Darmstadt – Freiberg |
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Inhaltsverzeichnis |
Kapitel 1 : Einleitung |
Kapitel 2 : Partnerstädte |
Kapitel 3 : Das Desaster war abzusehen |
Kapitel 4 : Ein Bauverein expandiert |
Kapitel 5 : Ein Andienungsrecht mit Tücken |
Kapitel 6 : Tollhaus SWG |
Kapitel 7 : Shareholder Value als Bauherrenmodell |
Kapitel 8 : Schluß |
EinleitungJingle Radio Darmstadt – RadaR Thema der heutigen Sendung meiner Sendereihe Kapital – Verbrechen ist das Geschäft, das der städtische Bauverein 1996 mit der Freiberger Städtischen Wohnungsgesellschaft SWG abgeschlossen hat. Andeutungsweise haben wir in den letzten Monaten im Darmstädter Echo hierüber lesen können. 1996 kaufte der Bauverein für 30 Millionen Mark 930 Wohnungen im Freiberger Neubaugebiet Friedeburg, um sie zu sanieren. Der Vertrag sah vor, daß die Wohnungen 2006 von der SWG zum Preis von 60 Millionen Euro zurückzukaufen seien. Die SWG hat das Geld aber nicht. Und so streiten sich derzeit Bauverein und SWG sowie die hinter beiden stehenden Städte Darmstadt und Freiberg über die Modalitäten der Rückzahlung. 60 Millionen Euro - haben oder nicht haben. Während in Darmstadt das dubiose Geschäft um die Kläranlage, das geplante Hotel am Mercksplatz, die geplante Kongreßhalle neben der TU Darmstadt oder die Verlegung des Scentral immerhin noch Stadtgespräch sind, herrscht zu Freiberg und dem Rückkauf der Plattenbauwohnungen Schweigen. Das mag damit zusammenhängen, daß im Bauverein alle großen Parteien in Vorstand und Aufsichtsrat vertreten sind und deshalb keine Partei ein Interesse daran hat, den möglichen finanziellen Totalausfall einer anderen mitbeteiligten Partei in die Schuhe zu schieben. Erstaunlich, wo doch sonst jedes noch so kleine Skandälchen gerne politisch genutzt wird. Gibt es hier eine große Koalition des Schweigens? Freibergs alternative Zeitung, der FreibÄrger, hat für seine September / Oktober- Am Mikrofon begrüßt euch für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt - Walter Kuhl. Jingle Alltag und Geschichte |
PartnerstädteZu den vielen Darmstädter Partnerstädten, auch Schwesterstädte genannt, gehört seit Anfang der 90er Jahre Freiberg in Sachsen. Freiberg ist eine Kleinstadt mit rund 44.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und verdankt seine Gründung 1186 dem Silberbergbau an den Ausläufern des Erzgebirges. Freiberg wird von einer großen Koalition aus CDU, SPD und FDP regiert; Oberbürgermeisterin ist die Sozialdemokratin Uta Rensch. Im Freiberger Stadtrat sitzen seit den Kommunalwahlen von 1999 die CDU mit 15 Sitzen, PDS und SPD mit je 7 Sitzen, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit je einem Sitz. Dazu kommt eine "Allianz unabhängiger Wähler" mit 3 Sitzen und die "Wählervereinigung des Vereins Haus- und Grundstücksbesitzer" mit 4 Sitzen. Die Wahlbeteiligung lag bei 52%. Gewählt wird wieder nächstes Jahr. Wie kam es nun zur Partnerschaft zwischen Freiberg und Darmstadt? Auf der Internetseite von Freiberg findet sich folgender Eintrag: Die Auswahl für die Partnerschaft mit Darmstadt in Hessen fiel in die Zeit der politischen Wende in Deutschland. Noch bevor 1990 die ersten freien Wahlen durchgeführt wurden, hatte sich die alte Stadtverordnetenversammlung zwischen Mühlheim an der Ruhr und Darmstadt zu entscheiden. Die Wahl fiel auf die hessische Stadt. Die Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages lag dann schon in der Verantwortung des frei gewählten Bürgermeisters Konrad Heinze. Es war der Zeit des politischen Neubeginnens geschuldet, dass in den ersten Jahren Darmstadt im wesentlichen die gebende und Freiberg die nehmende Stadt war. [...] Inzwischen kann auch die Stadt Freiberg viel in die Partnerschaft einbringen. Es ist natürlich reizvoll, darüber zu spekulieren, ob der Deal zwischen Bauverein und SWG 1996 zu diesem "Geben und Nehmen" gehört hat [1]. Deshalb werde ich im Verlauf dieser Sendung versuchen, den Verlauf dieses Geschäfts nachzuzeichnen und die handelnden Akteure zu benennen. Vielleicht gelingt es dann zum Schluß, die Frage zu beantworten, wer hier wen über den Tisch gezogen hat und warum die Darmstädter politischen Parteien so beharrlich schweigen. |
Das Desaster war abzusehenAm 4. Mai 1996 fand sich unter der Überschrift "Freiberg will 930 Wohnungen an den Bauverein verkaufen" folgender Artikel von Klaus Staat im Darmstädter Echo: Der Bauverein verhandelt mit Darmstadts sächsischer Schwesterstadt Freiberg über den Kauf von 930 Wohnungen in einer der typischen DDR-Plattenbausiedlungen im Stadtteil Friedeburg. Der Freiberger Stadtrat hat dem Verkauf am Donnerstag [2.5.1996] zugestimmt. Der Bauverein stellt noch Bedingungen. Die Darmstädter Aktiengesellschaft, eine hundertprozentige Tochter der Stadt Darmstadt, soll in Freiberg als [sogenannter] "Zwischenerwerber" nach dem Altschuldenhilfegesetz auftreten. Solche Privatisierungsmodelle gibt es überall in den neuen Bundesländern. Zwischenerwerber kaufen die Wohnungen, sanieren sie und verkaufen sie dann an die Mieter oder, wenn die nicht wollen oder nicht können, an andere Interessenten. 30 Millionen Mark müßte der Bauverein für die 930 Wohnungen in Freiberg bezahlen. Weitere 35 Millionen Mark würde die Sanierung kosten. "Dieser Brocken", so Vorstandsvorsitzender Dr. Wolfgang Rösch, würde sich für den Bauverein nur rechnen, wenn er die für Ost-Investoren vorgesehene fünfzigprozentige Abschreibung der Sanierungskosten zugestanden bekommt. Darüber verhandelt Rösch mit dem Bundesfinanzministerium. [...] Für [Freibergs Oberbürgermeister Konrad] Heinze ist das Projekt dringlich. Nach dem Altschuldenhilfegesetz müssen die ostdeutschen Gemeinden Teile des Verkaufserlöses an den [sogenannten] "Erblastentilgungsfonds" abliefern. Die Raten errechnen sich nach einem komplizierten Schlüssel, der jährliche Steigerungen vorsieht. Kauft der Bauverein noch dieses Jahr [also 1996], muß Freiberg 7,9 Millionen Mark an den Fonds abliefern. Kommt es erst nächstes Jahr zum Verkauf, beträgt die Rate 11,8 Millionen [Mark]. Die fast vier Millionen Differenz möchte Heinze sparen. Soweit Klaus Staat im Darmstädter Echo 1996. Wenn wir im Hinterkopf behalten, daß der Bauverein die Wohnungen für 30 Millionen Mark gekauft und für 35 Millionen Mark saniert hat, mit Freiberg aber abgemacht hat, im Jahr 2006 120 Millionen Mark zurückzuerhalten, dann ist die Aufbauhilfe Ost ein gutes Geschäft für Darmstadts Bauverein gewesen. Denn nicht nur, daß der Bauverein 55 Millionen Mark mehr zurück erhalten würde, nein, er kann auch noch 17,5 Millionen Mark abschreiben. Bauherrenmodell nach Darmstädter Art. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler subventionieren so gesehen ein profitables Geschäft. Am 18. September 1997 schreibt Petra Neumann- [...] Friedeburg, das ist eine mausgraue Plattenbausiedlung aus den siebziger und achtziger Jahren, rechteckig, praktisch, häßlich: eines der vielen Neubaugebiete, mit denen zu DDR-Zeiten die Wohnungsnot bekämpft wurde. Hier waren bis zur Wende Professoren und Arbeiter gute Nachbarn. Nach dem Mauerfall suchten die Akademiker ihr Glück andernorts oder zogen in die Innenstadt. Die Siedlung, die je zur Hälfte einer Genossenschaft und einer städtischen Gesellschaft [nämlich der SWG] gehört, drohte, ins soziale Abseits abzurutschen. Aus mausgrau wird schick - so der Tenor des Artikels von Petra Neumann- Dafür stiegen die Mieten. Lagen die Kaltmieten vor der Wende noch bei 6 DDR-Mark, so stiegen sie im Zuge der Schöner-Wohnen-Sanierung auf 9 Mark (West) an. Und es war schon damals absehbar, daß das geplante Geschäft mit den Mieterinnen und Mietern nicht klappen würde. Damals war noch geplant, 378 dieser 930 Wohnungen an die damaligen Mieterinnen und Mieter zu verkaufen. Doch trotz finanzieller Anreize kam das Geschäft nicht so richtig auf Touren. Bei 20% Arbeitslosigkeit waren die Freibergerinnen und Freiberger vorsichtig. Dennoch sprach Oberbürgermeister Konrad Heinze von einem "intelligenten Geschäft", da die Sanierungsarbeiten von Firmen vor Ort durchgeführt wurden. Derweil so Petra Neumann-Prystaj zum Abschluß ihres Artikels im September 1997 überlegt die Bauverein AG, ob sie sich auf ein neues "intelligentes Geschäft" in Hoyerswerda [...] einlassen soll. Schon 1997 war also absehbar, daß das Finanzierungsmodell nicht abgesichert war. Denn der Verkauf von 378 Wohnungen hätte Geld in die Kassen von Bauverein und Städtischer Wohnungsgesellschaft gebracht. Nehmen wir einfach einmal als Rechenbeispiel einen Betrag von 100.000 Mark pro verkaufter Wohnung an, dann haben schon damals schlichte 37 Millionen Mark gefehlt. Geld, das die SWG heute dringend gebrauchen könnte, um den Profit des Bauvereins zu bezahlen. |
Ein Bauverein expandiertDie Bauverein AG in Darmstadt ist eine hundertprozentige Tochter der Stadt. Im Vorstand sitzen Hans- Der Bauverein wurde 1864 als Bauverein für Arbeiterwohnungen in Darmstadt gegründet. Er fing klein an; um 1900 hatte er etwa 100 Wohnungen gebaut. Der 1. Weltkrieg und die nachfolgende Wirtschaftskrise führten zu finanziellen Problemen. 1929 übernahm die Stadt Darmstadt die Mehrheit der Aktienanteile. Mit der Stadt als Eigentümer ging es - vor allem nach dem 2. Weltkrieg - bergauf. Vor allem Baumaßnahmen im sozialen Bereich führten dazu, daß Ende der 60er Jahre der Bestand an Wohnungen auf über 6.000 kletterte. In den 90er Jahren expandierte der Bauverein förmlich. Er wurde zum Wohnungsbaukonzern. Mehrere hundert Millionen Mark kostete der Erwerb und Umbau des ehemaligen Schlachthofgeländes. Die "Waldspirale", auch Hundertwasserhaus genannt, gab dem neuen Stadtviertel ein postmodern schickes Image. Als der Bauverein dann noch 2001 die Mehrheit der Hegemag- |
Ein Andienungsrecht mit TückenZu dieser Expansionsstrategie gehörte das schon erwähnte "intelligente Geschäft" mit der Städtischen Wohnungsgesellschaft SWG in Freiberg. Auch die SWG gehört zu 100% der Stadt. Allerdings sind Bauverein und SWG in ihrer Größe nicht vergleichbar. Während der Bauverein mal kurz hunderte von Millionen Euro locker machen kann, erklärte die SWG, den für 2006 vereinbarten Rückkauf in Höhe von rund 60 Millionen Euro nicht tätigen zu können. Am 8. März [2003] titelte das Darmstädter Echo: "Probleme mit dem Plattenbau- Der Vertrag gibt der SWG ein so genanntes "Andienungsrecht", einzulösen ab 2006. Was attraktiv klingt, könnte der SWG [...] finanziell das Genick brechen. Die SWG soll den Bestand [...], den sie einst für 600 Mark [...] pro Quadratmeter verkaufte, nun für rund 1050 Euro pro Quadratmeter zurückkaufen. Nicht zu leisten für die mit 118 Millionen Euro verschuldete SWG. Der Stadt als Mutter der Gesellschaft kommt ein dickleibiges rechtsanwaltliches Gutachten zu Hilfe. Es erklärt Teile der Verträge von 1996, darunter vor allem die Passagen zum Andienungsrecht, für "null und nichtig" und vertritt zudem die Meinung, daß sich die damaligen Geschäftsführer von SWG und Bauverein des Subventionsbetruges strafbar gemacht hätten. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ist eingeschaltet. Lassen wir einmal die Frage beiseite, ob hier Subventionsbetrug vorliegt oder nur die Möglichkeiten der Steuerersparnis auf unser aller Kosten ziemlich trickreich vollzogen worden ist. Das "Andienungsrecht" ist der Knackpunkt des Ganzen. Auch wenn das aus dem Artikel von Paul- Soweit hört sich das so an, als hätten die Wessis die Ossis über den Tisch gezogen. Doch hören wir uns nun die Freiberger Variante an. Ich werde mich hierbei auf die Freiberger alternative Zeitung, den FreibÄrger, beziehen. |
Tollhaus SWGIn der Ausgabe 34 für September und Oktober [2003] ist im FreibÄrger Folgendes zu lesen: In Freiberg ist wie in anderen vergleichbaren Städten in den neuen Bundesländern das Angebot an saniertem vermietbarem Wohnraum größer als die Nachfrage. In Zeiten sinkender Massenkaufkraft durch Arbeitslosigkeit, Sozialkürzungen und Senkung des Reallohns ist das kein Wunder. Darüber hinaus ist die Bevölkerungsentwicklung in Freiberg durch Fortgang insbesondere von jungen Menschen rückläufig. Unter diesen Bedingungen hat sich der Wettbewerb unter den Anbietern verschärft. Im Sommer ist ein offener Kampf gegen die Monopolstellung der Städtischen Wohnungsgesellschaft (SWG) auf dem Freiberger Wohnungsmarkt ausgebrochen, der skurrile Züge angenommen hat. Leidtragende werden die einfachen BürgerInnen Freibergs sein, auf die höhere Belastungen zukommen, wenn es zu einem Einbruch auf dem Wohnungsmarkt kommen sollte. Schon bald nach der Wende boten sich auch den Kommunen im Osten bislang ungeahnte Möglichkeiten, an Geld zu kommen und Geld auszugeben. Nehmen wir den Fall des Finanzmaklers Hans- Im Jahre 2001 musste die Stadt ihrer Nachschusspflicht als Gesellschafterin der Stadtbau GmbH nachkommen. Damals verhandelte die Oberbürgermeisterin mit der Kommunalen Entwicklungs- und Wohnungsbaugesellschaft mbH (KEWOG) aus Tirschenreuth um deren Austritt aus dem gemeinsam geführten Unternehmen. Der Preis dafür: die Stadt [Freiberg] verpflichtete sich, die Konsolidierungskosten der Stadtbau von ca. zwei Millionen DM zu übernehmen, die KEWOG und der Ex-Geschäftsführer Helmut Heinl wurden von der Haftung für die Stadtbau freigestellt. Zudem kaufte die Stadt den Bayern das Haus in der Borngasse 6 für 900.000 Mark ab. Im Gegenzug übernahm die SWG die Anteile der KEWOG an der Stadtbau in Höhe von 26 Prozent. Oberbürgermeisterin Uta Rensch (SPD) verteidigte die kostenintensive Trennung mit dem Hinweis, dass der Freiberger Stadtrat in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit zugestimmt habe. Der nächste Griff nach dem Geld der BürgerInnen hängt mit einem Vertragswerk zusammen, das die kommunalen Wohnungsunternehmen der beiden Partnerstädte Freiberg und Darmstadt 1996 abschlossen. Die Darmstädter Bauverein AG kaufte für umgerechnet ca. 15 Millionen Euro 930 Wohnungen im Freiberger Neubaugebiet Friedeburg, die sie teilsanierte. Das klingt nach Aufbauhilfe Ost, aber ist in Wirklichkeit ein Geschäft, denn die Wohnungen müssen laut Vertrag im Jahre 2006 für etwa 60 Millionen Euro zurückgekauft werden. Die SWG verfügt aber nicht über Rücklagen, die ihr einen solchen Rückkauf ermöglicht. Um einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der SWG zuvorzukommen, hat die Oberbürgermeisterin öffentlich erklärt, dass die Stadt einen Teil des Geldes aufbringen will. Diese Entscheidung hat sie ohne Rückendeckung durch den Stadtrat getroffen und damit einige Ratsherren verprellt. Insbesondere die vier Abgeordneten der Fraktion Haus & Grund, gediegene Repräsentanten des Freiberger Mittelstands, haben sich über das Vorgehen von Dr. Uta Rensch (SPD) mokiert und eine Unterschriftensammlung gestartet, um über eine Art Bürgerbegehren, die Stadtverwaltung daran zu hindern, Steuermittel der Freiberger BürgerInnen für diesen Zweck zu gebrauchen. Der Stadtratsfraktion der PDS ist aufgefallen, dass ein Bürgerbegehren zwar viel Staub aufwirbelt und einige BewohnerInnen politisiert, aber das Problem damit nicht aus der Welt geschafft ist. Die PDS fordert von den verantwortlichen PolitikerInnen, Konsequenzen zu ziehen. Damit können nur die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aktiven Aufsichtsratsmitglieder der SWG gemeint sein, nämlich [der uns schon bekannte Oberbürgermeister] Konrad Heinze, Peter Sanftenberg [und] Arnd Böttcher. Die [regionale Tageszeitung] Freie Presse konzentrierte sich auf den amtierenden Finanzbürgermeister Böttcher, obwohl Heinze und Sanftenberg als ordentliche Mitglieder des Kreistags immer noch öffentliche Ämter bekleiden. Böttcher hat sich mit Bezug auf eigene gute Taten für die Stadtentwicklung gegen die Rücktrittsbegehren gestellt. Es folgt nun eine Passage zur Entstehungsgeschichte des Bauvereins, die alsdann zur Freiberger SWG überleitet: Die Städtische Wohnungsgesellschaft (SWG) wurde im Juni 1992 auf Beschluss des Stadtrats mit einem Stammkapital von 125 Millionen DM in Freiberg gegründet. Die Stadt Freiberg hat als 100prozentige Gesellschafterin die kommunalen Wohnungsbestände der SWG übertragen. Am Anfang betreute die SWG mit ca. 300 Beschäftigten fast [13.000] Wohnungen und 300 Gewerbeobjekte. Seit ihrem Bestehen hat die SWG über 125 Millionen Euro auf dem Freiberger Immobilienmarkt getätigt und hat dort eine Monopolstellung inne. Heute kümmern sich rund 45 MitarbeiterInnen um 7000 Wohnungen und ca. 80 Gewerbeobjekte. Geschäftsführer der SWG ist Friedrich Hermann, der Anfang des Jahres in die Schlagzeilen der Freien Presse geriet, weil er seinen Posten bei der SWG aufgeben und nach Dresden wechseln wollte. Der Aufsichtsrat der SWG setzt sich wie in Darmstadt aus einem illustren Parteienbündnis zusammen: SPD, CDU und PDS. Schenkt man den Hochglanzbroschüren der SWG Glauben, ist die SWG ein gesundes, aufstrebendes Unternehmen, das es sich sogar leisten kann, sozial- und kulturpolitische Aktivitäten in Freiberg zu sponsern. Kaum ein Verein, der nicht irgendwie von der SWG gefördert wurde. Es folgt eine Auflistung der Aktivitäten der SWG, die sicher nicht anrüchig sind. Daß sich auch der Bauverein oder andere Darmstädter Firmen, Banken und Geschäfte durch Sponsoring auszeichnen, beweist nur, daß Sponsoring nicht nur das Image fördert und Vereinen nutzt, sondern auch, daß keine und niemand so genau nachfragen wird. Und damit zurück zur SWG: Die Gesellschaftsbilanz 2002, ein Bilderbuch des Erfolgs, ist unredlich; denn in Wirklichkeit sieht die Geschäftsbilanz der SWG nicht gut aus. Im Gegenteil, lässt man das Wunschdenken des Geschäftsführers Hermann einmal außen vor, dann muss das Unternehmen SWG zugestehen, dass die letzten Geschäftsjahre mit Verlusten operiert werden musste, im Geschäftsjahr 1999 wurde mit einem Jahresfehlbetrag von 50,229 Mio. DM abgeschlossen. Beschämend sind auch die Angaben der Geschäftsleitung über den Abbau von Arbeitsplätzen und das scheinheilige Lob der verbliebenen Arbeitskräfte, die sogar am Wochenende unentgeltlich für das Unternehmen arbeiten. Das ist purster Manchesterkapitalismus und menschenfeindlich. Hinter der glänzenden Fassade steckt offensichtlich ein maroder Putz. Für die Lösung der auf die BürgerInnen der Stadt Freiberg zukommenden finanziellen Belastung werden im Augenblick verschiedene Varianten öffentlich angesprochen. Über kostenaufwendige Rechtsgutachten, eigentlich sollte man vor einem Vertragsabschluss über das nachdenken, was man zu tun gedenkt, werden jetzt krampfhaft Lücken im Vertragswerk gesucht. Von der Stadt Freiberg in Auftrag gegebene Rechtsgutachten kommen zu dem Ergebnis, dass die Verträge in den Passagen, in denen es um die Rückkaufrechte geht, "null und nichtig" seien. Darüber hinaus wird gemutmaßt, dass die damaligen Geschäftsführer von SWG und Bauverein AG "Subventionsbetrug" begangen hätten. Warum wird dann z. B. Herr Karl Karner, Ex-Geschäftsführer der SWG, nicht öffentlich zur Rechenschaft gezogen? Schon in der Geschäftsbilanz der Bauverein AG Darmstadt von 2002 ist deren Position deutlich festgeschrieben. In der Bilanzschrift heißt es wörtlich: "Die Gesellschaft hat eine Rücknahmeverpflichtung von 552 Wohnungen zum 31.12.2006 der Objekte der BVD Immobilien GmbH & Co. KG Friedeburg. Im Gegenzug besteht eine Rücknahmeverpflichtung der Städtischen Wohnungsgesellschaft Freiberg (Sa.) (SWG) gegenüber der Bauverein AG. Die Bauverein AG wird das Andienungsrecht vertragsgemäß gegenüber der SWG geltend machen. Seitens der SWG wurde die Vorstellung entwickelt, das Andienungsrecht erst später auszuüben." Eine Möglichkeit, die Kosten des Rückkaufs zu senken, der aufgrund des Andienungsrechts verpflichtend ist, sehen die Freiberger darin, die vereinbarte Generalmiete für alle 930 Wohnungen aus den Jahren 1996 bis 2006 - gut 20 Millionen Euro - zur Tilgung der Verbindlichkeiten heranzuziehen. Auch die Vorstellungen über die Laufzeiten der Rückzahlungen gehen weit auseinander: Während Darmstadt 40 bis 60 Jahre favorisiert, will Freiberg in 10-20 Jahren von den Lasten befreit sein. Weitere Streitpunkte sind der mögliche Abschluss eines Erbbaupachtvertrags, den die Stadt Freiberg favorisiert, während Darmstadt eine gehörige Abstandszahlung auf die umstrittenen Rückkaufverträge beansprucht. Eine Variante mit weitreichenden Konsequenzen wäre die Anmeldung der Insolvenz der SWG. Für den Konkurs-Fall hat Darmstadt aber schon angekündigt, die Stadt Freiberg auf Schadenersatz zu verklagen. Das ist der Stand der Verhandlungen zwischen den beiden Partnerstädten im Sommer. [...] Besonders engagiert gegen die SWG und die Oberbürgermeisterin Dr. Uta Rensch zeigt sich der gelernte Elektromonteur und Vorsitzender von Haus und Grund, einem lokalen Zusammenschluss der Haus- und Grundstückseigentümer, Volker Meutzner. Sein Auftreten legt die Vermutung nahe, dass er über das Interesse eines Stadtrats hinaus weitere Optionen ins Auge gefasst hat. Ein Zerfall der SWG käme in erster Linie dem Personenkreis zugute, der aus der Öffnung des Wohnungsmarktes in Freiberg Profit ziehen könnte. Mit einem Anstieg der Durchschnittsmieten in Freiberg ist bei Auflösung der SWG zu rechnen. Seine zum Teil persönlich geführten Angriffe auf die Oberbürgermeisterin machen deutlich, dass ihm an der tatsächlichen Aufklärung des SWG / Bauverein AG- Dieses Bürgerbegehren zierte am 23. Juli 2003 in einem großformatigen Fünfspalter die Lokalseiten des Darmstädter Echo. Sabine Ebert schrieb dort zum Stand der Dinge: [Freibergs Finanzbürgermeister Arnd] Böttcher gab bekannt, dass die Stadt Freiberg möglicherweise mit fünf bis sieben Millionen Euro an den Zahlungen beteiligt werde. Den Hauptanteil der Summe, sagt Oberbürgermeisterin Rensch, solle die SWG aufbringen. Der fällige Betrag sei von 60 auf 40 Millionen Euro heruntergehandelt worden. Nach Ansicht der Freiberger Verhandlungsseite solle auch die Mietgarantie einbezogen werden: Vertragsgemäß zahlt die SWG Mieten in garantierter Höhe unabhängig vom tatsächlichen Vermietungsstand nach Darmstadt. Bis 2006 werden so laut Böttcher 22 Millionen Euro nach Hessen geflossen sein. Die will Freiberg von der fälligen Rückkaufsumme abgezogen haben. Allerdings, so räumt Rensch ein, habe die Gegenseite eine andere Sicht der Dinge und sei in dieser Frage zu keinem Einlenken bereit. Da fragt man und frau sich doch, wie Frau Oberbürgermeisterin Uta Rensch sich einen Finanzbürgermeister leisten kann, der das Geschäft, das Rensch rechtlich in Zweifel zieht, selbst mit abgeschlossen hat. Kommen wir somit zum Schluß der FreibÄrger-Artikels: Bleibt die Frage, wie viel Geld die BürgerInnen von Freiberg das alles Wert sein wird. Nach wie vor offen ist, welchen Anteil die Stadt Freiberg ihren SteuerzahlerInnen an dem Abschluss des Geschäfts zwischen SWG und Bauverein AG zumuten will. Die Höhe schwankt zwischen 5 und 40 Millionen Euro. Bei solchen Summen ist auch zukünftig nicht an eine bessere Jugendpolitik der Stadt zu denken. Man wird sich an die Personen erinnern müssen, die im "Tollhaus SWG" Millionen aus dem Fenster warfen, aber keinen Cent übrig hatten für Töpferkurse im Pi-Haus, vernünftige Skateranlagen, selbstverwaltete Jugendzentren, solide Unterkünfte für Obdachlose, Hortplätze für Kinder oder gar eine Ampel vor dem Kreiskrankenhaus. Besonders diejenigen, die später für die finanzpolitischen Fehler zahlen müssen, sind doppelt benachteiligt, einmal als heutige Objekte städtischer Sparmaßnahmen und zum anderen als morgige Schuldentilger. Soweit der FreibÄrger in seiner aktuellen Ausgabe. |
Shareholder Value als BauherrenmodellWas bleibt, sind Fragen und der Versuch einiger Antworten. Daß sich der Bauverein bei diesem "intelligenten Geschäft" etwas gedacht hat, ist anzunehmen. In Euro umgerechnet und ohne die genauen Zahlen zu kennen (weil, die sind ja geheim), läßt sich dennoch Folgendes erraten: Der Bauverein hat insgesamt rund 35 Millionen Euro investiert. 22 Millionen bekommt er als Mietzahlungen bis 2006. 10 Millionen kann er komplett steuerlich abschreiben. Von der SWG bekommt er im Normalfall 60 Millionen. Bedeutet unterm Strich in etwa einen Profit von 57 Millionen Euro. Umgerechnet auf zehn Jahre bedeutet dies eine Profitrate von rund 16% pro Jahr. Das entspricht, ganz nebenbei, der Durchschnittserwartung der neoliberalen Profitmaximierung. Als die neoliberale Globalisierung mit Shareholder Value in den 80er und 90er Jahren so richtig durchstartete, lag das anvisierte Ziel bei 15% Rendite. Für den Bauverein bedeutet dies, daß er auf jeden Fall den Gang der Dinge abwarten kann. Nur im Falle einer Pleite der SWG wären finanzielle Verluste zu befürchten; doch blieben dem Bauverein dann immer noch die Mieteinnahmen und der mögliche Verkauf an andere Investoren. Das heißt, weder der Bauverein noch die Stadt Darmstadt hätten ernsthaft etwas zu befürchten - was womöglich einen Teil der Ruhe im Magistrat, bei den Parteien und im Darmstädter Echo erklärt. Da läßt sich sogar ein Kompromiß verkraften, wonach statt 60 Millionen Euro nun nur noch 40 zu erwarten sind, was offensichtlich gerade Stand der Verhandlungen ist. Ob der Bauverein ein weiteres Steuerschlupfscheunentor aufgetan hat und den Verlust von 20 Millionen Euro steuersparend einsparen kann? Uta Rensch jedenfalls will den Vertrag weiterhin anders auslegen und maximal 23 Millionen Euro zahlen. Denn ganz anders liegt der Fall in Freiberg. Hier stellt sich im Jahr 2006 womöglich die Insolvenzfrage. Wenn nicht ein weiteres "intelligentes Geschäft" mit dem Bauverein gefunden werden kann, dann kann die SWG zumachen, die Stadt ihre Notgroschen verpfänden und sich als Wirtschaftsstandort verabschieden. Da fragt sich, ob Vorstand und Aufsichtsrat der SWG 1996 einfach nur dumm waren oder hiermit eine strategische Absicht verfolgt haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß offensichtlich der irreale Gedanke Pate gestanden hat, die sanierten Wohnungen gewinnbringend verkaufen zu können; und zwar an die bisherigen Mieterinnen und Mieter. Mag sein, daß gerade die an die Logik des Kapitalismus und seiner phantasievollen Gewinnversprechungen noch nicht so recht gewöhnten ostdeutschen Vertragspartner das Ei des Kolumbus entdeckt zu haben glaubten. Der Bauverein wußte jedenfalls, was er tat; und er wußte sicher auch, was 2006 passieren würde, falls sich die Wohnungen nicht verkaufen ließen. Auch wenn es vielleicht nur so war, daß sich Mitte der 90er Jahre das Problem stellte, wie Friedeburg saniert werden kann und wer als rettender Investor auftritt, weil schon damals weder die SWG noch Freiberg finanziell hierzu in der Lage waren - der vom FreibÄrger befürchtete GAU würde eintreten: Neoliberale Deregulierung [3]. Die Haus- und Grundbesitzer könnten aufatmen und sich ihren Teil vom Kuchen organisieren. Die Freiberger PDS stellt hierzu fest: Das Ziel der laufenden Verhandlungen muss sein, für die SWG Freiberg, die Stadt Freiberg sowie für unsere Partnerstadt Darmstadt, die am Darmstädter Bauverein beteiligt ist, akzeptable Lösungen zu finden. Für die Stadt Freiberg bedeutet dies, eine jahrelange Verschuldung der Stadt zu verhindern, und andererseits der SWG Freiberg einen ausreichenden Handlungsspielraum zum Wirtschaften zu erhalten. Die Modernisierungsaufwendungen des Darmstädter Bauvereins im Zusammenhang mit dem Altschuldenhilfegesetz sind ebenfalls gebührend zu berücksichtigen. Diese Ziele sind nur erreichbar, wenn die bisherigen, enormen Gewinnerwartungen der Vertragspartner und beteiligter Finanzinstitute gestrichen werden. Schön gesagt. Aber, liebe PDS, wer verzichtet denn freiwillig auf einen solch schönen großen Gewinnkuchen? Der Bauverein und die Stadt Darmstadt ganz sicher nicht. Denn die Stadt Darmstadt benötigt in Zukunft weiteres Tafelsilber, um so sinnvolle Neubauten wie Kongreßhalle, Cybernarium, Böllenfalltorstadion oder Hotelneubauten zu subventionieren. Kein Geld und kein Konzept hat Darmstadt jedoch im sozialen Bereich - der fast schon skandalöse Umgang mit dem Scentral in diesen Tagen belegt dies. [4] Wir könnten ja einmal die beiden GRÜNEN Vorstandsmitglieder Hans- Peter Benz jedenfalls hat am 4. Juli [2003] die Leistung des 1996 für das Freiberger "intelligente Geschäft" mitverantwortlichen und nun scheidenden Bauvereins- Vielleicht hat Freiberg ja jetzt die Lektion gelernt: im Kapitalismus gibt es zwar Partnerschaft, aber vor allem eines: keine Moral. Ich denke, die Freibergerinnen und Freiberger werden sich dem allgemeinen Trend schon anzupassen wissen. |
SchlußJingle Alltag und Geschichte - heute zum geschwisterlichen Verhältnis zwischen Darmstadt und Freiberg, zwischen Bauverein und SWG [6]. Wenn es nicht eine solche Groteske wäre, könnte man oder frau schon fast wieder lachen. Doch wie immer im Kapitalismus werden diejenigen dafür zahlen müssen, die weder am Geschäft noch am Profit beteiligt waren. Ob den Freibergern das Rechtsgutachten helfen wird, ist zu bezweifeln. Der Bauverein kann das Problem aussitzen und das Geld 2006 eintreiben. Und Freiberg wird zahlen, genauer: Freibergs Bürgerinnen und Bürger. Ganz so, wie es der FreibÄrger vorausgesehen hat. Freibergs alternative Zeitung ist im Internet unter www.freibaerger.de zu finden. Dort ist auch der von mir leicht gekürzte Artikel zum Tollhaus SWG nachzulesen. Die heutige Sendung wird zu Ende des heutigen Liveprogramms, also entweder um 23 Uhr oder um Mitternacht wiederholt; dann noch einmal am Dienstag um 8 und um 14 Uhr. Alltag und Geschichte wird ab Mittwoch, den 8. Oktober, mit einer neuen Sendereihe starten. Zur nächtlichen Stunde ab 23 Uhr wird an (fast) jedem Mittwochabend eine Gute-Nacht-Geschichte zu hören sein. Und zwar die Einführung in den Marxismus von Ernest Mandel. Das zugehörige Taschenbuch ist im Neuen ISP Verlag inzwischen in 7. Auflage erschienen. Mehr dazu im Internet unter www.einfuehrung.de.vu. Es folgt nun eine Sendung der Kulturredaktion, und zwar Jazz Scene Spezial. Holger Henning wird eine Platte zweier eher unbekannter Künstler vorstellen: Joachim Kühn und Dieter Arnold. Am Mikrofon für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt war Walter Kuhl. |
ANMERKUNGEN |
[1] Ob der Satz "Inzwischen kann auch die Stadt Freiberg viel in die Partnerschaft einbringen" so gemeint ist, daß Freiberg mit Mietzahlungen und Andienungsrechten Darmstadt über dessen Bauverein subventioniert, also Freiberg freigiebig gibt und Darmstadt partnerschaftlich nimmt, möchte ich bewußt dahin gestellt sein lassen. Aber es scheint so ... |
[2] Siehe hierzu Drucksache 15/3032 des Hessischen Landtags vom 2. November 2001. |
[3] Stellen wir uns das doch einfach so vor: In Freiberg gibt es eine Plattenbausiedlung. Diese ist vielleicht ein wenig heruntergekommen, also sanierungsbedürftig. Freiberg und die SWG haben das Geld hierfür jedoch nicht. Aber die 90er Jahre sind die Jahre der Aktienspekulation, der Luftgeschäfte und des hochgelobten Neuen Marktes. Warum, dachten sich wohl einige Kommunalpolitiker und Möchtegernmanager, warum sollen wir an diesem Boom nicht auch teilhaben? Da schickte es sich, daß der Bauverein auf Einkaufs- und Investitionstour ging. Das Geschäft war schnell abgeschlossen. Die spekulativen Blasen wurden immer größer, denn einer muß ja letztendlich die Zeche zahlen. Soviel historisch- Daher kamen sie auf den genialen Trick: die Mieterinnen und Mieter sollten ihre eigenen modernisierten Wohnungen aufkaufen. Warum sie das tun sollten, bleibt zwar das Geheimnis der Luftikusse, aber die Gewinnaussichten waren für alle Seiten viel zu verlockend, um einmal ernsthaft eine Bestandsanalyse zu machen. Keiner wird auf die Idee gekommen sein, vorher nachzufragen, ob und zu welchen Konditionen die Mieterinnen und Mieter nach Abschluß der Modernisierung gerne kaufen würden. Positiv denken! Also, gar nicht erst über mögliche Folgen nachdenken. Das erinnert mich an die Modernisierungspolitik der realsozialistischen Staaten zu Anfang der 70er Jahre (Polen, Ungarn ...), die sich bei westlichen Banken verschuldeten, um Industriekapazitäten aufzubauen, die Mitte und Ende der 70er Jahre nach der Weltwirtschaftskrise von 1973 bis 1975 nicht mehr benötigt wurden oder nicht mehr konkurrenzfähig waren. Nur - zurückzahlen, das mußten die osteuropäischen Volkswirtschaften dennoch auch. Und als sie die Devisen nicht mehr erwirtschaften konnten, kam 1989 sehr schnell das Ende. Daraus gelernt haben die Freiberger 1996 sicher nichts. Wie gesagt, das Geschäft war einfach zu verlockend. Denn wenn alles richtig laufen würde, wäre Friedeburg saniert, der Bauverein um etliche Millionen reicher, Freiberg und die SWG von diesen Problemen entlastet und nicht gleichzeitig finanziell belastet. Ob hier von Subventionsbetrug gesprochen werden kann? Wer weiß, ob der Rahmen der Legalität nicht etwas überstrapaziert worden ist? Genausowenig erfahren wir, ob und welche Provisionen, Schmiergelder oder ähnliche Tantiemen geflossen sind. Das ist grundsätzlich nicht auszuschließen, weil branchenüblich, aber letzten Endes auch nicht so wesentlich. Gehen wir daher bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, daß keiner der Beteiligten einen persönlichen Vorteil daraus gezogen hat. Es reicht, daß ein paar Schlaumeier zu dämlich waren, die Folgekosten ihrer Luftschlösser mitzubedenken. Einer dieser Schlaumeier ist pikanterweise heute Finanzbürgermeister von Freiberg. Allerdings sind derartige Luftschlösser bestens dafür geeignet, den neoliberalen Wahnsinn voranzutreiben. Insofern mag es zwar keine Strategie gegeben haben, den Freiberger Wohnungsmarkt im Sinne von Haus & Grund neu zu ordnen. Aber faktisch könnte dies die logische Konsequenz aus dem Deal von 1996 gewesen sein. Ich würde zu gerne die Aktennotizen und Schriftstücke der Vertragsparteien zu Gesicht bekommen, in denen nachzulesen ist, wie sie sich gegenseitig ihre damaligen Luftschlösser verkauft haben. Leider gibt es in Deutschland kein entsprechendes Akteneinsichtsrecht. Ob eine/r der damals Beteiligten oder heute damit Befaßten mir da nicht durch eine kleine Indiskretion weiterhelfen könnte? |
[4] Der Bund der Steuerzahler veröffentlichte passenderweise am Tag nach meiner Sendung sein Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung" für das Jahr 2003. Darin führte er auch den Plattenbau- Anzumerken ist jedoch, daß der Bund der Steuerzahler selbst ein Instrument neoliberaler Reformpolitik ist. Die Staatsverschuldung ist das Problem, auch wenn vorgeblich die Verschwendung von Steuergeldern kritisiert wird. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß der Bund der Steuerzahler die allergrößte Verschwendung niemals angeprangert hat: die Bundeswehr mit jährlich rund 25 Milliarden Euro. Die mit der Bundeswehr verbundene Subventionsmaschine für notleidende Konzerne wie etwa DaimlerChrysler, BMW oder Siemens (und noch einige andere) war niemals Thema der Ausführungen über die Verschwendung von Steuergeldern, allenfalls bei allzu exzessiven finanziellen Transfers zugunsten derjenigen, die den Rachen nie voll genug bekommen können. Auch der Bund der Steuerzahler ist sich offensichtlich im Klaren dar¨ber, daß ein imperialistischer Staat mit weltweiten Ressourcenanspr&uuuml;chen und globaler wirtschaftlicher Verflechtung ein Instrument zur notfalls gewaltsamen Durchsetzung seiner Wirtschaftsinteressen bedarf. |
[5] So das Darmstädter Echo am 5. Juli 2003. Am 15. Oktober 2003 schreibt dieselbe Zeitung unter der Überschrift Kein Streit mit Rösch: Oberbürgermeister Peter Benz und Wolfgang Rösch wiesen gestern Gerüchte zurück, zwischen dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Bauvereins und der Stadt drohe ein Rechtsstreit. Anlass sind Berichte, wonach Rösch aus seiner Tätigkeit noch eine hohe Gewinnbeteiligung zustehe; die städtische Tochtergesellschaft Bauverein AG sie ihm jedoch verweigere. Rösch war Ende Juli aus dem Amt geschieden. "Unsinn", sagte er gestern zu dem Thema. "Richtig ist allein, dass es noch einen offenen Punkt gibt" - die gewinnabhängige Vergütung; Teil seiner Bezüge als Bauvereinsdirektor. In Folge der Verschmelzung mit der Hegemag zeichnete sich für 2003 ein höherer Gewinn und somit auch eine höhere Vergütung als in den Vorjahren ab. [...] Die spannende Frage ist, ob Wolfgang Rösch auch am Plattenbau- |
[6] Weitere Anmerkungen zur Sendung und zum Sendemanuskript sollen folgen. |
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