Beiträge für den Radiowecker |
von Radio Darmstadt |
Mai 2004 |
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| Ein Almanach mit Fehlern | |
| 02.05.2004 *** Wdh. 04.05.2004 | Nächster Beitrag |
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Zahlen sind trügerisch. Fußballergebnisse erst recht. Denn Nachschlagewerke erschlagen dich nicht nur in einem Wust von Zahlen und Namen, sondern enthalten wohldosiert den einen oder anderen kleinen Fehler. Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte stellt uns im folgenden Beitrag eine solche Zahlensammlung vor. Beitrag Walter Kuhl Am vergangenen Mittwoch lieferte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihr neuestes Meisterstück ab. Das Die Gegner bei der EM haben es jedoch in sich: Holland und Tschechien besitzen keine Gurkentruppen. Doch schon 1980, zwei Jahre nach dem Debakel im argentinischen Cordoba gegen Österreich, standen sich in einer Vorrundengruppe die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande, die Tschechoslowakei und Griechenland gegenüber. Erstaunlicherweise wurden die Deutschen damals nicht nur Gruppensieger, sondern auch Europameister. Das wird sich diesmal jedoch sicher nicht wiederholen! Für Freundinnen und Freunde der Statistik gibt es das passende Buch
zur Europameisterschaft in Portugal. Matthias Kropp hat in seinem
Fußball Offensichtlich wurden beim Abschreiben einige kleine Flüchtigkeitsfehler
eingebaut, manche davon sind geradezu verständlich. Bei der Qualifikation
zur Europameisterschaft 1964 gab es nämlich eine handfeste Sensation.
Luxemburg warf in zwei Spielen auf holländischem Boden die Niederlande
aus dem Rennen; einem Flüchtigkeitsfehler dieser Art finden sich leider auch an anderer Stelle,
doch das sind Ausnahmen. Die Regel ist natürlich, daß die statistischen
Angaben stimmen. Nur manchmal eben nicht. Insbesondere das deutsche
Ausscheiden in der Qualifikation zur Europameisterschaft 1968 muß einiges
Kopfzerbrechen bereitet haben. In der scheinbar leichten Dreiergruppe besiegte
man Albanien Ich kann mich daher des Eindrucks nicht erwehren, daß der Verlag nur
einmal prüfen wollte, ob auch tatsächlich jemand dieses
Nachschlagewerk gründlich liest. Mit der gebotenen Vorsicht ist die
Statistiksammlung von Matthias Kropp jedoch tatsächlich nützlich. Es
heißt Fußball Abmoderation Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Demnächst
nachzulesen im Internet unter www.wkradiowecker.de.vu.
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| Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Thomas Ziaja (Dienstag) | |
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| Bayern München II | |
| 09.05.2004 *** Wdh. 11.05.2004 | Nächster Beitrag |
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Es soll sie ja geben, die Menschen, die weder wissen wollen, wer die Bayern sind, noch, warum man
und frau ihnen die Lederhosen ausziehen soll. Für die anderen stellt Walter
Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte aus gegebenem Anlaß
das passende Fan Beitrag Walter Kuhl Unerträglich ist die Arroganz der Macht. Unerträglich sind auch Uli Hoeneß und seine Bayern. Doch das große Geschrei des Managers des Bundesligavereins ist keine Entgleisung eines durchgeknallten Emporkömmlings. Geschrei gehört zum Geschäft, wie wir ja nicht zuletzt aus der Werbebranche wissen: wer am lautesten schreit, meint, damit auch die größte Aufmerksamkeit zu erhalten. Und wie immer im Kapitalismus kommt es auf die Qualität des Produktes nicht an. So auch beim FC Bayern. Geradezu ein Genuß war es daher zuzuschauen, wie ein Denkmal vom neuen deutschen Fußballmeister Werder Bremen demontiert wurde. Bayern München beherzigt nämlich seit Jahren das Gesetz des
Marktes: Geld kauft Erfolg und deshalb kaufen die Bayern den deutschen
Spielermarkt leer. Denn Konkurrenz darf es nicht geben; doch wie
wir jetzt ausnahmsweise gesehen haben kann Geld den Erfolg nicht
erzwingen. Da freut sich dann der echte Bayern Torsten Geiling und Niclas Müller haben in ihrem vor anderthalb Jahren
bei Eichborn erschienenen
Büchlein zur Unterfütterung die passenden Beispiele
zusammengestellt. Die schönsten Niederlagen, die schönsten
Gegentore, und vor allem die genialste Einwechslung der Welt, geschehen am 26.
Mai 1999 in Barcelona. Der eingewechselte Thorsten Fink ermöglichte
Manchester United den Sieg in der Champions League. Ein Fest für alle
Bayern Wieso wird man Bayern [...] Diese [...] Zahlen beruhen allerdings auf einem Irrtum. Die große Mehrzahl der Menschen, die sich zum FC Bayern bekennen, sind keine Fans, sondern Fernseh und Show In der Mehrzahl der Fälle ist es eine billige, leidenschaftslose und charakterschwache Entscheidung, die Bayern zu seinem Lieblingsklub zu küren. Sie kostet vielleicht ein paar Euro jährlich für die neuesten [...] Trikots, für die Bayern Der Bayern Wenn es einmal schlecht läuft für den FCB, dann mutieren seine Fernsehfans zu kleinen Hoenessen und Kahns. Eine Niederlage empfinden sie als Beleidigung, die sich am Ende rächen wird. Der Bayern Oder er versucht es zumindest. Dazu paßt dann, daß die wenigen wirklich leidenschaftlichen Fans von der Vereinsführung um Kaiser und Hoeneß wie der letzte Dreck behandelt werden. Offensichtlich ist dies Arroganz gepaart mit Selbstverarschung dann auch das Leitbild der Deutschland AG, verkörpert durch einen mit Stoiber verbandelten Klub aus München. Daher: Zieht den Bayern die Lederhosen aus! Den echten und auch ihren Nacheiferern. Das Buch von Torsten Geiling und Niclas Müller ist bei Eichborn erschienen und kostet 7 Euro 95. Abmoderation Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Demnächst
nachzulesen im Internet unter www.wkradiowecker.de.vu.
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| Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Thomas Ziaja (Dienstag) | |
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| Zwangsumsiedlung | |
| 16.05.2004 *** Wdh. 18.05.2004 | Nächster Beitrag |
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Wenn Honoratioren von Weltoffenheit reden, sollten wir hellhörig werden. Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte kann uns hierzu Neues aus Darmstadts sächsischer Schwesterstadt Freiberg erzählen. Beitrag Walter Kuhl Vor zwei Monaten berichtete ich an dieser Stelle über eine Initiative gegen Extremismus in Darmstadts sächsischer Schwesterstadt Freiberg. Diese Initiative wurde von den Honoratiorinnen und Honoratioren aus Stadt und Landkreis gegründet, um rechts und linksextremistische Umtriebe zurückzudrängen. Denn Freiberg ist eine weltoffene Stadt, welche die dringend herbeigesehnten Investoren nicht verschrecken möchte. Das Image ist alles, die konkrete Wirklichkeit zählt nichts. Als wenn es eines Beweises bedurft hätte, worum es tatsächlich geht, haben die ehrenwerten Männer und Frauen der Stadt Ende April das am Freiberger Bahnhof gelegene Asylbewerberheim räumen lassen. Den Beschluß hierzu hatte der Kreistag schon im Januar gefaßt, übrigens auch mit den Stimmen der PDS. Doch erst wenige Tage vor der Zwangsumsiedlung wurden die Menschen über diesen Verwaltungsakt im Heim informiert. Die Betroffenen protestierten, demonstrierten und gingen in einen Hungerstreik. Und wie reagierte die weltoffene Stadt? Na, wie wohl? Die zuständigen Behörden drohten den Betroffenen mit Strafen und zogen ihr Umsiedlungsprogramm eiskalt durch. Persönliche Schicksale oder Erkrankungen wurden erst gar nicht wahrgenommen, denn man sperrte mehrere Personen in einem Zimmer zusammen. Hatte im alten Asylbewerberheim noch jedes Zimmer einen Sanitärtrakt, so steht nach dem Umzug nur noch eine Dusche und eine Toilette pro Etage zur Verfügung. Das reicht ja auch, denn schließlich gilt es auch in der weltoffenen Stadt Freiberg, die von dieser deutschen Rohheit betroffenen Menschen zur Rückkehr dorthin zu bewegen, woher sie aus gutem Grund gekommen sind. Noch schlimmer sind diejenigen dran, die ins 20 Kilometer entfernte Helbigsdorf zwangsumgesiedelt wurden. Denn eine Busfahrt nach Freiberg können sie sich natürlich nicht leisten. So fördert die weltoffene Politik von Darmstadts Schwesterstadt Frustration, Isolation und Aggression ganz bewußt und gezielt. Wenn beim bekannt großen Leerstand von Wohnungen in Freiberg keine und niemand auf die Idee kam, diese Wohnungen zu nutzen, um die Gäste der Stadt unterzubringen, wie dies beispielsweise in Zwickau praktiziert wurde, dann ahnen wir, daß die vielbeschworene Weltoffenheit nicht mehr als ein Marketinggag sein kann. Hingegen dürfen in derselben weltoffenen Stadt Neonazis in aller Öffentlichkeit für sich und ihr rassistisches Volkstum werben. In Freibergs Fußgängerzone konnte sich die NPD Mitte April ungehindert tummeln; nur als der USamerikanische Botschafter vorbeischaute, tauschte man die Neonazis gegen eine Verkaufsbar mit Volkskunst aus dem Erzgebirge aus. Freibergs alternative Zeitung, der FreibÄrger, fragte daraufhin beim Honoratiorenverein, dieser Initiative gegen Extremismus, nach, was dieser gegen derartige rechtsextreme Umtriebe zu tun gedenke. Ihr ahnt es schon nichts. Die Honoratioren waren sich wohl zu fein, diese ja nun wirklich dreiste Anfrage zu antworten. Denn was nicht ruchbar wird, kann auch das Image nicht schädigen. Das Schweigen im Wald ist also besser als das Reden über unhaltbare Zustände, an denen man und frau normalerweise tatkräftig mitwirkt. Denn während ich noch diese Zeilen schreibe, erreicht mich ein weiterer Beweis der Weltoffenheit einer sächsischen Kleinstadt. Das Sozialamt des Landkreises Freiberg kontrolliert seit Anfang letzter Woche verstärkt Sozialhilfeempfängerinnen und empfänger. Wenn die Denunziation nicht ausreicht, dann muß das Sozialamt selbst herumschnüffeln, um sog. "Mißbrauch" von Sozialleistungen festzustellen. Frei nach dem Prinzip der Umkehr der Beweislast muß nicht etwa die Behörde den Mißbrauch nachweisen. Im Gegenteil: alle von der Schnüffelei Betroffenen müssen ihre Wohnungen natürlich ganz freiwillig öffnen und den gläsernen Menschen mimen. Wer nicht freiwillig mitspielt, dem wird die Sozialleistung dann eben gestrichen. Das ist die wahre Freiheit des Kapitals. Denn wo die Mittel knapper werden, sind Bürokratinnen und Politiker noch nie um Schikanen, Unterstellungen und populistische Maßnahmen verlegen gewesen. Wer Neonazis in der Stadt duldet und wo selbige sich aufgehoben fühlen, sind Denunziation und Heuchelei nicht weit. Ist das Freiberg? Nun, auch in Freiberg gibt es aufrechte und politisch denkende Menschen, welche sich diese Zustände nicht gefallen lassen wollen. Vieles von dem, was diese vor allem jungen Menschen bewegt, ist in Freibergs alternativer Zeitung, dem FreibÄrger, nachzulesen. Das Internet bietet die Plattform; vielleicht auch für einen alternativen Gedankenaustausch zwischen der größeren westdeutschen und der kleineren ostdeutschen Schwesterstadt. Den FreibÄrger (ein hintersinniges Wortspiel mit den Bestandteilen Freiberg und Ärger) findet ihr übrigens im Internet unter www.freibaerger.de. Abmoderation Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Demnächst
nachzulesen im Internet unter www.wkradiowecker.de.vu.
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| Beitrag 4 | |
| 23.05.2004 *** Wdh. 25.05.2004 | Nächster Beitrag |
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Vor 150 Jahren wurden 1854 erstmals Pfahlbauten am Zürichsee entdeckt. Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte gibt im folgenden Beitrag einen Einblick in den heutigen Forschungsstand. Beitrag Walter Kuhl Den Pfahlbausiedlungen im Alpenvorland ist weniger ihre Bauweise gemeinsam als vielmehr ihre Lage an feuchten und überfluteten Uferzonen. So spricht die heutige Forschung auch eher von Feuchtbodensiedlungen, denn sie finden sich an Seeufern und in Mooren. Bei den benutzten Pfählen handelt es sich um Fundamentkonstruktionen, die das Einsinken der Häuser in den weichen Untergrund verhinderten eine Technik, die übrigens auch beim Darmstädter Schloß oder in weiten Teilen Amsterdams und Venedigs verwendet wurde. Das hierbei benutzte Eichenholz ist in feuchter Umgebung besonders haltbar. In den vergangenen 150 Jahren hat es mehrere Rekonstruktionsversuche derartiger Pfahlbauten gegeben. Eine der bekanntesten ist das 1922 gegründete Museum Unteruhldingen am Bodensee. Je nach Wissensstand und Weltbild wurden und werden verschiedene Interpretationen der Vergangenheit gezeigt. In Unteruhldingen kann man und frau somit nicht nur eine 6000 Jahre zurück liegende Lebensweise betrachten, sondern sich zugleich mit ideologisch gefärbten Deutungsmustern beschäftigen. Wie in vielen Bereichen der Archäologie hat sich unser Wissen auch hier in den letzten 25 Jahren entscheidend verbessert. Siedlungen dieser Art am Seeufer und in Moorgebieten bestanden mehrere tausend Jahre lang. Dabei handelte es sich um kleinere Weiler, aber auch um richtig gehende Dörfer, die von Palisaden umgeben waren, einem strikt durchgehaltenen Plan folgten und von mehreren hundert Menschen bewohnt wurden. Daraus ergeben sich Fragen im Verhältnis zum Hinterland. Lagen die Siedlungszentren außerhalb der Seengebiete? Wurden diese Siedlungen nur in Phasen hoher Bevölkerungsdichte bewohnt? Interessant ist nämlich, daß diese Siedlungen auch dann, wenn sie nicht überflutet wurden oder abbrannten, nur zehn bis 80 Jahre Bestand hatten. Anschließend entschied man und frau sich wohl weil die verwendeten Bauhölzer ausgingen zu einem kompletten Neubau an anderer Stelle, wobei günstige Siedlungsplätze im Laufe der Zeit gerne wieder verwendet worden sind. Die Menschen lebten von Ackerbau und Viehzucht, sie fischten und handelten. Und es ist nicht einmal so, daß sie richtig seßhaft waren. So verrät ein Keramikfund in einer Schweizer Seeufersiedlung, daß offensichtlich eine Frau aus dem Osten des heutigen Österreich zugezogen ist und eine spezielle Technik der Keramikherstellung mitgebracht haben muß. Neues von den Pfahlbauern so lautet der Schwerpunkt des soeben erschienenen Heftes der Zeitschrift Archäologie in Deutschland. Weitere Artikel stellen einen Grabfund aus Trossingen vor, der eine vollständig erhaltene Leier aus dem 6. Jahrhundert enthielt, sowie Felsmalereien aus Südafrika. In Forchheim ist eine Ausstellung zur Geschichte Frankens zu sehen, in Trient eine weitere zu Machtstrukturen und deren Symbolik zwischen Donau und Norditalien. Und schließlich wird das archäologische Freilichtmuseum im thüringischen Dorf Westgreußen vorgestellt. Das aktuelle Heft 3 der Zeitschrift Archäologie in Deutschland ist im gutsortierten Buch und Zeitschriftenhandel zum Preis von 9 Euro 95 erhältlich oder im Abonnement über den Konrad Theiss Verlag in Stuttgart. Abmoderation Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Demnächst
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| Religion und Mythologie der Germanen | |
| 30.05.2004 *** Wdh. 02.06.2004 | Nächster Beitrag |
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Kann man heute ein Buch über die Religion der Germanen schreiben, ohne auf völkische oder andere ideologische Konzepte zurückzugreifen? Walter Kuhl aus der Redaktion Alltag und Geschichte hat ein solches Buch gelesen und stellt es im folgenden Beitrag vor. Beitrag Walter Kuhl Wer sich mit der Religion und der Mythologie der Germanen beschäftigt, wird zwangsläufig mit ideologischen und politisch motivierten Ansichten oder mythischen Verklärungen konfrontiert. Von Richard Wagner über die Nationalsozialisten bis zu heutigen Neuheiden und esoterischen Strömungen reicht das weite Feld der Instrumentalisierung und Propagierung germanentümelnden Unsinns. Dennoch ist die wissenschaftliche und kritische Auseinandersetzung mit den Germanen und ihrer Götterwelt keineswegs unmöglich, wie das im Theiss Verlag erschienene Buch von Rudolf Simek über die Religion und Mythologie der Germanen beweist.
Und doch lebten in Nord und Westeuropa schon vor Tausenden von Jahren Menschen, deren Spuren wir beispielsweise in Megalithgräbern wiederfinden und die wir archäologisch und religionsgeschichtlich deuten können, zumindest in Ansätzen. Wenn wir weiter davon ausgehen, daß wir kaum über zuverlässige Quellen aus der frühgermanischen Zeit verfügen, dann scheint es durchaus sinnvoll, diesen Zeitraum und die dort entwickelten religiösen und mythologischen Vorstellungen von zwei Seiten einzugrenzen. Denn nachweisen läßt sich durchaus eine gewisse Kontinuität religiös besetzter Orte oder Praktiken, etwa von Begräbnissitten. Die zweite Eingrenzung nimmt Rudolf Simek mit der Zeit der Wikinger vor.
Zwar ist auch hier die Quellenlage nicht unproblematisch, da die Aufzeichnungen
nach der Christianisierung Skandinaviens lückenhaft oder fehlerhaft sein
können. Aber wir haben, etwa mit der Edda Der Autor belegt gut nachvollziehbar die Entwicklungen innerhalb der germanischen Mythologie und Religion. Er zeigt die Unterschiede der Vorstellungen zur Römerzeit zu denen der Wikinger auf und macht damit deutlich, daß wir überhaupt nicht von der germanischen Religion sprechen können. Angesichts dessen, daß innerhalb der germanischen Vorstellung mehrere Grabbräuche zulässig waren, also Ganzkörper und Brandbestattungen, Hügelgräber oder Schiffssetzungen, stellt sich schon die Frage, ob wir zumindest vor einer späten Systematisierung der Götterwelt nicht von mehreren parallel existierenden Religionen sprechen müssen, zumal in einem solch weitläufigen Gebiet. Rudolf Simek führt uns ausführlich in die germanische Götterwelt ein auch hier in kritischer Reflektion der archäologischen und literarischen Quellenlage. So erfahren wir, daß die niedlichen Elfen eine literarische Erfindung der Neuzeit sind, während ihr Charakter in heidnischer Zeit nicht genau ausgemacht werden kann. Auch sind Details germanischer Kosmologie, etwa der Weltenbaum Yggdrasil, spätere Rekonstruktionsversuche, nicht etwa erwiesene germanische Mythologien. Der Autor führt uns dafür durch die Spuren einer spannenden Vorstellungswelt, soweit sie wissenschaftlich erfahrbar gemacht werden konnte. Hierzu gehört ein langes Kapitel über das, was wir aus bekannten Opferplätzen erschließen können. Hierauf baut ein ebenso langes Kapitel über die germanische Götterwelt, vielleicht besser: die verschiedenen Götterwelten, auf. Dabei vergißt der Autor nicht, daß zwischen herrschender und zum Teil schriftlich erfaßter Vorstellung und einem Volksglauben durchaus Differenzen bestehen können. Jenseitsvorstellungen, magische Rituale und die Geschichte der Christianisierung der germanischen Gebiete vervollständigen ein Buch, das sehr klar zwischen Beweisbarem und Unbewiesenem zu unterscheiden weiß. Wer sich wirklich ernsthaft mit den Germanen, ihren Gottes- und Jenseitsvorstellungen, ihrer Religion und Geschichte, auseinandersetzen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Rudolf Simeks Religion und Mythologie der Germanen ist bei Theiss erschienen und kostet 29 Euro 90. Abmoderation Ein Beitrag von Walter Kuhl für Radio Darmstadt. Demnächst
nachzulesen im Internet unter www.wkradiowecker.de.vu.
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| Moderation : Katharina Mann (Sonntag), Lena Switalla (Mittwoch) | |
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