Kapital – Verbrechen

Die Zukunft des Irak

 

 

SENDEMANUSKRIPT

 
Sendung :
Kapital – Verbrechen
Die Zukunft des Irak
 
Redaktion und Moderation :
Walter Kuhl
 
gesendet auf :
Radio Darmstadt
 
Redaktion :
Alltag und Geschichte
 
gesendet am :
Montag, 13. Oktober 2003, 17.00–18.00 Uhr
 
wiederholt am :
Montag, 13. Oktober 2003, 23.10–00.10 Uhr
Dienstag, 14. Oktober 2003, 08.00–09.00 Uhr
Dienstag, 14. Oktober 2003, 14.00–15.00 Uhr
 
 
Besprochene und benutzte Bücher :
  • Tariq Ali : Bush in Babylon, Diederichs Verlag
  • Abdalrachman Munif : Salzstädte, Diederichs Verlag
  • Kai Hafez und Birgit Schäbler (Hg.) : Der Irak, Palmyra Verlag
  • Hans J. Nissen und Peter Heine : Von Mesopotamien zum Irak, Verlag Klaus Wagenbach
 
 
URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/kv/kv_zirak.htm
 
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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 : Sozialabbau im Regen
Kapitel 2 : Einleitung
Kapitel 3 : Das Revival der Virtuellen Zitrone
Kapitel 4 : Vom Kolonialismus zum Neokolonialismus der Neuen Weltordnung
Kapitel 5 : Salzstädte
Kapitel 6 : Wichtige Erkenntnisse und ein ideologisches Problem
Kapitel 7 : Die Vergangenheit der Zukunft
Kapitel 8 : Büchersammlung
Kapitel 9 : Schluß

 

Sozialabbau im Regen

Jingle Radio Darmstadt – RadaR

Die neoliberale Konterrevolution schreitet munter voran. Während Sozialdemokraten und Grüne Hand in Hand den Umbau des Sozialstaats in Berlin im Rahmen ihrer Agenda 2010 vorantreiben, sind die schwarzen Kofferträger vor Ort auch nicht untätig geblieben. Brutalst möglich hat Roland Koch mit Hilfe seiner Sozialministerin Silke Lautenschläger die ökonomische Basis der rot–grünen Klientel angegriffen: Sozialen Projekte und insbesondere Projekten, die Frauen zugute kommen sollen, wurde der Geldhahn zugedreht.

Es wäre jedoch ein völliges Verkennen der Tatsachen, wenn wir davon ausgehen würden, daß es nur ums Geld geht. In einem der reichsten Länder dieser Erde ist das Geld einfach vorhanden, das benötigt würde, allen Menschen nicht nur in diesem Land ein ausreichendes Einkommen ohne Arbeitshetze und Arbeitssuche zu ermöglichen. Nein, Geld ist nicht das Problem. Wer 25 Milliarden Euro im Jahr übrig hat, um sich eine Todesmaschinerie zu leisten, braucht sich keine Gedanken über die Zukunft der Rentenkassen zu machen. Oder vielleicht doch. Profitabel ist nämlich nur das, was Gewinn bringt. Renten zu zahlen, bringt nichts mehr ein; sich eine Bundeswehr zu halten, ist eine Option auf eine weltumfassend profitable Zukunft. Also verabschiedet sich der Staat aus dem Sozialbereich und überläßt seine Bürgerinnen und Bürger sich selbst und der Raubtiergesellschaft. Während dessen konzentriert er sich auf das Kerngeschäft: die Umleitung der Subventionen an die wirklich Bedürftigen, also den armen jammernden sogenannten Mittelstand, die Banken und Großkonzerne.

Gemeinsam ist daher der Agenda 2010 wie der hessischen Landesregierung, daß nur noch das gefördert werden soll, was der Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalismus zugute kommt. Sozialklimbim ist nicht mehr gefragt. Der Markt geht über Leichen. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Denn an der Bundeswehr und den Waffenexporten wird genauso wenig gespart wie an der Unterstützung von Hunger, Folter, Armut und Elend.

Nun sind dies keine neuen Entwicklungen. Doch ein bißchen aufmucksender Widerstand regt sich erst dann, wenn es ans Eingemachte geht, also: wenn es eine oder einen selbst trifft. Und spannend ist dann schon zu sehen, wer sich hier wie positioniert.

Am vergangenen Freitag fand auf dem Friedensplatz eine Kundgebung gegen die Zerschlagung vieler sozialer Projekte durch die Operation Sichere Zukunft der Landesregierung statt. Natürlich hätte es sich angeboten, den Protest gegen die hessische Landesregierung mit einem Protest gegen die Agenda 2010, die Gesundheitsreform oder die Hartz–Gesetze zu verbinden. Doch ein entsprechender Vorschlag eines Mitglieds der darmstädter Arbeitsloseninitiative GALIDA wurde auf einem Vorbereitungstreffen mit breiter Mehrheit abgelehnt.

Was im Umkehrschluß bedeutet, daß es offensichtlich gewollt war, verschiedene Betroffene vereinzelt voneinander protestieren und dann im Regen stehen zu lassen.

Interessant ist hierbei nun, wer als Rednerinnen und Redner vorgesehen waren: Daniela Wagner, Jochen Partsch, Michael Siebel und andere. Also Parteimitglieder und Funktionsträgerinnen derselben rot–grüne Koalition, die aus Berlin ihr Sozialabbauprogramm betreibt. Leider bin ich nicht zynisch genug zu sagen: wer sich vor den Karren von Rot–Grün spannen läßt, hat es nicht besser verdient, als von der Koch'schen Sparorgie getroffen und abserviert zu werden.

Ich wette, daß weder Jochen Partsch, noch Daniela Wagner, und auch nicht Michael Siebel am kommenden Samstag zu der Protestkundgebung des Darmstädter Internationalen Mai–Bündnisses und anderer Gruppen kommen werden. Es wäre ja auch zuviel verlangt, über den Tellerrand der eigenen Klientel herauszuschauen und sich gegen einen Sozialabbau zu engagieren, der den Großteil der Bevölkerung betrifft. Der SPD–Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Franz Müntefering, hat dies vor wenigen Tagen so gesagt: Sozialpolitik sei zwar wichtig, aber nicht spielentscheidend [1]. Da hat er einfach Recht.

Die von mir schon angesprochene Protestkundgebung gegen den Sozialabbau von Schröder und Koch findet am kommenden Samstag um 11 Uhr auf dem Friedensplatz in Darmstadt statt. Ehrlich gesagt, Koch und Schröder (und auch Schröders Darmstädter Vasall Walter Hoffmann) werden ganz gewiß nachhaltig beeindruckt sein. Die Kundgebung soll aber auch mobilisieren für eine bundesweite Demonstration am 1. November [2003] in Berlin.

 

Einleitung

Jingle Alltag und Geschichte

Thema meiner heutigen Sendung ist jedoch nicht das sich ergänzende Streichkonzert aus Berlin und Wiesbaden zugunsten unserer kapitalistischen Jammerlappen, sondern die Zukunft des Irak. Mitgebracht von der Buchmesse habe ich einige interessante Bücher zum Thema, die ich heute vorstellen möchte. Am Mikrofon für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt begrüßt euch Walter Kuhl.

 

Das Revival der Virtuellen Zitrone

Am 30. September [2003] veröffentlichte das Darmstädter Echo auf seiner Titelseite ein Foto der Nachrichtenagentur dpa mit folgendem Untertitel:

Aus Müll ist dieses Haus gebaut, das in der irakischen Hauptstadt Bagdad steht. Obwohl Irak ein reiches Land sein könnte, lebten unter der Herrschaft Saddam Husseins Abertausende seiner Bürger in Armut. Bevor sich das ändern kann, muss erst die marode Ölindustrie saniert werden.

Vor einigen Jahren habe ich hier auf Radio Darmstadt in meinen Sendungen die Virtuelle Zitrone für journalistische Glanzleistungen im geistigen Niemandsland verliehen. Dieses Bild mitsamt Text wäre ein würdiger Kandidat gewesen. In der Tat könnte der Irak ein reiches Land sein. Und in der Tat hatte der Irak in den 70er Jahren und zumindest in der ersten Hälfte der 80er Jahre ein für die arabische Welt vorbildliches Gesundheits- und Sozialsystem. Herrscher des Irak war auch schon damals ein gewisser Saddam Hussein. Im Auftrag des Westens führte er dann in den 80er Jahren einen mörderischen Krieg gegen den Iran und verschuldete sein Land. Schon damals und erst recht während des kurzen Golfkrieges 1991 wurden die irakischen Ölanlagen systematisch zerstört. Marode sind sie erst danach geworden. Das von den USA knallhart durchgesetzte Wirtschaftsembargo gegen die irakische Zivilbevölkerung führte auch dazu, daß Ölanlagen weder gewartet noch repariert werden konnten. Das Darmstädter Echo vergaß also, die Täter zu nennen.

Die Armut mit den aus Müll gebauten Häusern ist hauptsächlich ein Phänomen der Zeit zwischen den beiden US–geführten Golfkriegen gewesen. Saddam Hussein hätte daran, selbst wenn er es gewollt hätte, wenig ändern können. Hans-Christof von Sponeck, von 1998 bis 2000 UN–Koordinator für das Öl–für–Lebensmittel–Programm im Irak bilanziert nüchtern:

Es wurde oft eingewandt, dass Saddam Hussein seinem Volk Gelder vorenthalten und sie für Luxusgüter und Paläste ausgegeben habe. Wenn man sich aber genau ansieht, was in den Jahren 2001/02 durch das gesamte geschmuggelte Öl eingenommen wurde, so überstieg der Gesamtbetrag nie drei Milliarden US-Dollar pro Jahr. Legt man diese Summe auf die 22 Millionen Menschen zählende Bevölkerung um, so kommt man auf einen Pro–Kopf–Wert von 130 US-Dollar. Es ist sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Irak aufgrund der Sanktionsbestimmungen aus seinen über die Vereinten Nationen abgewickelten Ölgeschäften [also oil for food] nicht einen Dollar in die Hand bekam, um die laufenden Verwaltungskosten zu decken. Der Irak musste also irgendwoher das Geld bekommen, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten, um die Beamten zu bezahlen und die Krankenhäuser in halbwegs gutem Zustand zu erhalten. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil des Geldes benötigt wurde, um die laufenden Kosten des Landes zu decken. Dabei wurden sicherlich auch Gelder für das Militär abgezweigt, für Paläste und für unnötige Ausgaben wie Luxusgüter. Der grundsätzliche Fehler liegt jedoch im Sanktionsansatz. [2]

Und das war ja auch Absicht so. Und folgerichtig dürfen jetzt die Täter die von ihnen marodierte Ölindustrie wieder aufbauen. Ein lukratives Geschäft. Erst ein Bombenbeschaffungsprogramm, und dann ein Erdöl-Investitionsprogramm. Und ich dachte immer, im Neoliberalismus seien Subventionen strengstens verboten.

Tariq Ali hat in seinem neuen Buch Bush in Babylon diese Re–Kolonialisierung des Irak beschrieben. Es ist ein polemisches Buch, es ist ein wütendes Buch. Es bringt die Wut all derer zum Ausdruck, die wieder einmal zum Spielball imperialistischer Mächte gemacht wurden. Denn weder Demokratie noch Freiheit war das Banner, unter dem US–amerikanische und britische Soldaten ins Land eingefallen sind. Das Banner dieser Eroberungssoldaten war schwarz. Schwarz wie das Öl, um dessen Kontrolle es geht.

Verbleiben wir daher noch ein wenig beim Darmstädter Echo vom 30. September [2003]. Das Titelfoto stimmt ein auf eine ganzseitige Reportage über die Bedingungen, mit denen die Besatzer zu kämpfen haben. Der Verschleiß ist enorm, heißt es dort, und die Moral der US-amerikanischen Besatzungsarmee leide unter diesen Bedingungen. Die Armen - kann ich da nur sagen. Es hatte sie niemand und keine eingeladen. Denn auch wenn Fernsehen und Zeitungen uns erzählen wollen, daß die Anhänger Saddam Husseins hinter all den Anschlägen auf die Kolonialmacht stünden; die Wahrheit ist schlicht und einfach: US-Amerikaner und Briten sind im Irak unerwünscht.

 

Vom Kolonialismus zum Neokolonialismus der Neuen Weltordnung

Die Irakerinnen und Iraker haben nicht vergessen, wer für die Massaker 1991 verantwortlich ist. Sie haben nicht vergessen, daß die US–Truppen sich ergebende irakische Soldaten massenhaft getötet oder unter Sand begraben haben. Sie haben nicht vergessen, daß Bush senior die schiitischen und kurdischen Gegner des Regimes von Saddam Hussein aufgefordert hatte, sich zu erheben, und dann lächelnd zugeschaut hat, wie Saddam Husseins Truppen die Aufständischen niedergemetzelt haben. Und sie haben das Embargo und seine Auswirkungen nicht vergessen; und schon gar nicht den Ausspruch der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright, daß eine halbe Million toter Kinder dies alles wert sei.

Und was die Briten betrifft: vergessen ist auch nicht, daß die Briten 1917 in den Irak einfielen, einen Emir aus der arabischen Halbinsel als König inthronisierten und ansonsten das Land politisch, militärisch und wirtschaftlich beherrschten. Zwar ist der Irak seit 1932 offiziell unabhängig, aber der Übergang vom Kolonialismus zum Neokolonialismus war fließend. Erst der Putsch irakischer Generäle 1958 machte den Weg frei zur Kontrolle der irakischen Ressourcen durch die einheimische herrschende Klasse.

Tariq Alis Buch Bush in Babylon ist jedoch mehr als nur eine wütende Polemik. Es ist gleichzeitig eine genaue historische Untersuchung, warum es zur Rekolonialisierung des Irak kommen konnte, und ein Plädoyer für einen Emanzipationsprozeß, der von den unterdrückten Klassen selbst ausgehen muß. Er schreibt:

Dieses Buch verknüpft die irakische und arabische Geschichte mit der Weltpolitik. Ohne die Vergangenheit zu kennen, kann man nicht verstehen, was heute geschieht. Die Geschichte wird hier aufgezeigt als Warnung an den Besatzer und den Widerstand Leistenden gleichermaßen. Der Besatzer kann daraus lernen, dass der Irak eine lange Tradition des Kampfes gegen eine Kolonialmacht hat. Der Widerstand Leistende wird, so hoffe ich, die Fehler zukünftig vermeiden und die Tragödien nicht wiederholen, die die Besetzung erst möglich gemacht haben. Ich gehöre nicht zu jenen, die glauben, jede einzelne Katastrophe in der arabischen Welt sei Folge einer Einmischung des Westens. Oft hat der Westen arabische Schwächen ausgenutzt, um seine Siege einzufahren. Die Wunden, die die arabische Welt sich selbst zugefügt hat, werden in diesem Buch ausführlich diskutiert, weil es ohne Verständnis ihrer Hintergründe schwierig sein wird, weiter in die Zukunft voranzuschreiten. [3]

Tariq Ali schreibt über Schakale. Er zitiert hierbei den irakischen Dichter Saadi Youssef, der 1979 emigrierte, weil er unter der Herrschaft Saddam Husseins keine schlechten Gedichte schreiben wollte. Die Schakale, von denen Youssef berichtet, sind die Kollaborateure der Kolonialmächte, die auch heute wieder darum betteln, an der Beherrschung ihrer Landsleute teilnehmen zu dürfen. Tariq Ali ist eben auch Lyriker, und deshalb sind seine Bücher neben dem darin erzählten Inhalt auch vom literarischen Standpunkt ein Genuß, vielleicht manchmal zu lyrisch. Aber immer politisch, parteiisch, engagiert und kompromißlos in der Sache.

Tariq Ali steigt in die Kolonialgeschichte des Irak mit dem Ende des Osmanischen Reiches ein. Er macht vor unser aller Augen die Art und Weise transparent, wie die Briten sich das Land genommen und eine von ihnen abhängige Clique installiert haben. Er beschreibt die Aufstände der irakischen Bevölkerung und die Gründe ihres Scheiterns. Er analysiert die Geschichte der Irakischen Kommunistischen Partei, die in den 50er, 60er und 70er Jahren eine ernst zu nehmende politische Kraft waren – er benennt ihre Heldentaten und ihre grotesken Fehler.

Und er zeichnet den unaufhaltsamen Aufstieg des Saddam Hussein nach und seine Bedeutung für die imperialistische Beherrschung der Region und seines Öls. Saddam Husseins Fehler war nicht seine Grausamkeit oder die Verletzung von Menschenrechten, sondern der Wahnwitz, sich das zu erlauben, was seine Herren in Washington und London tagtäglich betreiben. Nicht zuletzt kommen auch die zu Wort, welche dem Irak die Zivilisation nahebringen wollen:

Die Iraker sind ein krankes Volk und wir sind ihre Chemotherapie. Allmählich hasse ich dieses Land. Kann es gar nicht erwarten, bis ich so einen verdammten Iraker in die Finger kriege. Ich werde mir nicht lange die Hände mit ihm schmutzig machen, sondern ihn einfach umlegen. [4]

Dieser auf der Titelseite der Sunday Times wiedergegebene Ausspruch eines britischen Offiziers kann als Leitmotiv verstanden werden. Kein Wunder, daß der Widerstand gegen die Besatzungsmächte weitergeht. Tariq Ali versteht genau, warum das nicht anders sein kann. Sein im September bei Diederichs im Heinrich Hugendubel Verlag erschienenes Buch Bush in Babylon ist mehr als eine Polemik. Es ist eine Streitschrift gegen den Kolonialismus der derzeit einzigen Weltmacht. Daß hierbei die imperialistischen Ambitionen des alten Europa zu kurz kommen, mag man und frau als Mangel begreifen. Spannend zu lesen ist es dennoch. Es kostet 19 Euro 95.

 

Salzstädte

Von ganz anderem Kaliber, allein schon was die Seitenzahl angeht, ist der ebenfalls bei Diederichs erschienene Roman des arabischen Schriftstellers Abdalrachman Munif – Salzstädte. Abdalrachman Munif, 1933 in Jordanien geboren, hat mit Salzstädte ein fünfbändiges Werk vorgelegt, das die britische und dann US–amerikanische Annektion der arabischen Ölfelder beschreibt. Das saudische Regime entzog ihm aufgrund dieses Romans die Staatsbürgerschaft, weil es zu Recht annahm, daß die schonungslose Darstellung der Kollaboration arabischer Würdenträger mit den neuen Herren das Königshaus selbst meinte.

Aber es ist erst einmal nur ein Roman. Was heißt – nur ein Roman? Es ist einer von den Romanen, die man und frau ungern weglegt, weil die Geschichte in einem Fluß erzählt wird, aus dem man und frau nicht wieder auftauchen will. Tariq Ali schreibt hierzu in seinem Buch Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung:

[Der Roman] schildert die Verwandlung Ostarabiens vom Stammland der Beduinen in einen hybriden Ölstaat. Es fehlt zwar bislang ein angemessenes und umfassendes Geschichtswerk über die Halbinsel, aber Munifs inspirierende[r Roman] klärt immerhin ein wenig auf, ohne in Nihilismus zu verfallen. Die scharfsichtigen psychologischen Analysen in seinen Romanen erklären, warum er in der arabischen Welt so beliebt ist […]. [5]

Abdalrachman Munifs Roman Salzstädte beginnt langsam in einer kleinen Oase. Das Leben plätschert so vor sich hin; und auch die drei Gestalten, die im Laufe der Zeit eintrudeln, beunruhigen erst einmal nicht. Sie sind auf der Suche nach Wasser, und – was noch keine und niemand ahnt – auf der Suche nach Öl. Die drei US–amerikanischen Ölprospektoren verhalten sich jedoch immer merkwürdiger, so daß sich Argwohn einschleicht. Aber der Emir beruhigt die aufgebrachten Oasenbewohner; und auch die Amerikaner wissen, wen sie kaufen müssen. Und ehe die Wüstenbewohnerinnen und –bewohner ahnen können, worum es wirklich geht, wird ihre Oase den Bohrtürmen geopfert. Sie selbst werden entweder vertrieben oder als Lohnsklaven eingestellt. Doch dann sind wir schon mitten in der Geschichte, die unversehens ans Meer wechselt. Immer wieder neue Figuren werden eingeführt, um den Verlauf der Jahre zu schildern, in denen ein kleines Fischernest zum Ölhafen der gerade okkupierten Oase umgebaut wird. Dies bleibt alles nicht ohne Folgen für das Leben und die sozialen Strukturen.

Und immer sticht die Diskrepanz ins Auge, daß die arabischen Lohnsklaven für ihre US-amerikanischen Herren Häuser und Städte erbauen, die sie selbst nicht betreten dürfen. Verbitterung macht sich breit. Und eines Tages …

Auch wenn der Roman nicht im Irak, sondern im benachbarten Saudi–Arabien spielt, und nicht heute, sondern vor 50, 60, 70 Jahren – er öffnet die Augen dafür, warum in der arabischen Welt US–Amerikaner und Briten so unbeliebt sind. Sicher, es ist auch dumpfes Ressentiment dabei, wenn sich seine Figuren äußern. Auch vermißt man und frau, ja, daß es überhaupt Frauen gibt. Sie sind und bleiben meist zufällig erwähnte Nebenfiguren, fast ohne Eigenleben. Mag sein, daß Abdalrachman Munif exakt die Stellung der Frauen in der arabischen Welt wiedergeben will. Aber es fehlt jede Andeutung einer kritischen Positionierung hierzu. Es ist so. Nicht der Rede wert. Die einzigen Frauen, die bedeutungsvoll geschildert werden, sind nicht zufällig GoGoGirls, die leicht bekleidet von einem US–Dampfer aus für Aufruhr sorgen. Eine Provokation für die prüden Männer und ihren Begriff männlicher Ehre. Auch hierzu kein kritisches Wort. Als könne ein Romanautor nicht ganz nebenher einfließen lassen, was er von Rückständigkeit und Ressentiment hält. "Die Amerikaner sind die Wurzel des Übels", sagt er. [6]

Vielleicht sind sie [die Amerikaner] auch nur die Katalysatoren für einen Prozeß, der deutlich macht, wie sich alte und neue Machteliten herausbilden. Dies zu entwickeln, ist dem Autor auf jeden Fall gelungen. Seine handelnden Figuren sind glaubwürdig, lebendig, ja, bieten sich geradezu zur Identifikation an; man und frau ist also selbst mittendrin in der Geschichte und will erfahren, wie es weiter geht. Daher ist Salzstädte ein Roman, den es zu lesen lohnt. Er ist bei Diederichs im Heinrich Hugendubel Verlag erschienen und kostet 24 Euro 95.

 

Wichtige Erkenntnisse und ein ideologisches Problem

Der Irak – Land zwischen Krieg und Frieden heißt ein von Kai Hafez und Birgit Schäbler herausgegebener Sammelband aus dem Heidelberger Palmyra–Verlag. Beide lehren an der Universität Erfurt. Während Tariq Ali mit Bush in Babylon eine geschlossene Darstellung der irakischen Kolonial- und Nachkolonialzeit vorgelegt hat, gehen die Herausgeberin und die ansonsten männlichen Autoren in ihren Beiträgen mehr ins Detail.

Nicht zu verkennen ist hierbei eine politische Position, die sich bewußt abgrenzt von der US-amerikanischen Kriegsführung und Besatzung, und die statt dessen auf ein europäisches Engagement im Rahmen der Vereinten Nationen setzt. Dies ist kein Wunder, ist doch der Herausgeber Kai Hafez wissenschaftlicher Berater der Bundesregierung und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE. Daher fehlt dem Sammelband eine kritische Distanz zu dieser europäischen Politik; und dies ist zuweilen ein Mangel in der Darstellung. Der Wirtschaftsexperte Aziz Alkazaz äußert daher auch im Gespräch mit Kai Hafez:

Europas Motivlage ist eindeutig. Es besteht eine Interessendivergenz zwischen Europa und den USA. Die Frage ist jedoch, ob Europa diesen Konflikt austragen kann und will. […] Die Besetzung des Irak bedeutet auch für Europa eine bittere Niederlage. Die Europäer, wie auch die aufstrebenden Ökonomien Asiens, bedürfen zum Schutz ihrer ökonomischen Interessen des Wiederaufbaus und der Reform der Vereinten Nationen. Es gibt keine Alternative zu einer gerechten Weltordnung. [7]

Da ist Tariq Ali doch viel nüchterner, wenn er schreibt:

Die Welt hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten so sehr verändert, dass die Vereinten Nationen zu einem Anachronismus geworden sind, einem ständigen Feigenblatt für neue imperiale Abenteuer. [8]

Und deshalb hält er daran fest,

dass ein von der UNO unterstützter Krieg ebenso unmoralisch und ungerecht gewesen wäre wie einer, der vom Pentagon eingefädelt wurde, weil es der gleiche Krieg gewesen wäre. Ebenso wenig wird sich das Wesen der angloamerikanischen Besetzung ändern, nur weil der Sicherheitsrat ihr seine Billigung gegeben hat. [9]

Und deshalb ist die Frage schon spannend, warum eine gegen die US–Regierung gerichtete Position – nicht nur der Bundesregierung, sondern auch der Friedensbewegung – ausgerechnet auf die UNO setzt. Die UNO ist das Werkzeug der verbliebenen imperialistischen Mächte, mehr nicht. Und vielleicht gerade deshalb nützlich, um der militärisch schwächeren europäischen Position so etwas wie Glaubwürdigkeit und Legitimation zu geben. Mehr nicht.

Dennoch ist der Sammelband Der Irak kein grundsätzliches Plädoyer für einen europäischen Imperialismus, auch nicht für einen, der sich mit humanitärer Intervention und Menschenrechten tarnt. Als Übersichtsband ist er durchaus geeignet. Neben dem Versuch einer Bilanz des Irakkrieges Anfang des Jahres wird der neue Kolonialismus, der natürlich bei den USA (und Großbritannien) gesucht wird, herausgearbeitet. Auch wird der Frage nachgegangen, welche Massenvernichtungswaffen Saddam Hussein einmal gehabt hat und warum keine mehr gefunden werden.

Dann ist natürlich die irakische Opposition zu nennen, deren Interessen und Nichtverankerung innerhalb des Irak selbst. Die Geschichte des kurdischen Kampfes für Selbstbestimmung und Autonomie gehört auch dazu; hierbei wird deutlich, daß dieser Befreiungskampf nicht Demokratie und Freiheit bedeutet, sondern den Austausch irakischer Herrscher gegen kurdische Herrscher.

Ein kurzer, aber informativer Einblick in das Funktionieren von Saddam Husseins Repressionsapparat beschließt den Band. Interessant ist auch, wie sich Saddam Hussein die Reste vorhandener Stammesstrukturen zunutze gemacht hat, um seine Herrschaft abzusichern. Ob diese Strukturen in den neokolonialen Irak übernommen werden, muß sich zeigen. Sicher scheint hingegen, daß die schiitische Bevölkerungsmehrheit nicht auf dem Weg in einen islamischen Fundamentalismus ist.

Der Irak, herausgegeben von Kai Hafez und Birgit Schäbler, ist im Palmyra Verlag erschienen und kostet 19 Euro 90.

 

Die Vergangenheit der Zukunft

Der US–amerikanische Eroberungszug in den Irak war begleitet von einer Plünder– und Zerstörungstour durch antike Stätten und Museen. Es ist albern, den Besatzern vorzuwerfen, sie hätten den Schutz dieses Weltkulturerbes nicht eingeplant. Nein, es war durchaus in ihrem Interesse. Ein Land ohne Vergangenheit, ohne Erbe, auf das es sich besinnen kann, ist ein Land, dem jede Kultur und Zivilisation abgesprochen wird.

Deshalb haben der Archäologe Hans J. Nissen und der Islamwissenschaftler Peter Heine eine Kleine Geschichte eines alten Landes vorgelegt. Ihr Buch heißt Von Mesopotamien zum Irak und es ist pünktlich zur Buchmesse im Verlag Klaus Wagenbach erschienen. Es ist das erste Buch, das mir begegnet ist, das mir erklärt, wie aus den Anfängen der Neolithischen Revolution vor über 10.000 Jahren die ersten Stadtstaaten und die orientalischen Reiche der Akkader, Assyrer und Babylonier entstanden sind.

Die sogenannte Neolithischen Revolution begann vor etwa 14.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit. Es fand hierbei ein jahrhundertelanger Übergang von Jäger– und Sammlerinnen–Gemeinschaften zu Ackerbau und Viehzucht statt. Es war sicher kein gradliniger Prozeß; und er fand zunächst nur auf einem kleinen Siedlungsstück statt, nämlich an den Gebirgsrändern des Zweistromlandes zwischen Mittelmeer und Arabischem Golf. Während zuvor die Abstände zwischen benachbarten Gruppen groß genug waren, daß sie sich nicht ins Gehege kommen konnten, führte die planmäßige Nahrungsbeschaffung zu einem Bevölkerungswachstum und längerfristig auch zum Anwachsen größerer Siedlungen seßhafter Menschen. Schon im 7. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung kam das Bedürfnis auf, Eigentum kenntlich zu machen, und zwar in Form von tönernen Zählmarken, Gefäßverschlüssen und Stempelsiegeln. Nahrungsmittel, die angehäuft werden konnten, führten langfristig notwendig zum Ausbruch aus relativ egalitären Strukturen. Reichtum und Macht waren geboren.

Auf Grund der klimatischen Gegebenheiten und des vorhandenen Bodens war in Nordmesopotamien der Regenfeldbau vorherrschend, im Süden hingegen war planvolle Bewässerung erforderlich. Daraus ergaben sich Siedlungsstrukturen, aus denen kleinere Städte mit von ihnen abhängigen Dörfern und Weilern entstanden. Solange der Siedlungsabstand zwischen diesen entstehenden Stadtstaaten groß genug war, waren Konflikte zwischen den Städten wahrscheinlich gering. Doch immer größere Bevölkerungszahlen erforderten mehr bewässertes Land – und damit waren Nachbarschaftskonflikte unvermeidlich. Diese Entwicklung läßt sich anhand ausgegrabener Siedlungsstrukturen nachvollziehen; der Übergang von rivalisierenden Stadtstaaten zu kleineren Reichen war also folgerichtig. Zunächst mögen es nur periodische Raubzüge gewesen sein, die nicht der territorialen Expansion gedient haben. Doch nach mehreren hundert Jahren fand dieser Übergang zur Reichsbildung statt: das Reich Sargons von Akkad im 24. Jahrhundert zwischen Mittelmeer und Arabischem Golf.

Diese Dynamik brachte die neben Ägypten erste Hochkultur hervor. Arbeitsteilung, Macht und Herrschaft; Eroberung und Reichtum – all dies beförderte auch die Zur–Schau–Stellung dieser Macht, also das Kunsthandwerk mit Repräsentationsbauten und ziselierten Gold- und Silberarbeiten. Es scheint so, als hätte die kulturelle Wiege der Menschheit im Zweistromland gelegen. Eine Wiege, welche die tölpelhaften Eroberer des Jahres 2003 einfach umgeschmissen und ausgeraubt haben. Denn was zählt für sie schon die Vergangenheit, wenn imperialer Ruhm in der Zukunft lockt?

Hans J. Nissen und Peter Heine verfolgen die mesopotamische Geschichte von den Anfängen über Babylonier und Assyrer hin zu Persern und Griechen. Im Zeitraffer werden wir durch die Veränderungen im arabischen Kalifat von Bagdad hin zum Osmanischen Reich geschleust, bis wir endlich zur modernen Geschichte des Irak gelangen. Die würde ich allerdings lieber ausführlich im Buch von Tariq Ali nachlesen.

Das Buch Von Mesopotamien zum Irak ist im Verlag Klaus Wagenbach erschienen und kostet 11 Euro 90.

Nach dem jetzt folgenden Musiktitel werde ich alle in dieser Sendung vorgestellten Bücher noch einmal zum Mitschreiben benennen.

 

Büchersammlung

Die in dieser Sendung zum Verständnis des Irak und seiner Geschichte, zu Kolonialismus und Neokolonialismus herangezogenen Bücher waren:

Zum einen Tariq Alis wütende und gleichzeitig fundierte Polemik Bush in Babylon über die Re–Kolonialisierung des Irak, es endet im Juli diesen Jahres. Sie ist bei Diederichs im Heinrich Hugendubel Verlag erschienen und kostet 19 Euro 95.

Ebenfalls bei Diederichs ist der Roman Salzstädte von Abdalrachman Munif herausgekommen. Geographisch ist es jedoch nicht im Irak, sondern in Saudi-Arabien zu verorten; er spielt zudem Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts. Dennoch ist der Roman als wichtiges Zeitzeugnis zum Verständnis arabischen Antiamerikanismus auch heute noch aktuell. Er ist im September erschienen und kostet 24 Euro 95.

Der von Kai Hafez und Birgit Schäbler herausgegebene Sammelband Der Irak beschreibt ein Land zwischen Krieg und Frieden. Gerade die verschiedenen Facetten der irakischen Geschichte und Wirklichkeit machen es besonders lesenswert, selbst wenn ich manche der dort vertretenen politischen Einschätzungen nicht teilen mag. Der Sammelband mit Redaktionsschluß Ende Mai ist im Palmyra Verlag erschienen und kostet 19 Euro 90.

Eine Kleine Geschichte eines alten Landes erzählen der Archäologe Hans J. Nissen und der Islamwissenschaftler Peter Heine in ihrem bei Wagenbach herausgebrachten Bändchen Von Mesopotamien zum Irak. Für diejenigen, welche die historischen, kulturellen und sozialen Wurzeln des heutigen Irak, beginnend mit der Neolithischen Revolution vor etwa 10.000 Jahren, besser verstehen möchten, ist es eine spannende Reise in die Vergangenheit. Es ist diesen Monat herausgekommen und kostet 11 Euro 90.

Hinweisen möchte ich noch auf das IrakBuch von Brigitte Kiechle, das ich schon an anderer Stelle besprochen habe. Ihre Darstellung der Geschichte und Gegenwart des Irak ist strikt mit dem Maßstab der Freiheit geschrieben und deshalb vielleicht auch das klarste und desillusionierendste Buch zum Thema. Denn wie ernst es oppositionelle Gruppen und Parteien mit Freiheit und Demokratie meinen, läßt sich immer wieder an ihrer Position zur Frauenfrage ermessen. Wer jedoch Frauen nicht gleiche Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten einräumt, dessen Demokratieverständnis wird entsprechend eingeschränkt und machtpolitisch motiviert sein. Dieser Maßstab der Freiheit ist daher ein wichtiges Instrument zur Analyse der Gegenwart und Zukunft eines demokratischen Irak. Der Redaktionsschluß ihres Buchs war zwar noch vor Beginn des US-amerikanischen und britischen Einmarsches in den Irak; die darin vertretenen politischen Schlüsse für die Zeit nach Saddam Hussein sind jedoch auch heute noch gültig. Brigitte Kiechles Irak-Buch ist im Schmetterling Verlag erschienen und kostet 12 Euro 80.

 

Schluß

Jingle Alltag und Geschichte

mit einer Sendung zur Zukunft des Irak. Wenn wir von der arg optimistischen Vorstellung absehen, daß es ja nur im Interesse der Eroberer sein könne, wenn im Irak demokratische Verhältnisse mit einer eigenen Regierung eingeführt würden, dann bleiben nicht viele Möglichkeiten offen:

Der Irak wird US-amerikanisches und britisches Protektorat. Entweder offiziell im Rahmen einer womöglich von der UNO abgesegneten Besatzung oder durch ein Marionettenregime. Oder im Irak streben demokratische Kräfte zur Macht und zwingen die USA abzuziehen (nicht sehr wahrscheinlich). Vielleicht wird das Land auch in verschiedene Regionen aufgeteilt, die gegeneinander ausgespielt werden können – Kurden gegen Araber, Sunniten gegen Schiiten.

Sicher ist nur eines: die USA und Großbritannien werden sich die Verfügungsgewalt über das irakische Öl nicht wieder entreißen lassen. Ob der derzeit noch vorhandene Widerstand der irakischen Bevölkerung anhält, muß sich zeigen. Selbstmordattentate werden jedoch kaum zum Abzug der Besatzungstruppen führen. Und eine organisierte Form des Widerstandes, etwa als Revolution, ist beim politisch zersplitterten und ideologisch verworrenen Zustand der irakischen Oppositionsgruppen in absehbarer Zeit sicher nicht zu erwarten. Hier kann ich den vorsichtigen Optimismus von Tariq Ali nicht teilen. Ich denke eher, daß der Zerfall von Gesellschaftlichkeit auch im Irak seine Spuren hinterlassen wird. Vielleicht hat uns Abdalrachman Munif mit seinem Roman aus der Vergangenheit ein Bild der Zukunft vor Augen geführt.

Soweit für heute zum Irak. Am Mittwochabend um 23 Uhr könnt ihr die zweite Folge unserer neuen Sendereihe Einführung in den Marxismus hören. Wir lesen dann aus dem gleichnamigen Buch von Ernest Mandel das zweite und das dritte Kapitel vor; es geht darin um die wirtschaftlichen Ursachen sozialer Ungleichheit und um den Staat als Instrument der Klassenherrschaft. Mittwochabend 23 Uhr. Weitere Folgen werden wir am Mittwoch, den 22. und 29. Oktober, senden.

Diese Sendung wird heute nacht nach Ende des Liveprogramms wiederholt. Außerdem zu einer etwas zivileren Zeit noch einmal am Dienstagmorgen um 8 Uhr nach dem Radiowecker mit Wafaa Harake und Katharina Mann, und noch einmal am Nachmittag ab 14 Uhr. Fragen, Anregungen und Kritik könnt ihr auf meine Voice–Mailbox bei Radio Darmstadt aufsprechen; die Telefonnummer lautet (06151) 8700–192. Oder ihr schickt mir eine Email an kapitalverbrechen@alltagundgeschichte.de. Es folgt nun eine Sendung der Kulturredaktion von Radio Darmstadt. Am Mikrofon war Walter Kuhl.

 

 

ANMERKUNGEN

 

[1]   Siehe hierzu den Artikel von Sonja Vogel: Partei im Tiefflug (Jungle World Nr. 41 vom 01.10.2003).
[2]   Kai Hafez und Birgit Schäbler (Hg.) : Der Irak, Seite 167–168
[3]   Tariq Ali : Bush in Babylon, Seite 20
[4]   Ryan Dupre, zit. nach: Tariq Ali, Seite 153
[5]   Tariq Ali : Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung, Seite 126. Meine Besprechung dieses Buches findet sich HIER.
[6]   Abdalrachman Munif : Salzstädte, Seite 554
[7]   Hafez /Schäbler, Seite 80–81
[8]   Tariq Ali : Bush in Babylon, Seite 183
[9]   Tariq Ali : Bush in Babylon, Seite 184

 

 

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