Faxe am Boden
Faxe am Boden als Symptom

Radio Darmstadt

Probleme mit der redaktionellen Arbeit

Dokumentation

 

Radio Darmstadt ist ein nichtkommerzielles Lokalradio. Sein Trägerverein wurde 1994 gegründet, um eine Alternative und Ergänzung zu den bestehenden öffentlich-rechtlichen und privaten kommerziellen Hörfunksendern aufzubauen. Menschen und Nachrichten, die im ansonsten durchformatierten Sendebetrieb keine Chance auf Öffentlichkeit besaßen, sollten hier ihren Platz finden. Dies galt für politische Fragen, lokale Themen und musikalische Nischen. Ende 1996 erhielt der Verein für ein derartiges Programm die Sendelizenz. Zehn Jahre später läßt sich die Tendenz beschreiben, daß (lokal)politische Themen immer weniger Platz im Darmstädter Lokalradio finden, während die Musikberieselung zunimmt. Zu diesem Wandel gehört, daß Fragen der Außendarstellung ein wesentlich größeres Gewicht erhalten als das Verbreiten journalistisch abgesicherter Tatsachen. Wer diese neue journalistische Ethik nicht mitträgt, wird aus dem Verein und dem Radio hinausgedrängt. [mehr]

Diese Dokumentation geht auf die Vorgänge seit April 2006 ein. Hierbei werden nicht nur die Qualität des Programms thematisiert, sondern auch die Hintergründe und Abläufe des Wandels vom alternativen Massenmedium zum imageorientierten Berieselungsprogramm dargestellt. Der Autor dieser Dokumentation hat von Juni 1997 bis Januar 2007 bei Radio Darmstadt gesendet, bis ihn ein aus dieser Umbruchssituation zu verstehendes binnenpolitisch motiviertes Sendeverbot ereilte. Als Schatzmeister [1999 bis 2001], Vorstand für Studio und Technik [2002 bis 2004] und Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit [2004 bis 2006] kennt er die Interna wie kaum ein anderer. [mehr]

In der Dokumentation werden die Namen handelnder Personen aufgeführt. Damit werden Argumentationsstränge leichter nachvollziehbarer gemacht und Verantwortliche benannt. Zur Klarstellung: Eine Diffamierung einzelner Personen ist hiermit nicht beabsichtigt. [mehr]

 


 

Zusammenfassung

Auf dieser Seite werden die Probleme mit der redaktionellen Tätigkeit des Senders dokumentiert.

Durch die Zerschlagung der Radiowecker-Redaktion im Herbst 2006 und die Abschaffung der Institution Chef vom Dienst werden die intern schon lange bekannten Probleme mit der redaktionellen Tätigkeit deutlicher sichtbar. Pressemitteilungen per Fax und E–Mail erreichen entweder die Adressaten und Adressatinnen nicht oder werden schlicht ignoriert. Der Sender ist tagsüber nicht erreichbar, die Rolläden sind verschlossen. Praktikantinnen und Praktikanten werden nicht mehr ausgebildet. Das Internet mutiert zum beliebtesten Informationskanal und dies erzeugt ein mainstreamiges Image nach außen. Bemühungen um qualitative Aspekte journalistischer Arbeit werden abgeblockt. Die Sendekriterien von Radio Darmstadt schreiben ein imagefreundliches Sendeverhalten vor, und dies kollidiert zuweilen mit der journalistischen Sorgfaltspflicht und der redaktionellen Wahrheit.

Programmratssprecher Christian Knölker fragt daher den Programmrat zu dessen Sitzung am 11. Juni 2007: "CvD – war die Abschaffung denn so gut???"[pdf] Er verweist hierbei insbesondere auf die nicht verteilten Pressefaxe und warnt davor, deren Verteilung durch nicht in den Sendeablauf eingebundene Bürokräfte vornehmen zu lassen. Doch bevor der Programmrat die Institution CvD wieder ins Leben zurückruft, vertraut er lieber dem Vorstand, der diese redaktionelle Arbeit bezahlt durchführen lassen will. Fazit: das Defizit wird zukünftig unprofessionell verwaltet.

Nachtrag, Juli 2008. Berichten aus dem Sendehaus zufolge hat sich an der prinzipiellen Verweigerungshaltung der Sendenden, den redaktionellen Input zur Kenntnis zu nehmen, nichts, aber auch wirklich gar nichts geändert. Statt dessen gehören das leicht umformulierte Vorlesen von Internetinhalten oder gar das wortwörtliche Vorlesen aus dem Darmstädter Echo immer noch zum Standardrepertoire redaktioneller Arbeit bei Radio Darmstadt. Ich werde mir erlauben, diesen Sachverhalt in einer meiner nächsten Sendungen zu behandeln.

 


 

Informationsquellen

Grundsätzlich stehen den Redakteurinnen und Moderatoren von Radio Darmstadt diverse Informationsquellen zur Verfügung. Neben ihren eigenen Insiderinformationen können sie im Sender gezielt auf eingehende Pressemeldungen per Fax oder E–Mail zurückgreifen. Mehrere Internetrechner unterstützen sie bei ihrer Recherche, seit einigen Monaten sind auch die Rechner der beiden Sendestudios direkt mit dem Internet verbunden.

Radio Darmstadt ist als ein nichtkommerzielles Lokalradio lizenziert. Insofern sollte der Fokus der redaktionellen Tätigkeit auf dem lokalen Geschehen liegen. Da ein zweiter Schwerpunkt der in der Sendelizenz definierten Aufgaben in der publizistischen Ergänzung liegt, steht es den Redakteuren und Moderatorinnen selbstverständlich frei, von Geschehnissen auch außerhalb des Sendegebietes zu berichten. Die eingehenden Pressemitteilungen und Veranstaltungshinweise sind deshalb auch gemischt. Neben vielen lokalen Informationen versuchen auch überregionale Anbieter, ihre Meldungen im Sender unterzubringen. Mitunter fragen die Agenturen auch nach, ob ihre Mitteilungen angekommen sind und wer ihr Ansprechpartner oder ihre Ansprechpartnerin bei der weiteren Verbreitung dieser Mitteilungen sein könnten.

Screenshot der Startseite von Radio Darmstadt
Auf der Startseite von Radio Darmstadt wird um Zusendung von Redaktionsinfos geworben.

Eine Gewähr für die Verbreitung oder ein Anspruch darauf, eine Meldung redaktionell in einer Sendung unterbringen zu können, besteht nicht. Entsprechend sind die bei Radio Darmstadt Sendenden auch vollkommen frei darin, ob sie die eingehenden Pressemitteilungen und Veranstaltungshinweise beachten oder ignorieren. Dennoch scheint es nicht sinnvoll zu sein, diese Mitteilungen vollkommen beiseite zu lassen, denn es befindet sich neben vielem Müll (auf Neudeutsch: Spam) auch eine Menge sinnvoller Informationen darunter.

Auf der Webseite www.radiodarmstadt.de und auf dem monatlich herausgegebenen Programmflyer werden die wichtigsten Informationskanäle angegeben. Somit erwartet der Sender ausdrücklich die Nutzung dieser Möglichkeiten

per Telefon: (06151) 87 00 – 100
per Telefax: (06151) 87 00 – 111
per E–Mail: redaktion <at> radiodarmstadt.de

 

Informationsverteilung

Faxgerät an der Eingangstür
Das Faxgerät steht an der Eingangstür auf dem CvD-Schreibtisch.

Das Faxgerät für die mittels dieses Mediums versandten Pressemitteilungen und Veranstaltungshinweise ist frei zugänglich im Eingangsbereich des Senders aufgestellt. Bis Februar 2007 war es die Aufgabe der Chefinnen und Chefs vom Dienst, die eingegangenen Faxe sinnvoll in die Redaktionsfächer und Mappen der einzelnen Sendungen zu verteilen; der Rest landete in einem eigenen Faxordner. Die Institution des CvD wurde im Lizenzantrag von 1996 ausdrücklich erwähnt. Zu Beginn des Dauersendebetriebs im Februar 1997 war vorgesehen, daß die CvDs das Livesendeprogramm begleiten sollten. Dies ließ sich nur kurzzeitig durchhalten, es traten nämlich sehr bald häufigere Fehlzeiten auf. Deshalb wurde noch im ersten Sendejahr festgelegt, daß aus dem Kreis der Sendenden ein CvD für eine Kernzeit von 16.45 Uhr bis 19.15 Uhr zu stellen sei, zunächst auf freiwilliger Basis. Als sich abzuzeichnen begann, daß auch dies nur mäßig funktionierte, wurden die CvDs verpflichtend. Die Redaktionen waren seither verpflichtet, anteilmäßig zu ihrem Sendevolumen intern die CvDs zu benennen. Diese Lösung konnte erst dann nach einem langjährigen Kampf durchgesetzt werden, nachdem den Sendenden und Redaktionen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen waren, Sendeverbote angedroht worden waren. Somit war gewährleistet, daß zumindest in einer zweieinhalbstündigen Kernzeit eine Person im Sender eingehende Anrufe entgegen nehmen, Besucherinnen durch den Sender führen oder Gäste empfangen konnte.

Diese Institution wurde auf einer Mitgliederversammlung am 8. Dezember 2006 abgeschafft. Der Februar 2007 sah deshalb letztmals einen CvD. Vorgesehen war, anstelle der ungeliebten CvD-Tätigkeit Arbeitsgruppen neu einzurichten, zu deren Teilnahme die Sendenden im Dienste des Senders verpflichtet werden sollten. Bis September 2007 ist dieses Konzept jedoch noch nicht umgesetzt worden. Wahrscheinlich wird diese Verpflichtung solange ausgesessen werden, bis der Repressionsdruck durch den Vorstand zu stark werden wird. Ohnehin ist zu fragen, welch tieferen Sinn Arbeitsgruppen ergeben, wenn als Ersatz für nicht mehr abzuleistende CvD-Stunden die rund 200 sendenden Vereinsmitglieder jeweils fünf Stunden im Jahr einer Arbeitsgruppe beitreten sollen. Offensichtlich handelt es sich bei diesem Konzept um das organisierte Gegenstück zur Synergie.

Doch schon zu Zeiten der CvDs gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, was die Chefinnen und Chefs vom Dienst im Interesse des Senders tun sollten. Manche CvDs erschienen mehr oder weniger motiviert, setzten sich an den Schreibtisch, hefteten die Faxe lustlos ab und kümmerten sich, falls sie daran dachten, um das ordnungsgemäße Starten des Wiederholunsgbandes. Sie klappten ihr Notebook auf und beschwerten sich, keine WLAN-Verbindung ins Internet vorzufinden. Sie nahmen ein Buch oder eine Zeitung mit und verbrachten die Zeit mit Lesen. Sie verließen ihren Arbeitsplatz, um in einem Nachbarraum den Internetrechner aufzusuchen und aus Langeweile zu surfen. Oder sie kamen halbwegs pünktlich zu ihrem Dienst, ohne zu wissen, warum sie eigentlich herbestellt waren. Ganz offensichtlich hatten die jeweiligen Redaktionen ihren (neuen) Mitgliedern nicht vermittelt, weshalb dieser Dienst wichtig und wie er sinnvoll durchzuführen sei. Entsprechend erreichten die Pressefaxe die möglichen oder vorgesehenen Empfängerinnen – oder meist eben auch nicht.

Es gab Chefinnen vom Dienst, die in ihren zweieinhalb Stunden Tätigkeit keine einzige Sekunde Luft holen konnten, vor allem dann, wenn sich einzelne Redaktionen zu ihren Sitzungen trafen und dabei lautstark im Sendehaus herumbrüllten, was sogar auf dem Sender zu hören war. Dann mußten sie für Ruhe sorgen, was schon in einem selbstverwalteten Jugendzentrum nur schlecht durchzusetzen ist. Wenn das selbstverwaltete Jugendzentrum ein keinem Chef verpflichtetes Lokalradio ist, dann werden Autoritäten nicht anerkannt, solange der Vorstand oder Programmrat nicht durchgreift. Es gab jedoch auch Chefinnen und Chefs vom Dienst, die mit ihrer lustlosen Einstellung lautstark verkündeten, daß ihnen langweilig war. Tatsächlich gab es auch Tage himmlischer Ruhe; auf dem Sender wurden keine Löcher produziert, es kamen keine Gäste zu den Sendungen, nur wenige Pressefaxe waren eingetrudelt und überhaupt schien es gar nichts zu tun zu geben. Doch wer sich ernsthaft um den Sender verdient machen wollte, konnte immer etwas vorfinden, was es zu verbessern galt.

Deshalb war die Institution CvD nicht notwendigerweise ein sinnloses Stundenabsitzprogramm. Man und frau hätte die Faxe durchgehen, vielleicht sogar Meldungen für den morgendlichen Radiowecker daraus gestalten können. Die CvDs hätten für Ordnung im Sendehaus sorgen können: zum Beispiel die stehen gelassenen Flaschen ihrer Kolleginnen und Kollegen einsammeln, das dreckige Geschirr spülen, die angelaufenenen Zeitungsberge in den Altpapiercontainer werfen, Kopierpapier organisieren, Papierstaus entfernen, Blumen gießen usw.

Deshalb herrschte garantiert große Freude, als der CvD abgeschafft wurde, dessen Sinn sich den meisten Sendenden nicht erschloß. Dabei liegt es grundsätzlich an jeder und jedem Einzelnen, wie gut oder wie schlecht der Sendebetrieb organisiert wird.

Seit März 2007 werden daher die Pressefaxe weitestgehend ignoriert.

Internetrechner im Redaktionsraum
Internetrechner im Redaktionsraum nach der Umstellung auf Linux.

Die eingehenden redaktionellen E–Mails werden auf einem hierfür bestimmten Rechner von einem Webmail-Konto abgerufen. Direkt zuständig für diese Aufgabe ist jedoch keine und niemand. Es hängt also vom Willen und den Kenntnissen der Sendenden ab, ob sie dieses Informationsangebot nutzen oder nicht.

Bis August 2006 war es die Radiowecker-Redaktion, die sich um das Abrufen und Verteilen dieser Innformationen verdient gemacht hat. Sie war ohnehin die einzige Redaktion, die systematisch diese Informationen in ihrer morgendlichen Sendung untergebracht hat. Der Radiowecker war bis zum Ende des Sommers 2006 eine hochinformative Morgenschiene, was für den sogenannten Radiowecker, der seit März 2007 mehr oder weniger regelmäß vor sich hinplätschert, nun wirklich nicht gesagt werden kann.

Bis zum Entzug des Sendeplatzes im September 2006 und der daran anschließenden Auflösung der Redaktion waren es hauptsächlich Katharina Mann, aber auch die anderen Redaktionsmitglieder, welche ein Praktikum bei Radio Darmstadt angeboten und durchgeführt hatten. Die Radiowecker-Redaktion bot zwischen 2003 und 2006 fast vier Jahre lang ehrenamtlich (!) nicht nur für Schülerinnen und Schüler ein 14–tägiges Schnupperpraktikum an, sondern auch eine umfangreiche Ausbildung über mehrere Wochen und Monate. Dies hatte nicht nur den Vorteil, daß es täglich ein mit Inhalten gefülltes Morgenmagazin gab, sondern es führte auch dazu, daß Radio Darmstadt dort mit einem Mikrofon vor Ort war, wo die gleichnamige Lokalredaktion niemals gesichtet wurde. Zudem war das Sendehaus meist bis in die Mittagszeit belebt, womit sich das Problem der eingehenden Telefonanrufe genauso befriedigend lösen ließ wie der Posteingang, falls der Postbote oder die Paketzustellerin ein etwas größeres Postgut abzugeben hatten, welches nicht in den großen Briefkasten am Hauseingang gepaßt hat.

Die Praktika, die in derselben Zeit von anderen Redaktionen angeboten wurden, lassen sich an den Fingern einer einzigen Hand abzählen. Mit dem Vereinsausschluß von Katharina Mann und Norbert Büchner stellt sich der Verein und sein Radio in Bezug auf die Vermittlung von Medienkompetenz ins Abseits. Seit September 2006 wurde kein einziges qualifiziertes Praktikum mehr angeboten, konsequenterweise fiel 2007 der Girls' Day bei Radio Darmstadt komplett aus.

Dunkelheit am hellichten Tag
Mittags um 2 sind die Rolläden unten und das Sendehaus ist leer. Das war einmal anders.

Ohne die Radiowecker-Redaktion und im Anschluß an die durch nichts begründete Kündigung des halbtags beschäftigten Kaufmännischen Angestellten ist das Sendehaus tagsüber weitgehend menschenleer und stellt sich nach außen als eine hermetisch abgeschottete Einheit dar. Die vormals durch hochgezogene Rolläden und viel Licht im Sender verkündete Zugangsoffenheit ist vollkommen verschwunden.

Seit September 2006 wird auch der Informationskanal E–Mail nicht mehr benutzt. Schlimmer noch: aufgrund diverser technischer Basteleien konnten die redaktionellen E–Mails mitunter wochenlang nicht abgerufen, geschweige denn genutzt werden, sofern es überhaupt Sendende gab, die darauf Wert legten. Daraus folgt: die Angabe einer Adresse, über die online Pressemitteilungen oder Veranstaltungshinweise verschickt werden sollten, ist seit Herbst 2006 eine Farce. Sie gaukelt eine redaktionelle Tätigkeit vor, die einfach nicht existiert.

 

Informationsverweigerung

Die genannten Probleme der Informationsverteilung sind das Thema der folgenden Ausführungen. Nicht alles ließ sich im Nachhinein dokumentieren, deshalb wird in dieser Dokumentation nur eine beispielhafte Auswahl der redaktionellen Nichttätigkeit gezeigt.

Beispiel Pressefaxe:

Drei Faxordner im Redaktionsraum
Eindeutige Kennzeichung der Faxordner, die turnusmäßig befüllt und geleert werden sollten.

Mit der Abschaffung der CvDs im Februar 2007 spuckt das Faxgerät zwar allerlei Pressefaxe aus, aber sie landen zunächst in einem kleinen Körbchen, bevor sie weggebunkert werden. Lange Zeit handelten unsere CvDs nach dem Motto: ist ein Faxordner voll, wird ein neuer angelegt. Kein Wunder, daß sich das Altpapier irgendwann über zehn Ordner erstreckte. Im Frühjahr 2005 habe ich dann eingeführt, daß es nur noch vier Ordner gibt, die turnusmäßig ins Altpapier entleert werden, um neuen Pressefaxen Platz zu machen. Ganz offensichtlich sind manche der Sendenden des Lesens nicht mächtig, denn sonst ist es nicht zu erklären, warum sich dennoch wieder ein fünfter Ordner eingeschmuggelt hat. Die Angabe Ordner "1 von 4" ist doch eindeutig, oder? Nein, ist es nicht, denn unsere Sendenden sind teilweise nicht in der Lage darüber nachzudenken, wie sie sinnvollerweise vorgehen, wenn ein Ordner so überquillt, daß selbst mit aller rohen Gewalt kein Fax mehr hineingequetscht werden kann. Auf die Idee zu kommen, daß man oder frau dann vielleicht einfach einen Ordner ins Altpapier entleert, scheint eine echte Herausforderung zu sein. Allerdings ist zur Ehrenrettung dieser CvDs anzumerken, daß ihnen in ihren Redaktionen auch nichts vermittelt worden ist. Bei uns werden neue Redaktionsmitglieder einfach aufgenommen, ohne ihnen zu vermitteln, wie der Laden läuft. Sollen sie das doch selbst herausfinden!

So bleibt manchem oder mancher CvD nichts anderes übrig, als sich nach dem Zufallsprinzip eine oder jemanden im Sendehaus zu suchen, die oder der gerade greifbar ist. Angesichts dessen, daß Katharina Mann und Norbert Büchner für die Praktikumsbetreuung und Instandhaltung der Studiotechnik, Walter Kuhl als Angestellter des Vereins und Niko Martin im Rahmen der Projektarbeit sehr häufig im Sender gewesen sind, heißt das: die Redaktionen lasten ihren Eigenanteil an der redaktionellen Zuarbeit denjenigen auf, die ohnehin im Sendehaus sind und sicherlich Besseres zu tun wissen, als den CvDs ihre Arbeit zu erklären. So kam es, daß diese vier Personen zu den "üblichen Verdächtigen" wurden, die irgendwann von der Zumutung, die ihnen die Redaktionen auftrugen, nur noch genervt waren. Und Entsprechendes bekamen die Sendenden zu hören. Anstatt sich nun in den eigenen Redaktionen darüber zu beschweren, daß in den Redaktionen nicht das notwendige Wissen vermittelt wurde, richtete sich der Groll auf diejenigen, die vollkommen zurecht angenervt waren. Mit der Folge, daß in den Redaktionen weiterhin fleißig die Arbeit auf Andere abgewälzt wurde. Diese Dienstleistungsmentalität beherrscht weite Teile des Sendebetriebs. Und wenn die so ausgeguckten Arbeitssklavinnen und –sklaven nicht richtig spurten, dann wurden sie mit vollkommen idiotischen Anschuldigungen konfrontiert. Von dieser Sorte Anschuldigung war die, daß die "üblichen Verdächtigen" nicht freundlich seien, geradezu noch die harmlosere.

Ein typisches Beispiel: ein Redaktionsmitglied von treffpunkt eine welt, der in einer sozialen Organisation in Darmstadt beschäftigt ist, schickt eine Arbeitskollegin mit einer vorbereiteten MiniDisc in den Sender. Sie klingelt und übergibt der– oder demjenigen, die gerade zufällig im Sendehaus sind, die Sendediskette und verschwindet wieder. Das heißt: es liegt jetzt an einer dritten Person, ob die Sendung drei oder vier Stunden später eingelegt wird oder auch nicht. Auf die Idee zu kommen, das vielleicht einmal grundsätzlich zu kommunizieren, überfordert diesen Redakteur, der immerhin in einer sozialen Einrichtung so etwas wie soziale Kompetenz erworben haben sollte. Darauf angesprochen, meinte er [im Sommer 2005] tatsächlich, daß Radio Darmstadt ihm diese Dienstleistung zu erbringen habe. Ich kann mich nicht an eine Dienstleistung erinnern, die dieser Redakteur einer anderen Redaktion hat angedeihen lassen. Wer sich nun dieser Versorgungsmentalität verweigert, wird gedisst. Von diesem kuscheligen [1] Selbstverständnis im Umgang miteinander könnte ich noch viele weitere Beispiele erzählen.

Diese Mentalität, die davon ausgeht, daß ihnen schon Andere die Arbeit abnehmen, ist Teil einer Redaktionskultur, wie sie sich auch im Umgang mit eingehenden Pressemeldungen und Veranstaltungshinweisen ausdrückt. Das Phänomen kaum vorhandener redaktioneller oder gar zwischenredaktioneller Zusammenarbeit ist deutlich zu spüren. Man und frau denkt an sich und die eigene Sendung, aber daß nur eine gemeinsame Kooperation es erst ermöglicht, daß man und frau selbst senden kann, dieser Gedanke ist vielen Sendenden schlicht wesensfremd. Hier lebt sich die Atomisierung und unreflektiert internalisierte Ellenbogenhaltung aus der Mitte der Gesellschaft ungeniert aus. Mit diesem Phänomen darf sich jetzt der Vorstand herumplagen, der zunächst dafür gesorgt hat, daß die alten Sklavinnen und Sklaven von der Bildfläche verschwanden. Entsprechend desolat stellt sich der Sender derzeit in vielen Aspekten dar.

Die Pressefaxe fallen folglich zu Boden, werden im Zweifelsfall von einer Putzkraft wieder aufgesammelt, ins Körbchen gelegt, irgendwann abgeheftet oder an einem neutralen Platz weggebunkert. Möglicherweise wußte die verbliebene Bürohilfskraft nicht, was sie mit den Faxen anstellen sollte, nachdem es keine CvDs mehr gab.

 


 

Faxstapel am 20. März 2007
Der Faxstapel am 20. März 2007.
Faxstapel am 6. April 2007
Der Faxstapel am 6. April 2007, angesammelt seit dem 26. März.
Faxstapel am 17. Mai 2007
Der Faxstapel am 17. Mai 2007, 189 Blatt Papier angesammelt seit dem 9. Mai.
Faxordner 1 und 5
Das Faxversteck in der linken Schublade des CvD-Schreibtischs: Ordner Nummer 1 und 5.
Stehtisch als Altpapiercontainer
In diesem Stehtisch schlummert ein Faxschatz.
Faxstapel erste Hälfte März 2007
Hierin wurden die Pressefaxe der ersten beiden Märzwochen 2007 weggebunkert.
Werbung einfach abgeheftet
Faxwerbung wird nicht aussortiert, sondern en bloc mit dem Rest abgeheftet.
Ehemalige Radiowecker-Mappen
Ungenutzes Verteilsystem der ehemaligen Radiowecker-Redaktion. Hier wurden die Pressefaxe einsortiert.
CvD-Schreibtisch
Auf dem nicht mehr genutzten CvD-Schreibtisch wird planlos Papier platziert.

 


 

Am 31. Mai 2007 war ein neues Phänomen zu beobachten. Die angesammelten Faxe aus dem Faxkörbchen wurden auf einem daneben stehenden Tisch im Deckel eines Papierkartons abgelegt. Und immer, wenn das Faxkörbchen überzuquellen drohte, wurde dieser neue neue Faxstapel aufgefüllt. Es ist anzunehmen, daß ganz selten einmal eine Pressemitteilung aus diesem Faxberg den Weg in ein Sendestudio gefunden hat, möglicherweise gar redaktionell bearbeitet. Die Regelmäßigkeit, mit welcher der Faxberg aufgetürmt wurde, läßt vielmehr darauf schließen, daß 98% aller per Fax eingehenden redaktionellen Mitteilungen schlicht ignoriert worden sind. Als der rund 3000 Seiten starke Papierberg umzufallen drohte, wurde er Anfang September im Abfallcontainer auf dem Hinterhof entsorgt. Das bedeutet nun nicht, daß die neue Faxablage damit überflüssig geworden wäre. Im Prinzip hat sie sich ja bewährt: Das Papier wird ordentlich gebunkert.

 


 

Neu angelegte Faxablage am 31. Mai 2007
Faxablage am 31. Mai 2007.
Faxgebirge am 3. September 2007
Faxgebirge am 3. September 2007.
Neuanlage am 6. September 2007
Neue Faxablage am 6. September 2007.

 


 

Beispiel Redaktionsemails:

Nachdem der Radiowecker-Redaktion im September 2006 der Sendeplatz entzogen und die redaktionelle Basis durch den Vereinsausschluß zweier Redaktionsmitglieder zerstört worden war, gingen zunächst einmal einige Wochen ins Land, in denen die eingehenden redaktionellen E–Mails fast gänzlich unbeachtet blieben. Der Abruf der E–Mails vom Webmail-Konto geschah sporadisch und meist nur eher zufällig dann, wenn eine oder jemand den damals noch benutzten Outlook Express für den schnellen Versand eigener E–Mails benötigte. Der Mail Client war so konfiguriert, daß bei seinem Aufruf automatisch nach neu eingetroffenen redaktionellen E–Mails gesucht wurde. Um Dopplungen und Inkonsistenzenh zu vermeiden, gab es nur einen Internetrechner mit redaktionellem Mail Client. Im Grunde genommen war schon zu diesem frühen Zeitpunkt dieser Informationskanal eine echte virtuelle Realität.

Druckjobs ohne Drucker
Die auf dem Monitor sichtbaren 39 Druckjobs konnten nicht ausgeführt werden.

Dies setzte sich fort, als die Technikcrew diesen Internetrechner im Oktober 2006 auf Linux umrüstete. Zunächst einmal war der Rechner wochenlang überhaupt nicht verfügbar, dann fehlten entscheidende Accessoires wie eine sauber implementierte und deshalb auch funktionierende Drucker-Anbindung und die Möglichkeit, Daten auf der Festplatte speichern zu können. Das bis September 2006 genutzte Zip-Laufwerk wurde erst gar nicht mehr eingebunden. Damit gab es auch keine externen Speichermöglichkeiten mehr. Der Rechner war faktisch nicht zu gebrauchen.

Einloggen nicht möglich
Mitte Dezember 2006 war nicht einmal mehr das Einloggen möglich.

Im Dezember 2006 sollte der Rechner dann wieder einmal neu konfiguriert werden. Angeblich, so hieß es kurze Zeit später, würden Motherboard und Festplatte den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Offensichtlich war es der Technikcrew nicht gelungen, einen zuvor – zugegeben, mittels des antiquierten Windows 98 – noch unproblematisch arbeitenden Internetrechner auf Linuxbasis so zu konfigurieren, daß man und frau damit wieder arbeiten konnte. Um das eigene Scheitern nicht zugeben zu müssen, war auf einmal der Rechner schuld. Somit war die Nutzung zu redaktionellen Zwecken ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Ein leistungsstärkerer Nachfolgerechner stand erst Ende März 2007 zur Verfügung.

Doch was geschah in der Zwischenzeit mit den eintrudelnden redaktionellen E–Mails? Diese wurden, damit nichts verloren geht, auf dem privaten Rechner eines Technikvorstandes zwischengelagert. Wochenlang wurden die Daten mehr oder weniger regelmäßig vom Webmail-Konto heruntergeladen, ohne daß sie in irgendeiner geeigneten Form den Sendenden bei Radio Darmstadt zur Verfügung gestellt wurden. Dieses Webmail-Konto war zudem im Dezember und Januar immer wieder überfüllt, da auch in den Zeiten der Verfügbarkeit des alten Internetrechners keine und niemand die empfangenen E–Mails abrief. Wahrscheinlich am 8. Februar 2007 wurde dann der dritte Internetrechner mit dem Mail Client Mozilla Thunderbird so eingerichtet, daß wenigstens auf diesem Rechner endlich wieder Pressemitteilungen abgerufen und verarbeitet werden konnten. Aber auch hier war die Verfügbarkeit nur tendenziell gegeben. Der Rechner wurde im April für einige Wochen von der Außenwelt abgenabelt. Dies wirkte sich verheerend auf die eingehenden Pressemitteilungen und Veranstaltungshinweise aus. Denn am 23. April 2007 meldete das Webmail-Konto, daß es überfüllt und daher nicht mehr in der Lage sei, weitere E–Mails zu empfangen:

Betreff: Quota exceeding warning
Von: psaadm@alster072.click2connect.de
Datum: Mon, 23 Apr 2007 16:14:38 +0200
An: redaktion@radiodarmstadt.de

Warning!
Your mailbox quota was exceeded. All messages to your address will be rejected. Please, free space in the mailbox or contact server administrator.
This message is automatically generated, please do not reply to it.
Stark verkleinerter Screenshot vom Redaktionsrechner
Es fehlen die eingegangenen E–Mails vom 24. April bis zum 7. Mai 2007.

Folgerichtig finden wir auf dem Internetrechner mit dem Mail Client eine charakteristische Lücke vom 24. April bis zum 7. Mai 2007. Schauen wir uns das Redaktionskonto im Mozilla Thunderbird etwas genauer an, dann finden wir weitere derartige Lücken. Die ersten redaktionellen E–Mails werden für den 13. Februar 2007 verzeichnet. Danach gibt es Lücken vom 14. bis zum 16. Februar, vom 19. Februar bis zum 1. März und vom 26. bis zum 29. März. Doch auch in den Zeiten, in denen E–Mails abgerufen werden konnten, ist es auffällig, daß ganz offensichtlich kaum einmal jemand oder eine tatsächlich einen Blick auf die eingegangenen E–Mails geworfen hat. Wahrscheinlich muß sogar festgehalten werden, daß 99 Prozent aller eingegangenen redaktionellen E–Mails in keinster Weise angeschaut oder bearbeitet wurden! Der Spamfaktor ist hierbei ungeheuer hoch. Doch gerade der Mail Client Mozilla Thunderbird verfügt über einen gut funktionierenden trainierbaren Spamfilter. Dieser wurde nicht aktiviert, geschweige trainiert, wie ein Blick auf die eingegangenen E–Mails zeigt. Im Zeitraum Februar bis Mai 2007 sind sage und schreibe über 3.500 E–Mails als nicht gelesen markiert.

An diesem Zustand hat sich auch bis zum September 2007 nichts geändert.

Mehr als 3.500 nicht gelesene oder als Spam gelöschte E-Mails
Bildschirmausschnitt mit mehr als 3.500 nicht gelesenen oder als Spam gelöschten E–Mails am 15. Mai 2007.

Deshalb können wir festhalten: spätestens seit Ende November 2006 ist auch die Angabe einer redaktionellen Email-Adresse auf Programmflyer und Webseite eine reine Farce. Was immer dort eingegangen ist, ist in der Regel im virtuellen Nirwana versandet. [2]

Die nachfolgenden Bilder illustrieren den desolaten und ignoranten Zustand hinsichtlich des elektronischen Empfangs von Pressemitteilungen, Veranstaltungshinweisen oder ganz einfach auch nur Hörerinnen– und Höreranfragen. Ich wiederhole mich sicher, wenn ich darauf hinweise, daß ein derartiger Unfug während meiner Zeit als Vorstand für Studio und Technik undenkbar war und deshalb auch nicht vorkam. Zudem war es bis August 2006 Katharina Mann gewesen, die als Betreuerin unserer Praktikantinnen und Praktikanten regelmäßig das elektronische Postfach geleert und auf redaktionelle Anfragen geantwortet hatte. Wer heute eine redaktionelle Anfrage an den Sender stellt, hat fast keine Chance, auch eine Antwort zu erhalten. Es ist sicherlich eine Sache, wenn die technische Infrastruktur nicht zur Verfügung steht, weil unsere Bastelcombo zu viele Baustellen auf einmal aufgemacht hat. Eine andere Sache ist es jedoch, wenn die angebotenen Möglichkeiten dann, wenn sie funktionieren, nicht genutzt werden, weil sie für keine und niemanden von Interesse zu sein scheinen.

 


 

Internetrechner im Redaktionsraum
Internetrechner im Redaktionsraum, Anfang Februar 2007. Der Mail Client wurde auf dem rechten PC eingerichtet.
Leergehäuse alter Internetrechner
Attrappe des alten Internetrechners, März 2007.
Die neuen Rechner sind da.
Internetrechner im Redaktionsraum Ende März 2007. Der linke Rechner ist neu, der rechte hat jetzt einen TFT-Monitor.
Internetrechner nicht nutzbar
Internetrechner im Redaktionsraum, nicht nutzbar 2. Hälfte April 2007.
Offenes Gehäuse beim Internetrechner
Internetrechner mit seit einem Monat offenem Gehäuse, Mai 2007.
Lords of War als redaktionelle Arbeit
Pressemeldungen sind natürlich uninteressant, wenn man "Lords of War" online spielen kann.

 


 

Informationsalternativen

Nun ist aus der Verweigerungshaltung, Pressemitteilungen, Veranstaltungshinweise oder sonstigen Spam mittels Fax oder E–Mail zu empfangen, keinesfalls darauf zu schließen, bei Radio Darmstadt würde die redaktionelle Arbeit verweigert. Der einzig logische Schluß ist nämlich der, daß die Ignoranz gegenüber diesen offiziellen Kanälen darin begründet liegt, daß es ganz andere, viel einfacher zu konsumierende Informationswege gibt.

Zum Beispiel: Handbücher, CD–Promotexte, Werbebroschüren oder beliebig abrufbare Internetnews. Wozu soll man und frau sich eigentlich die Arbeit machen, Pressemeldungen für das Hören aufzuarbeiten, wenn es auf den Inhalt gar nicht mehr ankommt, sondern Luftblasen verbreitet werden können? Nun soll damit nicht gesagt werden, daß die Verweigerungshaltung etwas mit den versandten Pressemeldungen zu tun hat. Zugegeben – bei mancher Pressemitteilung und manchem Veranstaltungshinweis muß man und frau sich wirklich fragen, ob die Person, die etwas im Radio untergebracht wissen will, sich überhaupt etwas dabei gedacht hat. Informationen, bei denen wahlweise der Ort, das Datum, die Uhrzeit oder gar eine Kontaktmöglichkeit fehlen, sind wahrlich eine Angelegenheit für den nächsten Papierkorb. Pressemitteilungen, die so geschrieben sind, daß sie auch nach dreimaligem lauten Vorlesen nicht verständlich sind, sind keine Ausnahme. Veranstaltungshinweise, bei denen der Wochentag nicht zum Datum paßt, sind gar nicht so selten. Kurz: wer wirklich etwas in einem Medium unterbringen will, muß sich schon die Mühe machen, strukturiert und sorgfältig zu arbeiten. Optimal ist es, wenn eine Meldung passend zum Medium aufbereitet wird. Eine Pressemitteilung, die in der Zeitung erscheinen soll, muß anders geschrieben werden als ein Beitrag fürs Radio. Dazu gehört auch, sich beim Versand per E–Mail Gedanken über die Betreffzeile zu machen. Ein Betreff "Pressemitteilung" mag zwar stimmen, aber regt kaum zum Anklicken an. Denn schließlich ist fast alles, was bei einer Zeitung oder einem Radio ankommt, so etwas wie eine Pressemitteilung. So bleibt festzuhalten, daß selten so schludrig gearbeitet wird wie in den Presseabteilungen der großen wie der ganz kleinen Organisationen. Dann ist es fast schon nachzuvollziehen, wenn die Redakteure und Moderatorinnen von Radio Darmstadt keine Lust haben, sich solch einen Unsinn Tag für Tag reinzupfeifen.

So weichen sie lieber auf die schon angedeuteten handlichen vorgefertigten und vorgekauten Textbröckchen aus. Beim Internet muß man und frau sich auch nichts denken, sich schon gar nicht vorbereiten. Muß schnell noch eine Lücke zwischen zwei Musiktiteln mit belangloser Plauderei gefüllt werden? Zwei, drei Klicks, und schon erfahren auch die Hörerinnen und Hörer von Radio Darmstadt als publizistische Ergänzung das, womit sie ohnehin auf allen Kanälen vollgedudelt werden.

Dieses Vorgehen entspricht vollkommen den am 11. September 2006 vom Programmrat verabschiedeten Sendekriterien von Radio Darmstadt. Die journalistische Sorgfalt wird hierbei auf die " vier 'W'" des Verlautbarungsjournalismus reduziert: "Wer – Was – Wann – Wo".

 

Into The Blues – Ablesen des Promotextes

Da gibt es berispielsweise den Moderator am Montag, der zu jedem Tag im Jahr die passenden Jahrestage aus einem namhaften Buch zur Rock– und Pop-Geschichte vorliest – natürlich, ohne seine Quelle zu nennen. Diese Quelle gilt unter Insidern als nicht besonders zuverlässig.

Screenshot des Promotextes
Promotext zu Joan Armatrading

Gerade in den Musiksendungen der Musikredaktion, aber auch der Unterhaltungsredaktion ist es sehr beliebt, einfach den der Promo–CD beigefügten Text abzulesen. Eigentlich handelt es sich bei einer derart vorgetragenen nichtredaktionellen Arbeit um das, was einem nichtkommerziellen Lokalradio streng verboten ist, nämlich um Werbung. Aber da die Quelle der eigenen Weisheiten nicht verraten wird, gehört ein gewisses Maß an Insiderwissen dazu, einen selbst erstellten von einem abgelesenen Text unterscheiden zu können. Nehmen wir beispielsweise diesen hier, vorgetragen am 26. März 2007 im Abendprogramm:

Ein Erlebnis besonderer Güte war 'ne CD, die die Tage bei mir ins Haus geflattert ist [3], von einer Musikerin, die ich gar nicht so mit dem Blues unbedingt in Berührung gebracht hatte, und vor allen Dingen, ich dachte auch immer, sie käme aus Amerika. Nein, Joan Armatrading ist Engländerin, geboren auf Jamaika, lebt schon lange in Birmingham, ist sie aufgewachsen, mmmneee auf der karibischen Insel St. Kitts ist sie geboren, genau [4]. Und hat jetzt eine ganz tolle Platte vorgelegt, die da heißt Into the Blues. Ausschließlich eigene Stücke hat sie hier auf dieser Platte vereint, insgesamt dreizehn Tracks. Woman in Love ist der erste, den ich euch hiervon spielen möchte und euch wirklich ans Herz legen.

Es folgt der angesagte Titel, bevor die Vorleseminute beginnt:

Joan Armatrading, Woman in Love. Ja, mit ihren Hits Love and Affection und Drop the Pilot eroberte Joan Armatrading Anfang der 80er Jahre auch das deutsche Publikum. Unvergessen ihr Auftritt beim ARD-Rockpalast-Festival, wo sie ein Millionenpublikum vor dem Bildschirm und 8.000 Begeisterte in der ausverkauften Grugahalle in Essen von ihren musikalischen Qualitäten überzeugte und deutlich machte, daß man auch ohne Starallüren und Glamour-Attitüden zu den großen Künstlern zählen kann. Kann ich nur unterstreichen. Ich hab damals auch als einer der vielen vorm Fernsehen gehangen, das auf Cassette gebannt und die Cassette, [ich] glaub', noch wochenlang rauf– und runtergehört. Ja, sie zählt zu den beständigsten Singer/Songwriterinnen Großbritannien, Joan Armatrading. Und man kann kaum glauben, daß die auf der karibischen Insel St. Kitts geboren und in Birmingham aufgewachsene Künstlerin Autodidaktin in Sachen Gitarre, Klavier und Komposition ist. So überzeugend ist ihr handwerkliches Können und die Fähigkeit, Gefühle auch in Musik zu fassen. Joan Armatrading schreibt die Songs, weil sie es liebt [5], sie bleibt immer auf die Musik konzentriert, unabhängig von kurzlebigen Trends. Nach ihrem 2005 erschienenen Livealbum Live All the Way From America steht mit Into the Blues nun ein phantastisches neues Studioalbum in den Startlöchern. Die erste Single-Auskopplung Woman in Love haben wir gerade gehört. Sie ist auch auf Tour, leider nicht in der Nähe. Sie ist im April am 12. in Hamburg, am 18. in Tuttlingen, am 19. in Mannheim im Capitol, das ist noch in der Nähe [6], am 20. in Bonn, am 21. in Bochum und am 23. in München zu sehen und zu hören. Und einen Titel möchte ich auch noch spielen, das ist der Titelsong des Albums Into the Blues[7]

 

Ein garstiges Mädel – Übersetzen des Promotextes

Screenshot des Promotextes
Promotext zu Terri Clark

Wesentlich angemessener arbeitet die Moderatorin der Country-Sendung, die am 27. März 2007 erstens die Quelle [wenn auch sehr allgemein gehalten] nennt und zweitens den Text sogar aus dem amerikanischen Englisch in ihre eigenen Worte transformiert. Im Grunde genommen könnten wir ihre Moderation sogar durchgehen lassen, denn sie hat deutlich hervorgehoben, daß der folgende Text nicht von ihr ist:

Ja, und die Röhre ist ja unverkennbar von Terri Clark. Von ihr hab' ich in den US–Country Music News einen netten Bericht. Da ist sie so, wie sie immer wieder rüberkommt, voller Elan auch auf einem Bild drauf, mit ihrer Gitarre. Und als Titel heißt es ganz einfach: "Ist Terry Clark ein garstiges Mädel?"
Manchmal braucht man eine saubere Vergangenheit, genau so Terri Clark, als sie voriges Jahr bei BNA Records ihren Vertrag unterschrieb und schon damals wußte, daß die erste Single bei diesem Label so einen schmutzigen Titel hat. Und Terri Clark brachte ihre Debütsingle bei BNA mit dem Titel Dirty Girl heraus. Dirty Girl kann zur Hymne aller Offroader werden. Denn der Hintergrund dieses Songs sind ganz einfach die allradgetriebenen Boliden mit mächtigem Dampf unter der Haube, und um den sauberen Spaß an dieser Art Freizeit. Als stramme Interpretin und eine der wenigen Frauen in der Country-Music, die auch in der Lage sind, beeindruckend gut Gitarre zu spielen, gab Terri Clark beim Country Radio Seminar eine Vorschau auf ihren Song und gewann sofort die Beachtung der Anwesenden. Obwohl der offizielle Termin der Vorstellung erst Anfang April ist, fand dieser Song bereits seinen Weg in die Charts.
Tja, und da warten wir doch mal ab, was da so kommt. Sie schreibt hier:
Ich mochte die Melodie, ich mochte die Musik, aber es war ein Junge, der zu einem Mädel sang. In dem Stil, ich mag es, wenn du ein dreckiges Mädel bist. Ich mag es, wenn du am Sonntag wieder sauber bist. So nahm ich den Text mit nach Hause, wurschtelte etwas mit ihm herum und überarbeitete ihn. Dann nahm ich den Text mit zu Tom und Rivers, und die mochten meine Veränderungen an dem Song. Rivers ist vom Mississippi, und so hatte der Song etwas von dem Flair, das ich so mag, und er ist wirklich stramm. Ich hatte eine gute Zeit, wenn ich den Song gesungen habe, und wir hatten ihn sechs Monate in unserer Show. Und seit dem ersten Tag sind die Leute bei diesem Titel ausgeflippt. Sie mögen ihn besonders, besonders wenn ich singe, ich möchte dein dreckiges Girl sein.
Von Terri Clarks Webseite und einigen Anbietern kann man den Klingelton Dirty Girl 'runterladen. Tja, aber das Album kommt erst im Sommer. Tja, und da bin ich gespannt, und da ich ja die Stimme mag und den Drive, den sie so 'rüberbringt, gibt's gleich noch einen von ihr.  [8]

Die beiden weiteren Vorlese– und Übersetzungseinheiten dieser Sendung sind ähnlicher Art.

 

Freie Bahn – Verkünden der Werbebotschaft

Der Verkehrsexperte des Senders verliest am 22. Dezember 2006 eine Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des SPNV vom 17. November 2006, ohne dies kenntlich zu machen:

Zeit der Züge. Heute ist wieder Zeit für verkehrspolitische Themen. Am Mikrofon [Name]. Um den möglichen Börsengang der Eisenbahn ging es in den beiden letzten Sendungen. Eine Initiative namens Abellio hat sich gebildet aus mehreren Institutionen, aus Mofair, Arriva, Transregio, Keolis, Abellio, dem Netzwerk Privatbahnen und der BAG SPNV. Mehr Verkehr auf der Schiene durch mehr Markt. Das sind die Forderungen zur Privatisierung der DB AG. Diese Privatisierung betrifft nicht allein das bundeseigene Unternehmen, sondern schafft entscheidende Rahmenbedingungen für die Marktchancen der Wettbewerber.
Screenshot der Pressemitteilung
Die über den Sender verlautbarte Pressemitteilung

Und hier sind wir schon inmitten der Pressemitteilung. Nach weiteren Minuten des Vorlesens erklärt unser Verkehrsexperte: "Und nun stelle ich die Träger der Initiative vor." Diese Vorstellung erschöpft sich in der Fortsetzung des Verlesens derselben Pressemitteilung. Faktisch läuft das auf die ungefilterte Wiedergabe der Eigenwerbung der jeweiligen Unternehmen hinaus. Ein Beispiel:

Hauptgesellschafter von Trans regio ist EuRailCo, zu 50 % im Besitz der RATP Développement, einer Tochtergesellschaft der französischen RATP-Gruppe, die in Paris 85 % des Bus–, Schienen– und Metroverkehrs betreibt. Daneben gehört EuRailCo zu 50 % zu TRANSDEV, einem führenden, international tätigen Betreiber integrierter städtischer Nahverkehrsleistungen. TRANSDEV befördert jährlich eine Milliarde Fahrgäste. Seit Anfang 2004 ist EuRailCo mit 75 % Beteiligung neuer Gesellschafter der trans regio Deutsche Regionalbahnen GmbH. trans regio betreibt künftig 4.0 Millionen Zugkilometer jährlich in Rheinland-Pfalz.

Hier ließe sich zudem trefflich über die radiophone Sinnhaftigkeit des Bombardements mit Zahlen, Begriffen und Namen streiten. Selbstverständlich ist es einem nichtkommerziellen Lokalradio nicht untersagt, die Hörerinnen und Hörer mit einem Wust von Fakten zur Verzweiflung zu treiben. Aber ab einem bestimmten Punkt schaltet hierbei jede und jeder (zumindest gedanklich) ab. Nach dem Verlesen der jeweiligen Unternehmesphilosophien wechselt der Verkehrsexperte ungebremst gleich zum nächsten Thema. Es erfolgt auch zum Schluß kein Hinweis darauf, soeben das neoliberale Gedankengut der auf Märkte und Profite drängenden privaten Verkehrsanbieter verlautbart zu haben. [9]

Diese zugegebenermaßen schon extremeren Beispiele des Nachbetens eingesammelter Promotion-Texte verweisen leider auf eine journalistische Kultur, wie wir sie nicht allein in den nicht ganz so professionell arbeitenden nichtkommerziellen Lokalradios vorfinden. Selbstverständlich ist diese Form journalistischer Nichtaufarbeitung eingesandter Informationen auch in den kommerziellen Printmedien und im Rundfunk üblich. Der Zeitdruck, gepaart mit einem wenig entwickelten kritischen Bewußtsein hinsichtlich der eigenen Rolle als Journalistin oder Journalist, führt fast zwangsläufig zu dieser ungefilterten Wiedergabe fremder Texte. Dennoch gibt es im nichtkommerziellen Lokalradio keine Veranlassung dazu, unsinnige journalistische Trends nachzuahmen. Dies geschieht ohnehin schon viel zu oft, vor allem dann, wenn die auf Werbung getrimmten Formatradios fast schon eins zu eins abgekupfert werden, ohne zu bedenken, daß im nichtkommerziellen Lokalradio das Wichtigste, sozusagen das Salz in der Dudelsuppe, nicht gesendet werden darf: die Werbung. Allerdings ist hier auch zu bedenken, daß die Sendenden alternativer Medien von Kindesbeinen an darauf abgerichtet sind, den formatierten seichten Musikteppich als allgemeinverbindlich zu begreifen, so daß sie gar nicht mehr auf die Idee kommen, das Radio neu zu erfinden. Da erfinden sie doch lieber das Rad neu. [Anspielung]

Die Monate Juli, August und September 2007 bieten eine Fülle an Beispielen für die Aneignung fremden geistigen Eigentums. Nicht immer finden wir sie als bloßes Ablesen von im Internet vorgefundenen Texten vor. Das Vorstandsmitglied Markus Lang beispielsweise trat am 3. Juli 2007 in der Rolle eines Mitglieds der lokalen Darmstädter Greenpeace-Gruppe auf und spielte mehrere in anderen Lokalradios produzierte Beiträge an. Dies wäre kein Problem, wenn er nicht einen dieser Beiträge ausdrücklich mit den Worten anmoderiert hätte: "Dazu haben wir interviewt Jörg Fedders." Der Beitrag stammte jedoch von Heike Demmel von Radio Z in Nürnberg.

Dieses Beispiel zeigt, daß der Beitragsklau nicht etwa bei neu zum Radio Hinzugekommenen anzutreffen ist, sondern durchaus auch bei Vereinsmitgliedern, die seit mehr als zehn Jahren on air sind. Es fehlt hier an jeglichem Bewußtsein für das eigene Handeln. Offensichtlich geht man (seltener frau) davon aus, daß alles, was im Internet anzutreffen ist, frei verfügbares Beutegut darstellt, das ohne Prüfung des Wahrheitsgehalts 1:1 verwendet werden kann. Selbstverständlich wird die Quelle verschwiegen. Und so wird ebenso aus der Wikipedia vorgelesen wie aus der Kalenderblatt-Webseite der Deutschen Welle oder auch der Online-Ausgabe der Bild-Zeitung.

Screenshot eines abgelesenen Textes
Aus diesem Text trug Silke W. am 26. Juli 2007 vor.

Hier sind jedoch einige Einschränkungen anzuführen. Es gibt eine statistisch signifikante Häufung dieses Phänomens in bestimmten Sendungen. Und möglicherweise wurde das auch in den Jahren zuvor ab und zu feststellbare Phänomen dadurch verstärkt, daß in beiden Sendestudios seit Anfang des Jahres ein Internetzugang vorhanden ist. Dies führt dazu, den fehlenden Inhalt einer Sendung blitzschnell aus dem Internet zu saugen und abzulesen. Hiermit wird jegliche redaktionelle Bearbeitung eingehender Meldungen ersetzt durch content on the fly. Entsprechend beliebig sind die vorgetragenen Inhalte, die oftmals nicht einmal richtig verstanden werden. Dann sind Stolperer beim Vorlesen oder monoton heruntergeleierte Sätze anzutreffen. Sehr gut ist dieses sinnlose Ablesen in einem Beitrag von Silke W. in der Sendung Impuls für X am 26. Juli 2007 nachzuvollziehen. Ihre Textvorlage enthielt ein Eurozeichen, das beim Ausdruck oder in der Bildschirmdarstellung aufgrund eines falsch angewählten Zeichensatzes offensichtlich nicht mehr vorhanden war. Und exakt dies liest die Redakteurin vor. Die Vorlage lautet:

Bei diesen Produzenten handelt es sich um Entwicklungsländer, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weit unter 2000 € pro Jahr beträgt, ausgenommen Mexiko.

Bei Silke W. fällt das Eurozeichen unter den Tisch, wodurch der Satz bemerkenswert sinnlos wird. Geht es hier nun um Dollar, Pesos oder Kaffebohnen? Hinzuzufügen wäre, daß die Redakteurin erst einen Monat zuvor von Susanne Schuckmann und Peter Fritscher ausgebildet worden sind; und zum Ausbildungsstoff gehört die journalistische Sorgfaltspflicht ebenso wie eine Einführung in das Presserecht. Dieser Teil der Ausbildung muß jedoch unter den Tisch gefallen sein, denn anders ist es nicht zu erklären, daß der in seiner eigenen Sendung anwesende Redakteur Peter Fritscher hier nicht eingegriffen hat.

Der Autor dieser Dokumentation hat jahrelang immer wieder neue Initiativen gestartet, das sinnlose Abkupfern fremdbestimmter Internetinhalte zu unterbinden. Dies mag einer der Gründe dafür gewesen sein, ihm am 8. Januar 2007 ein an den Haaren herbeigezogenes Sendeverbot zu verpassen. Auch in den Monaten danach habe ich immer wieder auf dieses presserechtlich und urheberrechtlich bedenkliche Tun, welches gegen die Sendelizenz verstößt hingewiesen und Konsequenzen eingefordert. Dennoch ist es auch jetzt noch anzutreffen, denn der für die Überwachung der Sendeprinzipien zuständige Programmrat ergreift keinerlei Maßnahmen, um dieses Treiben abzustellen.

 

Das weltweite Informationsnetz

Nun sollte man und frau eigentlich denken, daß ein nichtkommerzielles Lokalradio seinen Schwerpunkt auf die Verbreitung lokaler Meldungen, Nachrichten, Informationen oder Berichte legen würde. Das ist sogar in einigen Bereichen der Fall! Die Kulturredaktion ist hier genau so rührig wie einzelne Sendungen anderer Redaktionen, die lokale Veranstaltungen ansagen. Die Lokalredaktion ist mit Ausnahme von Christian Knölker eine glatte Fehlbesetzung; und die Hörzeitung der Darmstädter Tonband– und Stereofreunde können wir hier nicht ernsthaft mitzählen. In der Hörzeitung werden Nachrichten, Berichte, Kommentare und Meldungen aus der lokalen Presse vorgelesen; und da es sich hierbei ursprünglich um eine Blindenzeitung gehandelt hat, ist das auch vollkommen in Ordnung. Nur ersetzt es eben nicht den aktuellen lokalpolitischen Fokus, den eine Redaktion haben sollte, die sich und anderen vorgaukelt, vor Ort zu sein.

Betrachten wir ernsthaft das seit März wieder täglich von Monatg bis Freitag gesendete Morgenmagazin, das sich Radiowecker nennt, dann werden wir feststellen, daß der lokale Raum vollkommen unterbelichtet bleibt. Springt ein Moderator gar ersatzweise ein, so können wir Wetten darauf abschließen, daß wir entweder einen zweistündigen Musikteppich hören werden oder einzelne unzusammenhängende Banalitäten aus dem Internet. Und das ist auch kein Wunder! Die Faxe quellen aus dem Gerät und landen auf dem Boden, und die elektronisch versandten Informationen werden erst gar nicht zur Kenntnis genommen. Dann ist es vollkommen logisch, wenn der lokale Informationsgehalt zu vernachlässigen ist. Hier rächt es sich, nicht erreichbar zu sein oder sich nicht erreichen zu lassen. Denn daß tagsüber seit Februar 2007 so gut wie keine und niemand mehr im Sender erreichbar ist, ist vielleicht die größte Katastrophe, die das Kompetenzteam um den Vorstand damit angerichtet hat, diejenigen rauszuwerfen, die den Kontakt zur Außenwelt noch aufrecht erhalten hatten.

Nachtrag: Seit August 2007 gibt es mittwochs einen Radiowecker, der zumindest partiell den lokalen Raum auch außerhalb von Veranstaltungshinweisen abdeckt. Allerdings führen manche der dort gesendeten Beiträge zu Konfusion und Desinformation.

 

Schein oder Sein?

In den Sendekriterien, welche der Programmrat von Radio Darmstadt am 11. September 2006 beschlossen hat, steckt ein Widerspruch, der das Dilemma der redaktionellen Arbeit des Sender treffsicher wiedergibt. Zum einen wird von den Sendenden verlangt, darauf zu achten, das Image des Senders nicht zu beschädigen. Wohlweislich unterließ es der Programmrat, dieses vorgeschobene Image näher zu definieren. Wahrscheinlich ahnte er, daß er sich damit selbst ein Bein stellen würde. Denn das Image wird nicht nur durch die erwünschte Außendarstellung definiert, sondern auch durch die Macht der Fakten, also: so wie sich der Sender nach außen darstellt und anhört, er also auch rezipiert wird. Wer auch nur einen Funken Verstand hat, wird sich dessen bewußt sein, daß ein herumdudelnder sogenannter Radiowecker, mannigfaltige Sendelöcher oder die seit Ende Februar 2007 herumgeisternden zum Teil mehrstündigen Hänger des Sendecomputers [mp3] nicht dazu angetan sind, ein positives Image zu verbreiten. Die Sendekriterien verlangen:

Jegliche Imageschädigung von Radar ist zu unterlassen. Dazu gehört auch öffentliche Verunglimpfung von Sendenden bei Radar, öffentliche Kränkung und öffentliches Verballhornen von auf Radar gesendeten Beiträgen. Öffentlich schließt insbesondere Äußerungen über den Ether [sic!] ein, sowie Äußerungen über Online–, Print– und AVmedien.

Lassen wir einmal das beleidigte kindliche Gemüt beiseite, das sich in diesem Wortschwall ausdrückt. Der hier formulierte Maulkorberlaß tangiert in bedenklichem Maß das vom Gesetzgeber, vom Presserecht und der Sendelizenz vorgegebene journalistische Wahrheitsprinzip. Wenn die Wahrheit nämlich das Image des Sender schädigen könnte [sozusagen der conditionalis fictivus], dann ist sie von Programmrats wegen verboten. Dieser Fall ist nicht nur durch das Sendeverbot gegen Walter Kuhl schon eingetreten, sondern bemerkenswerterweise auch durch einen Beschluß des Programmrats vom 12. Februar 2007. Dort wurde Niko Martin ausdrücklich wegen der Verbreitung der Wahrheit abgemahnt. Wenn die Wahrheit den Tatbestand der Majestätsbeleidigung erfüllt, dann ist sie nicht nur unerwünscht, sondern sie darf nicht mehr geäußert werden.

Wenn wir dann berücksichtigen, daß die sogenannte journalistische Sorgfaltspflicht sich in den "vier" journalistischen "Ws" wiederfindet [10], zumindest im kindlichen Gedankengang des Programmrats, dann findet alles, was auf dieser Seite an eingeschränkter journalistischer Arbeit dokumentiert ist, seine Begründung. Dieser Sender möchte den Schein seines Images nach außen tragen und drückt damit nur das Sein doppelmoralischer Herzen aus. Der Programmrat vermeidet es nämlich, tatsächlich imageschädigende Sendeinhalte zu thematisieren, zu diskutieren, und Lösungen für die hierbei zutage tretenden Probleme zu finden.

So wurden die nach dem September 2006 wieder massiv aufgetretenen Sendelöcher ausgesessen, in der Hoffnung, daß der Technikcrew eine Lösung für ein Phänomen einfällt, das bei verantwortungsbewußtem Handeln der Redaktionen und ihrer Sendenden fast gar nicht auftreten könnte.

Die Artefakte, welcher der Sendecomputer seit Februar 2007 ausspuckt, sind nicht nur nervig für die Hörerinnen und Hörer des Senders, die nur noch entgeistert abschalten können, sie sind im Grunde genommen auch eine Verballhornung von bereits gesendeten Beiträgen. Würde der Programmrat sich und seine Sendekriterien wirklich ernst nehmen, hätte er längst gehandelt. Auch hier wird das Problem wieder einmal ausgesessen, in der Hoffnung, daß dem Vorstand eine technische Lösung für ein Phänomen einfällt, daß auch sozial und kooperativ gelöst werden könnte. Doch der Wille zur redaktionellen Zusammenarbeit fehlt.

Pressemitteilungen gesammelt im Faxkorb
Eingehende Pressemitteilungen zwei Wochen lang gesammelt und nicht bearbeitet. 260 Seiten Papier am 22. Mai 2007.

Fragen zu werbenden Inhalten auf dem Sender, zur Sinnhaftigkeit mancher zum Teil wirklich unerträglicher Programmstrecken, zur Umwandlung eines Mediums der Gegenöffentlichkeit in einen Musiksender oder zur gemeinsamen Verantwortung in der Aufarbeitung eingehender Beiträge, Pressemitteilungen oder Veranstaltungshinweise werden jedoch grundsätzlich peinlich berührt beiseite geschoben. Das Einzige, was den Programmrat wirklich interessiert, ist, von Fragen nach dem Sinn des Radios verschont zu bleiben. Auf derartige Ansinnen reagiert er gekränkt, beleidigt, verunglimpft.

Und deshalb findet eine redaktionelle Arbeit nur mit großen Abstrichen statt.

Dem Programmrat wie den meisten Sendenden fehlt offenbar jegliches Verständnis für die eigene Rolle im Radio. Sie sind Personen des öffentlichen Lebens, zumal sie durch ihr öffentlich hörbares Handeln meinungsbildend wirken [11]. Sie sind daher als solche greifbar und selbstverständlich auch dem Lob und der Kritik unterworfen. Sie handeln jedoch so, als würden sie unter Ausschluß der Öffentlichkeit ihrer radiophonen Tätigkeit nachgehen und reagieren daher allergisch auf eine genauso öffentliche Debatte über die Qualität und die Wirkung ihrer Sendungen. Dabei haben sie selbst durchaus kein Problem damit, andere Personen in ihren Sendungen zu dissen, etwa wenn ein Moderator der Unterhaltungsredaktion den Künstler Scooter in seiner Rubrik "Scheiß des Monats" niedermacht oder wenn die Redaktion Audiomax sich an den Radiopannen anderer Sender ergötzt. Dabei wären allzu menschliche Radiopannen eher noch die harmloseren Ereignisse auf diesem Sender. Eher wäre hier über kunstvoll erzeugte Sendelöcher, technische Inkompetenz oder moderative Sinnlosigkeiten zu reden.

 

ANMERKUNGEN

 

[1]   Das Radio soll wieder kuschelig werden – das ist das Motto von Vorstandsfrau Susanne Schuckmann.

[2]   Die entsprechenden Screenshots können bei Bedarf vorgelegt werden. Am 15. Mai 2007 habe ich den Mail Client aufgerufen; mir kamen dort die redaktionellen und nichtredaktionellen Spam-Emails einer ganzen Woche entgegen. Etwas ähnliches widerfuhr Niko Martin, als er am 7. Mai mit dem Mozilla Thunderbird arbeitete; hierbei fiel ihm auch die weiter oben zitierte automatisch generierte Warnnachricht auf.

[3]   Dieser peseudo-auflockernde Sprachstil verrät mehr über den Moderator, als er denkt. Die CD wurde wohl per Brieftaube versandt.

[4]   Wenn man schon abliest, dann auch richtig. Zwischen Jamaika und St. Kitts liegen mehr als 1.000 Kilometer karibisches Salzwasser.

[5]   Das hat der Moderator ganz sicher im Interview von ihr erfahren, oder? Oder plappert er einfach nur den Stuß nach, den ein Pressefuzzi vorgekaut hat?

[6]   Jetzt auf einmal doch? Hier rächt sich die mangelnde Vorbereitung auf die Sendung. Offensichtlich ist es nicht wichtig, was man den Hörerinnen und Hörern erzählt, Hauptsache, es wirkt cool.

[7]   Der in der Sendung weitgehend unverändert abgelesene Text der Presseinformation war am 21. Mai 2007 hier zu finden. – Die Moderation endet mit Angaben zur Plattenfirma und zum Veröffentlichungsdatum etc.

[8]   Klingeltonwerbung für dein Handy? Im Original war der Text am 21. Mai 2007 hier zu finden. Die Übersetzung scheint frei während der Moderation erstellt worden zu sein, denn sie enthält einige zum Teil sinnentstellende Fehler.

[9]   Der Text der am 22. Dezember 2006 verlautbarten Pressemitteilung fand sich am 21. Mai 2007 hier.

[10]  Hier wäre eine schnelle Recherche im Internet ausnahmsweise einmal erhellend gewesen: Journalistische Ws.

[11]  Vergleiche die Ausführungen zum Journalismus im nichtkommerziellen Lokalradio und zur Einordnung von Journalistinnen und Journalisten als Personen der Zeitgeschichte das Rechtshandbuch Bürgermedien von Eckard Nachtwey und Peter Willers, Kiel 1999, insbesondere die Seiten 24 bis 27 und 125 bis 126.

 


 

Diese Seite wurde zuletzt am 17. Juli 2008 aktualisiert. Links auf andere Websites bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. ©  Walter Kuhl 2001, 2007, 2008. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.

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