Beiträge für den Radiowecker |
von Radio Darmstadt |
September 2003 |
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Spurensuche in Hessen | |
07.09.2003 *** Wdh. 09.09.2003 | Nächster Beitrag |
Anmoderation Auf archäologische Spurensuche in Hessen begibt sich im folgenden Beitrag Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte. Beitrag Walter Kuhl Vor einigen Tagen legte die Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege zum zweiten Mal ihren Jahresband hessenArchäologie vor. Was schon im Vorjahr als ein ausgezeichnetes Beispiel für eine gelungene Darstellung regionaler Forschung gelten mußte, wird nun auf genauso hohem Niveau fortgesetzt. Der diesjährige Band dokumentiert einmal mehr, wie ehrenamtliches Engagement vor Ort einher gehen kann mit wissenschaftlich fundierter Grabungstätigkeit. Auch dieses Jahr reihen sich die Beiträge von der Urgeschichte bis zur Neuzeit. Dies ist jedoch kein beliebiges Sammelsurium, sondern eine aus unterschiedlichen Quellen gewonnene Momentaufnahme, die immer wieder den Blick über den Tellerrand herausfordert und mit unerwarteten Ergebnissen besticht. Lokal bezogen sind vielleicht die Ausführungen zur Entstehung der Grube Messel, zur römischen Siedlungsgeschichte in Groß Überhaupt zeigt der Band hessenArchäologie 2002, daß wir uns davor hüten müssen, unser bisheriges Wissen als gesichert anzusehen. Jede weitere entdeckte Fundstätte, jede neue Ausgrabung kann auch ein neues Bild ergeben. Statistisch betrachtet, ist das ja auch logisch. Wenn wir davon ausgehen, daß wir nur einen (wenn auch wachsenden) Bruchteil der Menschheits- und Siedlungsgeschichte kennen, dann wird damit auch deutlich, daß wir somit auch gleichzeitig ein gefiltertes Bild vermittelt bekommen. Somit ist jede neue Ausgrabung womöglich auch eine Herausforderung, Gesichertes neu zu überdenken. Vergessen wir nicht, daß noch vor nicht allzu langer Zeit das bedenkenlose Zerstören der Spuren der Vergangenheit weit verbreitet war. Ein Beispiel hierfür ist die gnadenlose Überbauung des römischen Hauptortes Nida im Norden Frankfurts beim Bau der Norweststadt. Vieles ist dadurch unwiderbringlich verloren gegangen. Der hessische Landesarchäologe Egon Schallmayer gibt diesem Jahresband einige hoffnungsvolle Worte mit auf den Weg, nicht zuletzt, um den unbestreitbaren Nutzen archäologischer Arbeit herauszustellen. Er schreibt: Nicht nur die Bodendenkmäler selbst profitieren davon, wenn ihr Informationsgehalt, wo eine Zerstörung etwa im Zuge von Baumaßnahmen unvermeidbar ist, nun häufiger durch Notgrabungen gesichert werden kann. [ ] Der Erfolg basiert dabei auf dem strukturellen und finanziellen Engagement des Landes. [ ] Der Erfolg des Verständlichmachens der hessischen Menschheitsgeschichte und der Vermittlung ihrer Jahrtausende umspannenden historischen Tiefe stellt sich mit der Schaffung von Identität ein. Identität, die ihrerseits Verantwortungsbewusstsein schafft und damit letztlich zu einem bürgerschaftlichen Engagement führt, ohne das eine demokratische Gesellschaft nicht bestehen kann. [hessenArchäologie 2002, Seite 9] Leider ist zu befürchten, daß die hoffnungsvollen Worte des Landesarchäologen Egon Schallmayer vor der Macht der Wirklichkeit brutalst möglicher Einsparungen eines Roland Koch ungehört verhallen werden. Ich denke vielmehr, daß die hessische Landesregierung zukünftig noch mehr nur noch insofern am ehrenamtlichen Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger interessiert ist, wie dadurch Kosten zu sparen und Leistungen abzuwälzen sind. Es ist nett, an das aufgeklärte Eigeninteresse eines Roland Koch zu appellieren. Allein - es ist illusionär und sinnlos. Ganz im Gegensatz dazu überhaupt nicht sinnlos ist die archäologische Forschung mitsamt dem von Egon Schallmayer zusammengestellten Jahresband hessenArchäologie 2002. Er ist im Theiss Verlag erschienen und kostet 24 Euro 90. Abmoderation Katharina Mann / Wafaa Harake Diese Buchvorstellung von Walter Kuhl ist demnächst auch im Internet nachzulesen unter www.wkradiowecker.de.vu.
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Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Wafaa Harake (Dienstag) | |
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Bürgerwehr | |
14.09.2003 *** Wdh. 15.09.2003 | Nächster Beitrag |
Anmoderation Seitdem das Herrngartencafé eröffnet hat und dort die Promenadenkonzerte erklingen, erschallt der Ruf nach Ordnung und Sauberkeit. Denn es stört den schönen Schein ein kleiner Laden am Herrngarteneck mitsamt dessen Besucherinnen und Besuchern. Was stört, muß weg; und Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte findet das wenig erbaulich. Beitrag Walter Kuhl Eine Welt wie die unsere hat nicht nur ihre schönen Seiten, sondern auch ihre Schandflecken. Beide bilden eine dialektische Einheit, denn Kapitalismus ist Aufbau und Zerstörung in einem. Armut und Reichtum, Wohlstand und Hunger, Krieg und Frieden. Schöner Wohnen wird kontrastiert mit Obdachlosigkeit und die glitzernde Warenwelt mit menschlichem Elend. Das wollen viele nicht wahrhaben, und erst recht nicht vor ihrer Haustür. Der illusionäre Schein des Schönen, Guten und Wahren darf sich nicht an der nackten Realität brechen. Diese Realität soll ausgeblendet bleiben, verdrängt werden, abgeschoben, ausgegrenzt, am besten: ausgemerzt. Vor einigen Tagen fand ich in meinem Briefkasten eine als Flugblatt verteilte Pressemitteilung einer Bürgerinitiative Herrngarten vor. Wohlanständige Bürgerinnen und Bürger meiner Nachbarschaft haben sich zusammengeschlossen, um das Programm Schöner Wohnen mit allem Nachdruck nach außen zu tragen. Der Drogenkontaktladen Scentral in der Bismarckstraße ist ihnen hierbei ein Dorn im Auge. Der schöne Herrngarten, in dem sie ungestört flanieren und sich Konzerte anhören wollen, wird verschmuddelt durch die Junkies und ihre Hinterlassenschaften. Zugegeben: kein schöner Anblick. Aber mit welcher Selbstgerechtigkeit einige wenige hier Volkes Stimme nach außen tragen, ist schon ein starkes Stück. Ohne sich auch nur einen konkreten Gedanken über Drogen, Drogenpolitik, Armut und Elend in einem der reichsten Länder dieser Erde zu machen, wird radikal die Entfernung eines untragbaren Zustandes eingefordert. Untragbar? Für wen? Für honorige Bürgerinnen und Bürger, die beim Besuch des legalen Drogencafés mitten im Herrngarten nicht mit den Ruinen dieser Gesellschaft konfrontiert werden möchten? Eine kürzliche Befragung von Passantinnen und Passanten, die regelmäßig durch den Park gehen, ergab etwas Erstaunliches: Sie fühlten sich im allgemeinen weder bedroht noch unwohl. Weder das Darmstädter Echo noch die allgegenwärtige Drogenpolizei noch die Bürgerinitiative vor Ort konnten ein Meinungsmonopol durchsetzen, wonach wir zu glauben haben, daß es so schlimm ist. Ja, es finden sich blutige Wattetupfer, Medikamentenschachteln und aufgeschnittene Getränkedosen im Herrngarten. Aber genau genommen, in einem kleinen Eck des Herrngartens, und vor allem deshalb, weil die Junkies ihr illegales Geschäft heimlich, schnell und unter großem Druck besorgen müssen. Die allgegenwärtigen und ziemlich schwachsinnigen Polizeikontrollen erhöhen den Druck und produzieren erst das, was vorgeblich bekämpft werden soll. Wer Angst haben muß, erwischt zu werden, schmeißt halt eher seinen Müll weg als ihn in Ruhe zu entsorgen. Am Drogenproblem selbst ändert dieser Druck nichts. Diese Probleme hat das legale Drogenpublikum im und um das Herrngartencafé nicht. Freundliche Bedienungen entsorgen den Müll einer Wohlstandsgesellschaft, die meint, den menschlichen Unrat genauso entsorgen zu können. Still, heimlich, verschwiegen, unsichtbar. Aber die Junkies sind da. Sie müssen weg. Am besten mit einer Meinungs- und Medienkampagne. Und sicher ist der Drogenkontaktladen an diesem Ort fehl am Platz, jedoch nicht wegen der Nähe zum Park oder zum Einkaufsparadies in der Innenstadt. Sondern weil er zu klein ist und viel zu schlecht ausgestattet. Hier böte sich der Marienplatz geradezu an. Doch auch hier würde das eintreten, was schon bei der Ankündigung des geplanten Umzugs Anfang des Jahres zu hören und zu lesen war. Heiliger Sankt Florian , betet die jeweilige Nachbarschaft. Geradezu konsequent sind Forderungen, die Junkies ins Niemandsland der Kirschenallee oder gleich in ein unwirtliches Gewerbegebiet abzuschieben. Nur weg damit! Wir wollen uns schließlich in aller Ruhe und Gemütlichkeit vollaufen und zudröhnen dürfen, rumqualmen und die Luft verpesten dürfen. Rücksicht auf unsere Mitmenschen nehmen wir nur, solange es uns paßt; und wer uns nicht paßt, wird das Opfer unserer Ressentiments. Doch das Recht auf freie Meinungsäußerung schließt nicht das Recht auf Verbreitung von Ressentiments ein, nur um das dumpfe deutsche Volksempfinden zu bedienen. Abmoderation Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Demnächst nachzulesen im Internet unter www.wkradiowecker.de.vu.
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Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Beatrice Kadel oder Dirk Beutel (Montag) | |
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Arbeitslos | |
21.09.2003 *** Wdh. 23.09.2003 | Nächster Beitrag |
Anmoderation Bildungsgutschein, Personal-Service-Agentur oder Ich-AG. Begriffe, die zwar überall zu hören sind, deren tieferer Sinn jedoch selten durchdringt. Die 111 Tipps für Arbeitslose aus dem Bund- Beitrag Walter Kuhl Arbeitslos zu werden und oftmals auch zu bleiben, ist in einer zunehmend irrationaleren Welt mit den Werten der neoliberalen Deregulierung gar nicht mehr so selten. Mehr als 10% arbeitslose Frauen und Männer sind nach offizieller Zählung arbeitslos, und mehr als 15%, wenn alle diejenigen auch mitgezählt werden, die aus der offiziellen Statistik entfernt wurden. Was tun? Jobs gibt es ja fast keine und der Druck, sich um einen dieser nicht vorhandenen Jobs zu bemühen, wächst. Doch Arbeitslose haben nicht nur Pflichten, sie haben auch Rechte. Genau dies ist den Reformpolitikerinnen und -politikern ein Dorn im Auge. Doch worin bestehen diese Rechte genau? Hierzu gibt es in der Bundesrepublik zwei herausragende Ratgeber für Arbeitslose. Zum einen der im Frankfurter Fachhochschulverlag ständig aktualisierte Leitfaden für Arbeitslose, zum anderen die soeben in der 9. Auflage erschienenen 111 Tipps für Arbeitslose aus dem gewerkschaftlichen Bund- Die 111 Tipps für Arbeitslose sind daher auf dem neuesten Stand der auf Grundlage der Empfehlungen der Hartz- Nun ist es sicher eine spannende Frage, ob nur durch eine bessere Qualifikation, ein besseres Bewerbungstraining oder eine Eingliederungsmaßnahme auch neue Jobs geschaffen werden. Wahrscheinlich ist das nicht so. Auch Ich-AGs, Existenzgründungen oder Vermittlungsgutscheine sind sehr fragwürdige Instrumente der Arbeitsmarktpolitik. Doch wer sich darauf einläßt, sollte genau wissen, was das bedeutet und daß es eventuell in einem finanziellen Desaster enden kann. Um dem vorzubeugen, ist es nicht nur anzuraten, sondern eigentlich zwingend erforderlich, sich sachkundig zu machen und Illusionen über die Chancen einer eigenen Existenz schnell über Bord zu werfen. Der Ratgeber 111 Tipps für Arbeitslose liefert das notwendige Handwerkszeug. Dabei werden die eingebauten Stolperfallen der neuesten Sozialgesetzgebung nicht verschwiegen. Wer das Buch aufmerksam gelesen hat, sollte sich eigentlich sicherer im Umgang mit Arbeitsämtern und eventuellen Arbeitgebern fühlen können. Wem das nicht ausreicht, kann bei Konflikten mit den Arbeitsämtern die Rechtsschutzstellen des DGB in Anspruch nehmen. Gerade hier erweist sich der tiefere Sinn einer Gewerkschaftmitgliedschaft. Ohne Gewerkschaften sähe der neoliberale Durchmarsch in diesem Land noch ganz anders aus. Was der Ratgeber sicher nicht verschaffen kann, ist ein neuer Job. Aber solange keiner zu finden ist, verhilft er dazu, Fallstricke der Mitwirkungspflichten zu vermeiden, Rechte einzufordern und Leistungen abzurufen. Daß diese Leistungen nicht auf das Arbeitsamt beschränkt sind, belegen Tips zur Sozialversicherung, zum Kindergeld, zu Steuerfragen oder zu möglichen Nebeneinnahmen. Und zu Sperrzeiten. Sperrzeiten werden seit neuestem besonders gerne verhängt. Offensichtlich hat die Reformierung der Sozialgesetzgebung hiermit den Arbeitsämtern eine Möglichkeit in die Hand gegeben, die Statistiken zu frisieren. Gerade hier gilt: Widerspruch einlegen, und eventuell auch klagen. Die Chancen, gegen die Sperrzeiten auf rechtlichem Weg vorzugehen, stehen nämlich gut. (Und das Gute dabei ist: es kostet nicht einmal etwas.) Was umgekehrt heißt - die meisten Sperrzeiten sind unbegründet. Ein nützliches Buch also. Die beiden Autoren Rolf Winkel und Hans Nakielski bieten darüber hinaus die Gewähr, daß die Tips sorgfältig recherchiert worden sind. 111 Tipps für Arbeitslose sind im gewerkschaftlichen Bund- Abmoderation Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Demnächst nachzulesen im Internet unter www.wkradiowecker.de.vu.
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Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Wafaa Harake (Dienstag) | |
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