air Checks festzuhalten? Der Redakteur fuhr erkennbar ein Notprogramm, bei dem er sich bemühte, mit Hilfe von Fremdbeiträgen ein inhaltlich interessantes Programm zu gestalten. Für einen Radiowecker bei Radio Darmstadt ist der Lokalbezug zwar nicht zwingend vorgesehen, aber sinnvoll. Deswegen handelt es sich ja um ein nicht­kommerzielles Lokalradio. Die Fremdbeiträge wirkten unmotiviert zusammen­gestoppelt, etwa nach der Maßgabe, wo finde ich Beiträge, die maximal zehn Minuten lang sind und die meiner (Ralf Donaths) Grundhaltung entsprechen? Auf den Aktualitätsbezug kam es hierbei nicht an. Auch diese fehlende Aktualität wäre zu verschmerzen, denn manche Beiträge können sich durchaus als zeitlos herausstellen, aber bei den eingespielten Beiträgen war dies nicht unbedingt zu erkennen.

Dabei geriet er mit der Studiotechnik aneinander, die nicht so wollte wie er. Und damit war er überfordert. Woraus zu folgen ist: Entweder soll derlei die Anmutung von Radio Darmstadt sein, dann kann der Sender aber seinen Qualitätsquark unterlassen, oder aber es finden sich in vergleichbaren Fällen Personen, die als Redaktion soweit zusammenarbeiten, daß ein anhörbarer und nach nachvollziehbaren Kriterien zusammengestellter Radiowecker dabei herauskommt. Elik Plichta rettet sich mit viel polnischer Musik über die Zeit und findet damit vielleicht sogar ein Publikum. Er sollte diese Sendung dann vielleicht nicht Radiowecker nennen, sondern meinetwegen Polnische Morgenmusik, aber es holpert und stolpert dann nicht so wie an diesem 26. Mai 2012, als Ralf Donath beim Versuch, das Programm zu retten, alles nur noch schlimmer machte.


Diese Seite wurde zuletzt am 1. Juni 2012 aktualisiert. Links auf andere Webseiten bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. ©  Walter Kuhl 2001, 2012. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.

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