Rosa Luxemburg

 

 
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Diese Seite ist noch in Arbeit. Sie wird fortlaufend ergänzt. Daß ich Rosa Luxemburg und ihr theoretisches Werk wie ihr praktisches Wirken besonders schätze, brauche ich wohl nicht besonders zu betonen. Angesichts dessen, daß sich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus der SPD und der heute ideologisch betrachtet ebenfalls mehrheitlich sozialdemokratischen Linkspartei PDS gerne auf Rosa Luxemburg beziehen, sei hier ausdrücklich darauf verwiesen, daß Rosa Luxemburg ein klares Bekenntnis zur russischen Revolution von 1917 und zur Diktatur des Proletariats als Herrschaftsform einer demokratischen Rätedemokratie abgelegt hat. Die Frau war also Kommunistin, keine Sozialdemokratin, und sie hätte garantiert heute weder in der einen noch in der anderen Partei die Chance, Gehör zu finden.
 
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EIGENE SENDUNGEN UND BEITRÄGE

 

In der Sendung 80 Jahre Oktoberrevolution am 9. November 1997 betrachtete ich das kritisch–solidarische Verhältnis von Rosa Luxemburg gegenüber den Bolschewiki. Hierzu folgender Auszug aus dem Sendemanuskript:

Bevor ich mit [meinen Gästen] Friedhelm Spatz und Rainer Keil von der DKP über die Bedeutung der Oktoberrevolution sprechen werde, möchte ich das Wort an Rosa Luxemburg übergeben. Rosa Luxemburg verfolgte die Ereignisse in Rußland aus dem Gefängnis in Breslau, in dem sie zu Ende des 1. Weltkriegs interniert war. Sie schrieb ein Manuskript, aus dem später ausgiebig gegen die Oktoberrevolution, die Bolschewiki und die entstehende Sowjetunion zitiert wurde. Ich habe einige wichtige Passagen zusammengefaßt – das Wort hat nun Rosa Luxemburg:

[Auszug aus einem Manuskript von Rosa Luxemburg Gesammelte Werke, Band 4, 332–365, gesprochen von Antje Trukenmüller.]

Wir alle stehen unter dem Gesetz der Geschichte, und die sozialistische Politik läßt sich eben nur international durchführen. Die Bolschewiki haben gezeigt, daß sie alles können, was eine echte revolutionäre Partei in den Grenzen des historisch Möglichen zu leisten imstande ist. Sie sollen nicht Wunder wirken wollen. Denn eine mustergültige und fehlerfreie proletarische Revolution in einem isolierten, vom Weltkrieg erschöpften, vom Imperialismus erdrosselten, vom internationalen Proletariat verratenen Lande, das wäre ein Wunder.

In dieser Beziehung waren die Lenin und Trotzki mit ihren Freunden die ersten, die dem Weltproletariat mit dem Beispiel vorausgegangen sind. Sie sind bis jetzt immer noch die einzigen, die mit Ulrich von Hutten ausrufen können: Ich hab's gewagt!

 

In meiner Sendung Deutsche Kriegsgeschichte am 5. Februar 2002 fand ich interessante imperialistische Parallelen; es folgt der Auszug aus dem Sendemanuskript:

Rosa Luxemburg [wird] in ihrer Polemik gegen den sozialdemokratischen Theoretiker Eduard Bernstein aus dem Jahr 1898 [zitiert]. Sechzehn Jahre später fand die erste Runde des von Deutschland maßgeblich mitgestalteten weltweiten Gemetzels, auch 1. Weltkrieg genannt, statt. Die Parallelen zu heute sind bestechend. Die Lektüre der Artikel Rosa Luxemburgs aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg sind nicht nur scharfsinnig in Bezug auf den deutschen Militarismus oder die weltweite imperialistische Konkurrenz, sondern auch im Hinblick auf das erbärmliche Taktieren der deutschen Sozialdemokratie. Leider war sie nicht hellsichtig genug, dieses Versagen so rechtzeitig zu erkennen, daß sich ihre Agitation gegen Militarismus und Krieg auch gleich mit auf die damalige SPD bezogen hätte. Erst nach Ausbruch des 1. Weltkrieges faßte sie diese Politik […] zusammen.

Warum erzähle ich euch das alles? Ich sehe zwischen der imperialistischen Aufrüstungsspirale vor dem 1. Weltkrieg und der heutigen – humanitär genannten – Interventionspolitik durchaus Parallelen. Die deutsche Kriegsgeschichte endet nicht 1945. Mit dem Fall der Mauer und der wiedergewonnenen völkerrechtlichen Souveränität sind alle Hemmnisse gefallen, deutsche Truppen auf deutschem Boden zu belassen. Begründungen, Lebenslügen und knallharte Profit– und Machtmotive prägen die deutsche Politik vor dem 1. Weltkrieg genauso wie die heutige. Trotz aller Veränderungen in den letzten einhundert Jahren – eine Konstante bleibt: der Kapitalismus. Und nach dem Zerfall des einzigen ernsthaften Gegners ist der Weg frei für eine neue Runde innerimperialistischer Auseinandersetzungen. Noch äußert sich das im Kleinen – etwa wenn auf der Sicherheitskonferenz in München deutsche und US–amerikanische Interessen erst einmal nur verbal auseinanderfallen. Noch ist Zollpolitik eine gemeinsame Sache gegen die Länder des Südens und des Ostens im Rahmen der Welthandelskonferenz WTO. Doch auch hier prallen die unterschiedlichen – wohlgemerkt kapitalistischen – Interessen Japans, der USA und der Europäischen Union unter der Führung der Wirtschaftsmacht Deutschland aufeinander. Zur Zeit jedenfalls geht das Rüsten gemeinsam voran. Da die Sowjetunion als angebliche Bedrohung fortgefallen ist, muß man sich neue Feinde schaffen – oder sie herbeihalluzinieren. Angesichts einer drohenden weltweiten Rezession stehen die Signale auf Aufrüstung. Kriegskeynesianismus als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung.

Mehr dazu möchte ich als Collage im Verlauf dieser Sendung vorstellen. Mir geht es nicht darum, ein fertiges Theoriegebäude zu präsentieren. Ich möchte einfach die Texte Rosa Luxemburgs mit der aktuellen rot–grünen Kriegspolitik kontrastieren.

 

In der Sendung Die Wahl der Qual, Teil 1 am 26. August 2002 sprach ich über sozialdemokratische Eiertänze; es folgt ein Auszug ais dem Sendemanuskript:

Was mich in dem von Kurt Pätzold und Manfred Weißbecker herausgegebenen Buch Schlagwörter und Schlachtrufe mitunter schon geärgert hat, ist das zuweilen etwas unkritische Verhältnis zur Sozialdemokratie. Nicht, daß bestimmte Verantwortlichkeiten verniedlicht würden. Den Mord an Rosa Luxemburg hat klar die SPD zu verantworten, die so gerne mit dem Slogan Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden hausieren geht. Die Frau, die Revolutionärin umbringen, aber die Ideen klauen. Und die Idee natürlich neu interpretieren.

Doch was hat Rosa Luxemburg wirklich gemeint? Der Philosophiehistoriker Helmut Seidel hat durchaus kenntnisreich nachgehakt. Selbstverständlich, sagt er, hat Rosa Luxemburg nicht die Freiheit der Verteidiger der Unfreiheit, also des Marktes, gefordert.

Die letzten Tage des Jahres 1918 und die ersten des Jahres 1919 zeigten dann auch deutlich, wie weit die Sozialdemokratie bereit war zu gehen. Ganz nach dem Motto Freiheit ist Freiheit der Andersdenkenden paktierte sie ganz offen mit rechtsradikalen Militärs, den sogenannten Freicorps, um die Novemberrevolution, die sie nicht im Griff hatte, zu liquidieren. Die SPD war spätestens seitdem eine Partei des Kapitals, aber mit weitgehend proletarischer Basis. Auch hier lohnt ein Blick in Ernest Mandels Buch Macht und Geld, um die Psychologie einer erfolgreichen Arbeiterpartei zu verstehen.

Wenn ich vom zuweilen unkritischen Verhältnis einzelner Autoren zur Sozialdemokratie sprach, dann meine ich die fehlende Klarheit der Analyse. Nun mag es sein, daß die Autorinnen und Autoren des Buches Schlagwörter und Schlachtrufe eine gewisse Sympathie für die PDS hegen. Und die PDS versucht ja geradezu krampfhaft, als ernstzunehmender Koalitionspartner sich der SPD anzubiedern. Insofern wäre ein Konfrontationskurs kontraproduktiv. Und es ist sicher richtig, nicht in linksradikale Phrasen und Haltungen überzugehen, wonach die Sozialdemokratie eigentlich noch schlimmer sei als der Faschismus, wie es die Sozialfaschismusthese seit 1924 verkündet, der heutzutage immer noch irgendwelche Idioten nachhängen.

Aber Anbiedern ist vielleicht doch der falsche Weg. Aber mir scheint, die PDS möchte im Konzert der Weltpolitik auch einmal mitspielen.

[Das war die] Vorstellung des Buches mit dem Titel Schlagwörter und Schlachtrufe. Ein Buch, das aus den letzten zwei Jahrhunderten deutscher Geschichte entstandene Sprüche und Slogans nicht nur erklärt, sondern auch in ihrem historischen Zusammenhang verständlich macht. Klar, manches finde ich ungenau oder analytisch unscharf. Aber schließlich habe nicht ich das Buch geschrieben, sondern ein Autorinnen– und Autorenteam unter der Leitung von Kurt Pätzold und Manfred Weißbecker. Dieses durchaus auch anregende Buch (erschienen ist bislang der erste Band) ist im Militzke Verlag erschienen und kostet 24 Euro 80.

 

In der Sendung Dizzy – Im Widerspruch zur Rolle am 20. Januar 2003 behandelte ich das Leben und Werk Rosa Luxemburgs; es folgt ein Auszug aus dem Sendemanuskript:

Eine Frau, die sich auch nicht an Regeln und Konventionen hielt, war Rosa Luxemburg. Sie hat sich nie selbst als Feministin bezeichnet oder gesehen, aber sie hatte ein klares Gespür dafür, daß und wie Frauen gesellschaftlich an den Rand gedrückt wurden. Für sich selbst hatte sie ziemlich klar, daß sie die Konvention der bürgerlichen Ehe nicht eingehen wollte; entsprechend hielt sie sich den einen oder anderen Liebhaber, tat also das, was eigentlich Männern vorbehalten war.

Rosa Luxemburg, geboren 1870 oder 1871 in Polen, kam früh in Kontakt mit sozialistischen Bewegungen. Sie war Mitbegründerin der Sozialdemokratie des Königreichs Polen und mußte 1889 aufgrund einer drohenden Verhaftung durch die zaristische Polizei in die Schweiz emigrieren. Dort studierte sie, war weiterhin politisch tätig, und schloß ihr Studium der Wirtschafts– und Sozialwissenschaften 1897 mit summa cum laude ab. In ihrer Dissertation über Die industrielle Entwicklung Polens legte sie den Grundstein für ihre gleichermaßen gründliche wie originelle Handhabung der marxistischen Theorie.

Es ist wohl nicht zuviel gesagt, wenn ich behaupte, daß sie um die Jahrhundertwende wahrscheinlich die einzige Marxistin gewesen ist, die Marx und seine Theorie wirklich verstanden hat. Nun können wir uns die Frage stellen, ob das wichtig ist. Ich höre das immer wieder, daß Marx längst überholt ist. Bezeichnenderweise wird dies meist von Menschen vorgetragen, die Marx selbst nicht gelesen haben; woher sie dann ihre gründlich recherchierte Position herhaben, können wir wohl nur erahnen – wahrscheinlich aus der universitären Ideologiemühle.

Karl Marx hat nicht nur mit seinem Hauptwerk Das Kapital eine genaue, zutreffende und wissenschaftlich fundierte Analyse des Kapitalismus und seiner Gesetzmäßigkeiten abgeliefert. Was auch immer die bürgerlichen Wirtschaftswissenschaften nach Marx abgeliefert haben – es schwankt zwischen dem vergeblichen Versuch der Widerlegung, der Ignoranz oder der reinen Ideologieproduktion. Ein wirkliches Verstehen–Wollen und eine damit verbundene Gesellschaftsanalyse ist den Wirtschaftswissenschaften vollkommen fremd.

Dies sah auch Rosa Luxemburg so. In zwei weiteren monumentalen Schriften legte sie genau diese Schwäche der Volkswirtschaftslehre gnadenlos bloß. Es ist auch heute noch ein Vergnügen, ihre wirtschaftstheoretischen Schriften, die den wenigsten bekannt sein dürften, zu lesen. Hierin entfaltet sie ihr Verständnis von marxistischer Dialektik – und was für ein Verständnis! Sie zeigt, daß Marxens Analyse der Weltmarktzusammenhänge unvollständig geblieben ist, auch weil er nicht mehr die Zeit gefunden hat, seine Manuskripte zu veröffentlichen.

Ihre Imperialismus–Analyse ist bis heute spannend zu lesen und erhellt schlaglichtartig die wahren Motive der deutschen Rüstung vor dem 1. Weltkrieg. Parallelen zu heute sind überhaupt nicht rein zufällig – und allein schon deshalb lohnt eine Lektüre ihrer Schriften.

[Vorgestellt werden im Rahmen dieser Sendung zwei Bücher, die sich mit dem Leben und Werk Rosa Luxemburgs auseinandersetzen:]

Der eine heißt Rosa Luxemburg im internationalen Diskurs. Er faßt die Referate auf vier Konferenzen der Internationalen Rosa–Luxemburg–Gesellschaft zwischen 1998 und 2000 zusammen. Wer noch keinen Einblick in das Gesamtwerk Rosa Luxemburgs gefunden hat, findet hier eine Fülle an Anregungen, womit sich diese Frau so alles beschäftigt hat. Spannend ist es allemal. Dieser Sammelband ist im Karl Dietz Verlag Berlin erschienen und kostet 14 Euro 95.

Mehr die innerparteiliche Diskussion in der PDS bildet der andere Sammelband ab, mit dem Titel Rosa Luxemburg. Historische und aktuelle Dimensionen ihres theoretischen Werkes. PDS hin oder her – unspannend ist er dennoch nicht. Unwahrscheinlich, daß die PDS sinnvolle Dinge daraus zieht, aber das hindert uns ja nicht daran, einen Blick hinein zu werfen. Auch dieser Sammelband ist im Karl Dietz Verlag Berlin erschienen und kostet 19 Euro 90.

 

In der Sendung Spuren der Vergangenheit besprach ich am 7. Mai 2003 ein Hörbuch mit vertonten Briefen von Rosa Luxemburg.

Das Sendemanuskript mit der Besprechung des Hörbuchs "Im tiefsten Schluüfwinkel meiner Seele …" aus dem Karl Dietz Verlag Berlin ist verfügbar. Sabine Wackernagel liest aus Briefen von Rosa Luxemburg.

 

In der Sendung Stimmen aus der Ferne stellte ich am 24. Juli 2006 das von Jörn Schütrumpf herausgegebene Bändchen "Rosa Luxemburg oder: Der Preis der Freiheit" vor.

 
 

 

KOMMENTIERTE LITERATUR

 

Tony Cliff : Studie über Rosa Luxemburg, Verlag Neue Kritik

Buchcover Tony CliffDieses 1969 auf Deutsch erschienene Buch erschien ursprünglich 1959 auf Englisch und wurde von Meino Brüning und Helmut Dahmer nach der 2. Auflage von 1968 übersetzt. Der Titel ist vergriffen. Anstelle einer Inhaltsangabe verweise ich auf den im Internet verfügbaren Text. Zu Tony Cliff und dessen Rosa Luxemburg–Rezeption siehe auch den Nachruf von Jakob Moneta.

 

Norman Geras : Rosa Luxemburg. Kämpferin für einen emanzipatorischen Sozialismus, Verlag Olle & Wolter

Buchcover Norman GerasDieses 1979 auf Deutsch erschienene Buch

faßt vier Essays über das politische Denken Rosa Luxemburgs zusammen. […] Die erste Essay überprüft das Verhältnis zwischen Rosas ökonomischer Theorie des kapitalistischen Zusammenbruchs und ihren politischen Ideen und stellt die weitverbreitete Ansicht in Frage, jene Theorie sei die Grundlage einer spontaneistischen Auffassung des Klassenkampfs gewesen. Im zweiten Essay wird – entgegen einem allgemeinen Mißverständnis darüber – ihr Beitrag zu der Debatte herausgearbeitet, die nach 1905 über den Charakter der russischen Revolution stattfand; einige aus dieser Debatte hervorgehende Resultate, darunter Rosas Ansichten über das Wesen der bürgerlichen Demokratie, werden umrissen. Aufbauend auf der Argumentation des ersten Essays weist der dritte nach, daß Rosas strategische Konzeption des Massenstreiks nicht Ausdruck irgendeines irrationalen Glaubens an die Massenspontaneität ist, sondern die Elemente einer Theorie der politischen Vorbedingungen für eine erfolgreiche proletarische Revolution sowie eine erste Skizzierung des Unterschiedes zwischen bürgerlicher und sozialistischer Demokratie enthält. Der vierte Essay greift diese letzte Frage unmittelbar im Zusammenhang mit Rosas Kritik an den Bolschewiki im Jahre 1918 und vermittels einer Kritik jener klassenübergreifenden und libertären Konzeptionen auf, die so oft benutzt worden sind, um Rosa in Gegensatz zum revolutionären Marxismus zu bringen.

Von Rosas politischem Erbe zu sprechen, bedeutet in diesem Sinne nicht, sie einer abgeschlossenen Vergangenheit zuzurechnen, wie dies so mancher nichtmarxistische Autor tun möchte. Es geht vielmehr darum, die Aktualität ihrer Gedanken herauszustellen und zu versuchen, sich deren wertvollste Elemente für die Gegenwart anzueignen. Der Auffassung zu sein, daß Rosas Werk Aussagen von bleibendem Wert enthält, heißt nicht, daß man es als außerhalb jeder Kritik stehend betrachtet, dies ist auch nicht der Geist der vorliegenden Essays.

Diese Auffassung jedoch, zusammen mit gewissen Unzulänglichkeiten der über Rosa existierenden Literatur, ist es, die dem vorliegenden Buch seine Daseinsberechtigung gibt. Ebenso wie andere große Revolutionäre, vielleicht sogar noch mehr, hatte Rosa unter der gängigen Mischung aus Mißverständnis und bewußter Verfälschung zu leiden.

Norman Geras' trotzkistische Position ist im hier zitierten Vorwort zum Buch nicht zu verkennen. Dennoch (oder gerade deswegen!) gelingt es ihm, die wesentlichen und spannenden theoretischen Gedankengänge Rosa Luxemburgs zu rekonstruieren. Sie waren nicht nur 1976, als das Buch in England erschien, aktuell, sondern sie sind es auch heute noch. Darauf fundiert hingewiesen zu haben, ist das Verdienst von Norman Geras.

 

Christel Neusüß : Die Kopfgeburten der Arbeiterbewegung oder Die Genossin Luxemburg bringt alles durcheinander, Rasch und Röhring Verlag 1986

Titelblatt Neusüß KopfgeburtenEine der originellsten Arbeiten der letzten 20 Jahre des 20. Jahrhunderts stammt zweifellos von Christel Neusüß. Sie kommt von Marx zu Luxemburg und entdeckt eine Theorie und Praxis, die sich durch verkopfte Denk– und Handlungsstrukturen auszeichnen. Es sind zumeist Männer, die theoretisieren und handeln. Rosa Luxemburg ahnte etwas davon, ohne dies in feministische Gedanken umsetzen zu können:

Die Kritik der Frau Luxemburg an den herrschenden Organisations– und Handlungsmustern der Sozialdemokratie und der Bolschewiki enthält eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Subjekt–Objekt–Struktur, wie sie die Ära der kapitalistischen Industriegesellschaft entwickelt hat.

Aus nicht gerade wenigen Briefstellen, in denen Rosa Luxemburg über Gefühle und Bedürfnisse schreibt, so interpretiert Christel Neusüß, gehe hervor,

daß bei männlichen Vertretern des Sozialismus zwischen ihrer Person, ihrem »Privatverhalten« und ihren politischen Vorstellungen und Theorien wohl auch keine Unterschiede bestehen: Die Hintanstellung persönlicher Beziehungen, die Angst vor ihnen, das Wegeschieben der Liebesbedürfnisse als Fähigkeit, kurz und scharf gesagt, das Barbarische ihres Entwicklungsstandes als lebendige Individuen in diesem Punkt prägte sich durchaus auch in ihren politischen Handlungsvorstellungen aus.

Natürlich gereichte der so denkenden und schreibenden Christel Neusüß genau dieses unmännliche Nichttheoriegeschwafel zum Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit.

 

Ernest Mandel / Karl Radek  Rosa Luxemburg. Leben – Kampf – Tod, isp Verlag 1986

Buchcover Mandel RadekIn diesem Taschenbuch sind vier Aufsätze abgedruckt worden, in denen versucht wird, Rosa Luxemburgs Werk für die heutige Zeit fruchtbar zu machen.

Jakob Moneta leitet das kleine Büchlein mit dem ziemlich ausgeleierten Ausspruch Lenins über den Adler Rosa Luxemburg ein, ohne jedoch die damit verbundene Abwertung zu übernehmen. Im Gegenteil – er schreibt:

Rosa Luxemburg steht für die Weigerung, sich unter Opferung der Lebens– und Überlebensinteressen der Lohnabhängigen und aller Ausgebeuteten und Unterdrückten, der bürgerlichen Ordnung anzupassen. Damit ist sie heute, wo die gleiche Politik der herrschenden Klasse die Gefahr der atomaren Zerstörung der Menschheit heraufbeschwört, wo die Sozialdemokratie noch deutlicher als damals sich an die bestehenden Verhältnisse gekettet hat, aktueller denn je.

Karl Radek beschrieb unter dem Eindruck der Ermordung Rosa Luxemburgs, Karl Liebknechts und Leo Jogiches' noch 1919 Leben und Kampf unserer Genossin Rosa Luxemburg. Der Autor, von Stalins Schergen Mitte der 30er Jahre ermordet, ist hier noch unbelastet von Lenin'schen oder stalinistischen Glaubensbekenntnissen.

Rosa Luxemburg war nicht nur die Denkerin und die Kämpferin des deutschen Kommunismus; nichts, was menschlich ist, war ihr fremd. Und diese große Menschlichkeit Rosa Luxemburgs, die jeden anzog, der mit ihr in Berührung stand, diese Menschlichkeit wurde gekrönt, indem sie für die Sache, für die sie ihr Leben lang stritt, im Kampfe fiel.

Einmal abgesehen von dem Pathos und Heroismus zeichnet Karl Radek ein Bild der Tätigkeit Rosa Luxemburgs vom Polen der 1880er Jahre bis zu ihrem Tod, welches die Bedeutung dieser Frau in der revolutionären Nachkriegszeit hervorhebt. Es gibt nur wenige Menschen mit derart viel Scharfsinn; Rosa Luxemburg war eine davon.

Ernest Mandel betrachtet Rosa Luxemburg und die deutsche Sozialdemokratie mit seinem gewohnt außergewöhnlichen marxistischen Verständnis. Dieser 1971 geschriebene Aufsatz kommt zu dem Schluß:

Sie war die erste, die das Problem der revolutionären marxistischen Strategie und Taktik im Hinblick auf den Sieg der Massenerhebungen in hochindustrialisierten Ländern aufgeworfen und zu lösen begonnen hat.

Abschließend analysiert Winfried Wolf die Reaktion der bürgerlichen Presse auf Margarethe von Trottas Rosa Luxemburg–Film. Gerade weil in diesem Film Rosa Luxemburgs Konsequenz so deutlich hervortritt, hat die am Hier und Jetzt orientierte Filmkritik ein Problem. Rosa Luxemburg läßt sich zumindest im Trotta–Film nicht konsumieren. Trotz einiger kleinerer dramaturgischer Schwächen entwickelt der Film nälich eine ungeheure emotionale Kraft.

Leider ist dieses kleine, aber instruktive Büchlein von den linken Büchertischen verschwunden, was jedoch auch damit zusammenhängen mag, daß diese Büchertische selbst schon lange an Anziehungskraft eingebüßt haben.

 

Annelies Laschitza : Im Lebensrausch, trotz alledem, Aufbau Taschenbuch Verlag

Buchcover Annelies Laschitza1996 erschien diese Biographie von Annelies Laschitza, ohne Zweifel eine der profundesten Kennerinnen des Lebens und Werks Rosa Luxemburgs. Ihre Biographie geht nicht nur auf die politischen Ambitionen und Vorstellungen Rosa Luxemburgs ein, sondern auch auf ihr Leben und ihre zum Teil ziemlich kleinbürgerlichen Vorstellungen von familiären Zusammenleben. Eingebettet wird die Biographie in die politische und soziale Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts – mit zum Teil verblüffenden Parallelen zu heute.

Annelies Laschitza wirft in dieser Biographie Rosa Luxemburg ein dogmatisches Verständnis der nationalen Frage vor, da sie grundsätzlich ein Selbstbestimmungsrecht von Völkern oder Nationen verneint. Ich denke jedoch, die Geschichte des 20. Jahrhunderts, vor allem der beiden letzten Jahrzehnte, hat eindringlich die Korrektheit der Analyse von Rosa Luxemburg gezeigt. Das Selbstbestimmungsrecht im Sinne einer nationalen Frage ist reaktionär.

Ein weiterer Schwachpunkt dieser im übrigen durchaus lesenswerten und umfangreichen Biographie ist Annelies Laschitzas mangelndes Verständnis für die Politisierung des Privaten. Wo sie Rosa Luxemburg ein geradezu besitzergreifendes Verhältnis zu Leo Jogiches vorwirft, wäre eher zu fragen, ob es nicht richtig ist, auch im Privatleben emanzipatorische Mindeststandards des Zusammenseins und Zusammenwirkens einzufordern. Rosa Luxemburgs Briefe belegen eindringlich, daß Leo Jogiches dieser Frage ausgewichen ist. Kein Wunder, daß seine Beziehung zu Rosa Luxemburg zerbrechen mußte.

 

Narihiko Ito, Annelies Laschitza, Ottokar Luban (Hrsg.) : Rosa Luxemburg im internationalen Diskurs, Karl Dietz Verlag Berlin

Buchcover Rosa Luxemburg im internationalen DiskursDieser 2002 erschienene Sammelband faßt Referate auf Tagungen der Internationalen Rosa–Luxemburg–Gesellschaft aus den Jahren 1998 bis 2000 zusammen. Mehr dazu im Sendemanuskript der Tinderbox–Sendung vom 20.01.2003.

 

Klaus Kinner / Helmut Seidel (Hrsg.) : Rosa Luxemburg. Historische und aktuelle Dimensionen ihres theoretischen Werkes, Karl Dietz Verlag Berlin

Buchcover Historische DimensionenAuch dieser Sammelband erschien 2002. Bei den darin enthaltenen Texten handelt es sich um überarbeitete und erweiterte Beiträge zur 1. Rosa–Luxemburg–Konferenz der Rosa–Luxemburg–Stiftung Sachsen e.V., die vom 16. bis zum 18. März 2001 in Leipzig stattfand. Im Vorwort wird durchaus zutreffend festgehalten, daß die Beiträge

die unterschiedlichen Zugriffe auf das theoretische Werk Rosa Luxemburgs [verdeutlichen]. Das ist nicht verwunderlich. Hat sich doch Rosa Luxemburg selbst zeit ihres Lebens gegen jedwede Vereinnahmung zur Wehr gesetzt, und die Wirkungsgeschichte ihres Werkes ist die Geschichte scharfer theoretischer Auseinandersetzungen. Was Wunder, daß der Versuch der theoretischen Vergewisserung ihres Werkes durch die Linke auch heute kontrovers ausfällt. So finden sich in den Beiträgen unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche Sichten und Polemisches.

Mehr dazu im Sendemanuskript der Tinderbox–Sendung vom 20.01.2003.

 

Jörn Schütrumpf (Hg.) : Rosa Luxemburg oder: Der Preis der Freiheit, Karl Dietz Verlag Berlin

Buchcover Der Preis der FreiheitNeben einer eher biografischen Einführung sind in diesem kleinen Band aus dem Jahr 2006 drei Texte von Rosa Luxemburg abgedruckt.

Besprochen in der Sendung Stimmen aus der Ferne vom 24.07.2006.

 
 

 

INTERESSANTE LINKS

 

Verschiedene Texte von Rosa Luxemburg sind in einer Online–Fassung auf der deutschsprachigen Webseite des Marxists' Internet Archive zu finden: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg.

Die PDS–nahe Rosa–Luxemburg–Stiftung hat eine ausführliche Webseite zu Schriften und Bedeutung von Rosa Luxemburg, hierzu gibt es mehrere Projekte und Publikationen: http://www.rosalux.de.

Die Rosa–Luxemburg–Stiftung Sachsen hat in mehr als einhundert Veröffentlichungen versucht, sowohl den theoretischen Diskurs zu Leben und Werk von Rosa Luxemburg zu fördern als auch ihre Schriften in ihrer aktuellen Bedeutung zu erfassen: http://www.rosa–luxemburg–stiftung–sachsen.de. Hier findet sich auch eine Bibliographie mit Texten von und zu Rosa Luxemburg.

Die Rosa–Luxemburg–Initiative Bremen möchte dazu ermutigen, sich mit emanzipatorischen Gesellschaftsentwürfen zu beschäftigen: http://rli.gesellschaftsanalyse.de.

Das Rosa–Luxemburg–Bildungswerk Hamburg sieht in Rosa Luxemburgs radikaler Kritik des Kapitalismus seine Verpflichtung: http://www.rosa–luxemburg–bildungswerk.de.

Die Rosa Luxemburg Stiftung NRW will aktuelle politische Bildung und historisches Wissen vermitteln: http://www.rls–nrw.de.

Das Rosa–Luxemburg–Institut Wien ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut mit dem Schwerpunkt feministischer Theorieentwicklung, Technikbewertung und Naturwissenschaftsanalyse: http://www.rli.at.

 

 

Diese Seite wurde zuletzt am 20. September 2009 aktualisiert.
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