Geschichte

Reminiszenzen

 

 

SENDEMANUSKRIPT

 
Sendung :
Geschichte
Reminiszenzen
 
Redaktion und Moderation :
Walter Kuhl
 
gesendet auf :
Radio Darmstadt
 
Redaktion :
Alltag und Geschichte
 
gesendet am :
Montag, 30. Mai 2005, 17.00–18.00 Uhr
 
wiederholt am :
Montag, 30. Mai 2005, 23.10–00.10 Uhr
Dienstag, 31. Mai 2005, 08.00–09.00 Uhr
Dienstag, 31. Mai 2005, 14.00–15.00 Uhr
 
 
Besprochene und benutzte Bücher :
  • Horst Ehringhaus : Götter Herrscher Inschriften, Verlag Philipp von Zabern
  • Ulrich Hesse–Lichtenberger : Flutlicht & Schatten, Verlag Die Werkstatt
  • Gudrun Ziegler / Alexander Hogh (Hg.) : Die Mongolen, Theiss Verlag
 
 
URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/herstory/ge_remin.htm
 
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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 : Unbesiegbares Deutschland
Kapitel 2 : Der Schatten eines Verdachts
Kapitel 3 : Auch Felsen werfen Schatten
Kapitel 4 : Aus der Tiefe des Raums
Kapitel 5 : Darmstädter Lokalkolorit
Kapitel 6 : Schluß
Anmerkungen zum Sendemanuskript

 

Unbesiegbares Deutschland

Jingle Alltag und Geschichte

Ich habe gute Nachrichten für mein Land, gute Nachrichten für meine Regierung, und gute Nachrichten für meine Bevölkerung. Ich habe mich entschlossen, mein Wissen vom Gesamten Naturgesetz zu nutzen, um meinen Staat zur Unbesiegbarkeit anzuheben, Deutschland zur Unbesiegbarkeit anzuheben. Unter dem segensreichen Einfluss der Unbesiegbarkeit werden die Menschen in meiner Welt ihr Leben in Freiheit, in Erfüllung und in Glückseligkeit leben. Die deutsche Nation ist in der Welt dafür berühmt, dass sie allem Leben überall in der Welt Schutz gewährt.

Mit diesem Text ludt ein Emanuel Schiffgens zu einer Pressekonferenz in Berlin am letzten Freitag ein. Lassen wir einmal die Frage beiseite, ob es sich hier um einen Durchgeknallten handelt. Sein Anliegen hingegen wird ohnehin schon ernst genommen. Bundeskriegsminister Peter Struck rüstet die Bundeswehr seit der großen Elbüberschwemmung vor drei Jahren zur weltweiten Eingreiftruppe auf, und in der neuen EU–Verfassung ist die zur Unbesiegbarkeit dienende Aufrüstung ohnehin festgeschrieben. Sorry, ist man da geneigt zu sagen, aber das Anliegen der deutschen Unbesiegbarkeit wird schon in Angriff genommen.

Vielleicht sollte ich noch hinzufügen, mit welchen ganz und gar nicht militaristischen Mitteln selbige Unbesiegbarkeit erreicht werden sollte. Emanuel Schiffgens bietet an, dreitausend junge Menschen

nach festgesetzten Regeln im Beten, Meditieren und Yogischen Fliegen aus[zu]bilden, nicht in irgendetwas seltsamen.

So meint er. Tja, wenn's hilft. Peinlich, aber auch bezeichnend für das wissenschaftliche Klima im Standort Deutschland ist, daß diese Pressekonferenz nicht in irgendeiner obskuren esoterischen Buchhandlung stattfand, sondern im Tagungszentrum des Hauses der Bundespressekonferenz in Berlin. Also da, wo sonst Schröder, Merkel, Hartz und Rürup ihre esoterischen Weisheiten von sich geben. Paßt also. [1]

Meine heutige Sendung wird jedoch ganz und gar nicht esoterisch sein. Angesichts des Spektakels vom letzten Mittwoch stelle ich die Geschichte des Fußball–Europapokals vor, angesichts einer Ausstellung in Bonn und einer Dokumentation im ZDF einen Band über die Mongolen, und schließlich einen reich bebilderten Band über hethitische Felsreliefs in der heutigen Türkei. Für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt begrüßt euch Walter Kuhl.

 

Der Schatten eines Verdachts

Besprechung von : Ulrich Hesse–Lichtenberger – Flutlicht & Schatten, Verlag Die Werkstatt 2005, 476 Seiten, € 24,90

Am vergangenen Mittwoch wurde in Istanbul die beste Mannschaft Europas gekürt. Lassen wir einmal die unerhebliche Frage beiseite, ob der FC Liverpool wirklich besser Fußball spielt als der AC Milan, und fragen uns erst später, wieviel Millionen Euro notwendig sind, um die Champions League zu gewinnen. Von Interesse mögen einige Begleiterscheinungen sein, die uns vielleicht doch etwas nachdenklich machen sollten. So sollen noch während der Halbzeitpause, als Liverpool mit 0:3 zurücklag, britische Fans auf ihre Mannschaft gewettet haben. Wo es um viel Geld geht, sollten wir womöglich doch genauer hinschauen. [2]

Vielleicht ist es noch am wenigsten erstaunlich, daß eine ausgebuffte Profimannschaft wie der AC Milan innerhalb von sechs Minuten drei Tore kassiert – und dann auch noch im Elfmeterschießen verliert. Mental betrachtet sind kurzfristige Leistungssteigerungen auch ohne Doping durchaus möglich. Ende 2001 beispielsweise mußte sich die deutsche Nationalmannschaft für die WM 2002 gegen die Ukraine in einer Relegationsrunde qualifizieren. Direkt nach Spielbeginn des Rückspiels im Dortmunder Westfalenstadion schaltete die Peinlichkeit der Europameisterschaften von 2000 und 2004 [3] den Turbo an und überrollte eine hilflose ukrainische Mannschaft. Die dabei erzielten drei Tore führten zum 4:1–Endstand. [4]

Gesamt betrachtet hätte ein Hollywood–Regisseur das Drama nicht perfekter inszenieren können – und das gibt mir zu denken. Erst führt der AC Milan Liverpool nach allen Regeln der Fußballkunst vor und führt auch in dieser Höhe völlig verdient zur Halbzeit mit 3:0. Eine Viertelstunde später ist alles versiebt und es steht 3:3. Doch dieser Sturmlauf hat Kraft gekostet und Liverpool ist gegen Ende des Spiels fix und fertig. Dennoch gelingt Milan kein Tor. Und dann das Elfmeterschießen. Hochbezahlte Akteure, die einen einfachen Ball nicht im Netz unterbringen. Sehr merkwürdig. Noch merkwürdiger wäre es, wenn hier nicht weltweit mit Millionen operiert würde, um eine bestimmte Inszenierung zu finanzieren und abzukassieren. Aber wer wird schon das Millionenspiel Champions League daraufhin untersuchen wollen?

Eine solche Untersuchung hätte sich womöglich 1993 tatsächlich gelohnt. Olympique Marseille gewann mit Rudi Völler auf dem Rasen 1:0 gegen den AC Milan. (Ja, wir werden das noch sehen: immer dieselben Mannschaften!) Um sich auf das Finale besser vorbereiten zu können, wurde das drittletzte Saisonspiel des Clubs extra vorgezogen. Der Gegner hieß US Valenciennes und war Abstiegskandidat. Drei Speiltage vor Schluß hatte Marseille beruhigende vier Punkte Vorsprung. Marseille gewann das Spiel mit 1:0, wurde französischer Fußballmeister und durfte anschließend absteigen. Das Spiel war gekauft worden. Es gibt gute Gründe anzunehmen, daß dies nicht das einzige Spiel gewesen ist. [5] Und wie es der Zufall will, wurde der Schiedsrichter des Champions League–Endspiels von 1993, der Schweizer Kurt Röthlisberger, vier Jahre später von der UEFA wegen des Verdachts der Bestechlichkeit aus dem Verkehr gezogen. [6]

Die Bezeichnung Champions League wurde 1992 offiziell für die Nachfolge des Europapokals der Landesmeister eingeführt. Die UEFA sah sich dem Druck finanzstarker europäischer Clubs ausgesetzt, die angedroht hatten, falls notwendig, eine eigene Europaliga ohne den Segen der UEFA durchziehen zu wollen. Um die drohende eigene Entmachtung und die Entwertung des eigenen Wettbewerbs zu verhindern, wurde aus dem in die Jahre gekommenen Europacup eine Premium–Veranstaltung, die mächtig Geld in die Kassen der Vereine, Sender und der UEFA schaufelte.

Buchcover Flutlicht und SchattenUlrich Hesse–Lichtenberger hat mit seinem im Verlag Die Werkstatt erschienenen Band Flutlicht & Schatten die Geschichte des Europapokals rekonstruiert. Keine trockene Faktensammlung, sondern ein Buch mit Herz. Schon das einleitende Kapitel ist ein Genuß: Im November 1971 standen sich Sporting Lissabon und die Glasgow Rangers gegenüber und die Partie ging ins Elfmeterschießen. Die Rangers schossen fünf Mal auf das Lissaboner Tor und trafen es nur einmal, und auch das war nur der Pfosten. Diese Mannschaft gewann ein halbes Jahr später dennoch den Europapokal der Pokalsieger. Wie das?, werdet ihr fragen. Nun, dies ist eine der absurden Geschichten, die der Europapokal so schrieb.

Beispielsweise gelang es nie einer Mannschaft, den Pokalsieger–Cup zu verteidigen, obwohl viele Mannschaften es versuchten. Auf manchen Teams lag so eine Art Fluch – sie spielten brillant, aber nicht erfolgreich. Borussia Mönchengladbach zum Beispiel, obwohl sich Udo Lattek und Jupp Heynckes alle Mühe gaben, der Mannschaft das Fußballspielen abzugewöhnen. Das ging dann auch prompt schief. Was hatte die Mannschaft zu bieten? Nun – Gladbach spielte mit Herz und Tragik, während die Bayern abgebrüht ihren Stiefel runterspielten. Auch wenn Borussia Mönchengladbach heute nicht einmal mehr ein Schatten seiner selbst ist, hängt doch so manches Herz an einem Verein, der immer wieder daran gescheitert war, Fußballgeschichte zu schreiben.

1970 verlor Gladbach im Elfmeterschießen gegen Everton. Das Elfmeterschießen wurden erst 1970 eingeführt. Vorher gab es bei Torgleichheit dritte Spiele, Losentscheide oder die Auswärtstorregel. Doch auch dies wurde alles andere als konsequent eingeführt, wie überhaupt der Europacup eine zuweilen ziemlich skurrile Angelegenheit war. Die Auswärtstorregel wurde 1965 eingeführt, um dem langweiligen Catenaccio etwas entgegenzusetzen. Dieser Mauertaktik wurde in den 60ern vervollkommnet. Man schieße ein Tor und verrammele kunstvoll den eigenen Strafraum. Allerdings wurde diese Auswärtstorregel anfangs mit allerlei Sonderregeln unterlegt, so daß Uwe Seeler in den 60er Jahren im Achtelfinale des damaligen Messepokals dem Schiedsrichter erklären mußte, wer das Spiel eigentlich gewonnen hatte.

1971 spielte Gladbach Inter Mailand mit 7:1 an die Wand und schied aufgrund eines Büchsenwurfs aus. 1973 erreichte man das Finale und verlor gegen den FC Liverpool. Liverpool sollte neben Real Madrid der Angstgegner schlechthin für die Borussia werden. 1974 war der AC Milan im Halbfinale zu stark. Nach dem Gewinn des UEFA–Cups 1975 ging Hennes Weisweiler, für den Udo Lattek kam. Keine gute Idee. Doch zunächst spielte man 1976 gegen Real Madrid und verlor gegen einen Schiedsrichter. Damals gab es böse Gerüchte um goldene Uhren und andere Extras.

1977 führte Latteks Defensivtaktik zur Niederlage im Finale gegen den FC Liverpool, im Jahr darauf war beim selben Gegner im Halbfinale Schluß. Fast schon erstaunlicherweise wurde 1979 der UEFA–Cup ein zweites Mal gewonnen, ehe man im Jahr darauf im Finale an der Defensivtaktik von Jupp Heynckes und weniger am Gegner Eintracht Frankfurt scheiterte. Der Clou fast zum Abschied von der internationalen Bühne kam 1985. Gladbach demontierte Real Madrid im Hinspiel mit 5:1 und verlor das Rückspiel mit 0:4. Und warum? Weil Heynckes seine Leute hinten reinstellte, anstatt stürmen zu lassen. Denn Real hätte garantiert nicht mit 8:3 gewonnen, auch nicht mit goldenen Uhren.

Zurück zum Buch Flutlicht und Schatten von Ulrich Hesse–Lichtenberger. Wer glaubt, daß der Europapokal als ein Pokal für die besten europäischen Mannschaften geplant war, irrt. Schon für das erste Jahr wurde Rot–Weiß Essen als deutscher Vertreter eingeladen, obwohl noch gar nicht abzusehen war, daß diese Mannschaft tatsächlich Meister werden sollte. Holland entsandte den PSV Eindhoven, aber der war weder amtierender noch zukünftiger Meister. Das war aber auch egal. Für die erste Runde ging es um (damals) zugkräftige Namen. Daß der englische Verband genausowenig einen Vertreter schickte wie die osteuropäischen Länder, paßt ins Bild.

Schon im zweiten Jahr gab es ein weiteres Problem. Real war nicht Meister geworden. Macht nichts, hieß es. Als Pokalgewinner wurden sie erneut zugelassen. So ein Zugpferd läßt man nicht im Stall stehen. Wieder ein Jahr später wurden die Regeln erneut geändert. Diesmal war Real wieder spanischer Meister geworden. Dennoch wollten die Spanier einen zweiten Club unterbringen. Begründung: Real war ja als Cupverteidiger dabei, nicht als spanischer Meister. Wundert es dann noch, wenn in den 90er Jahren sich auch die Dritten und Vierten einer Meisterschaft für die Champions League qualifizieren konnten?

Nun ja, das sorgte gleich für manche Peinlichkeit. 1998 standen erstmals drei Teams aus einem Land im Viertelfinale. 1999 standen zwei Mannschaften im Endspiel, die nicht amtierende Landesmeister waren. 2000 stellte erstmals eine Liga drei von vier Mannschaften im Halbfinale. 2001 gab es ein Halbfinalspiel zwischen zwei Tabellendritten. Und selbstverständlich kann ein Dritter der Gruppenspiele noch UEFA–Cupsieger werden, wie dies Feyenoord Rotterdam gleich nach Einführung dieser Trostrundenregel im Jahr 2002 bewies.

Immerhin wurde der völlig entwertete Pokalsieger-Cup 1999 abgeschafft und die Pokalsieger in den UEFA–Cup verbannt. Nur, um die Peinlichkeiten fortzusetzen. Denn wenn die beiden Pokalfinalisten schon für die Champions League qualifiziert sind, wer vertritt dann den Pokalsieger im UEFA–Cup? Richtig. Es gab tatsächlich Entscheidungsspiele der Verlierer des Halbfinals im jeweiligen Landespokal.

Ulrich Hesse–Lichtenberger bringt Licht in dieses Dunkel. Nebenbei wird auch noch Fußball zelebriert, wobei der Autor richtig erkannt hat, daß der "totale Fußball" von Ajax Amsterdam zu Beginn der 70er Jahre eine ziemlich langweilige Angelegenheit sein konnte. Ich erinnere mich noch (dunkel, aber immerhin) an das alles andere als grandiose Finale zwischen Ajax und Panathinaikos Athen 1971, bei dem der Ball öfter ins Aus als nach vorne gespielt wurde. [7]

Eine nette Idee ist der "Einwurf", ein Kapitel über eines der wohl kuriosesten Fußballspiele im Europapokal, als Bayer Uerdingen 1986 gegen Dynamo Dresden spielte. Das Hinspiel verlor Uerdingen mit 0:2 und im Rückspiel stand es zur Halbzeit 1:3. Wahrscheinlich hätte hier kein Fan aus Liverpool auch nur ein müdes Pfund gewettet. In der 58. Minute stand es immer noch 1:3 und die Fans verließen in Scharen das Stadion. Das war ein Fehler. In den verbleibenden 32 Minuten schoß Uerdingen noch sechs Tore.

Das Buch wird vervollständigt durch ein Lexikon der europäischen Pokalsieger und durch eine Übersicht über alle Finalbegegnungen bis 2004. Zwei kleinere Fehler sollen nicht unerwähnt bleiben, obwohl sie dem ansonsten wunderschönen Band nicht wirklich schaden. Auf Seite 129 liegt La Valetta auf Zypern und auf Seite 206 wird in der Bildunterschrift der falsche Pokal zum richtigen Endspiel genannt.

Die Geschichte des Europapokals erzählt Ulrich Hesse–Lichtenberger in seinem Buch Flutlicht & Schatten. Es ist im Verlag Die Werkstatt erschienen und kostet 24 Euro 90.

 

Auch Felsen werfen Schatten

Besprechung von : Horst Ehringhaus – Götter, Herrscher Inschriften, Verlag Philipp von Zabern 2005, 124 Seiten, € 37,90

Die Hethiter bewohnten das Land der 1000 Götter. Das hielt sie nicht davon ab, ganz gottesfürchtig fremde Länder zu überfallen, Städte auszuplündern, Menschen als Geiseln zu verschleppen oder Thronstreitigkeiten mit Gewalt auszutragen. Mag sein, daß die Hethiter hierbei verhältnismäßig human vorgegangen sind. Von den akkadischen Königen des 3. Jahrtausends ist die Praxis bekannt, die Frauen eroberter Städte und besiegter Bergstämme zu versklaven und die Männer abzuschlachten, eine Praxis, die selbst im antiken Griechenland während des Peloponnesischen Krieges üblich war. Die assyrischen Könige waren wahre Experten in dem, was wir heute ethnische Säuberungen nennen, aber standen hierbei nicht allein da.

Das hethitische Großkönigtum entstand im 17. oder 16. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Die einzelnen kleinen Fürstentümer waren politisch nicht mehr überlebensfähig und wurden eins nach dem anderen erobert. Kaum war das anatolische Bergland in einer Hand vereint, richtete sich dieser militärische Drang nach außen. Im 16. Jahrhundert wurden Kilikien und Nordsyrien angegriffen, selbst ein kühner Raubzug ins tausend Kilometer entfernte Babylon wurde erfolgreich zu Ende gebracht. Doch die nach außen getragene Gewalt schlug nach innen zurück. Rund ein Jahrhundert lang konnte sich kein hethitischer König seines Lebens sicher sein, den Anfang machte ausgerechnet der Eroberer Babylons, Mursili I. So viel zum Thema friedliche Hethiter.

Etwa anderthalb Jahrhunderte lang war die königliche Sippe mit sich selbst beschäftigt. Ihre Hauptstadt Chattusa wurde sogar von aufständischen Bergvölkern an der Küste des Schwarzen Meeres in Brand gesetzt, die wahrscheinlich die Schnauze voll hatten von den Beutezügen hethitischer Potentaten. Genutzt hat es ihnen wenig. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde aus einem auf sein Kernland beschränkten kleinen Königreich die für kurze Zeit stärkste Militärmacht der Welt. Das bekam Pharao Ramses II. zu spüren, der seine Besitzungen im Libanon und in Syrien schützen wollte und der in einer Schlacht gegen die Hethiter gerade noch mit dem Leben davonkam.

Doch auch diese Periode der sogenannten Großreichszeit wurde von internen Machtkämpfen erschüttert. Großkönig Muwattalli, der den Pharao in der Schlacht von Kadesch hatte ziemlich alt aussehen lassen, hatte einen älteren Bruder Chattusili. Als Muwatalli starb, wurde Chattusili in der Thronfolge übergangen und Muwattallis Sohn Mursili III. sein Nachfolger. Chattusili schaute dem sieben Jahre lang zu und putschte. Muwattalli hatte jedoch noch einen zweiten Sohn, Kurunta. Dieser muß schon weit über 60 Jahre alt gewesen sein, als er Jahre nach Chattusilis II./III. Tod versuchte, die Macht zu ergreifen. Der Zusammenhalt der königlichen Sippe war aufs Schwerste gefährdet; und es spricht einiges dafür, daß dieser Machtkampf um legitime und illegitime Thronfolger das Hethiterreich von innen heraus zerstört hat.

Buchcover Götter Herrscher InschriftenSpuren dieses Machtkampfes finden sich nicht nur in hethitischen Keilschrifttexten, sondern auch in einzelnen Felsreliefs des 13. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung. Der Architekt Horst Ehringhaus hat in rund zweieinhalb Jahrzehnten die bekannten hethitischen Felsreliefs und –inschriften fotografiert und somit auch dokumentiert. Als Ergebnis seiner Tätigkeit ist der im Verlag Philipp von Zabern erschienene Band Götter Herrscher Inschriften über die Felsreliefs der hethitischen Großreichszeit in der heutigen Türkei herausgekommen. Bei der Deutung der Inschriften konnte er auf die Hilfe des Tübinger Altorientalisten und Anatolisten Frank Starke zurückgreifen, was diesem Band auf jeden Fall zugute gekommen ist.

Horst Ehringhaus mag zwar Außenseiter in einer Disziplin sein, in der er keine wissenschaftliche Ausbildung erhalten hat. Seine Tätigkeit als Grabungsleiter eines bronzezeitlichen Grabungshügels in Kilikien zeigt jedoch, daß er diese Ausbildung sozusagen durch die Praxis nachholen konnte. Hinzu kommt, daß er ein weiteres, bis dahin nicht bekanntes Felsrelief entdeckt hat, welches mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den schon genannten Kurunta mit den Insignien eins Großkönigs zeigt.

Horst Ehringhaus beginnt seine vollständige Dokumentation der Steindenkmäler mit Steinreliefs an der Mauer einer Tempel– oder Palastanlage in Alaca Hüyük. Auch wenn es sich hierbei streng genommen nicht um Felsreliefs handelt, so liegt dem ein Sinn zugrunde. In Alaca Hüyük nämlich liegen sehr frühe hethitische Steinbildwerke vor, deren Bildinhalte in den Felsreliefs wieder erscheinen. Die bekannten Götterreihen im Felsheiligtum von Yazılıkaya im Norden der Hauptstadt Chattusa sind hingegen in den Fels gemeißelt worden. Der Autor führt uns durch diese den Hethitern heilige Anlage und gibt gleichzeitig Hinweise auf die Lesung der luwischen Hieroglyphen, welche die Götterversammlung begleiten. Das Luwische ist eine Dialektform des Hethitischen und wurde eher im Westen und Süden des Reiches gesprochen. Die luwischen Hieroglyphen sind eine Besonderheit der Hethiter, welche ihre Korrespondenz normalerweise in Keilschrift auf Ton schrieben.

Die Lesung dieser Hieroglyphen ist zwar weitgehend möglich, aber nicht immer eindeutig. Offensichtlich haben die Hethiter mit ihren Hieroglyphen auch ein wenig gespielt. Die wenigen Schriftkundigen der damaligen Zeit konnten den Sinn dennoch erfassen, der uns heutzutage zuweilen verborgen bleibt. So muß man und frau einfach wissen, daß bei der Schreibung von Eigennamen bestimmte Regeln herrschten, die mal so und mal so eingehalten wurden. Daher bestehen einige Unsicherheiten hinsichtlich der genauen Lesung von Eigennamen. Allerdings sollten wir uns kurz daran erinnern, daß auch wir oft genug nicht wissen, wie englische Eigennamen denn nun wirklich auszusprechen sind. Anzufügen ist, daß der Eigenname sozusagen der natürliche Feind des Moderators oder der Moderatorin am Mikrofon ist. Nichts ist peinlicher als ein falsch ausgesprochener Name oder Begriff.

Als Problem der Lesung kommt hinzu, daß die für die damaligen Menschen als bekannt vorausgesetzten Göttinnen– und Herrschernamen auch einfach mal mit der ersten Silbe abgekürzt worden sind. Die als Göttin bezeichnete Chi ist die luwische Form des hurritischen Göttinnenamens Chebat, und König Mu ist der schon genannte Muwattalli.

Manche Details ergeben sich erst beim richtigen Sonnenlicht. Nicht selten ist es vorgekommen, daß Forschungsreisende Felsreliefs oder einzelne Details völlig übersehen haben. Manchmal erhellt ein Schatten ein vermeintliches Detail, das es jedoch nicht gibt. Deshalb hat Horst Ehringhaus von vielen Objekten mehrere Aufnahmen gemacht, zu unterschiedlichen Jahres– und Tageszeiten. Das Ergebnis fast 25–jähriger Arbeit kann sich sehen lassen. Die beste Zeit zum Fotografieren wie zum Erkennen mancher Felsreliefs, so schreibt er, ist in den frühesten Morgenstunden.

Die hethitischen Könige und Prinzen stellten ihre Denkmäler nicht einfach so in die Landschaft, auch wenn das manchmal so erscheinen mag. Nach uns undurchsichtigen Kriterien entstandene Kultorte verlangten genauso nach einer bildlichen Darstellung wie militärisch zu sichernde Fluß– oder Bergübergänge. Interessant ist, daß oftmals die Götter– und Herrscherbilder genauer ausgemeißelt wurden als die der Göttinnen und Königinnen. Es ist nicht so recht klar, woran das gelegen haben kann. Eine gewisse Uniformität der Darstellung mag hethitischen Schablonen geschuldet sein, die praktischerweise rechts– wie linksbündig genutzt werden konnten, da Bildnisse meist im Profil wiedergegeben und die Hieroglyphen in beide Richtungen geschrieben wurden.

Üblicherweise trugen die hethitischen Krieger ihr Schwert an der linken Seite. In einem Fall schaut der Herrscher jedoch nicht, wie üblich, nach links, sondern nach rechts, mit der Folge, daß auch das Schwert an der falschen Seite hängt. Es handelt sich um den schon erwähnten Kurunta, Sohn des Muwattalli, der sich hier als Großkönig ausgibt. Doch warum schaut er nach rechts und nicht nach links? Des Rätsels Lösung scheint zu sein, daß er bewußt nach rechts Richtung Hauptstadt schaut und damit seine Ansprüche dokumentiert. Interessanterweise wurde nicht etwa dieses Bildnis, sondern nur einzelne Zeichen der beigefügten luwischen Hieroglyphen mit großer Sorgfalt weggemeißelt. Es handelt sich wahrscheinlich um die Zeichen, welche den Anspruch, Großkönig zu sein, ausdrückten.

Horst Ehringhaus geht bei jedem Fundort kurz auf die Interpretationsgeschichte der jeweiligen Reliefs oder Inschriften ein. Dabei gibt er in der Regel wohlbegründet seine eigene Ansicht wieder. Für das Wasserbecken mit dem Feldzugsbericht des Königs Tudchalija III./IV. bei Yalburt schlägt er beispielsweise eine andere Anordnung der mit Schriftzeichen behauenen Felsblöcke vor, womit der lebare Text an einzelnen Stellen auf einmal einen wirklichen Sinn erhalten würde.

Gerade bei einem der ersten bekannten, jedoch auch stark verwitterten, hethitischen Felsreliefs gibt er – durchaus überzeugend – eine dem bisherigen Forschungsstand widersprechende Interpretation. Bereits der antike Autor Pausanias beschrieb ein in den Fels gemeißeltes Bild als das der Göttermutter Kybele in der Nähe von Magnesia im westlichen Kleinasien. Es scheint so, daß hier seit rund zweitausend Jahren ein Irrtum vorliegt. Horst Ehringhaus kommt aufgrund seiner Kenntnis anderer hethitischen Felsreliefs zu dem Ergebnis, daß hier wahrscheinlich eher ein hethitischer Berggott verewigt wurde, dessen Namen wir jedoch nicht kennen.

Trotz sorgfältiger Bearbeitung durch den Verlag ist auf Seite 18 ein syntaktisch sinnloses Satzgetüm stehen geblieben. Es heißt dort über die Götter des Felsheiligtums von Yazılıkaya:

Mit erhobenen Armen und menschlichen Händen das Zeichen für »Himmel« und tragen sie mit ihren Stierhufen stehen sie auf dem Zeichen für »Erde«, das den unteren Bildrand, den Boden, auf dem die Gestalten regelmäßig stehen, sinnfällig unterschneidet (Abb. 26).

Der Sinn ist beim zweiten Lesen klar, aber sinnvoll ist es dennoch nicht. – Auch wäre dem Buch zu wünschen gewesen, wenn der Autor seine Fotos datiert hätte. So läßt sich leichter überprüfen, ob er Details festgehalten hat, die andere Autorinnen und Autoren nicht gesehen haben, oder umgekehrt: ob andere Autorinnen und Autoren Details haben wahrnehmen wollen, die sich fotografisch nicht verifizieren lassen.

Dennoch: ein schönes und anregendes Buch, das Details erhellt, die normalerweise nicht benannt werden. Der 124 Seiten umfassende großformatige Band von Horst Ehringhaus trägt den Titel Götter Herrscher Inschriften; er ist im Verlag Philipp von Zabern erschienen und kostet 37 Euro 90.

 

Aus der Tiefe des Raums

Besprechung von: Gudrun Ziegler / Alexander Hogh – Die Mongolen, Theiss Verlag 2005, 160 Seiten, € 24,90

Als wäre es eine Fortsetzung der zivilisatorischen Errungenschaften der sumerisch–babylonisch–assyrischen Kultur, zogen mongolische Heere im 13. Jahrhundert Richtung Europa, Persien und China. Sie hinterließen nicht nur eine Spur der Verwüstung, sondern sie brachen dabei auch jeden Widerstand und entvölkerten ganze Landstriche. Die damit verbundene gnadenlose Brutalität erforderte eine starke Disziplin. Plündern war streng verboten. Wer sich ergab, wurde jedoch weitgehend verschont. Und wer innerhalb des mongolischen Reiches lebte, blieb unbehelligt.

Buchcover Die MongolenGudrun Ziegler und Alexander Hogh haben als Begleitbuch zur zweiteiligen ZDF–Dokumentation am vergangenen und am kommenden Sonntag im Theiss Verlag den Band Die Mongolen herausgegeben. Auf 160 Seiten wird darin die Herausbildung des mongolischen Reiches unter Dschingis Khan beschrieben, die für die damaligen Zeitgenossen offensichtlich faszinierende Hauptstadt Karakorum vorgestellt und der Alltag in der mongolischen Steppe damals und heute ausführlich behandelt.

Die Mongolen waren nicht die ersten Reiternomaden, die aus den weiten Steppen Asiens gegen China und nach Europa zogen. Der Einfall der Hunnen während der spätrömischen Völkerwanderungszeit ist nur eine der vielen Wanderungsbewegungen, die es in den vergangenen Jahrtausenden gegeben haben muß. Die Mongolen haben jedoch mehr Eindruck als alle anderen Wanderungs–, Raub– und Eroberungszüge hinterlassen. Dschingis Khan war nicht nur ein mächtiger Herrscher eines gewaltigen und nach außen auch gewaltförmigen Reiches, er war auch ein Staatsmann, der versuchte, das Riesenreich von den ukrainischen Steppen bis zum Pazifik zusammenzuhalten.

Wenn wir der sogenannten Geheimen Geschichte der Mongolen Glauben schenken wollen, dann besteht der Erfolg des späteren Mongolenkhans aus Entbehrungen und Verfolgungen einerseits und einer zielstrebigen Persönlichkeit andererseits. In langen Stammesfehden setzt er sich schließlich durch, einigt die mongolischen Stämme und zieht mit ihnen gegen einen äußeren Feind. Mit Kriegen nach außen lassen sich oftmals innere Konflikte kanalisieren, und offensichtlich funktionierte dies zumindest eine Zeitlang auch hier. Doch schon eine Generation später streiten die Nachfolger des Khans um ihren Anteil am Riesenreich, das schließlich in vier Teile zerfällt.

1206 läßt sich Dschingis Khan zum Herrscher aller Mongolen ausrufen, fünf Jahre später greift er China an. Als er 1215 Peking erobern kann, fällt ihm der chinesische Staatsschatz in die Hände. 1223 wird ein russisches Heer geschlagen, doch 1227 stirbt der Großkhan. Er hinterläßt ein Großreich, miteinander zerstrittene Söhne und den Plan für eine neue glanzvolle Hauptstadt: Karakorum. Diese Stadt sollte rund 500 Kilometer von den mongolischen Stammgebieten entfernt erbaut werden. Das Tal, in dem sie liegt, gilt als Wiege vieler Herrschaftsgebiete früherer Reiternomaden. Hier wird die Seidenstraße kontrolliert und profitabel abgeschöpft. Zudem benötigt ein Großreich eine gewisse Bürokratie, und diese ist nicht aus der Steppe zu kontrollieren.

Die europäischen Potentaten staunten nicht schlecht, als sie mit den Mongolen aneinandergerieten. Die damaligen Ritterheere waren viel zu schwerfällig, um es mit der straff organisierten mongolischen Reiterei aufzunehmen. Nur durch ein Wunder entkam Europa 1241 einem weiteren Massaker. Ein schon mehrfach siegreiches Mongolenheer trat urplötzlich den Rückzug an; der Großkhan war gestorben. Die Nachfolge und die damit verbundenen Erbfolgekriege waren wichtiger als ein paar zusätzliche europäische Schätze und Sklavinnen.

Die europäischen Herrscher mitsamt dem Papst dachten jedoch angesichts der verlustreichen Kämpfe im Heiligen Land an eine Allianz mit dem fernen Khan. So schickten sie mehrfach Gesandte ins ferne Karakorum, etwa den Franziskanermönch Giovanni de Plano Carpini oder seinen Ordensbruder Wilhelm von Rubruk. Der Khan mag nicht schlecht gestaunt haben, als fremde Europäer mit ihm ein Bündnis gegen die islamischen Herrscher Persiens, Syriens und Ägyptens eingehen wollten. Die Gastgeschenke verstand er als Unterwerfungserklärung und forderte folglich, daß der französische König wie der Papst zur Huldigung bei ihm erscheinen sollten. Bei allem diplomatischen Geschick hatten die Gesandten jedoch ein Problem mit den für sie heidnischen Gebräuchen der Mongolen. Ihre Hoffnung, diese würden begeistert das Christentum annehmen, war natürlich nur aufgeblasene europäische Arroganz.

Der berühmteste europäische Reisende zu den Mongolen ist natürlich Marco Polo. Er traf den Mongolenkhan Kublai zu einem Zeitpunkt, als dieser China vollständig unterworfen hatte. Sein Bericht über seinen langen Aufenthalt im fernen Osten wurde zunächst als Aufschneiderei gedeutet; aber etwas muß hängengeblieben sein, denn es motivierte die europäischen Conquistadoren des 15. Jahrhunderts dazu, den Weg nach China zu suchen. Natürlich waren es nicht so edle Motive wie Forschungsgeist und Neugier, sondern der Profit, der sich aus einer Mischung aus Beutezug und Handel erwirtschaften ließ.

Ein weiteres Kapitel des Bandes über die Mongolen beschreibt den Alltag in der Steppe. Überhaupt gibt sich der Band große Mühe, festgefahrenen Vorurteilen zu begegnen und den Blick für die Weite zu öffnen. Dabei ist das Märchen vom rohen Fleisch, das auf dem Rücken der Pferde mürbe geritten wird, noch eines der harmlosesten. Es sind auch hier die Frauen, welche nicht nur die sozialen Beziehungen zusammenhalten, sondern auch diejenigen, an denen der größte Teil der Arbeit hängenbleibt. Für idyllische Gedanken über ein Volk inmitten (oder gar im Einklang mit der) der Natur ist hier kein Platz. Die Arbeit ist hart und monoton. Nicht wie am Fließband oder wie in der Mühle unerfüllbarer Anforderungen einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft, aber auch nicht besser.

Wer mehr über die Mongolen, ihre Geschichte, Kultur und ihr Alltagsleben erfahren möchte, ist mit diesem Buch gut beraten. Hingewiesen sei noch auf die Ausstellung »Dschingis Khan und seine Erben« in der Bonner Kunst– und Ausstellungshalle [8]. Das Begleitbuch zur ZDF–Dokumentation über Die Mongolen von Gudrun Ziegler und Alexander Hogh ist im Theiss Verlag zum Einführungspreis von 24 Euro 90 erschienen.

 

Darmstädter Lokalkolorit

Am Dienstag wird die Stadtverordenetenversammlung erneut über die Oetinger Villa beraten. Die Stadtverordnetenversammlung hatte auf ihrer letzten Sitzung Ende April beschlossen, daß sowohl für das Deutsche Polen–Institut als auch für das Jugend– und Kulturzentrum Oetinger Villa gleichermaßen nach Alternativen gesucht werden solle. Zwei Wochen später war der Beschluß des Stadtparlaments Makulatur. Der Kulturausschuß wie auch der Magistrat haben sich darüber hinweggesetzt. Wenn schon der Beschluß des gewählten Souveräns nichts wert ist, dann darf sich keine und niemand wundern, wenn die Wahlbeteiligung an einer derartigen Farce unter 50 Prozent liegt.

Außer warmen Worten haben die Menschen in der Oetinger Villa bis heute nichts erhalten. Deshalb werden sie ihr Anliegen in die Stadtverordnetenversammlung hineintragen, die am morgigen Dienstag stattfindet, wenn ihr meine Sendung live hört, oder am heutigen Dienstag, wenn ihr die Wiederholung hört. Der Beginn der Sitzung des Stadtparlaments ist um 14 Uhr 30.

Die Stadtverordnetenfraktion Offenes Darmstadt hat einen Änderungsantrag eingebracht, der verhindern soll, daß die Projekte des Jugend– und Kulturzentrums Oetinger Villa womöglich auf mehrere Standorte verteilt werden soll. Es wird der Stadt sicher schwer fallen, ein geeignetes Ersatzobjekt zu finden. Doch es wird ihr genauso sicher leicht fallen, den Jugendlichen aus der Villa das zuzumuten, was sich für das Deutsche Polen–Institut als untragbar herausgestellt hat, nämlich die Aufteilung auf zwei Gebäude. Deshalb heißt es im Antrag von Offenes Darmstadt weiter, daß die Jugendlichen in der Villa bleiben werden, falls auch nach zweijähriger Suche kein geeignetes Ersatzobjekt gefunden werden konnte.

Ich glaube nicht, daß ich zuviel verrate, wenn ich voraussage, daß dieser Antrag selbstverständlich nicht durchkommen wird. Was das im Umkehrschluß bedeutet, ist klar: kein Ersatzraum heißt eben – Pech gehabt. Woran sich zeigt, daß Jugendkultur nur dann etwas zählt, wenn sie sich profitabel als Standortfaktor vermarkten läßt, wie etwa das grölend laute und von unzähligen Glasscherben begleitete Schloßgrabenfest. Radfahrerinnen und Radfahrer sollten daher bis auf weiteres die Innenstadt meiden.

 

Am Mittwoch wird die Veranstaltungsreihe Rechte Ideologien und Netzwerke in der BRD des AStA der TU Darmstadt fortgesetzt. Vorgesehen ist ein Vortrag über die Rolle der ziemlich weit rechts stehenden Wochenzeitung Junge Freiheit. Die Veranstalterinnen und Veranstalter schreiben hierzu:

Häufig wird die Wochenzeitung Junge Freiheit fälschlicherweise als "konservativ" oder "umstritten" dargestellt. Diese verharmlosende Wahrnehmung verkennt den zutiefst rechtsextremen Charakter dieser Zeitung. Im Vortrag soll geklärt werden, daß die Junge Freiheit nach wie vor in der Tradition des völkischen Nationalismus steht, was anhand der Anzeigenkundschaft, der Zusammensetzung der Autorinnen– und Autorenschaft wie auch der Auswahl der Themenschwerpunkte der Zeitung gut zu erkennen ist. Die sogenannten "geistigen Ausrutscher" sind schlicht das Programm der Zeitschrift. Der Vortrag findet am Mittwochabend um 19 Uhr in Raum 204 im alten Hauptgebäude der TU Darmstadt statt. [9]

 

Schluß

Jingle Alltag und Geschichte –

heute mit der Vorstellung eines Buchs über den Fußball–Europapokal, eines über hethitische Felsreliefs und eines über die Mongolen. Hier noch einmal die bibliographischen Daten:

Von Ulrich Hesse–Lichtenberger stammt der Band Flutlicht & Schatten über die Geschichte des Europapokals. Dieses 479 Seiten starke Werk ist im Verlag Die Werkstatt erschienen und kostet 24 Euro 90.

Horst Ehringhaus schrieb das im Verlag Philipp von Zabern herausgebrachte Buch Götter Herrscher Inschriften. Auf 124 großformatigen Seiten gibt er einen reich bebilderten Überblick über die Felsreliefs der hethitischen Großreichszeit in der heutigen Türkei. Dieser Band kostet 37 Euro 90.

Schließlich das im Theiss Verlag herausgegebene Buch von Gudrun Ziegler und Alexander Hogh über Die Mongolen. Dieses Begleitbuch zur zweiteiligen ZDF–Dokumentation ist für 24 Euro 90 erhältlich.

Diese Sendung wird in der Nacht von Montag auf Dienstag um 23 Uhr, sowie am Dienstagmorgen nach dem Radiowecker um 8 Uhr und noch einmal am Dienstagnachmittag um 14 Uhr wiederholt. Das Sendemanuskript zur Sendung wird den nächsten Tagen auf meiner Homepage zur Verfügung stehen: www.waltpolitik.de. Am kommenden Montag werden Cornelia Roch und Monika Kanzler–Sackreuther aus der Redaktion Gegen das Vergessen auf diesem Sendeplatz zu hören sein. Im Anschluß an diese Sendung gibt es ein Offenes Haus der Kulturredaktion von Radio Darmstadt mit dem Arbeitstitel Atelier, moderiert von Georg Platzer. Am Mikrofon für die Redaktion Alltag und Geschichte war Walter Kuhl.

 

 

ANMERKUNGEN

 

[1]   Profact Pressedienst vom 26. Mai 2005: "PK der Initiative 3000 am 27. Mai in Berlin". Diese obskure Einladung veranlaßte mich zu der provokativen Replik: "Ist das Ihr Ernst? Wird in Deutschland auch gedacht?" Achim Imlau vom Profact Pressedienst antwortete noch am 26. Mai:

Ihre Reaktion kann ich absolut nachvollziehen – aber wer die Räumlichkeiten der Bundespressekonferenz anmietet, ist zumindest eine "interessante" Persönlichkeit (mit Doktor–Titel und eingetragenem Verein). Mit Form und Inhalt der Einladung haben wir (zum Glück) nichts zu tun …

Und dann will es keiner gewesen sein und keine hat's geseh'n. Ich habe dennoch nachgeschaut und bin dabei auf eine Seite gestoßen, welche sich mit dem umtriebigen Emanuel Schiffgens und dem Maharishi–Kult beschäftigt: www.agpf.de/TM–CostaRica.htm. Daß allerdings ausgerechnet die deutsche Nation dafür berühmt sein soll, Leben zu schützen, kann nur behaupten, wer die Geschichte des 20. Jahrhunderts und den von Deutschen begangenen Holocaust ignoriert.

[2]   dpa und der sport informationsdienst berichteten über britische Buchmacher, die sich zur Halbzeit auf einen fetten Gewinn gefreut hatten und bei Spielende eine zweistellige Pfundsumme ausbezahlen mußten. Die Quote für den Champions League–Gewinn durch den FC–Liverpool lag bei lukrativen 80:1. Quelle: Darmstädter Echo vom 27. Mai 2005.
[3]   Das Auftreten der deutschen Nationalmannschaft bei beiden Europameisterschaften war doch peinlich, oder? Also – mir hat's gefallen!
[4]   Ähnlich erging es dem international viertklassigen Team von Saudi–Arabien im ersten Gruppenspiel der Fußball–Weltmeisterschaft 2004. Aus dieser kurzen Machtdemonstration entwickelte die deutsche Nationalmannschaft ihren ziemlich rumpelhaften Lauf und schaffte es damit bis ins Finale. Dort wartete jedoch ein erstklassiger Gegner, der sich durch solche Mätzchen nicht beeindrucken ließ.

[5]   Ulrich Hesse–Lichtenberger : Flutlicht & Schatten, Seite 333–337. Er schreibt auf Seite 336:

Die derzeit populärste Erklärung für Marseilles dummen Bestechungsversuch besagt, dass Spieler von Valenciennes dafür Geld bekamen, dass sie die Gesundheit ihrer Gegner nicht gefährdeten. Das klingt lächerlich. Was nutzen zwei oder drei bestochene Kicker, wenn die anderen grätschen, wie sie wollen? Und warum trat Marseille an Stürmer heran, nicht an Verteidiger? (Übrigens verletzte sich tatsächlich jemand: der korrupte Robert musste nach 24 Minuten ausscheiden.) So unangenehm es sein mag: es gibt viele Leute, die der Meinung sind, dass sich nur eine plausible Theorie für den versuchten Deal von Valenciennes denken lässt: Marseille verhielt sich einfach wie immer. Wenn das stimmt, dann liegt auch ein Schatten auf Olympiques Europacup–Saison und dem Finale vom 26. Mai 1993 in München.

Allerdings zieht der Autor nicht den noch beunruhigenderen Schluß: Falls Olympique Marseille sich tatsächlich wie immer verhalten haben sollte, dann müßte das doch aufgefallen sein. So viele Bestechungsversuche können doch nicht verborgen bleiben. Woraus nicht etwa folgt, daß damit die Unbestechlichkeit bewiesen sei, sondern im Gegenteil: Bestechung gehört zum Geschäft. Wo so viele Millionen Euro im Spiel sind, wäre es auch höchst verwunderlich, wenn alles mit rechten Dingen zuginge.

[6]   Kurt Röthlisberger wurde 1997 von der UEFA lebenslang gesperrt, weil er vor dem Champions League–Spiel Grasshopper Zürich gegen den AJ Auxerre am 30. Oktober 1996 angeboten haben soll, den mit ihm befreundeten weißrussischen Schiedsrichter Wadim Tschuk zu bestechen. Daß hier wieder eine französische Mannschaft beteiligt war, ist garantiert Zufall. Siehe hierzu auch das Textarchiv von Berlin Online vom 1. April 1997 oder, auch pikant: "Röthlisberger beschuldigt Bayern" vom 14. April 1997.
[7]   Wir lästerten damals über diese ins Seitenaus gekickten Bälle. Offensichtlich gab es eine Sonderprämie für jede hierdurch erzwungene Spielunterbrechung. Wir waren noch nicht verdorben genug, um uns Gedanken über ganz andere Prämien zu machen.
[8]   Die Ausstellung Dschingis Khan und seine Erben ist vom 16. Juni bis zum 25. September 2005 in der Kunst– und Ausstellungshalle Bonn zu sehen.
[9]   Originaltext zur Veranstaltungsreihe der besseren Lesbarkeit wegen leicht gekürzt und überarbeitet.

 

 

Diese Seite wurde zuletzt am 5. Juni 2005 aktualisiert.
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