Israel –Palästina

Meine eigene Position

 

 

In mehreren Sendungen und Beiträgen habe ich meine Position zu Israel und der israelischen Besatzung Palästinas verdeutlicht. Selbstverständlich ist das Thema damit nicht auch nur annähernd erschöpfend dargelegt. Insbesondere die sich für Deutsche nach Auschwitz ergebende Verpflichtung, kein weiteres Auschwitz zuzulassen (was jedoch nicht das Recht, Krieg im Namen der Menschenrechte zu führen, mit einschließt), ist dabei zu kurz gekommen. Nur angerissen werden konnte zudem das antisemitische Potential, das in den Positionen gegen Israel zutage kommt.

Und hier geht es jetzt direkt zu meiner eigenen politischen Position.

 

URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/specials/wkisrpos.htm

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Vorbemerkung : DISTANZIERUNG

Keine und niemand ist davor gefeit, daß Personen oder Organisationen, mit denen man und frau nichts zu tun haben möchte, die eigenen Gedanken als Steinbruch benutzen, um ihre eigenen wirren, kruden und mitunter auch menschenverachtenden Theorien zu begründen. Offensichtlich betrachten sie die notwendige Kritik an einer konkreten israelischen Politik als Alibi, um versteckt unter dem Deckmantel der Gedankenfreiheit ihren antisemitischen Gedanken frönen zu können.

Bei Auswertung meiner Logfiles mußte ich feststellen, daß eine Homepage, deren Verfasser/innen ich dem nationalrevolutionären Spektrum zurechne, auf eine meiner Seiten verlinkt hat. Von diesem Link, dem rechtlich nur schwer beizukommen ist, distanziere ich mich ausdrücklich und erkläre noch einmal ganz deutlich: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Ansonsten halte ich es mit Siouxsie Sioux, die 1976 aus dem Mittelschichts–England heraus die britische Punk–Szene mit einem einzigen Auftritt im 100 Club aufmischte. Sie pushte die Sex Pistols und wurde innerhalb weniger Monate zum Haßobjekt der Regenbogenpresse. Mit Hakenkreuz–Armband und schwarzen Stiefeln provozierte sie die Öffentlichkeit, die Susan Dallion alias Siouxsie Sioux in die Nazi–Ecke steckte. Doch im Gegensatz zu den Böhsen Onkelz, die ja auch aus der Punk–Bewegung kommen und die immer noch Skinheads und Neonazis anziehen, hat sich Siouxsie Sioux eindeutig verhalten. Zu einem Konzert von Siouxsie and the Banshees 1981 waren jede Menge übel aussehender Skinheads gekommen. Während eines Stücks begannen sie laut Sieg Heil zu grölen. Die Banshees hörten auf zu spielen. Siouxsie rannte hinter die Kulissen und zog sich demonstrativ ein T–Shirt mit aufgedrucktem Davidstern an. Sie kam zurück auf die Bühne, beschimpfte die Skins und widmete ihnen das nächste Lied. Es war das kurz zuvor als Single erschienene Israel.

 
 

MEINE EIGENE POSITION
 
Vorbemerkung: Die folgenden Ausführungen leben auch davon, daß ich sie dem Stand der eigenen Erkenntnis entsprechend reflektiere und verändere oder ergänze. Es gilt jeweils der Text in seiner aktuellen Fassung.
 
1. Jede Form isolierter oder isolierender Betrachtung des israelisch-palästinensischen Konflikts ideologisiert diesen Konflikt - und dabei ist unerheblich, ob dies gewollt ist oder einfach nur passiert. Ich weigere mich jedenfalls, der Neoliberalisierung des Denkens Vorschub zu leisten, und auf einfache Fragen noch vereinfachendere Antworten zu geben.
 
2. Eine Gleichsetzung von Jüdinnen und Juden, von Zionistinnen und Zionisten, und von Israelis (beiderlei Geschlechts) führt ins Leere.
 
3. Jede Intervention von außen – egal ob politisch, militärisch oder wirtschaftlich – ist abzulehnen. Erst recht, wenn derartige Vorschläge aus Deutschland kommen oder Deutsche miteinbeziehen. Die Frage, ob die US–amerikanische Absicherung der israelischen Wirtschaft und des israelischen Militärs hier mit einzubeziehen ist, ist akademisch, weil weder ich noch meine Leserinnen und Hörer über die Machtmittel verfügen, Forderungen in welche Richtung auch immer zu stellen.
 
4. Wer ernsthaft an einer Lösung des palästinensisch–israelischen Konflikts interessiert ist, kann seine oder ihre Ernsthaftigkeit dadurch beweisen, daß er oder sie die emanzipatorischen Kräfte auf beiden Seiten unterstützt, die an einer Deeskalation arbeiten. Alles andere ist Geschwätz.
 
5. Die nationalen und ethnischen Konstrukte Israel und Palästina, die damit verbundenen nationalen Identitäten und Wertvorstellungen können keinen Beitrag zur Deeskalation leisten. Ethnien, Völker oder Staatsgebilde sind per definitionem nicht emanzipatorisch. Aber:
 
6. Die besondere historische Situation Israels und der von der zivilisiert–westlichen Welt bereitwillig akzeptierten Shoah (oder hat irgendeine kriegsführende Macht im 2. Weltkrieg wegen der Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden gegen die Nazis, die Wehrmacht und die deutschen Täter Krieg geführt?) ist zu reflektieren. Wer immer die Auflösung des (weil: zionistischen – als ob dieses "zionistisch" irgendetwas zur Sache beitrüge) Staatsgebildes Israel fordert, muß den umfassenden Schutz der dort lebenden Jüdinnen und Juden gewährleisten; ansonsten handelt es sich bestenfalls um eine antisemitische Phrase. Und solange wir nicht in einer nachkapitalistischen (will sagen: sozialistischen oder kommunistischen) Gesellschaft leben, ist dieser Schutz wahrscheinlich nur über ein Staatsgebilde zu haben.
 

7. Weiterhin stimme ich Moshe Zuckermann zu, wenn er sagt, daß ein Frieden unterhalb einer Zwei–Staaten–Lösung nicht zu haben ist:

Aus meiner Perspektive kann dies nur eine Zwischenlösung sein, schließlich bin ich weder Nationalist noch Etatist. Ich bin der Meinung, daß Israel und der palästinensische Staat langfristig nur in konföderativen Strukturen existenzfähig sind, die übrigens zunächst nur unter kapitalistischen Bedingungen denkbar sind.
 
8. Hierbei gibt es essentielle Voraussetzungen: Rückzug der israelischen Armee aus den besetzten Gebieten, Abbau der (jüdischen) Siedlungen im Gazastreifen und im Westjordanland, Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten, und zumindest die symbolische Anerkennung des Rückkehrrechts der aus dem heutigen Israel vertriebenen Palästinenerinnen und Palästinenser. Hinzuzufügen wäre – wenn auch aufgrund eines globalisierten Weltmarkts illusorisch – die ökonomische Existenzfähigkeit eines palästinensischen Staates.
 
9. Gewalt schafft neue Gewalt. Wer will, daß die terroristischen Angriffe auf die israelische Gesellschaft aufhören, hat die Wahl der verbrannten Erde oder die Wahl, Strukturen (in Israel und Palästina) zuzulassen, die ein Ausbrechen aus der Gewaltspirale ermöglichen. Und – um mit Moshe Zuckermann zu sprechen: Die momentan vorherrschende Struktur ist eine brutale Okkupation.
 
10. Diese brutale Okkupation hat eine Vorgeschichte. Wer so tut, als würden wildgewordene islamische Fundamentalo–Machos das Judentum ausrotten wollen (und die Vorstellungen gibt es), und dies geschähe sozusagen aus heiterem Himmel, sollte vielleicht doch eine politisch–ökonomisch–militärische Analyse der Besiedlung Palästinas durch Jüdinnen und Juden und ihrer Auswirkungen und Instrumentalisierungen in den letzten 100 Jahren unternehmen.
 
11. Und (fast) zum Abschluß meiner Position noch etwas zum Nachdenken:
 

Ludger Heid schreibt in seinem Aufsatz Nächstes Jahr in Jerusalem über den Traum vom jüdischen Staat:

Der »Araberfrage« ist in den Anfängen der zionistischen Ideologie unverständlicherweise kaum Bedeutung zugemessen worden. Im Denken und in den Schriften der Frühzionisten spielte die arabische Urbevölkerung in Palästina allenfalls eine untergeordnete Rolle. Die aus Europa stammende zionistische Elite war von der illusionären Vorstellung bestimmt, in Palästina in einem politischen Vakuum zu agieren. Bezeichnend dafür ist der wirkliche oder vermeintliche Ausspruch Max Nordaus gegenüber Herzl aus dem Jahre 1897: "In Palästina gibt es ja Araber! Das wußte ich nicht! Wir begehen also ein Unrecht!" Gleichgültig, ob diese Sätze so gefallen sind, beschreiben sie doch insgesamt die Haltung der frühen Zionisten gegenüber den Palästinensern, die bestimmt war von einer Mischung aus Naivität, Wunschdenken, patriarchalischem Wohlwollen und Ignoranz, wie ein israelischer Publizist einmal treffend bemerkt hat. Herzl selbst vertraute seinem Tagebuch im Juni 1895 an, wie er sich die Lösung des Araberproblems vorstellte: "Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Lande jederlei Arbeit verweigern."

Dieser Aufsatz ist in der Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums veröffentlicht und in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung (Band 353) nachgedruckt worden. Allerdings glaube ich persönlich nicht an so viel Naivität, zumal der Fortgang der Geschichte diese Tagebucheintragungen auf eine sehr brutale Weise wahr gemacht hat …

Was ich damit ausdrücken will, ist nicht, daß die jüdische Besiedlung Palästinas von Anfang an als ethnische Säuberung geplant war, sondern daß die Besiedlung Palästinas nach den Prinzipien jeder Siedlergesellschaft durchgeführt wurde – siehe Australien, Argentinien, Südafrika oder die USA. Das gerade angeführte Zitat unterstützt demnach eine Argumentation a posteriori, und nicht eine Argumentation a priori. Ob und inwieweit Vertreibung und Eroberung konstitutives Merkmal der jüdischen Landnahme von Anfang gewesen sind, wird sich nie mehr klären lassen. Sicher ist, daß sie eine Option waren. Sicher ist auch, daß es auch andere Optionen gab. Zu klären wäre, warum sich welche Option im historisch–gesellschaftlichen Kontext durchgesetzt hat.

 

12. Jede ernsthafte Analyse des israelisch–palästinensischen Konflikts muß mit einer ernsthaften Klassenanalyse verbunden werden. Die israelische Bourgeoisie hat ein klares Klasseninteresse an der Besetzung oder einer anders gearteten ökonomischen Abhängigkeit der derzeit besetzten palästinensischen Gebiete. Der Friedenswille Israels ist mit diesem Klasseninteresse untrennbar verbunden. Wobei hierbei vielleicht genauer gesagt werden muß, daß nicht Israel als monolithisches Gebilde zur Debatte steht, sondern die sich aus Klassen– und Siedlerinteresse, sowie Apartheid speisende Politik, die allerdings von der Mehrheit der (jüdischen) Israelis getragen wird.

Die palästinensische Bourgeoisie, vertreten durch Arafats Autonomiebehörde, hat ein ganz eigenes Interesse an gutnachbarschaftlichen Beziehungen. Solange sie von der Besatzung oder ökonomischen Abhängigkeit profitiert, kollaboriert sie mit Israel. Doch die meisten Menschen in Palästina profitieren nicht davon. Die palästinensische Kleinbourgeoisie verarmt und vergrößert sich durch immer mehr Menschen, denen nichts anderes übrig bleibt, als sich als Straßenhändler/innen durchzuschlagen. Radikale Organisationen wie Hamas haben hier ihre Wurzeln.

Es gibt immer noch einen verschwindend kleinen Teil der israelischen und palästinensischen Linken, die sich an die Fiktion eines klassensolidarischen binationalen Kampfes klammern. Sie berücksichtigen hierbei nicht, daß es reale Interessenunterschiede zwischen israelischen und palästinensischen Arbeiter/innen in einer Apartheid–Gesellschaft gibt.

 
13. Und noch eine letzte Anmerkung an bestimmte Teile der Linken (die sich meist ohnehin selbst für die wahren und einzigen Linken halten – sollen sie, spielt eh keine Rolle!): Ich finde es sehr erstaunlich, daß ausgerechnet diejenigen, die sonst überall auf der Welt das Recht der Ausgebeuteten und Unterdrückten auf Widerstand und Rebellion verteidigen, daß ausgerechnet diese Teile der Linken die Augen im Falle Palästinas verschließen und sich einer Logik verschreiben, wie sie kein Counter–Apparat besser hätte ersinnen können. Wo liegt denn der Unterschied zwischen Männern in Palästina und Männern sonstwo auf der Welt? Überall auf der Welt sind Männer nur zu einer Lösung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Probleme in der Lage – GEWALT. Und interessant sind hier bezeichnenderweise die Gewaltphantasien der Verteidiger Israels. Ja – wer Gewalt sät, wird auch Gewalt ernten. Ob dies den Interessen der in Israel lebenden Jüdinnen und Juden förderlich ist, darf hingegen bezweifelt werden. Moshe Zuckermann hat dazu einige passende Worte gefunden, ich kann ihm hier nur beipflichten.
 
14. Ich gebe unumwunden zu, daß ich keine Lösung des Problems vorschlagen kann. Ich fühle mich dazu allerdings auch nicht berufen. Ich denke, dies durchaus auch im Widerspruch zu Teilen der israelischen und palästinensischen Linken, daß dieses Problem nur intern gelöst werden kann. Die Aufgabe der westeuropäischen / deutschen Linken kann allenfalls darin bestehen, jeden emanzipatorischen Zielen verpflichteten Prozeß zu unterstützen. Alles andere ist, einem Wort Rosa Luxemburgs zufolge, Quark.
 
Fassung vom 14.11.2002

 
 

Diese Seite wurde zuletzt am 9. Dezember 2005 aktualisiert.
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