Steffen Falk |
Im Griff der rechten Szene |
(Rezension) |
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| REZENSION VON STEFFEN FALK |
Im Griff der rechten SzeneKaum eine Wochenzeitung oder ein Politmagazin im Fernsehen der letzten Zeit, das nicht über das Wiedererstarken der rechtsextremen Parteien DVU und NPD, "fremdenfeindliche" Straftaten und Aufmärsche und Massenversammlungen rechter Parteien berichtete. Der Blick richtete sich dabei weitestgehend gen Osten auf die fünf neuen Bundesländer. Im Osten also nichts Neues; aber wie konnte das passieren? Hatten hunderte Lichterketten, offiziöse Beschwörungen von Politikern aller Ebenen, Werbekampagnen für mehr Toleranz und ganz viel Geld für neue Jugendzentren nach den Pogromen von 1991 bis 1994 den braunen Spuk nicht endgültig vertrieben? Mit dieser Frage beschäftigt sich der freie Journalist und Schriftsteller Burkhard Schröder aus Berlin-Kreuzberg; "Im Griff der rechten Szene" lautet der Titel seines Buches, das ich vorstellen möchte. Der Autor hat vor Ort in fünf ostdeutschen Kleinstädten über Entstehung und Bestand der rechten Szene recherchiert. Obwohl jeweils die Unterschiede zwischen den Städten herausgearbeitet wurden, wirken die einzelnen Reportagen gleich beklemmend. Burkhard Schröder holt hier nach, was nach seiner Auskunft lokale Journalisten allzu oft vernachlässigen: Er berichtet über die Opfer rechter Gewaltexzesse. Und wenn er dabei den Tathergang in seiner ganzen Brutalität beschreiben tut, dann hat das nichts mit Sensationsheischerei zu tun. Burkhard Schröder zeigt auf, was rechte Ideologie ausgelebt bedeuten kann, nämlich schwerverletzte Gastarbeiter und überfallene Jugendhäuser zum Beispiel. Viele von denen, die sich gegen die Dominanz rechter Jugendkultur in der Schule, in Jugendhäusern und auf der Straße engagierten, werden tätlich bedroht. Da wird auch vor Pfarrern und Lehrern nicht Halt gemacht, von den Altersgenossen ganz zu schweigen, die sehen sich unter Umständen nach geäußerter Kritik gleich im Krankenhaus wieder. Ein Klima der Angst wird hier beschrieben. Die zweite Reportage über Schwedt zum Beispiel ist ein Stadtrundgang der etwas anderen, ja nicht gerade einladenden Art.Ein Straßenbild ist hier zu sehen, in dem es normal ist, mit kurz rasierten Haaren herum zu laufen. Menschen mit anderem Outfit warten besser nicht, bis sie deswegen zusammengeschlagen werden, sondern ziehen weg. Nicht schwer auszudenken, was das für Menschen mit anderer Hautfarbe als der weissen zu bedeuten hat. "Keine besondere Gewalt" ist dieser Bericht betitelt. Zitiert wird damit ein Artikel in der Lokalzeitung über eine Erklärung des Schwedter Bürgermeisters. Ja, rechte Gewalt gibt es in Schwedt, "aber nicht mehr und nicht weniger als anderswo." Mir ist nicht bekannt, was mit "anderswo" gemeint ist, aber daß zum Beispiel ein Jugendhaus mehrmals von Rechten überfallen wird und ein Besucher schließlich fast tot geschlagen wird, ist nicht sehr beruhigend. Interessant ist auch, was Burkhard Schröder über Wurzen schreibt. An dieser Stelle möchte ich aber nicht näher darauf eingehen, sondern am Beispiel Wurzen auf die Aktualität des Buches verweisen. Das Buch erschien im Oktober letzten Jahres [1997], die Reportage behandelt einen Zeitraum gut ein bis zwei Jahre zuvor. Beschrieben wird Wurzen als "National Befreite Zone" und als solche ist die Kleinstadt auch spätestens seit Ende 1996 in die Schlagzeilen geraten. Und Wurzens Jugend verhält sich nun gerade so, als gelte es, einen guten Ruf zu verteidigen. Ein paar Beispiele aus der letzten Zeit: Im Januar überfallen mehrere Dutzend rechter Jugendlicher ein vollbesetztes Bahnabteil mit antifaschistischen Demonstranten, die für die Wehrmachtsausstellung in Dresden demonstrieren wollen und lösen so eine Massenschlägerei aus. Im Februar kommt es im Rathaus zum Eklat, nachdem ein DSU-Stadtverordneter Flugblätter der rechtsextremistischen NPD ausgelegt hat. Am 1. Mai diesen Jahres schließlich kommt es nach der Massenkundgebung der NPD in Leipzig zu einem Massenaufmarsch in Wurzen. Aber ich möchte das beschauliche Kleinod in der Nähe von Leipzig nicht allzu schlecht machen. Denn immerhin hat die Stadt Wurzen letzten Monat niemand anderem als Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Ein wirklich beispielloser Akt antifaschistischer Zivilcourage. "Referat: Sicherheit", so lautet die Überschrift des Artikels über Quedlinburg. Dieses Referat hat Steffen Hupka inne, ein umtriebiger Neonazi, der aus Süd-Niedersachsen in den Ostharz zog und nun von dort aus verschiedenste Aktivitäten leitet. Aufmärsche werden jetzt von Quedlinburg aus organisiert und Gruppen wie die von ihm gegründete "Harzfront" sind hier aktiv. Skandalöse Gewalttaten sind hier aber eher selten, denn sie stören bei der Ausführung von Propagandatätigkeiten. In einigen Städten kommt es deshalb nicht mehr zu öffentlich sichtbaren Gewalttaten, weil den Neonazis die Gegner ausgegangen sind, heißt es aber auch im Vorwort von Burkhard Schröder. Das liegt laut seiner Recherche aber auch am Verhalten vieler Kommunalpolitiker, die in dem Problem Rechtsextremismus gar kein Problem sehen können oder wollen. Da ist es dann oftmals nur konsequent, wenn man antifaschistische Jugendliche in ihrem Engagement behindert, wenn diese von Bürgermeister und Lokalpresse isoliert werden. Ein Ergebnis der kommunalpolitischen Ignoranz kann sogar sein, daß rechte Jugendliche in ihrem Anliegen, ein sogenanntes "nationales" Jugendzentrum aufzubauen, unterstützt werden, wie in Wurzen geschehen. Doch nicht, daß nun ein falscher Eindruck entsteht: Es ist keine irgendwie jugendspezifisch geartete Gewalt, um die es hier geht. Es ist, wie gesagt, pure rechte Ideologie, die hier zuschlägt, und die ist in breiten Teilen der Bevölkerung verankert. Und genau an dieser Problematik setzt nun auch Burkhard Schröders Kritik an. Eingehend beschäftigte er sich zum Beispiel mit den Auswirkungen des "Aktionsprogramms gegen Aggression und Gewalt" der Bundesregierung, das diese Aggression und Gewalt eher förderte als effektiv bekämpfte. Sozialpädagogen ohne Kenntnis des Rechtsextremismus und mit hemmungsloser Akzeptanz den ach so orientierungslosen Jugendlichen mit kurz geschorenen Haaren gegenüber ausgestattet eröffnen mit viel Geld neue Jugendclubs. Daß diese Jugendlichen aber gar nicht so orientierungslos sind, stellt sich eigentlich spätestens dann heraus, wenn im Proberaum des Jugendzentrums einschlägig bekannte Bands wie "Elbsturm" und "Doitsche Patrioten" proben. Wie ich vielleicht schon angedeutet habe, ist der Autor durchaus auf der Suche nach einer Erklärung, liefert aber, und das nach eigenem Bekunden, ganz bewußt keine eigene Rechtsextremismus-Theorie. Was er tut, ist Fragen stellen. Interessiert verfolgt er auch immer den Werdegang der rechten Täter und
die Entstehung der Szene. Und die haben, von Steffen Hupka einmal abgesehen, eine
DDR-Vergangenheit. Dennoch: Rechtsextremismus ist kein spezifisches Problem der
neuen Bundesländer, doch warum ist er hier besonders stark? Die DVU, die vor
Ort in den neuen Bundesländern keinerlei Struktur besitzt, hat bei der
Landtagswahl in Sachsen- Das Buch "Im Griff der rechten Szene" von Burkhard Schröder ist in der Reihe rororo aktuell des Rowohlt-Verlages und für 14 Mark 90 in jeder gut sortierten Buchhandlung erhältlich. |
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