Kapital – Verbrechen

Kriegserklärung an die zivilisierte Welt

 

 

SENDEMANUSKRIPT

 
Sendung :
Kapital – Verbrechen
Kriegserklärung an die zivilisierte Welt
 
Redaktion und Moderation :
Walter Kuhl
 
gesendet auf :
Radio Darmstadt
 
Redaktion :
Alltag und Geschichte
 
gesendet am :
Montag, 28. April 2003, 17.00–18.00 Uhr
 
wiederholt am :
Dienstag, 29. April 2003, 00.00–01.00 Uhr
Dienstag, 29. April 2003, 08.00–09.00 Uhr
Dienstag, 29. April 2003, 14.00–15.00 Uhr
 
 
Besprochenes und benutztes Buch :
Ekkehard Sauermann : Neue Welt Kriegs Ordnung, Atlantik Verlag
 
 
Playlist :
  • Erste Allgemeine Verunsicherung : Ba–Ba–Banküberfall
  • Monie Love : Down To Earth
 
 
URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/kv/kv_zwelt.htm
 
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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 : Einleitung
Kapitel 2 : Merkwürdigkeiten um den 11. September
Kapitel 3 : Cui bono?
Kapitel 4 : Ideologiekritisches
Kapitel 5 : Kriegsgeflüster
Kapitel 6 : Veranstaltungshinweise
Kapitel 7 : Schluß
Anmerkungen zum Sendemanuskript

 

Einleitung

Jingle Alltag und Geschichte

Der vierte (oder vielleicht auch fünfte) Krieg der Neuen Weltordnung hat seine Spuren hinterlassen. Während alle Welt gebannt auf den Irak geschaut hat, um mitzuerleben, wie der US–Imperialismus verbrannte Erde hinterläßt, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die Schraube der neoliberalen Erpressung weiter angezogen. Der Angriff auf die sozialen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts geht weiter. Es herrscht Krieg in den Städten, allerdings einer, der nicht nur auf Sozial– und Arbeitsämtern ausgefochten wird, sondern auch im Herrngarten oder auf dem Luisenplatz.

Die Medienmache um die Junkies im Herrngarten ist widerlich. Aber sie müssen weg. Denn wer geht sonst in das neue Herrngarten–Café? Nein, ein schöner Anblick sind sie wahrlich nicht, und nach den Maßstäben der herrschenden Ordnung sind sie kriminell. Es ist dieselbe Ordnung, in der es nicht kriminell ist, Menschen in Armut und Obdachlosigkeit zu werfen, ihnen Arbeit und Brot zu nehmen, oder sie auszuweisen und abzuschieben. Von Menschenrechtskriegen um Öl und neue Märkte für Waffenexporte einmal ganz zu schweigen.

Wiederhole ich mich eigentlich zu sehr? Bin ich zu phantasielos, um die blühenden Landschaften, welche durch US–amerikanische Bomber und die Rürup–Kommission geschaffen werden, nicht zu sehen? Ist es eigentlich wirklich geil, ein Arschloch zu sein? Oder was macht den Kick aus, den Reichen und Mächtigen in den Arsch zu kriechen? So lasse ich heute vorzugsweise andere sprechen.

Der Erziehungswissenschaftler, Soziologe und Revolutionstheoretiker Ekkehard Sauermann hat letztes Jahr den Versuch unternommen, die Neue Welt Kriegs Ordnung, so auch der Titel seines Buches, auf den Begriff zu bringen. Was macht diese Ordnung aus, in wessen Interesse ist sie, und wer sind die Täter und wer die Opfer? Dieses Buch werde ich zunächst vorstellen.

Anschließend sende ich eine Collage, die vom freien Radio Flora in Hannover produziert worden ist. Es geht darin um Kriegsgeflüster. Zum Schluß der Sendung einige Veranstaltungshinweise für die nächsten anderthalb Wochen. Für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt ist am Mikrofon Walter Kuhl.

Erste Allgemeine Verunsicherung : Ba–Ba–Banküberfall

 

Merkwürdigkeiten um den 11. September

Link zum Atlantik VerlagNeue Welt Kriegs Ordnung – so lautet der Titel eines voluminösen Buches von Ekkehard Sauermann. Dieser lehrte und forschte als Erziehungswissenschaftler, Soziologe und Revolutionstheoretiker von 1953 bis 1990 an der Humboldt–Universität in Berlin und an der Martin–Luther–Universität Halle/Wittenberg. Dies erklärt vielleicht auch seinen eigentümlichen Forschungsansatz, den er seinem im Atlantik Verlag erschienenen Buch zugrunde gelegt hat:

Nachdem die US–Führung im Herbst 2001 den ununterbrochenen weltumspannenden Krieg erklärt hat, um eine Welt–Kriegs–Ordnung durchzusetzen, ist die Vereinigung, Bündelung und Konzentration aller Gegenkräfte herausgefordert – und zwar sowohl auf politisch praktischem wie theoretischen Gebiet. Die theoretische Herausforderung besteht darin, der politisch–praktischen Bewegung gegen den Krieg eine fundierte Orientierung zu geben. Eine solche Orientierung muß hohen Ansprüchen genügen: Sie hat einen grundlegenden Beitrag dazu zu leisten, Charakter und Perspektive dieses eingeleiteten weltzerstörerischen Prozesses sowohl von prinzipieller wie strategischer Warte zu enthüllen, die wirklichen Ambitionen und Ziele der kriegsführenden Macht und ihrer Verbündeten zu entlarven und sowohl das objektive und subjektive Kräftepotential der »Kriegspartei« als auch der »Anti–Kriegspartei« zu analysieren. Die entscheidende Möglichkeit einer solchen Analyse besteht darin, einmal hinter der zu Tage tretenden scheinbar unüberwindlichen Macht der »Kriegspartei« deren historisch schwindende Kraft bloßzulegen, jene tiefgehenden Widersprüche konkret auszuloten, die durch den expansiven und aggressiven Kurs verstärkt werden; zum anderen darin, hinter der zutage tretenden scheinbar unüberwindlichen Ohnmacht der »Anti–Kriegspartei« deren historisch wachsendes […] Kräftepotential zu erfassen und hieraus strategische Konsequenzen abzuleiten. [1]

Ein hoher Anspruch, in der Tat. Wahrscheinlich einer, der nur kollektiv von mehreren miteinander diskutierenden und streitenden Menschen erfüllt werden kann. Dieser Schwierigkeit ist sich Ekkehard Sauermann bewußt gewesen, als er das Buch anfing zu schreiben. Da ein solches kollektives Vorhaben nicht realisierbar war, fing er selbst erst einmal alleine an, weil er davon ausging, daß ein solches Buch jetzt und nicht irgendwann benötigt wird. Fragt sich also, ob es ihm gelungen ist, seinem eigenen Anspruch im Rahmen des Möglichen gerecht zu werden. Und da muß ich sagen: ich finde das Ergebnis sehr zwiespältig.

Das liegt nicht daran, daß ich seine theoretische Vorüberlegung nicht teile. Ich rede nicht von einer Kriegs– und einer Anti–Kriegspartei. Das kommt mir zu schematisch vor und es berücksichtigt nicht, daß es innerhalb der Kriegspartei mitunter Differenzen geben kann wie jetzt beim Krieg gegen den Irak, ohne daß Schröder und Fischer jetzt auf einmal zur Anti–Kriegs–Partei gehören würden. Das gilt genausowenig für Walter Hoffmann und Jochen Partsch [1a], die sehr wohl für die deutsche Sache eintreten und deshalb den Kriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan zugestimmt haben.

Nein, das Zwiespältige fängt für mich schon mit dem 1. Kapitel an, in dem es um die Täter und Nutznießer des 11. September geht. Leider macht sich der Autor Ekkehard Sauermann hier nämlich die im Internet wild herumspukenden Verschwörungstheorien ein Stück weit zu eigen. Es ist sicher sinnvoll, die offizielle Version zu hinterfragen. Aber es ist Unsinn, einfach zu fragen: wem hat es genützt?, um zu sagen, weil es der herrschenden Klasse mitsamt der Regierung Bush genützt hat, hatte sie ein Interesse am 11. September und war daher irgendwie mit darin verwickelt.

Seine Argumentation beruht auch darauf, daß die US–Behörden Hinweise auf den Anschlag hatten. Das mag so gewesen sein, obwohl es auch hier nur Behauptungen sind. Jedoch – das Bild, das wir uns von der allgegenwärtigen Macht machen, ist einfach falsch. Die Geheimdienste sind nicht allwissend, die Überwachung ist alles andere als lückenlos, und es sind auch nur Menschen, die Informationen weitergeben oder ignorieren. Man kann bestimmte Ereignisse so zurecht biegen, daß sie zum Verschwörungsansatz passen, aber es lassen sich durchaus auch andere Erklärungen finden, die jedoch geflissentlich übersehen werden.

Vieles ist in der Tat merkwürdig. Flugzeugentführungen mit Teppichmessern beispielsweise. Kein Bekennerschreiben bis heute, so daß die Täterschaft Osama bin Ladens schlicht unbewiesen ist. Manche Behauptungen der US–Behörden sind einfach nicht stimmig. Nur – was sagt uns das? Doch offensichtlich, daß man sich nachträglich die Täterschaft so zurecht gebogen hat, um einen schon längst geplanten Krieg zu führen. Daß die angeblichen Beweise dann nicht passen und die allgegenwärtige Geheimnistuerei auch nicht gerade aufklärend wirkt, ist doch logisch. Doch daraus den Schluß zu ziehen, die CIA oder der Bush–Clan oder wer auch immer aus dem Innenleben der Macht habe zwei Wolkenkratzer pulverisiert, damit die USA ihre Weltordnung militärisch umsetzen können, ist absurd. Nicht, daß es ihnen nicht zuzutrauen wäre. Sie gehen ja auch sonst über Leichen. Aber sie haben es gar nicht nötig. Für den Krieg gegen den Irak haben sie ja auch keinen überzeugenden Grund finden können; aber letztlich ist das ja auch egal. Genauso egal, wie die Lügen von Fischer und Scharping 1999.

 

Cui bono?

Ekkehard Sauermann geht dann der Frage nach, wem hat der Anschlag genutzt? Osama bin Laden ganz offensichtlich nicht. Der islamischen Welt auch nicht. Dennoch schreibt beispielsweise Tariq Ali in seinem lesenswerten Buch mit dem allerdings bescheuerten deutschen Titel Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung sehr klar, daß er es sich sehr gut vorstellen kann, daß Verzweiflung und Perspektivlosigkeit, gepaart mit missionarischem Eifer, Menschen aus der islamischen Welt dazu gebracht haben könnten, diesen sinnlosen Terrorakt zu vollüben. [1b]

Und vielleicht weist das fehlende Bekennerschreiben einfach auch nur darauf hin, daß ein Bekenntnis überflüssig war. Der Anschlag wurde verstanden, und zwar nicht nur in der arabischen Welt. In den Fußballstadien Griechenlands wurde während der offiziellen Schweigeminute der Slogan Osama skandiert, in Argentinien gab es Freudentänze. Warum nur? Weil die Botschaft verstanden wurde? Offensichtlich.

Doch der Anschlag wurde eiskalt ausgenutzt. Die USA befinden sich in einer Rezession, und was liegt näher, als das altbewährte Mittel des Kriegskeynesianismus auszupacken? Ohnehin gibt es in den USA keine subventionierte Struktur– oder Industriepolitik für den armen gebeutelten Mittelstand wie bei uns, sondern nur den Weg über das Pentagon oder die NASA. Krieg als Wachstumsmotor. Um die Wirtschaft jedoch entscheidend anzukurbeln, bedarf es gewaltiger Rüstungsvorhaben. Insofern gehören Kriege immer dazu.

Ekkehard Sauermann beschreibt dieses Phänomen der Aufrüstung ohne wirklichen ernsthaften Gegner. Die Europäische Union ist einfach militärisch zu schwach, um die USA ernsthaft zu bedrohen, von Rußland oder China ganz zu schweigen. Das macht aber auch den Vorteil eines solchen Krieges aus: die USA kann sicher sein zu gewinnen. Und nicht einmal das, wie Sauermann zeigt, ist ihr so richtig gelungen. Saddam wurde 1991 nicht entscheidend besiegt, weil man ihn noch brauchte, Somalia 1992 bis 1994 war ein Debakel, Jugoslawien wurde 1999 nicht wirklich besiegt und in Afghanistan kämpft man seit anderthalb Jahren, ohne Osama oder Mullah Omar gefaßt zu haben. Eigentlich zu wenig.

 

Ideologiekritisches

Die Stärken, aber auch die Schwächen des Buches von Ekkehard Sauermann liegen in der Ideologiekritik. Er weist die Haltlosigkeit und Gemeinheit der verschiedenen Fundamentalismen nach. Er legt die Lügen der Herrschenden bloß. Er denunziert das selbst in der Linken erfolgreiche Buch von Michael Hardt und Antonio Negri – Empire – als für die herrschende Ordnung nützlich. [2]

Doch da, wo Ideologiekritik auch angebracht wäre, nämlich bei der Untersuchung, wer denn eigentlich die Friedenskräfte sind, da wird er schwammig. Die fehlende Klassenanalyse und die damit verbundene Untersuchung nach den Klasseninteressen in West, Ost und Süd bleibt leider ungeleistet. Hinzu kommt sein mitunter unkritisches und unreflektiertes Nachbeten gerade der Stimmen, die seiner Argumentation in den Kram passen. Doch gerade hier wäre Ideologiekritik mindestens genauso wichtig.

Er bezieht sich beispielsweise kritiklos auf das eigentlich nichts beweisende Buch von Jean–Charles Brisard und Guillaume Dasquié mit dem Titel Die verbotene Wahrheit. Brisard und Dasquié versuchen darin, eine Verbindung zwischen Teilen der US–Administration, dem saudischen Königshaus, Osama bin Laden und den Taliban zu ziehen. Leider bleiben sie den Beweis schuldig, wie bei sorgfältiger Lektüre deutlich wird. Doch Sauermann nimmt den Inhalt für bare Münze. [3]

Weiterhin verzapft er einfach Unsinn zum islamischen Einfluß in Tschetschenien. Die von CIA und pakistanischem Geheimdienst in Afghanistan ausgebildeten Rebellenführer sollen über eine Guerillaarmee von 35.000 Mann verfügen. Das ist mehr als alle tschetschenischen Feldkommandanten zusammen auf die Beine bringen und beruht ganz offensichtlich auf (wahrscheinlich russischen) Geheimdienst–Desinformationen. Der Einfluß der Wahhabiten in Tschetschenien ist – immer noch – marginal. [4]

Doch laßt mich zum Anfang zurückkehren, zu Ekkehard Sauermanns einleitender Fragestellung. Er sagt, daß die USA den Bogen überspannen und deshalb ihre unüberwindlich scheinende Macht brüchig ist. Das mag bis zu einem bestimmten Punkt richtig sein. Die USA ist ja auch eine Klassengesellschaft und die Widersprüche innerhalb dieser Gesellschaft spitzen sich zu. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weiter auseinander. Leider nicht zum Vorteil des Klassenbewußtseins.

Wenn Deutschland in der Pisa–Studie schlecht abschneidet, dann sollten wir auf das Bildungssystem der USA schauen. Die Ausgrenzung und Verdummung ist dort noch krasser als hier. Kaum zu glauben, aber wahr. Doch Dummheit ist nützlich und läßt sich mobilisieren. Ob das Bildungssystem (das deutsche wie das US–amerikanische) deshalb so viele Nieten produziert?

Worauf ich hinauswill, ist aber etwas anderes: Solange die herrschende Klasse in den USA durchmarschieren kann, tut sie es. Sie hat nämlich keine wirkliche Alternative. Es ist töricht, an ein aufgeklärtes Eigeninteresse zu glauben und schlimmer noch, an dieses angebliche Interesse zu appellieren.

Der Bush-Clan steht nicht allein, so wie Sauermann das sieht. Bush [5] vertritt vielleicht nicht die gesamte herrschende Klasse in den USA, nicht alle Kapitalfraktionen. Aber der Unterschied zur Clinton–Administration ist so groß nicht. Clintons Außenministerin Madeleine Albright ließ 500.000 Kinder im Irak einfach krepieren, gewandelt hat sich allenfalls die Wahl der Mittel. Doch wie hilft uns diese Erkenntnis weiter? Leider träumt der Autor zum Schluß seines Buches mehr, als er realistisch einzuschätzen weiß, wenn er schreibt:

Möglicherweise gibt es erstmals in der Geschichte der Kriege die reale Möglichkeit, den durch eine Großmacht eingeleiteten »permanenten Krieg« durch eine starke und breite Gegenbewegung aufzuhalten – und dies, obwohl es sich um die mächtigste Großmacht in der Geschichte handelt, und zudem um eine besonders kriegswütige und militärisch übermächtige. Die Einsicht in diese Chance ergibt sich nicht aus Wunschdenken, sondern aus der Analyse der sich verschärfenden Widersprüche und der hiemit freigesetzten und begünstigten Triebkräfte zur Bannung der Kriegsgefahr. [6]

Doch das, was hierfür zu tun ist, ist nicht mehr Gegenstand seines Buches. Dies ist dem Autor nicht vorzuwerfen. Denn er hat schon Recht, wenn er schreibt, daß die zu leistende theoretische Aufgabe Sache eines ganzen Kollektivs von Autorinnen und Autoren ist. Was mich jedoch zu der Bemerkung verleitet, darauf hinzuweisen, daß Demonstrationen und Kundgebungen, Unterschriftenlisten und Appelle nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie den Willen ausdrücken, wirklich ein für allemal Schluß zu machen mit Kriegstreiberei und Ausplünderung der Welt. Doch hiervon ist die Friedensbewegung weltweit noch meilenweit entfernt.

Ich empfehle hierzu die Lektüre der Schriften Rosa Luxemburgs [7]. Ekkehard Sauermanns Buch Neue Welt Kriegs Ordnung hingegen hat bei mir eher zwiespältige Gefühle hervorgebracht. Nun sind Gefühle kein sinnvoller politischer Handlungsansatz. Daher schlage ich euch vor, selbst in dieses Buch hereinzuschauen, ob es euch etwas bringt, ob es dazu beiträgt, mehr Licht in die Finsternis des Bösen zu bringen. Denn das Böse, das haben wir ja vorhin gehört [8], ist immer und überall. Das knapp 600 Seiten starke Buch von Ekkehard Sauermann ist im Atlantik Verlag erschienen und kostet 24 Euro 80.

 

Kriegsgeflüster

Jingle Radio Darmstadt

Es folgt nun die Collage Kriegsgeflüster, übernommen von Radio Flora Hannover. Die Audiofassung gibt es auf den Seiten des BFR. [9]

Uneingeschränkt solidarisch waren neben dem soeben gehörten Bundeskanzler Gerhard Schröder natürlich auch sein naturverbundener Außenminister Joschka Fischer,

O–Ton Joschka Fischer : Krieg ist widerwärtig.

sein sozialpazifistischer Kriegsminister Peter Struck, und natürlich auch die beiden darmstädter Bundestagsabgeordneten Walter Hoffmann und Andreas Storm.

Beim den deutschen Interessen nicht so recht dienenden Krieg gegen den Irak gab es folgerichtig die ersten Differenzen in der uneingeschränkten Solidarität. Bei der neoliberalen Offensive gegen Arbeitslose, Rentenempfängerinnen, Sozialhilfebezieher, Migrantinnen, aber auch gegen die noch Arbeitenden, sind sie sich jedoch im Prinzip einig. Alle.

Und selbstverständlich hat keiner dieser Politiker etwas an der neoliberalen Globalisierungspolitik auszusetzen, die das Marktprinzip in die hintersten Winkel des Erdballs bringt. Wenn der Markt es alleine nicht schafft, dann sind neben der US Army auch deutsche Soldaten nicht weit. Siehe Jugoslawien, siehe Somalia, siehe Afghanistan. Und jede Stunde sterben durch dieses uneingeschränkt solidarische Prinzip mehr als eintausend Kinder am globalisierten Hunger und an den üblichen neoliberalen, weil leicht heilbaren Krankheiten der Marktwirtschaft.

Allerdings führen drei Stunden Kindersterben nicht zu annähernd soviel Solidarität wie beim Anschlag auf das World Trade Center und die Kriegsmaschinerie im Pentagon am 11. September 2001. Die Zahl der Toten ist dieselbe, das Ausmaß der Solidarität könnte unterschiedlicher nicht sein. Vielleicht ist es auch so, daß diese Kinder sich erst zu richtigen Marktsubjekten hätten entwickeln sollen, um das Recht auf Leben einfordern zu können. Diese äußerst marktkonforme Sichtweise ist in der Tat eine Kriegserklärung an die zivilisierte Welt[10]

Ob Walter Hoffmann und Andreas Storm dafür gewählt worden sind? Das wäre doch mal etwas: Wahlslogans wie Auch ich bin dabei, der zivilisierten Welt den Krieg zu erklären, damit unsere Wirtschaft brummt und mein Arbeitsplatz als Abgeordneter gesichert wird. Politik würde endlich wieder glaubwürdig.

Monie Love : Down To Earth

 

Veranstaltungshinweise

Jingle Alltag und Geschichte –

mit vier zum Rahmen dieser Sendung passenden Veranstaltungshinweisen.

Für heute, also Montagabend, lädt der DGB Starkenburg zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Sozialabbau schafft keine Arbeitsplätze ein. Referentin ist Angelika Beier, Abteilungsleiterin für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik beim DGB-Bezirk Hessen–Thüringen. Der DGB–Regionsvorsitzende Jürgen Planert schreibt hierzu: "Die massiven Angriffe auf die Gewerkschaften in der Öffentlichkeit und die von der Bundesregierung angekündigten massiven Einschnitte in soziale Errungenschaften erfordern eine entschiedene Gegenwehr".

Zu diesen Angriffen gehören die Aufweichung des Kündigungsschutzes, die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die Streichung des Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenversicherung und eine Erhöhung der Zuzahlungen bei medizinische Leistungen. Der rückwärtsgewandten neoliberalen Ideologie aus dem 19. Jahrhundert müsse offensiv die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit entgegengesetzt werden, so der DGB Starkenburg.

Das sehe ich anders. Die neoliberale Politik ist nicht rückwärtsgewandt, sondern konsequente Fortführung der kapitalistischen Ausplünderung. Es ist die Postmoderne nach der sozialstaatlichen Moderne, die es ohnehin nur in den Metropolen des Weltmarktes gab. Soziale Gerechtigkeit gibt es nicht geschenkt. Arbeitsplätze sollen ohnehin nicht geschaffen werden. Dies zu glauben, ist ein vollkommen falscher Ansatz.

Doch solange die Gewerkschaften nicht mit dieser Ideologie und der Politik der sie vertretenen Parteien brechen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn ihnen sowohl die Mitglieder davonlaufen als auch ihr politischer Einfluß dahinschwindet. In Starkenburg haben dies einige Gewerkschaften begriffen, aber leider nur einige. Diese wollen versuchen, eine entsprechend wirksame Kampagne in Südhessen zu entwickeln. Die heutige Veranstaltung zum Thema Sozialabbau schafft keine Arbeitsplätze soll ein Baustein auf diesem Weg sein. Um 19 Uhr im Gewerkschaftshaus in der Rheinstraße 50.

 

Der Protest gegen den Abbau sozialer Leistungen steht auch im Mittelpunkt der 1. Mai–Veranstaltung in Darmstadt. "Der Glaube, man müsse die Erwerbslosen nur ordentlich quälen, dann würden sie schon wieder arbeiten, kann angesichts der massenhaft fehlenden Arbeitsplätze nur als bitterer Hohn empfunden werden", stellt der hiesige DGB fest.

Dramatisch verschärft hat sich auch die Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Das Angebot an Ausbildungsplätzen in der Region Starkenburg ist nach Angaben des Arbeitsamtes Darmstadt im Vergleich zum Vorjahresmonat um knapp 20% zurückgegangen. Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber hat sich hingegen weiter erhöht.

Insofern sollte der diesjährige 1. Mai vielleicht etwas kämpferischer ausfallen. Ob ein familiärer Demonstrationszug durch das Johannesviertel hierbei ausreicht? Wie auch immer – die diesjährige 1. Mai–Veranstaltung in Darmstadt beginnt am Donnerstag um 10.00 Uhr mit einem Demonstrationszug vom Gewerkschaftshaus in der Rheinstraße 50 durch das Johannesviertel zum Schloß. Um 11.00 Uhr findet auf der Bastion im Schloß die Kundgebung statt. Anschließend lädt der DGB zum großen Familien– und Kulturfest ein. Mit dabei sind Kabbaratz mit politischem Kabarett und die Band Strawutzki. Für das Kinderprogramm sorgt das ROTzfreche Spielmobil der Falken. Und zu Essen und zu Trinken gibt es natürlich auch.

 

Passend zum Thema, aber mit anderer Schwerpunktsetzung, ist eine Veranstaltung mit dem Titel "Auf die Straße gegen die Zerschlagung der Arbeitslosenhilfe!". Hintergrund sind Pläne, das sogenannte Alg II auf maximal 615 Euro festzusetzen. Dieser Betrag soll den gesamten Lebensunterhalt einschließlich Miete, Heizung und Nebenkosten decken, Wohngeld gibt es dann nicht mehr. Nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder am 14. März 2003 mit dem wohlklingenden Titel AGENDA 2010 gilt wohl auch das nicht mehr.

Geht es nach dem Willen des Kanzlers, soll das Alg II "nicht höher sein als die Sozialhilfe". Das heißt, Alg II ist Sozialhilfe pur, und es ist zu befürchten, daß auch alle anderen Regelungen der Sozialhilfe für das Alg II zur Anwendung kommen. Eltern und Kinder sind wieder zum gegenseitigen Unterhalt verpflichtet. Aber das wichtigste ist – und darum geht es ja: Jede, aber auch jede Arbeit ist zumutbar. Und damit das auch umgesetzt wird, sind alle Ersparnisse aufzubrauchen. All dies erhöht den Druck auf Arbeitslose, jede Arbeit, egal zu welchen Bedingungen, aufzunehmen. Not macht erpreßbar. Damit gerät das Lohngefüge auch der heute (noch) Beschäftigten unter gehörigen Druck, ein weiter nützlicher Nebeneffekt. Bundeskanzler Schröder und sein Adlatus Fischer sind die Vorreiter neoliberaler Ausplünderung auch im Inneren dieser Republik.

Weitere Information gibt es hierzu auf einem Aktionstreffen am Dienstag nächster Woche, also am 6. Mai, um 19.00 Uhr im Glaskasten–Café. Dieses befindet sich im Erdgeschoß des Hochhauses der Fachhochschule in der Schöfferstraße 3 in Darmstadt. Veranstalter sind der AStA der Fachhochschule Darmstadt und die Gewerkschaftliche Arbeitsloseninitiative Darmstadt, kurz: Galida.

 

Nachdem wir jetzt wissen, daß Krieg widerwärtig ist – nicht wahr, Herr Fischer …

O–Ton Joschka Fischer : Krieg ist widerwärtig.

… danke! – kommen wir zu einer Veranstaltung, die zeigt, wie sehr Fischers Kriegslügen an der Realität vorbeigegangen sind. Der Österreicher Kurt Köpruner hat Jugoslawien in den 90er Jahren mehrfach bereist und hierüber ein Buch geschrieben: Reisen in das Land der Kriege. Köpruner hat auf seinen zahllosen Reisen im Kriegsgebiet feststellen müssen, daß Medien, Politikerinnen und Politiker all die Jahre extrem manipuliert haben und selbst nicht unschuldig an dem Ausbruch des Hasses zwischen Menschen unterschiedlicher Ethnien gewesen sind. Fischer war so gesehen nur die Spitze eines kriegslüsternen Eisberges.

Kurt Köpruner wird in der nächsten Woche am Mittwoch, dem 7. Mai, aus seinem Buch lesen und für eine daran anschließende Diskussion zur Verfügung stehen. Leider werden unsere uneingeschränkt solidarischen Politiker hierbei nicht anwesend sein, denn sie wissen, daß sie sich nicht rechtfertigen können. Die Veranstaltung findet ab 19.30 Uhr im Naturfreundehaus in der Darmstraße 4a statt. Veranstalter sind der Deutsche Freidenker Verband und der Arbeitskreis Jugoslawienkrieg aus Darmstadt. [11]

 

Schluß

Soweit die Veranstaltungshinweise für die nächsten zwei Wochen, bevor ich am 12. Mai [2003] wieder mit einer neuen Folge meiner Sendereihe Kapital–Verbrechen zu hören sein werde. Diese Sendung wird am Dienstag um Mitternacht, nach dem Radiowecker mit Holger Coutandin ab 8 Uhr und noch einmal ab 14 Uhr wiederholt. Ich bin bei Radio Darmstadt wie folgt zu erreichen: entweder über meine Voice–Mailbox unter der Rufnummer (06151) 8700–192 oder per Email ü kapitalverbrechen@alltagundgeschichte.de.

Das am Anfang dieser Sendung vorgestellte Buch von Ekkehard Sauermann heißt Neue Welt Kriegs Ordnung und ist im Atlantik Verlag erschienen. Es kostet 24 Euro 80.

Gleich folgt Äktschn!, eine Sendung der Kulturredaktion. Am Mikrofon für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt war Walter Kuhl.

 

 

ANMERKUNGEN

 

[1]   Ekkehard Sauermann : Neue Welt Kriegs Ordnung, Seite 11.
[1a]  Grüner Politiker aus Darmstadt.
[1b]  Siehe hierzu auch meine Besprechung des Buchs von Tariq Ali im Radiowecker am 4. Mai 2003.
[2]   Siehe hierzu meine Besprechung von Empire in der Sendung Bushs Empire am 12. August 2002.
[3]   Kritisch besprochen wurde dieses Buch in meinem Radioweckerbeitrag Verboten und in der Rezension von Petra Lemm auf der [inzwischen eingestellten] Homepage Die Zeitzeugen.
[4]   Zu Tschetschenien gibt es einige informative Seiten im Internet. Mehr dazu HIER. Die zahlenmäßige Aufplusterung der islamistischen Rebellenstreitkräfte behauptet auch Michael Chossudovsky. Siehe hierzu meine Entgegnung.
[5]   Siehe dazu auch das Buch von James H. Hatfield mit dem Titel Das Bush Imperium, erschienen 2002 im Atlantik Verlag, und meine Besprechung in der Sendung Bushs Empire am 12. August 2002.
[6]   Sauermann Seite 568.
[7]   Siehe hierzu auch die Übersichtsseite zu meinen Sendungen und Beiträgen zu Rosa Luxemburg und ihrer Wirkungsgeschichte.
[8]   Bezieht sich auf das vorangegangene Musikstück Ba–Ba–Banküberfall.
[9]   Kriegsgeflüster ist eine Hör–Collage zum 11.9.2001. Medienausschnitte der ersten Tage nach dem Attentat sind in eine fiktive Handlung eingebunden, zwei Hörspielschaffende suchen nach Möglichkeiten, den Krieg gegen den Terrorismus hörbar zu machen. Sicherheitswahn und Gleichschaltung bilden dabei zwei Schwerpunkte. Kriegsgeflüster wurde bereits 2002 fertiggestellt, ist aber angesichts der Kriegsvorbereitungen der USA weiterhin aktuell. [aus der Kurzbeschreibung zum Beitrag]

[10]  Dieser Satz wie auch der Titel der Sendung beziehen sich auf den nach dem 11. September vielgehörten Ausspruch, bei den Anschlägen handele es sich um eine Kriegserklärung an die zivilisierte Welt. Karl Grobe–Hagel schreibt in seinem 2002 im Neuen ISP–Verlag erschienenen Buch Krieg gegen Terror zu diesem auch in der Collage zu hörenden Ausspruch:

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte die USA unmittelbar nach den Terroranschlägen der "uneingeschränkten Solidarität" der Deutschen versichert; obwohl dies semantischer Unsinn ist, war es eine zu erwartende Reaktion. Die etwas spätere Erklärung Schröders, diese Anschläge seien eine "Kriegserklärung an die gesamte zivilisierte Welt", ist schwerer nachzuvollziehen. Der Rechtsanwalt Schröder müsste erklären, welches Völkerrechtssubjekt in welcher Weise einen Krieg erklärt hat. Von einer Kriegshandlung hätte er ebenfalls nur unter der gesicherten Voraussetzung sprechen dürfen, dass es sich um eine mit Waffengewalt geführte Auseinandersetzung zwischen Staaten oder Völkern handelte (oder innerhalb eines Staates, dann als Bürgerkrieg). Dagegen spricht alles. Wenn eine solche Formulierung noch als Kommentar eines privat oder nur für eine Partei sprechenden Politikers notfalls hätte durchgehen können – Widerspruch wäre auch dann vonnöten –, dann darf sie als Äußerung eines Verfassungsorgans nicht stehen bleiben. Darum handelte es sich aber; die Worte fielen in einer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag. Doch auch dieses andere Verfassungsorgan erhob keine Einwände. Nach dem Inhalt der Kategorie "gesamte zivilisierte Welt" zu fragen, ist dagegen nebensächlich. [Seite 131]
[11]  Siehe hierzu auch die Besprechung des Buchs von Kurt Köpruner durch Sonja Vogel.

 

 

Diese Seite wurde zuletzt am 7. März 2006 aktualisiert.
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