Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte
Radio: Radio Darmstadt
Redaktion und Moderation: Walter Kuhl
Ausstrahlung am:
Mittwoch, 29. April 2009, 19.00 bis 21.00 Uhr
Wiederholt:
Donnerstag, 30. April 2009, 01.00 bis 03.00 Uhr
Donnerstag, 30. April 2009, 10.00 bis 12.00 Uhr
Zusammenfassung:
Das Alltag und Geschichte Magazin enthielt einen Vortrag von Winfried Wolf über die Finanz- und Wirtschaftskrise, ein Interview mit Christian Frings über deren historische Einordnung, zwei Rezensionen zu Pollen und Fußball, sowie die Kritik einer Filmkritik. Der Titel der Sendung verweist auf die besprochenen Pollen und das Fußballbuch, wenn der Ball rollt.
Besprochene Zeitschrift und besprochenes Buch:
Playlist:
Siouxsie and the Banshees : Switch
Jingle Alltag und Geschichte
In den beiden folgenden Stunden hört ihr das Alltag und Geschichte Magazin mit folgenden Beiträgen.
Am 10. Dezember 2008 sprach der marxistische Ökonom Winfried Wolf in Karlsruhe über den Versuch, die Finanz- und Wirtschaftskrise durch Care-Pakete für das Kapital wenn schon nicht zu lösen, dann doch einzudämmen. Selbstverständlich bekommen Hartz IV-Empfängerinnen und ´Rentner kein derartiges Care-Paket. Die Hunderte von Milliarden Euro, mit denen dort herumjongliert wird, würden uns allen zu einem sorgenfreien Leben reichen. Denn wir benötigen keine Bankrotteursbanken, nicht noch mehr Autos und auch keine Konjunkturpakete, mit denen die Umverteilung von Arm nach Reich noch besser geschmiert wird. Und dabei geht es uns ja noch vergleichsweise gut.
Der größere Teil der Menschen, der nicht einmal eine Sozialversicherung kennt, wird die Folgen dieser Krise noch ganz anders zu spüren bekommen. Neben verstärkter Ausbeutung der Menschen und Ausplünderung der Ressourcen dürften mit westlicher Waffenhilfe angefachte Kriege und Konflikte auch im 21. Jahrhundert zum zivilisatorischen Standard gehören. Da paßt es doch gut, wenn die deutsche Wirtschaft vermelden kann, so gut wie schon lange nicht mehr die Waffen für das allgemeine Morden zur Verfügung gestellt zu haben.
Innerhalb von fünf Jahren stiegen deutsche Rüstungsexporte um 70 Prozent, so daß der globale Anteil am Rüstungsgeschäft jetzt bei zehn Prozent liegt. Nur noch Russen und US-Amerikaner sind den deutschen Qualitätsprodukten einen Schritt voraus. Wenn das kein Grund zum Feiern ist! Ein halbes Jahrhundert nach dem letzten verlorenen Krieg sind deutsche Waffen gefragter denn je. Bei so viel Erfolg wäre es doch wohl angesagt, Opel und die anderen krisengeschüttelteten Autobauer verstärkt auf Kriegsdividende zu setzen. Für den Meister aus Deutschland gibt es eben immer etwas zu tun. [1]
Also, so wie ich das sehe, wäre das beste Konjunkturpaket jetzt das, welches die darbende deutsche Wirtschaft bei der Herstellung und beim Vertrieb von noch mehr Kriegsgerät fördert. Der Bedarf scheint ja gegeben zu sein. Und, Hand aufs Herz, wer versteht sich aufgrund seiner Erfahrungen im 20. Jahrhundert besser auf die Technologie des Massenmords als deutsche Wertarbeit? Zu allem benötigen wir nur noch ein Fernsehprogramm, das uns die Eskalation der Gewalt in werbewirksamen Bildern zeigt, und dann seine Korrespondenten hinzufügen läßt, daß keine und niemand so recht versteht, wie es dazu habe kommen können. Haben wir schon? Umso besser! Es geht eben nichts über deutschen Qualitätsjournalismus, vor allem wenn er deutsche Waffenexporte durch eine angemessene Sprachregelung unterstützt. Wir wollen ja keine Vaterlandsverräter sein und die Interessen der deutschen Wirtschaft sabotieren.
Doch zurück zum heutigen Magazin. Der Vortrag von Winfried Wolf wird etwa 80 Minuten ausfüllen. Daran anschließend werde ich einen Beitrag von Radio Z aus Nürnberg einspielen. Michael Liebler sprach mit Christian Frings darüber, ob die Krise schwerer wird, als wir sie uns vorstellen mögen, und warum das so sein könnte. Zum Schluß werde ich einige Veranstaltungshinweise geben und eine archäologische Zeitschrift und ein Buch über brasilianischen Fußball vorstellen.
Am Mikrofon für die Redaktion Alltag und Geschichte ist Walter Kuhl von der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.
Doch zunächst hört ihr – ungekürzt – den Vortrag, den Winfried Wolf im Dezember 2008 im ver.di-Haus in Karlsruhe gehalten hat. [Sollte eigentlich über den nebenstehenden Player anzuhören sein, ist es aber nicht. Ihr müßt hierzu den Link zum Vortrag aufrufen und dort die Audiodatei mit Winamp oder iTunes anhören. Die MP3-Datei scheint eine Macke zu haben, mit der nicht alle Player klarkommen.]
Jingle Alltag und Geschichte
Ihr hörtet als ersten Beitrag im heutigen Alltag und Geschichte Magazin einen Vortrag von Winfried Wolf über die Care-Pakete für das Kapital und über denkbare Alternativen. Winfried Wolf ist Mitherausgeber der ökonomiekritischen Zeitschrift Lunapark21, die zu einem Bruchteil des Preises der Milliardenpakete sinnvolle Einsichten in das Wesen des vorherrschenden Wahnsinns liefert. Mehr hierzu könnt ihr auf der Webseite des Projekts finden, nämlich www.lunapark21.de, oder ihr geht in den Georg-Büchner-Buchladen und fragt nach dem aktuellen Heft.
Einen etwas anderen Blick auf die Wirtschaftskrise vermittelt Christian Frings [2]. Er versucht im Gespräch mit Michael Liebler von Radio Z eine Bestandsaufnahme, wo das Kapital in seiner rund 500-jährigen Ausbeutergeschichte angelangt ist. [Anzuhören über den nebenstehenden Player.]
Besprechung von : Archäologie in Deutschland, Heft 2/2009, März-April 2009, 81 Seiten, € 9,95
Schon mal etwas von Archäopalynologie gehört? Klingt zungenbrecherisch griechisch, bedeutet jedoch etwas Nützliches. Bei der Archäopalynologie handelt es sich um ein Teilgebiet der Wissenschaft, das sich auf die Suche nach Pollen und Sporen begibt, um mit diesen historische, insbesondere archäologische Fragestellungen zu klären. Diese mit dem Mikroskop zu suchenden Pollen und Sporen verhelfen dazu, die Lebensumstände und Umweltbedingungen früherer Zeiten besser einschätzen zu können. Statistisch aufbereitet, verraten uns diese Pflanzenreste einiges über die in einem bestimmtem Zeitraum vorkommende oder vorherrschende Vegetation und Landnutzung. Und genau davon handelt schwerpunktmäßig die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Archäologie in Deutschland.
So läßt sich bestimmen, wann in einer bestimmten Landschaft eher Wälder, Weiden oder Äcker anzutreffen waren. Insbesondere anhand der Auswertung konservierten Stallmistes lassen sich interessante Einblicke über Nutzpflanzen und Küchenabfälle gewinnen. So unscheinbar Pollenkörner bei einer Ausgrabung sind, so informativ sind sie hinsichtlich der Erforschung des täglichen Lebens. Betrachten wir beispielsweise prähistorische Gefäße, so verrät uns der unter bestimmten Bedingungen erhaltene Blütenstaub etwas darüber, wie Bier und Wein hergestellt und getrunken wurden.
Etwas unappetitlicher ist die Untersuchung mittelalterlicher oder frühneuzeitlicher Latrinen. Hier sorgt eine feuchte Umgebung unter Luftabschluß für gute Erhaltungsbedingungen von Keramik, Glas und auch Leder- und Holzobjekten. Nun können wir uns fragen, was dies in einer Latrine zu suchen hat, aber wir sollten hierzu vielleicht einfach einmal heutige mit der Reinigung der Kanalisation Beschäftigten fragen, was so alles von Privathaushalten heruntergespült wird. Selbstverständlich können so auch Pollen aufgefunden werden, mit denen die Ernährung der Nutzerinnen und Nutzer der Latrinen rekonstruiert werden kann. So bestanden die Grundnahrungsmittel der mittelalterlichen Bevölkerung aus grob geschrotetem schweren Roggenbrot und aus geschroteter oder gequetschter Getreidegrütze.
Weiterhin lassen sich mittels Pollen aus Brunnen und Viehtränken Aussagen zur Landschaftsnutzung treffen. Von natürlicher Umwelt zu reden, wäre schon vor dreitausend Jahren reichlich übertrieben. Offensichtlich wechselte die Bodennutzung im Laufe der Jahrhunderte, so daß die „Natur“ mal aus Wäldern, Heideflächen oder Wiesen und Äckern bestand. Schon früh griff der Mensch nachhaltig ins Ökosystem ein. Insofern können wir uns zuweilen durchaus fragen, ob Naturschutzgebiete eine natürliche oder menschengemachte Umwelt schützen sollen.
Weitere Aufsätze der Märzausgabe von Archäologie in Deutschland befassen sich mit Metallschätzen aus dem Saalegebiet, römischen Luxusvillen, den Megalithgräbern der Romantik und der frühesten Besiedlung des amerikanischen Doppelkontinents. Das Einzelheft ist für 9 Euro 95 im Buch- und Zeitschriftenhandel oder direkt über den Theiss Verlag in Stuttgart erhältlich.
Besprechung von : Martin Curi – Friedenreich, Verlag Die Werkstatt 2009, 123 Seiten, € 16,90
1.329 Tore soll er geschossen haben, der weithin unbekannte brasilianische Fußballspieler Arthur Friedenreich. Auch wenn es für diese Zahl keinen ausreichenden Beleg gibt, so stellt uns Martin Curi in seinem kleinen Band über den vergessenen Star der Anfänge des Fußballs einen Sportler vor, der auf verschiedene Weise zwischen den Welten gewandert und vielleicht nirgends richtig heimisch geworden ist.
Arthur (auch: Artur) Friedenreich war der Sohn eines deutschen Einwanderers und einer ehemaligen Sklavin. Die offizielle Befreiung der Sklavinnen und Sklaven datierte in Brasilien auf das Jahr 1888, doch bis heute leben Menschen in den Slums, in den abgeholzten Regenwäldern oder Rinderfarmen unter sklavenähnlichen Bedingungen. Während bis 1888 die Hautfarbe entscheidend war, so ist es heute eher der soziale Status.
Fußball war in Brasilien ein Importprodukt. Englische, aber auch deutsche Kaufleute und ihr Personal betrieben zunächst in ihren elitären Zirkeln den Zeitvertreib ihrer Heimat. Irgendwann kam auch der Fußball ins Spiel, der schon in England zunächst der gesittete und geregelte Sport der Sprößlinge der Bourgeoisie und Aristokratie gewesen ist. Man blieb unter sich, und da Arthur Friedenreich der Sohn eines Mitglieds dieser Zirkel war, erhielt auch er Zugang zum (noch) elitären Sport.
Doch auch in Brasilien verbreitete sich dieser Sport in Kreise, welche möglichst davon ausgeschlossen werden sollten. Arthur spielte nicht nur in den entstehenden Vereinen der lokalen Eliten, sondern auch in den Flußauen von Sao Paulo, und das scheint seiner fußballerischen Entwicklung gut bekommen zu sein. Dennoch beklagte er sich später über die Mitglieder des deutschen Klubs, die sich ihm gegenüber verstellt haben sollen.
Der 1892 geborene Arthur Friedenreich interessierte sich wenig für seine Schullaufbahn und mehr für das Spiel mit dem Ball. Als er 1909 in den SC Germania aufgenommen wurde, war nur in Ansätzen sein Talent zu erkennen. Gegen die robusten deutschen Jungs hatte der eher schmale Arthur gewisse Standprobleme. Seine eher filigrane Spielweise kam nicht zur Geltung. Erst drei Jahre später, mit einem anderen Verein, machte er mit seinen Toren auf sich aufmerksam. Erst nachdem er zum elitären Klub Athletico Paulistano gewechselt war, etablierte er sich als der beste brasilianische Spieler seiner Zeit. Er gilt als Erfinder des Effetschusses und praktizierte ein erfolgreiches Kurzpaßspiel.
Allerdings muß hinzugefügt werden, daß der brasilianische Fußball noch in seinen Kinderschuhen steckte. Meisterschaften wurden auf regionaler Ebene ausgetragen. Nicht immer schaffte er es, in regionale Auswahlmannschaften und die Nationalelf berufen zu werden. 1921 sorgte der brasilianische Präsident dafür, daß nur weiße Spiele zur Südamerikameisterschaft nach Argentinien reisen durften. 1930 nominierte der brasilianische Fußballverband nur Spieler aus Rio de Janeiro für die erste Weltmeisterschaft in Uruguay.
Dennoch hinterließ Arthur Friedenreich deutliche Ausrufezeichen. Auf einer Einladungstournee durch Frankreich im Jahr 1925 feierte ihn die Presse als „König der Könige“ und seine Mannschaft als „Könige des Fußballs“. Wenn wir bedenken, daß die Nationalmannschaft Uruguays 1924 und 1928 eindrucksvoll das olympische Turnier gewann und 1930 Fußballweltmeister wurde, und Argentiniens Elf kaum schwächer war, dann bedeutet dies ein ungemeines Kompliment. Schon damals war Südamerika das Nonplusultra des Fußballs, nur die Engländer waren zu arrogant, das auch zuzugestehen.
Der einzigen internationalen Titel, den Arthur Friedenreich erringen konnte, war der Gewinn der Südamerikameisterschaft 1919. Erstmals trat Brasilien aus dem Schatten hervor; und der entscheidende Schütze im Entscheidungsspiel hieß in der zweiten Verlängerung … Arthur Friedenreich. Die unterlegene Mannschaft Uruguays war von seinen Fähigkeiten am Ball derart beeindruckt, daß sie ihm eine Urkunde überreichte, die ihn als „Tiger des Fußballs“ lobte. Das waren noch Zeiten. Ohnehin war es die Zeit einer erst in den Ansätzen befindlichen Professionalisierung, die sich erst nach harten Kämpfen durchsetzen konnte.
Wie im damaligen Deutschland wurde der Amateurismus hochgehalten, wie auch hier wurde unter der Hand den Spielern Geld zugesteckt. Allerdings hatte der Amateurismus einen handfesten Grund. Die Eliten, die sich den Sport in ihrer Freizeit leisten konnten, wollten unter sich bleiben. Spieler, die zum Lebensunterhalt auf das Geld angewiesen waren, also die ausgebeuteten Klassen, sollten draußen bleiben. Auf die Dauer ließ sich das nicht durchhalten. Doch die Spieler, die so einen kargen Lohn erhielten, wurden mit Verweis auf den offiziellen Amateurstatus knapp gehalten. Arthur Friedenreich, obwohl Mulatte und damit eigentlich auf der proletarischen Seite, war durch seine halbdeutsche Herkunft auch finanziell privilegiert genug, um offiziell als Amateur durchzugehen.
Martin Curis 123-seitige Biografie eines Ausnahmefußballers gibt uns nicht nur fachkundig soziologische Hintergrundinformationen. Zudem erklärt er uns auch, weshalb der Name Arthur Friedenreich nur Eingeweihten bekannt ist. Sein Buch will das ändern. Auch wenn die 1.239 (oder als Zahlendreher 1.329, beide Zahlen werden offiziell genannt) Tore wohl eher eine Legende sind. Es ist im Verlag Die Werkstatt zum Preis von 16 Euro 90 erschienen.
Zum Schluß hätte ich noch einige Veranstaltungshinweise.
Daß am Freitag der 1. Mai ist, muß ich nicht betonen. Ob ihr ab 10 Uhr lieber durch Darmstadts Straßen spaziert oder nachmittags, womöglich im Regen, durch Darmstadts Wälder, das müßt ihr schon selbst entscheiden. Ab 14 Uhr feiern in der Oetinger Villa Migrantinnen und Migranten, und sie wollen dabei durchaus nicht unter sich bleiben.
Eine Woche später, am 8. Mai, liest im Gernsheimer Museum Robert Gordian aus seinem Buch zur Varusschlacht „Die Germanin“. Sein Roman, so der Verlag Philipp von Zabern, erzählt die Ereignisse aus germanischer und weiblicher Perspektive. Beginn ist um 19 Uhr 30.
Einen Tag später, am 9. Mai, liest Jutta Ditfurth aus ihrem neuen Buch „Zeit des Zorns“ im Frankfurter Stalburg-Theater in der Glauburgstraße 80. In ihrer Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft geht sie davon aus, daß der Kapitalismus wohl eher gestärkt aus der Weltwirtschaftskrise hervorgehen wird. Die opportunistische Politik der Linkspartei bzw. ihrer Vorgängerin PDS bekommt auch ihr Fett ab. Ihr Buch, das am 2. Mai erscheinen soll, werde ich in einer meiner nächsten Sendungen vorstellen. Beginn ist hier, wohl weil es ein Samstag ist, um 14 Uhr.
Für die Kinogängerinnen und -gänger unter euch könnte ich noch den Film Unbeugsam vorschlagen, der zur Zeit im Cinemaxx läuft. Es handelt sich hierbei um eine Hollywood-Adaption des Buchs von Nechama Tec über die Bielski-Partisanen, die während des 2. Weltkrieges im polnisch-weißrussischen Grenzgebiet mehr als 1.000 Jüdinnen und Juden vor der Vernichtung bewahrten. Die vielleicht wichtigste Aussage des Buchs wie des Films ist, daß Jüdinnen und Juden sich durchaus dafür entscheiden konnten, die deutschen Besatzer zu bekämpfen – und dies auch taten. Nun ist das, auch wenn es der Medienrummel um den Film suggeriert, keine neue Erkenntnis, aber vielleicht eine, die nicht sehr verbreitet ist. Ich könnte hier beispielsweise auf das Buch „Die Untergrundarmee“ von Chaika Grossmann verweisen.
Unverständlich ist mir die Besprechung des Films durch den RadaR-Kinogänger Peter F. in seiner Sendung Movietime [3] am vergangenen Mittwoch. Er bringt es tatsächlich fertig, sich ellenlang über die Schauspielerinnen und Schauspieler auszulassen und ihre Beteiligung an anderen Filmen zu erwähnen, als ob dies für diesen Film irgendeine Bedeutung hätte, außer vielleicht der, mit Namen den finanziellen Erfolg des Films sicherzustellen. Peter F. meint, der Film sei zu gut besetzt. Ich weiß nicht, ob das bedeuten soll, eine jüdische Geschichte habe schlecht besetzt zu sein, um glaubwürdig zu wirken, doch wirklich peinlich wird seine Besprechung dort, wo er eine Filmszene bespricht, die es gar nicht gibt. Er behauptet, jüdische Partisanen hätten bei einem Bauern Nahrungsmittel requiriert und diesen dabei ermordet. Und so resümiert er: „In diesem Film habe ich das Gefühl, daß die Juden nicht besser waren als die Nazis.“ [4]
Wenn ich nicht wüßte, daß Peter F. zu zuweilen sinnlosen Gedanken und Sätzen neigt [5], würde ich mich fragen, ob er nur das Gefühl hat, sie würden falsch dargestellt, oder ob sein Gefühl sein Innerstes nach außen trägt. Und damit ihr das selbst entscheiden könnt, spiele ich einfach einen Ausschnitt aus seiner Besprechung vom vergangenen Mittwoch ein. [Anzuhören über den nebenstehenden Player.]
Ich frage mich [mit Bezug auf den eingespielten Audiotake], wie viele Filme Herr F. über jüdischen Partisanenwiderstand kennt, „die diese Thematik besser verfilmt haben“. Vielleicht tue ich ihm ja Unrecht, aber sind es … null? Und diese null Filme sollen besser sein als „Unbeugsam“? Also, wenn ihr nichts Besseres vorhabt und euch eine – wie ich finde – überladen-dramatisierende Sounduntermalung nicht stört, dann könntet ihr am Donnerstag, Freitag, Samstag und Dienstag jeweils um halb elf ins Cinemaxx gehen und euch den Film selbst anschauen. Das Buch zum Film von Nechama Tec werde ich in einer meiner nächsten Sendungen vorstellen.
Jingle Alltag und Geschichte
In den beiden vergangenen Stunden hörtet ihr das Alltag und Geschichte Magazin mit einem Vortrag von Winfried Wolf über die Care-Pakete für das Kapital und einem Interview mit Christian Frings über die Schwere der anstehenden Weltwirtschaftskrise. Vielen Dank an die beiden freien Radios Querfunk in Karlsruhe und Radio Z in Nürnberg für die Möglichkeit, den Vortrag und das Interview ausstrahlen zu können.
Des weiteren hatte ich die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Archäologie in Deutschland für die Bedeutung von Pollen für das Verständnis der Lebenszusammenhänge früherer Zeiten und das Buch von Martin Curi über den brasilianischen Fußballspieler Arthur Friedenreich aus dem Verlag Die Werkstatt vorgestellt.
Ich danke der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt für ihre Unterstützung bei der Produktion dieser Sendung. Das Manuskript zu dieser Sendung findet ihr in den nächsten Tagen auf meiner Webseite: www.waltpolitik.de. Im Anschluß folgt eine Sendung der Kulturredaktion von Radio Darmstadt. Am Mikrofon war für die Redaktion Alltag und Geschichte Walter Kuhl von der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.
»» [1] Hannes Gamillscheg : Deutschland verkauft 70 Prozent mehr, in: Frankfurter Rundschau (online) am 27. April 2009. Grundlage: SIPRI.
»» [2] Dieser Beitrag wurde bei Radio Darmstadt schon tags zuvor im Offenen Haus durch Aurel Jahn ausgestrahlt. Aufgrund der inakzeptablen Produktionsvoraussetzungen durch das gegen mich ausgesprochene Hausverbot war es mir nicht mehr möglich, rechtzeitig einen anderen Beitrag einzuspielen. Da Radio Darmstadt sich jedoch ohnehin hin zu einem Retrosender entwickelt, in dem mangels frischer Ideen einfach alte Beiträge recycelt werden, fällt diese Dopplung wohl kaum auf.
»» [3] Interessanterweise findet sich auf der Webseite von Radio Darmstadt kein Eintrag zu dieser Sendung.
»» [4] Weshalb er meint, er würde sich mit seiner Filmkritik auf „Eis“ und nicht auf Glatteis begeben, ist mir nicht klar. Wenn er sein Gefühl wiedergibt, der Film stelle die Juden so dar, als wären sie nicht besser als die Nazis, dann wäre dies – soweit zutreffend – doch eigentlich eine berechtigte Kritik, die an den Film zu richten wäre. Er müßte demnach nicht sprachlich einen derartigen Eiertanz vollführen. Ich habe jedoch eher den Eindruck, daß Peter F. den Film nicht richtig verstanden hat. Vielleicht hat er auch nur Probleme damit, daß jüdische Partisanen deutsche Wehrmachtssoldaten und SS-Schergen töten. Oder er scheint ein Problem mit dieser als positiv dargestellten Darstellung im Film zu haben. Wenn er davon ausgeht, daß der Film die Ereignisse im wesentlichen korrekt darstellt, dann träfe die Kritik hingegen nicht den Film, sondern die Realität. Um nicht als antisemitisch zu erscheinen, zieht er sich dann vorsichtshalber auf sein Gefühl zurück. Was er hier wirklich meint, wird nicht deutlich. Was kritisiert er denn nun? Vielleicht sollte Peter F. besser weiterhin banale Mainstream-Filme besprechen, die keiner und niemandem wehtun und deren Anschauen zudem keine eigene politische Position erfordert.
»» [5] Beispiele: Am 22. August 2007 berichtet er von der Voyager-Mission der NASA. Dabei bringt er so ziemlich alles durcheinander und vermeldet nebenbei, daß die Energie der Sonden kaputt sei. Kaputte Energie, was mag das sein? Am 5. September 2007 stellte er einen Sprite Clip Battle auf eine Weise vor, die nur mühsam verständlich ist: „Sprite hat sich nämlich gedacht, ja gut, wir machen aus diesem Werbespot eine user generate content-Sache, also das heißt, daß verschiedene User sich ein Video zusammenbasteln können, um mit dieser Musik halt Sprite verkörpern soll. – Und weil jeder mitmachen kann, ist es ja eine user generate content Web 2.0. Also, jemand, der das weiß. Ok.“ Am 3. Oktober 2007 gibt er bei einer Wettervorausschau eine Temperaturangabe von 64 Grad zum Besten.
Diese Seite wurde zuletzt am 16. Mai 2009 aktualisiert. Links auf andere Webseiten bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. © Walter Kuhl 2001, 2009. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.
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