Kapital Verbrechen |
Sechzig Jahre |
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Inhaltsverzeichnis |
Kapitel 1 : Staub aufwirbeln |
Kapitel 2 : Toleranz zeigen |
Kapitel 3 : De mortuis nil nisi bene oder doch? |
Kapitel 4 : Selbst befreit |
Kapitel 5 : Zu hören und zu sehen |
Kapitel 6 : Sein oder Nichtsein |
Kapitel 7 : Schluß |
Anmerkungen zum Sendemanuskript |
Staub aufwirbelnJingle Alltag und Geschichte Letzte Woche mußte ich doch wieder einmal herzlich lachen. Verkehrsdezernent Dieter Wenzel von der SPD und Umweltdezernent Klaus Feuchtinger von den Grünen haben eine bahnbrechende Idee entwickelt. Das Problem: die Feinstaubbelastung der Darmstädter Innenstadt [1] wird am Ausgang des Citytunnels in der Hügelstraße gemessen. Die Lösung: man sorgt dafür, daß die Meßwerte nicht ganz so kritisch sind. Da die direkte Manipulation an der Meßanlage nun doch zu sehr auffallen würde, kamen die beiden auf die pfiffige Idee, ausgerechnet am Meßpunkt die Dieselstinker möglichst wenig Abgase erzeugen zu lassen. Die Idee hat natürlich einiges für sich. Wenn die Lastwagen aus der Rheinstraße in den Citytunnel fahren und dann nach links wieder die Hügelstraße heraufkeuchen müssen, dann verbrennen sie mehr Diesel und schleudern mehr Partikel in die Atmosphäre. Blöderweise hat mal jemand an dieser Stelle eine Meßanlage installiert und die muß nun überlistet werden. Nichts leichter als das, werden sich die beiden Oberschlaumeier gedacht haben. Lassen wir die LKWs doch nicht von der Rheinstraße in den Citytunnel fahren, sondern lenken sie über die Neckarstraße so um, daß sie mit Schwung das kurze Tunnelstück in der Hügelstraße am Staatstheater vorbei überbrücken. Es gibt hier nur ein ganz kleines Problem. Wer einmal die Rheinstraße zwischen Neckarstraße und Grafenstraße entlang schlendert, wird es schwer haben, überhaupt einen LKW vorbeifahren zu sehen. In umgekehrter Fahrtrichtung, auf der Bleichstraße, donnern hingegen die Schwertransporter im Halbminutentakt Richtung Autobahn. Wenn also Wenzel und Feuchtinger die Obere Rheinstraße für LKWs sperren wollen, wird der Effekt so minimal sein, daß er garantiert unterhalb des meßbaren Bereichs liegt. Aber als politische Demonstration ist das natürlich große Klasse! Die EU
Es überrascht natürlich nicht, daß diese Hilflosigkeit sinnlosen Aktionismus hervorbringt. Denn Klaus Feuchtinger hat ein Problem. Er kann und darf die LKWs nicht aus Darmstadts Innenstadt verbannen. Wer sich, wie er und sein Magistrat, der Förderung des Wirtschaftsstandorts Darmstadt verschrieben hat, muß auch alle Begleiterscheinungen schlucken. Nun ist Krötenschlucken eine grüne Spezialität. Die verkehrspolitisch ähnlich geistreiche Nordostumgehung hat er wie seine Ökologiefraktion ja schon lange abgenickt. Spannend ist hierbei nur, daß der wesentliche Teil dieses Verkehrsprojektes vorsieht, den Verkehr in die Innenstadt zu locken. Denn die Nordostumgehung ist ein millionenteures Potemkinsches Dorf. Vorgegaukelt wird, den Verkehr um Darmstadt herumzuleiten; tatsächlich werden die Fahrspuren jedoch so angelegt, daß der größte Teil des Verkehrs Darmstadt auch erreichen kann. Und das macht Sinn. Denn Wirtschaftsförderung bedeutet, möglichst viele einkaufswillige Menschen aus der näheren Umgebung nach Darmstadt zu locken Feinstaub hin oder her. Deshalb meckert die CDU ja auch nicht über den Feinstaub, sondern über zuwenige Parkplätze und zu viele Ampeln. Sie vertritt gnadenlos die Interessen ihrer Klientel. So ja auch bei der Nordostumgehung. Wolfgang Gehrke
wußte ganz genau, wem er verpflichtet ist, als er im OB Betrachten wir die mit dem Feinstaub verbundenen Zahlen einmal etwas genauer.
Während im gesamten Rhein Im Grund genommen müßte man und frau Darmstadt für den
gesamten von Dieselmotoren angetriebenen Verkehr sperren und nicht ein popeliges
Teilstück einer Straße für zweieinhalb LKW pro Tag. Aber so ernst
nehmen es Klaus Feuchtinger und Dieter Wenzel mit ihrer Klage über die
Feinstaubbelastung dann doch wieder nicht. Denn das nächste
Schreckgespenst steht ja schon im Raum: die City Ihr hört unsere wackere rot In der folgenden Stunde geht es um Spargel und Graffiti, Arbeitslose und Hubschrauber, einen toten Papst und ein Konklave, um die Befreiung von Buchenwald; zudem runden einige nützliche Veranstaltungstips mein heutiges Programm ab. |
Toleranz zeigenDie letzte Woche brachte uns einige weitere skurrile Einfälle, die einmal mehr belegen, wie verrückt unsere neoliberal durchgestylte Welt ist. Die Bundesagentur für Arbeit soll das Lohndumping weiter befördern und die Arbeitslosen auf die Spargeläcker schicken. Nun ist dieses Experiment schon vor einigen Jahren gescheitert, allerdings weniger an den Arbeitslosen, als vielmehr an den Spargelbauern. Die holen sich nämlich lieber ihre Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa, lassen sie von früh bis spät malochen, und schicken sie dann wieder weg. Angesichts der Lebensverhältnisse in Osteuropa ist die Arbeit auf den Spargeläckern so lukrativ, daß sich die Saisonarbeitskräfte so ziemlich alles gefallen lassen. Von gewerkschaftlicher Organisierung der osteuropäischen Arbeiterinnen und Arbeiter zur Durchsetzung vernünftiger Arbeitsbedingungen und der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen haben wir folgerichtig auch noch nie etwas gehört. Deshalb schwören deutsche Spargelbauern auf polnische, kroatische oder ungarische Arbeitsbienen und nicht auf deutsche. Und da würde es auch wenig helfen, den deutschen Arbeitslosen die rückenschädigende Spargelernte mit einem freundlichen Euro zu versüßen. [4] Den Vogel hat aber wieder einmal der oberste Rechtsanwalt der Republik
abgeschossen. Bundesinnenminister Otto Schily, dem keine auch noch so abstruse
Repressionsmaßnahme fremd zu sein scheint, möchte auch etwas zur
Feinstaubbelastung der deutschen Innenstädte beitragen. Doch diesmal handelt
es sich nicht um wirtschaftsfördernden Dieselkraftstoff, sondern um
rotorgetriebene Lärmmaschinen. Oder anders gesagt: Otto Schily möchte
mit Hubschraubern auf die Jagd nach Graffiti Ok, kann ja sein, daß solch alten Knochen ein modernes peppiges Stadtbild nicht gefällt. Aber wenn mich nicht alles täuscht, zerfressen die Auspuffgase mit ihren chemischen Keulen weitaus mehr Fassaden, Häuserwände oder Kulturgüter als alle Graffitis dieser Republik. Offensichtlich geht es also nicht um Verschandelung oder Zerstörung, sondern um das heilige Eigentum. Weil jeder Hausbesitzer, der etwas auf sich hält, auch eine kleine Dreckschleuder sein eigen nennt, beschwert er sich natürlich über eine kleine Wandmalerei mehr als über die Auswirkungen einer monströsen Automobilgesellschaft. Otto Schily ist da in bester Gesellschaft. Seltsam nur, daß er einstmals Mitglied der grünen Ökopartei gewesen ist. Doch wo die einen brav wie Lebertran ihre Kröten schlucken, hat wenigstens er die Konsequenzen gezogen und ist 1989 lieber gleich der SPD beigetreten. Vor einigen Jahren hatte sich die Hamburger SPD den Leitspruch der neoliberalen Sozialdemokraten von den britischen Inseln zu eigen gemacht: law and order is a labour issue. Für den Standort Deutschland tun sie alles und wenn es sein muß, schicken sie eines Tages gewiß auch die Bundeswehr aus zum Kampf gegen den ultragefährlichen inneren Feind: die Kids mit ihren Sprühdosen. Enttäuscht bin ich hingegen von den Repressionsfanatikern der CDU. Hatte nicht vor einigen Jahren die hessische CDU sich den Leitspruch zero tolerance zu eigen gemacht? Und was muß ich dann lesen? Im Wiesbadener Vorort Naurod trägt eine Schule den Namen des Heimatdichters Rudolf Dietz, der durch antisemitische Gedichte und einen Lobgesang auf den Führer aufgefallen war, ehe dies vorsichtshalber nach 1945 in Vergessenheit geriet. Selbige CDU weigert sich nun in trauter Eintracht mit der liberalen und in diesem Fall äußerst toleranten FDP, sowie einigen Republikanern, die nötige Konsequenz zu ziehen und die Schule umzubenennen. [6] Was unsere Kultusministerin Karin Wolff wohl davon halten mag, wenn Schülerinnen und Schüler nationalsozialistisches Gedankengut aus so naher Perspektive erleben dürfen? Doch hierfür gibt es offensichtlich wie im Dresdener Landtag oder im Freiberger Stadtrat jede Menge Toleranz, die im Fall der Sprüher fehl am Platz zu sein scheint. Da möge sich doch jede und jeder selbst einen Reim darauf machen. |
De mortuis nil nisi bene oder doch?Der Papst ist tot. Es lebe der Papst, ist man da versucht, zu sagen. De mortuis nil nisi bene, heißt es dann über den Toten möge man und frau nur Gutes reden. Warum eigentlich? Ist ein Heiliger Vater nicht nur unfehlbar, sondern auch vor jeder Kritik geschützt? Und wem dient dieser Schutz? Hat da wer etwas zu verbergen? Oft heißt es dann der Tote könne sich nicht mehr gegen üble Nachrufe zur Wehr setzen. Doch wie soll er sich gegen die vielen Lobhudeleien wehren? Wenn mir derartiges widerfähre, würde ich mich dreimal im Grab umdrehen und es dann vorziehen, wiederaufzuerstehen. Die vergangene Woche hat uns wieder einmal die wichtigsten Ereignisse der Welt
nahe gebracht, neben denen Hunger und Elend, Arbeitslosigkeit und Feinstäube
geradezu lächerlich erscheinen. Erst wird der Pontifex Maximus feierlich dem
Himmelreich übergeben, alsdann darf Prinz Charles endlich seine geliebte
Camilla ehelichen. So nebenbei sei angemerkt, daß der Titel des obersten
Priesters, also des pontifex maximus, aus dem heidnischen Rom stammt. Ein
gewisser Caius Iulius Caesar trug diesen Titel, bevor er daran ging, die
römische Republik zu demontieren und eine Million Gallier ins Jenseits zu
befördern. Moment mal sagt auch Hermann Ploppa, Redakteur
von Radio Unerhört
Marburg. In seinem Kommentar zum medialen Großereignis geht er auf die
Bedeutung des polnischen Papstes ein. Und er fragt: wird auch der neue Papst ein Opus Dei Der Kommentar von Hermann Ploppa ist auf der Website des Bundesverbandes Freier Radios nachzulesen und anzuhören: Teil 1 und Teil 2. Ein Kommentar zur Papstwahl von Hermann Ploppa von Radio Unerhört Marburg. |
Selbst befreitAm 11. April 1945, vor genau 60 Jahren also, befreiten sich die Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald von ihren Peinigern. In Buchenwald wurden in den acht Jahren der Existenz dieses Lagers rund 250.000 Menschen inhaftiert, von denen über 50.000 starben. Sie wurden hingerichtet, ermordet oder auf den Todesmärschen liquidiert. 21.000 Gefangene erlebten den Tag ihrer Befreiung. Buchenwald war kein Vernichtungslager. Dennoch wurde auch hier die Arbeitskräfte der Gefangenen rücksichtslos ausgebeutet und über 1.000 von ihnen wurden mit medizinischen Menschenversuchen umgebracht. Um Buchenwald ranken sich Legenden. Die roten Kapos hätten ihre Macht benutzt, um unliebsame Mithäftlinge ihren Mördern auszuliefern. Man habe sich nicht selbst befreit, sondern ein faktisch von den flüchtenden Nazis verlassenes Lager übernommen. Befreit habe das Lager die US Army. Und im ehemaligen KZ Buchenwald seien anschließend ehemalige Nazis und auch ganz normale Menschen unter grauenhaften Bedingungen inhaftiert gewesen. Halten wir fest: Buchenwald war ein Zeichen, daß solidarisches Handeln unter den denkbar schlechtesten Bedingungen möglich ist und erfolgreich sein kann. Daß die Selbstbefreiung unter der Leitung des internationalen Lagerkomitees, also zum großen Teil von Mitgliedern der Kommunistischen Parteien, stattfand und auch noch erfolgreich war, war im nachfolgenden Kalten Krieg ein unerträglicher Gedanke. Nach der Abdankung des Realsozialismus wurde die Geschichte entsprechend umgeschrieben und damit relativiert, und die als Nazis Internierten mit den von ihnen Gepeinigten gleichgesetzt. Unterschlagen wird hierbei, daß die Internierung der Nazis aufgrund alliierter Beschlüsse erfolgte und gerade im sowjetischen Sektor die Lebensbedingungen besonders hart waren. Vergessen wird hierbei auch, daß die Männer und Frauen der Roten Armee Besseres zu tun hatten, als sich um Nazis und Kollaborateure zu kümmern. Ihr Land war verwüstet und es wird ihnen nicht übel zu nehmen sein, daß die Hungernden und Frierenden in Rußland Priorität gegenüber hungernden und frierenden Nazis besaßen. Zudem hatte der Kampf um Berlin etwa 300.000 Rotarmisten das Leben gekostet. Da fällt Mitleid mit den besiegten Feinden schwer. Auch wenn es einige nicht gerne hören hier ist es einfach richtig zu sagen: zero tolerance, keine Toleranz mit Nazis. Nach der Wende wurde in der Gedenkstätte Buchenwald jedoch eine Ausstellung zu diesen Nazis eröffnet und ihrer doch tatsächlich gleichberechtigt gedacht! [7] |
Zu hören und zu sehenKommen wir nach Darmstadt und zu einigen interessanten Veranstaltungen und Filmvorführungen in den kommenden Tagen und Wochen. Am Freitag, den 15. April, ehrt der Magistrat der Stadt Darmstadt um 16 Uhr in der Centralstation den Ingenieursoffizier Karl Plagge. Am heutigen Montag wird Karl Plagge posthum mit der höchsten Ehrung des Staates Israel in Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet. Karl Plagge wurde 1897 in Darmstadt geboren und 1939 zur Wehrmacht eingezogen. Zwischen 1941 und 1944 hat er in Wilna mehrere hundert Jüdinnen und Juden durch Zivilcourage, Umsicht und Menschlichkeit vor der Vernichtung durch die Nazis gerettet. Er starb 1957 in Darmstadt, ohne daß seine Verdienste auch nur annähernd gewürdigt worden wären. Vom Freitag, den 15. April, bis Donnerstag, den 19. Mai, wird
während der normalen Öffnungszeiten im DGB Am Dienstag, den 26. April, referiert um 19 Uhr Hannes Heer im
Wintergarten des Justus Am Mittwoch, den 27. April, spricht ab 19 Uhr Professor Reinhard
Kühnl aus Marburg über Der Weg in den Faschismus. Die
Zerstörung der Weimarer Demokratie. Sein Vortrag wird von den
Redaktionen Gegen das Vergessen und Alltag und Geschichte
direkt aus dem Hans Das Kommunale Kino in Weiterstadt zeigt in der kommenden Woche mehrere Filme zu 60 Jahre Kriegsende. Und zwar:
Wem das jetzt zu viel auf einmal war: diese Sendung wird in der Nacht zum Dienstag ab 23 Uhr wiederholt, sowie am Dienstagmorgen um 8 Uhr und noch einmal am Dienstagnachmittag ab 14 Uhr. Das Sendemanuskript zu dieser Sendung hoffe ich in den nächsten Tagen auf meiner Homepage veröffentlichen zu können: www.waltpolitik.de. Die Daten der Vorstellungen der Filmreihe 60 Jahre Kriegsende sind natürlich auch auf der Homepage des Kommunalen Kinos Weiterstadt nachzulesen. |
Sein oder NichtseinNormalerweise würdet ihr im Anschluß an diese Sendung Gerhard Schönberger mit seiner Sendung nickelodeon hören, in der er interessante oder sehenswerte Filme vorstellt, die in den kommenden Tagen im deutschen Fernsehen zu betrachten wären. Als Abschluß dieser Sendung hatte ich mir schon eine passende Überleitung ausgedacht, aber Gerhard hat mir die Pointe etwas genommen. Denn heute gibt es bei ihm eine Extraausgabe von lyrics and poetry. In seiner letzten Sendung von nickelodeon im März [2005] wies er auf
die Ausstrahlung des Films Sein oder nicht sein von Ernst Lubitsch hin. Dieser
Film wirft jedes Mal neu die Frage auf: darf die nationalsozialistische
Vernichtungspolitik in einer Komödie behandelt werden? Ehrlich gesagt, diese
Frage stelle ich mir auch jedesmal, wenn ich den Film sehe. Dennoch stimme ich
Gerhard Schönbergers Urteil aus seiner letzten
nickelodeon Ernst Lubitsch wurde 1892 in Berlin geboren und von Max Reinhardt 1911 als Schauspieler entdeckt. Schon bald drehte er eigene Filme und ging 1922 nach Hollywood. Er drehte dort unter anderen die antikommunistische Komödie Ninotschka und 1942 eben To Be or Not To Be. Seinen Film muß man und frau natürlich im Rahmen der alliierten Kriegsanstrengungen betrachten; es handelt sich auf den ersten Blick um einen antideutschen Propagandafilm. Im Gegensatz jedoch zu meist nur zweit oder drittklassigen Schwarten gelingt es Lubitsch, eine Situationskomik zu schaffen, die nicht lächerlich ist, und eine Handlung zu entwickeln, die auf eine intelligente Weise den Nationalsozialismus nicht zuletzt als die Schmierenkomödie entlarvt, die er auch war. Die Handlung ist schnell erzählt, heißt es oft. Nein, so einfach ist es nicht. Die polnische Theatertruppe, die im August 1939 in Warschau ein antinazistisches Theaterstück probt (und dort den ersten Gag vorbereitet, der jedoch lange auf sich warten läßt, um dann umso besser zu wirken), erhält von der polnischen Regierung die Weisung, das Stück nicht zu spielen, um keine außenpolitischen Verwicklungen zu provozieren. Statt dessen spielt sie Hamlet Sein oder nicht sein. Wie so oft im Leben, wenn uns gesagt wird, wir sollen klein beigeben und nicht provozieren, war auch hier das sich Ducken vor dem Aggressor vollkommen sinnlos. Woraus die Lehre zu ziehen ist: Aggressoren lassen sich nicht beschwichtigen. Die Nazis erobern im Film wie in der Wirklichkeit Polen und zerstören Warschau. Nur nebenbei sei angemerkt, daß die Zerstörung Warschaus auch aus der Luft geschah, ohne daß dies beim Darmstädter Gedenken an die Brandnacht 1944 gebührend einfließen würde [immerhin hat Peter Benz einige klare Worte hierzu gefunden!]. Das Theater jedenfalls wird geschlossen. Und dann ergibt sich für die Schauspielertruppe die Notwendigkeit, das Stück ihres Lebens zu spielen. Kein Theater, sondern tödlicher Ernst. Sie sind keine Helden, und doch ist es für sie einfach selbstverständlich, gegen die Nazis und ihren Kollaborateur zu handeln. Und schließlich kommt auch noch Hitler selbst nach Warschau Mehr noch als beim Großen Diktator, bei dem Chaplin das Theatralische des Faschismus offenlegte, bedient sich Lubitsch der Eitelkeiten der Selbstdarsteller einer polnischen Theatertruppe auf der einen Seite, der Nazibesatzer auf der anderen Seite. Doch die einen Eitelkeiten sind geradezu liebenswürdig, während die anderen die Brutalität, die Dummheit und die Unterwürfigkeit der Macht herausarbeiten. Lubitsch baut seine Pointen sich langsam steigernd als eine Art running gag auf, der immer stimmt und nie langweilig wird. Und er stellt damit auch die Frage, weshalb Zigmillionen deutsche Männer und Frauen diesen aufgeplusterten Nazis bereitwillig gefolgt sind. Ganz einfach: sie wollten es so. Das Remake von Mel Brooks aus dem Jahr 1983 ist demgegenüber nicht nur albern, sondern einfach nur peinlich. Hollywoods Verwertungsindustrie kennt beim Geldverdienen weder Tabus noch Geschmack. |
SchlußJingle Alltag und Geschichte heute mit den Themen: Feinstaubbelastung auf den Scheftheimer Wiesen, Arbeitslose zu Besuch bei den Spargelbauern, was Hubschrauber mit Graffitis und einem Nazidichter zu tun haben, sowie ein Kommentar von Hermann Ploppa zum Papst und seinen Freunden von Opus Dei. Gedacht wurde der Selbstbefreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald vor 60 Jahren, darauf folgten antifaschistische Film und Veranstaltungshinweise, sowie eine kurze Filmkritik. Ausnahmsweise habe ich heute kein Buch besprochen, aber das werde ich in meiner nächsten Sendung in genau zwei Wochen nachholen. Frei nach dem Slogan Widerstand ist zwecklos werde ich dort fünf sehr unterschiedliche Bücher zur Geschichte der Roten Armee Fraktion vorstellen. Dabei geht es um Andreas Baader und die Kaufhausbrandstiftung in Frankfurt, um die Entführung von Peter Lorenz, die Schwierigkeiten, mit denen politisch engagierte Anwältinnen und Anwälte in den 70er und 80er Jahren zu kämpfen hatten, sowie um eine historische Abhandlung über die Geschichte der RAF. Zu hören am Montag, den 25. April [2005], um 17 Uhr oder in der Wiederholung am Dienstag, den 26. April. Nächste Woche sind an dieser Stelle Katharina Mann und Niko Martin zu hören sie schauen wieder einmal hinter die Spiegel. Und in wenigen Augenblicken geht es weiter mit der Kulturredaktion von Radio Darmstadt und Gerhard Schönberger. |
ANMERKUNGEN |
[1] Der Darmstädter
Verein für Innovative Verkehrssysteme e.V. hat auf seiner Homepage eine ausführliche
Darstellung der Feinstaubproblematik mitsamt EU |
[2] So wird er im Artikel Stadt will Lastwagen umlenken von Daniel Baczyk am 5. April 2005 im Darmstädter Echo zitiert. Im gesamten Jahr 2004 wurde der Grenzwert 60mal überschritten. Daniel Baczyk: "Die Entwicklung im laufenden Jahr erscheint vor diesem Hintergrund keineswegs überraschend." |
[3] Angaben nach: Woher kommt der Feinstaub? von Daniel Baczyk am 5. April 2005 im Darmstädter Echo. Zu den Darmstädter Feinstäuben siehe auch: Aktionsplan der Stadt wider den Feinstaub vom 6. April 2005. |
[4] "Arbeitslose sollen zur Spargelernte", Darmstädter Echo vom 4. April 2005. "Spargelstechen auf Befehl?", Darmstädter Echo vom 5. April 2005. |
[5] "Jagd auf
Graffiti |
[6] Rainer Dinges : Nazi als Namenspatron, in der Printausgabe am 5. April
2005. Die Zeitung für kluge Köpfe weiß es natürlich besser: Historiker: Wiesbadener Heimatdichter kein glühender Nazi
[FAZ.NET am 21. Dezember 2004]. Ob glühend, spielt wohl keine Rolle,
denn der Nazi bleibt. Der mit der Aufbereitung der Nazi |
[7] Siehe hierzu auch das Sendemanuskript meiner Sendung zu Boris Lurie am 12. April 2004. |
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