Beiträge für den Radiowecker

von Radio Darmstadt

– November 2002 –

 

Radiowecker–Redaktion von Radio Darmstadt
 
04.11.2002Gesundheitspolitik
10.11.2002Samad
17.11.2002hessenArchäologie 2001
18.11.2002HessenBuch des Jahres
24.11.2002Bert Rürup
 
 
Seit November 1998 liefere ich auch kleinere redaktionelle Beiträge für den Radiowecker von Radio Darmstadt. Diese Beiträge fasse ich monatsweise zusammen und stelle sie dann auf einer eigenen Seite ins Internet. Eine komplette Übersicht auf alle Beiträge seit 1998 gibt es auf meiner Radiowecker–Startseite. Zudem gibt es eine inhaltliche Übersicht auf alle Beiträge des Jahres 2002.
Meine Radiowecker–Startseite kann auch mit http://www.wkradiowecker.de.vu aufgerufen werden.
 
 
URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/rawe/rw_nov02.htm
 
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Gesundheitspolitik
04.11.2002 *** Wdh. 05.11.2002 Nächster Beitrag

 
Anmoderation

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt will die Kosten im Gesundheitswesen einfrieren. Ob dies der Gesundheit der Menschen in diesem Land förderlich ist, sagt uns im folgenden Beitrag Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte.

Beitrag Walter Kuhl

Streng genommen sind die Kosten des Gesundheitswesens tote Kosten für das Kapital. Sind Arbeitskräfte knapp, müssen sie gehegt und gepflegt werden. Sozialstaat nennt sich das. Stehen viele nützliche Arbeitslose auf Abruf bereit, muß auf die Gesundheit der Menschen eher keine Rücksicht mehr genommen werden. Und so erleben wir spätestens seit Ende der 80er Jahre ein Rollback in der Gesundheitspolitik. Es muß gespart werden. An wem gespart werden muß, ist offensichtlich – die Pflegeversicherung und ihre abgespeckte Leistungen machen es deutlich.

Nun gibt es ein Problem. Konkurrierende Kapitalinteressen stehen sich im Weg. Auf der einen Seite wollen Pharmaindustrie, Krankenhäuser, Apotheken, sowie Ärztinnen und Ärzte ihren Anteil am Kuchen zumindest halten. Auf der anderen Seite zwingt der Kostendruck im internationalen Konkurrenzkampf zur Reduzierung der Gesamtkosten; oder – wie dies derzeit beispielsweise über die Riester–Rente auch versucht wird – die Kosten sollen vom Kapital auf die Beschäftigten abgewälzt werden. Denn, wie gesagt, Kosten im Gesundheitswesen, sind tote, überflüssige Kosten für das Kapital. Doch wenn wir den Blick von der unsozialen Kosten–Nutzen–Logik der kapitalistischen Warenwelt abwenden und danach fragen, welche Standards im Gesundheitswesen wir gerne hätten, dann eröffnen sich ganz neue Horizonte.

Wenn gesagt wird, es ist kein Geld da, dann frage ich mich, wozu wir eine Bundeswehr benötigen. Sind Entwicklung und Kauf von Mordinstrumenten wichtiger als eine optimale Gesundheitsversorgung für alle hier in Deutschland lebenden Menschen? Was bedeuten würde, daß auch alle in Deutschland lebenden Nichtdeutschen, also Migrantinnen und Migranten, vollen Zugang zum Gesundheitssystem erhalten würden. Unbezahlbar? Aber Tornados, Spürpanzer, Minen und Transportflugzeuge sind offensichtlich bezahlbar. Naja – Profit geht halt über Leichen.

Wenn gesagt wird, das Gesundheitswesen sei zu teuer und ineffizient, dann stimmt das. In der Tat. Aber es wird dabei nicht gefragt, wer abkassiert und warum bestimmte bürokratische Mechanismen wichtig sind. Eine optimale Gesundheitsversorgung ist im Sinne der kapitalistischen Produktion immer ineffizient – aber für die Menschen durchaus nützlich. Oder wollen wir Drittweltverhältnisse einführen? Wenn ich mir die Fernsehbilder aus den Krankenhäusern nach der Geiselnahme von Moskau anschaue, dann hatte ich eher den Eindruck, daß die von Putins Supertruppe benebelten Menschen sogar ihre eigenen Decken mitbringen mußten. Und Moskaus Krankenhäuser haben geradezu noch einen hohen Standard. Mindestens 4 Milliarden Menschen auf dieser Erde haben nicht einmal das. Denn wer kein Geld hat, an dem ist auch nichts zu verdienen. Sollen sie doch an ihren Wehwehchen verrecken! Wen kümmert's?

Doch hierzulande muß gespart werden. Nicht etwa dadurch, daß überflüssige, teure, unwirksame oder gar gefährliche Medikamente vom Markt genommen werden. Wer weiß schon, daß eine seriöse Studie aus den USA festgestellt hat, daß etwa der Wirkstoff Acetylsalicylsäure – enthalten in Medikamenten wie Aspirin® – jährlich allein in den USA mindestens 16.500 Menschen das Leben kostet? Doch an der Arzneimittelprüfung durch staatliche Behörden wird aus ganz ordinären Profitgründen gespart. Die Zeche zahlen sollen und werden wir.

Ulla Schmidts Sozialdemokraten weisen uns den Weg in die neoliberale Gesundheitsvorsorge. Nicht etwa krank machende Arbeitsbedingungen, nicht etwa Streß und Mobbing, nicht etwa Gifte aus Autos und Fabriken werden als Ursache benannt und beseitigt – nein, das Prinzip der Zukunft heißt: wir sind nicht nur unseres Glückes, sondern auch unserer Gesundheit Schmied. Wer krank wird, ist selbst schuld und hat halt Pech gehabt, wenn er oder sie sich dann nicht richtig versichert hat.

Es gibt übrigens ein spannendes Buch zum Thema, das diese Zusammenhänge zumindest ansatzweise beleuchtet. Peter Eckert hat das Buch Das Pharmakartell geschrieben; es ist 1998 im VSA–Verlag herausgekommen und hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Abmoderation

Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Dieser Beitrag ist demnächst nachzulesen auf der Internetseite www.wkradiowecker.de.vu.
 

Moderation : Dirk Beutel (Sonntag), Norbert Büchner (Montag)
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Samad
10.11.2002 *** Wdh. 12.11.2002 Nächster Beitrag

 
Anmoderation

Üblicherweise wird davon ausgegangen, daß der Islam im 7. Jahrhundert seinen Ausgang von der arabischen Halbinsel nahm. Da überrascht es dann doch, wenn durch neuere Forschungen belegt wird, daß zumindest der Osten der arabischen Halbinsel jahrhundertelang nicht islamisiert worden ist. Ein Beitrag von Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte.

Beitrag Walter Kuhl

Auch wenn das Gebiet rund ums Mittelmeer, und hier insbesondere der Vordere Orient, als Wiege der westlichen Kultur gilt, so gibt es doch noch immer eine Menge historisch weißer Flecken. Geheimnisvolle Gold– und Gewürzländer sind zwar aus Inschriften oder Urkunden bekannt, doch ihre Lage in der Arabischen Wüste oder an der afrikanischen Ostküste bleibt weiterhin rätselhaft. Umso überraschender ist es, wenn durch planvolle Suche urplötzlich eine neue, bislang unbekannte Kultur das Licht der Welt wieder neu erblickt.

Der Südosten Arabiens gehört zu den historisch am wenigsten bekannten Regionen der arabischen Welt. Weder Griechen noch Römer besaßen genauere Kenntnisse über dieses Gebiet. Doch auch die großen arabischen Historiker des Mittelalters äußerten sich nur selten über den heutigen Oman, denn Wüsten machten den Zugang fast unpassierbar. Doch vor einigen Jahren stießen Archäologen auf die Überreste einer vorislamischen Kultur. Ermöglicht wurde dies vor allem durch das archäologische Interesse des Sultans von Oman.

Schon aus sumerischen und akkadischen Keilschrifttexten des 3. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung ist das geheimnisvolle Kupferland Makkan überliefert; und so bildete der vermutete Kupferbergbau auch einen ersten Anhaltspunkt für einen relativ neuen Zweig der Ärchäologie, nämlich der Montanarchäologie. Diese konzentriert sich auf Gruben, Schmelzöfen und Schlackenreste. Die Suche hatte Erfolg. Es konnte für den Oman eine nicht unerhebliche Besiedlung schon für das 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung nachgewiesen werden.

Einen Höhepunkt der kulturellen Entwicklung bildete die sogenannte Samad–Kultur, benannt nach einem Wadi und einer Oase in der Nähe des Golfs von Oman. Dort müssen noch Jahrhunderte nach dem Tode des Propheten Mohammed Menschen gelebt haben, die nicht islamisiert wurden. Offensichtlich hat die Wüste die Menschen von Samad einige Zeit davor bewahrt, von der arabischen Eroberung des südlichen und östlichen Mittelmeerraums erfaßt zu werden.

Doch wer waren die Menschen aus Samad? Darüber kann derzeit nur spekuliert werden, denn Schriftzeugnisse dieser Kultur liegen nicht vor. Unklar ist daher, ob es sich um eine einheimische Bauerngesellschaft oder um eine persische Kolonisierung des Oman gehandelt hat. Hier gibt es sicher noch einiges zu entdecken.

Mehr dazu ist nachzulesen in Heft 4 der Zeitschrift Antike Welt, erschienen im Verlag Philipp von Zabern in Mainz. Antike Welt erscheint alle zwei Monate und kostet als Einzelheft 12 Euro 80. Das noch aktuelle Heft 5 berichtet unter anderem über neue Erkenntnisse zur Kultpraxis und Kultur der Kelten in Kleinasien und fragt nach der Bedeutung von Menschenopfern und Kannibalismus.

Die Zeitschrift Antike Welt versteht sich als Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte. Doch neben der griechischen und römischen Antike werden gleichberechtigt auch archäologische Funde aus Mittel– und Südamerika, China oder eben den unbekannten Gegenden Arabiens ausführlich vorgestellt. Antike Welt ist über den gutsortierten Buchhandel oder direkt über den Verlag Philipp von Zabern erhältlich.

Abmoderation

Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt.
 

Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Holger Coutandin (Dienstag)
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hessenArchäologie 2001
17.11.2002 *** Wdh. 19.11.2002 Nächster Beitrag

 
Anmoderation

Ist Archäologie eine trockene Materie? Die neue Schriftenreihe hessenArchäologie zeigt, daß es auch anders geht. Ein Beitrag von Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte.

Beitrag Walter Kuhl

Was macht fundierte wissenschaftliche Arbeit aus? Neben der genauen Dokumentation dessen, was man oder frau vorgefunden hat, eben auch das, was vielleicht gesucht, aber nicht gefunden wurde. Die Archäologie macht vor, wie es geht. So untersuchte der Archäologe Horst Nauk aus Glashütten im Taunus die früheste bäuerliche Besiedlung seiner Nachbarschaft auf eine Weise, die exakte statistische und digital verwertbare Daten lieferte. Auf der Grundlage seiner Begehungen und seiner exakten Fundkartierungen kann jetzt ziemlich genau gesagt werden, wieviele Menschen vor etwa 7000 Jahren in einzelnen Taunustälern gelebt haben – und welche Lebensbedingungen sie dort vorfanden.

Diese und andere archäologische Forschungsmethoden werden beispielhaft an Funden und Untersuchungen in der neuen Schriftenreihe hessenArchäologie vorgestellt. Anhand des Vorkommens tierischer Knochen lassen sich Aussagen über das Klima einer Region machen; und dabei muß die Paläontologie natürlich berücksichtigen, daß einzelne Knochen wenig über das Klima im Verlauf mehrerer Jahrtausende aussagen. Aber Tierknochen können noch etwas anderes erzählen, nämlich welche Tierknochen bevorzugt für bestimmte Werkzeuge der Steinzeitmenschen benutzt wurden.

Die einzelnen vorgestellten Beispiele aus der hessischen Archäologie zeigen jedoch mehr – Archäologie ist mehr als nur Ausgraben. Zunächst einmal gibt es ja das Problem, Fundstellen überhaupt zu finden. Neben der Luftbildarchäologie kommen hierfür immer mehr geomagnetische Untersuchungen zum Einsatz. Das Prinzip ist einfach: Siedlungsspuren lassen sich dadurch nachweisen, daß sie sich vom lokalen Magnetfeld unterscheiden. Im Ergebnis lassen sich so durch magnetische Messungen immer wieder neue Siedlungen aus den letzten 10.000 Jahren in Hessen auffinden, ohne daß auch nur ein Spaten zum Einsatz kommen muß. Schonender geht es fast gar nicht mehr.

Das Spannende an einzelnen Beiträgen ist, daß selbst als gesichert geltende Forschungsergebnisse noch einmal anhand lokaler Funde genau abgeklopft werden. Dabei kann dann als überraschendes Ergebnis herauskommen, daß manchmal frühere schon als gesichert geltende Überlegungen als spekulativ betrachtet werden und deshalb verworfen werden mußten. Denn je mehr Funde es gibt, desto klarer werden Besiedlungsstrukturen, Lebensweisen und politische wie wirtschaftliche Zusammenhänge.

Bemerkenswert ist der zeitliche Rahmen der Grabungs– und Forschungsergebnisse, der von der Steinzeit über Kelten und Römer, das hessische Mittelalter bis hin zur NS–Zeit reicht. Gerade hierbei, bei Untersuchungen am NS–Arbeitslager in Walldorf, wurden die an anderer Stelle erprobten archäologischen Forschungsmethoden erfolgreich eingebracht. Allierte Luftbildaufnahmen gaben Hinweise auf Lage und Größe des Arbeitslagers. So lag es nahe, eine geophysikalische Begehung des Geländes zur Grundlage gezielter Nachgrabungen zu machen.

Archäologie ist also nicht unbedingt eine Zeitreise in eine weit entfernte Vergangenheit, sondern kann auch dazu beitragen, die jüngste Zeitgeschichte buchstäblich wieder auszugraben. Die von der Archäologischen und Paläontologischen Denkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen herausgegebene neue Schriftenreihe hessenArchäologie faßt Ausgrabungen und Nachforschungen des Jahres 2001 eindrucksvoll zusammen. Ein Band, der nicht nur eine Lücke schließt, sondern zusammenführt, was zusammengehört.

Interdisziplinäres Arbeiten hat sich gerade in der Archäologie als sinnvoll und für alle Seiten befruchtend herausgestellt. Dieser Band belegt dies eindrucksvoll. Vor allem beweist er, daß die Beschäftigung auch mit Randthemen der eigenen historischen Spezialgebiete verständlich und anregend sein kann. Wir dürfen schon jetzt auf die weiteren Jahrbände dieser Schriftenreihe gespannt sein. hessenArchäologie 2001 ist im Theiss Verlag erschienen und kostet 24 Euro 90.

Abmoderation

Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt.
 

Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Holger Coutandin (Dienstag)
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Hessen–Buch des Jahres
18.11.2002 Nächster Beitrag

 
Anmoderation

Das Hessen–Buch des Jahres 2002 ist ein Buch über die Kelten. Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte hat es für uns gelesen.

Beitrag Walter Kuhl

Es ist ein faszinierendes Buch – Das Rätsel der Kelten vom Glauberg. Die gleichnamige Ausstellung in der Frankfurter Schirn bot Mitte dieses Jahres den Rahmen des zugehörigen Begleitbandes. Doch dieser geht darüber hinaus. Er zerstört Mythen und setzt dagegen die wissenschaftliche Erkenntnis. Er behauptet nicht, die Wahrheit darzustellen, weil wir vieles einfach noch nicht wissen. Aber dokumentiert genau, was wir wissen, und vor allem, wie wir zu diesen Erkenntnissen gekommen sind.

Die in den 90er Jahren auf dem hessischen Glauberg ausgegrabenen Keltenstatuen haben unser Wissen über die Kelten vergrößert. Was in der Ausstellung gezeigt wurde, war daher kein Mythos, wie er in jeder esoterischen Buchhandlung über angebliche Keltenrituale verkauft wird, sondern eine Annäherung an eine Kultur, die Verbreitung über weite Teile Europas fand. Hier wurden keltische Fürsten gezeigt, wie sie sich wohl selbst sahen oder vielleicht sogar – wie sie gesehen werden wollten.

Der Begleitband zur Ausstellung Das Rätsel der Kelten vom Glauberg war daher ein würdiger Kandidat für die Wahl zum Hessen–Buch des Jahres 2002. Aus rund 80 eingesandten Titeln aus 27 Verlagen fiel die Wahl nicht zufällig auf diesen Band. Die Jury war wohl ähnlich angetan wie ich – und sie begründete ihre Wahl so:

Der Katalog ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie neueste Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung für ein breites Publikum vermittelt werden sollten, und fördert damit das Interesse der Öffentlichkeit, die Zeugnisse der Vergangenheit zu erforschen und zu erhalten.

Über 100.000 Besucherinnen und Besucher haben die Ausstellung gesehen – der zugehörige Begleitband ist im Theiss Verlag erschienen und kostet 34 Euro 90.

Abmoderation

Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Dieser Beitrag ist demnächst nachzulesen auf der Internetseite www.wkradiowecker.de.vu.
 

Moderation : Diek Beutel (Montag)
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Bert Rürup
24.11.2002 *** Wdh. 26.11.2002 Nächster Beitrag

 
Anmoderation

Nach der Hartz–Kommission rückt die Bundesregierung nun mit einer neuen Kommission dem Sozialstaat zu Leibe. Angeblich ist er nicht länger finanzierbar. Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte sieht das natürlich anders – und macht sogar noch einen Vorschlag zur Ankurbelung der lahmen Konjunktur, auf den nicht einmal Bert Rürup kommen würde.

Beitrag Walter Kuhl

Am vergangenen Donnerstag stellte Sozialministerin Ulla Schmidt die neueste Zumutung aus der Gerd Show vor. Eine neue Reformkommission unter dem Vorsitz des Wirtschaftsweisen Bert Rürup soll die Sozialversicherung für das Kapital sozialverträglich umgestalten. Ob Bert Rürup hierfür der richtige Mann ist? Immerhin ist er Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt. Allerdings haben die Wirtschaftswissenschaften eher etwas mit Magie und Aberglauben zu tun; und daher ist bekanntlich selbst der Papst unfehlbarer.

Oder anders gesagt – die an den deutschen Universitäten gelehrten Wirtschaftwissenschaften sind eine gigantische Verschwendung von Steuergeldern. Damit liegen sie gleichauf mit dem Kriegsministerium; und doch werden beide gleich notwendig zum Funktionieren der auf Profit gegründeten kapitalistischen Marktwirtschaft benötigt. Der tiefere Sinn der Unwissenschaftlichkeit liegt also im Nutzen für das Kapital. Insofern ist Rürup in der Tat der richtige Mann, um das historisch gewachsene System der Sozialversicherung zerschlagen zu helfen.

Doch wie das bei Wirtschaftswissenschaftlern so zum Berufsethos gehört, lehnt er sich weit aus dem Fenster heraus. Will er doch die Sozialbeiträge von derzeit 41,3% auf sensationelle 40% senken, um die jammernden Unternehmer damit zu animieren, wieder in Arbeitsplätze zu investieren. Denn ausgemacht ist, daß die Lohnnebenkosten das Problem sind, nicht etwa, daß der Wahnsinn Methode hat.

Bert Rürup erklärte seinen methodischen Wahnsinn denn auch gleich selbst am vergangenen Donnerstag im Darmstädter Echo. Nicht nur, daß er bei steigender Arbeitslosigkeit das Rentenalter auf 67 Jahre hinaufsetzen will. Nein – er will durch Strafgebühren Patientinnen und Patienten dazu verleiten, sogenannte Bagatellkrankheiten wieder verstärkt selbst zu behandeln. Wenn schon die Zumutungen dieser Gesellschaft, also Lärm, Streß, Leistungsdruck oder Umweltgifte krank machen, dann sollen die Betroffenen doch bitte selbst für die Folgen aufkommen. Ob Bert Rürup uns eine Bachblütentherapie für Lärmfolgen und das zunehmende Mobbing seiner Kapitalfreunde empfiehlt? Nun – dann würden sich wenigstens zwei esoterische Richtungen treffen, die zwar nichts nutzen, aber für das Kapital und seine andächtige Glaubensgemeinschaft durchaus lukrativ sind.

Doch was hat es damit auf sich, wenn die Lohnnebenkosten gesenkt werden können? Werden wirklich Anreize zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gegeben? Der Kabarettist Dietrich Kittner hat den Zusammenhang zwischen der durch die Ökosteuer finanzierten Senkung der Lohnnebenkosten und dem Argument der Arbeitsplätze parodistisch auf den Punkt gebracht. Darauf hätte eigentlich selbst ein Bert Rürup kommen können. Und dafür brauchen wir nun wirklich keine neue Reformkommission. Es ist doch so einfach:

Der folgende Beitrag wurde der CD Dietrich Kittner Live 2 entnommen. Ich danke dem Kabarettisten für seine vorzügliche Erklärung des Zusammenhangs zwischen Ökosteuern und Lohnnebenkosten.

Abmoderation

Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Am kommenden Sonntag stellt Martin Keindl in der Sendung Medialine den Kabarettisten Dietrich Kittner ausführlicher vor. Sonntag, 1. Dezember, 20 Uhr, direkt nach der Liveübertragung des Fußballspiels SV Darmstadt 98 gegen die Amateure von Bayern München.
 

Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Holger Coutandin (Dienstag)
Zum Seitenanfang Vorheriger Beitrag

 

 

Diese Seite wurde zuletzt am 24. Dezember 2005 aktualisiert.
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