Geschichte

Noam Chomsky / Hethiter

 

 

SENDEMANUSKRIPT

 
Sendung :
Geschichte
Noam Chomsky / Hethiter
 
Redaktion und Moderation :
Walter Kuhl
 
gesendet auf :
Radio Darmstadt
 
Redaktion :
Alltag und Geschichte
 
gesendet am :
Dienstag, 5. März 2002, 18.05–19.00 Uhr
 
wiederholt am :
Mittwoch, 6. März 2002, 01.05–02.00 Uhr
Mittwoch, 6. März 2002, 09.05–10.00 Uhr
Mittwoch, 6. März 2002, 15.05–16.00 Uhr
 
 
Besprochene und benutzte Bücher :
  • Birgit Brandau und Hartmut Schickert : Hethiter   Die unbekannte Weltmacht, Piper Verlag
  • Noam Chomsky : Wirtschaft und Gewalt, zuKlampen! Verlag
  • Werner Cohn : Partners in Hate, Avukah Press
  • Die Hethiter und ihr Reich, Konrad Theiss Verlag
 
 
URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/herstory/ge_choms.htm
 
NAVIGATION
 Startseite Waltpolitik 
 Neues auf meiner Homepage 
 Stichwortsuche 
 Orientierung verloren? 
 Abstract in English 
   
SENDUNGEN
 Geschichte 
 Kapital – Verbrechen 
 Radiowecker – Beiträge 
 Specials 
 Tinderbox 
 Nächste Sendung 
 Vorherige Sendung 
 Nachfolgende Sendung 
   
SERVICE
 Besprochene Bücher 
 Sendemanuskripte 
 Veröffentlichungen 
 Bisheriges Feedback 
  Email an Walter Kuhl 
 Rechtlicher Hinweis 
   
LINKS
 Radio Darmstadt (RadaR) 
 Alltag und Geschichte 
 Radiowecker – Redaktion 
 Werner Cohn 
 zuKlampen! Verlag 
 Piper Verlag 
 Theiss Verlag 
   

 

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 : Einleitung
Kapitel 2 : Noam Chomsky – Wirtschaft und Gewalt
Kapitel 3 : Werner Cohn – Partners in Hate
Kapitel 4 : Die Hethiter und ihr Reich
Kapitel 5 : Schluß
Anmerkungen zum Sendemanuskript

 

Einleitung

Jingle Alltag und Geschichte

Aus dem (angeblichen) Freizeitpark Deutschland ist eine Quizshow-Gesellschaft geworden. Die Einschaltquoten bei Günther Jauch sinken zwar langsam, aber trotzdem schauen jede Woche Millionen Menschen pflichtschuldigst im Zeichen der Pisa-Studie in die Röhre, um ihr Allgemeinwissen aufzupäppeln oder zu sagen – siehste! das hätt' ich auch gewußt! Wir lernen dabei so wichtige Dinge wie den Namen von Handballvereinen kennen oder erfahren, wie das Drahtgeflecht eines Sektkorkens heißt.

Geschichte, Geographie, Showbusiness und ein bißchen Politik – doch nie erfahren wir, wieviele Millionen Kinder dieses Jahr verhungert sind oder welcher Kriegsverbrecher welchen Folterdiktaturen Waffen, Geld und logistische Hilfe geliefert hat. Auch wird nie danach gefragt, wieviele Menschen deutsche Konzerne letztes Jahr entlassen und wieviele Milliarden Mark sie dabei verdient haben; von den Toten auf Deutschlands Straßen oder der Zahl abgeschobener Migrantinnen ganz zu schweigen.

Ihr ahnt es schon – heute abend ist wieder Bildungsprogramm angesagt. Die wirklich wichtigen Fragen des Lebens werden bei Radio Darmstadt beantwortet. Für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt begrüßt euch Walter Kuhl.

 

Noam Chomsky – Wirtschaft und Gewalt

Doch vieles, was ich euch erzählen könnte, kann ich nur anreißen; zum Vertiefen gibt es ja dann auch mehr oder weniger gute Bücher. Zwei davon möchte ich euch heute abend vorstellen, eins davon ist der Begleitband zur derzeit in Bonn zu sehenden Hethiter-Ausstellung. Doch beginnen möchte ich mit einem Buch von Noam Chomsky, das letztes Jahr im zuKlampen! Verlag erschienen ist. Es heißt Wirtschaft und Gewalt und handelt vom Kolonialismus und der Neuen Weltordnung.

Die Originalversion dieses Buches erschien Anfang 1993 unter dem Titel Year 501: the Conquest Continues [also: im Jahr 501 geht die Eroberung weiter]. Das bezog sich natürlich auf die Ankunft von Christoph Kolumbus in der amerikanischen Welt, auf den fünfhundertsten Jahrestag der Entdeckung Amerikas, der im Oktober 1992 begangen wurde. Sie gehörte zu einer ganzen Reihe entscheidender Ereignisse, die Europa den Weg zur Eroberung der Welt bahnten. [...]
Die Leitmotive sind einfach und direkt; sie wurden von den politischen Führern der Welt gelegentlich mit aller Deutlichkeit vorgetragen. Als nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Weltordnung errichtet wurde, formulierte Winston Churchill die Lehren, die bei ihrer Durchsetzung zu beherzigen wären:
"... die Welt sollte von den saturierten Nationen regiert werden, die nicht mehr begehren, als sie bereits besitzen. Läge die Regierung der Welt in den Händen hungriger Nationen, gäbe es fortwährend Gefahr. Aber von uns hätte keiner irgendeinen Grund, mehr besitzen zu wollen. Dergestalt könnte der Friede von Völkern bewahrt werden, die auf ihre Weise leben und [die] nicht ehrgeizig sind. Unsere Macht hat uns über die anderen erhoben. Wir könnten uns verhalten wie reiche Männer, die auf ihrem eigenen Grund und Boden in Frieden leben."
Herrschaft auszuüben ist nicht nur das Recht der Reichen, sondern auch ihre Pflicht. [1]

Doch auch wenn das Buch von Noam Chomsky jetzt neun Jahre alt ist, so sind seine Inhalte – leider, muß ich sagen, nicht verstaubt, sondern hochaktuell. Sein Buch Wirtschaft und Gewalt ist oftmals von beißendem Sarkasmus durchtränkt (was mir zusagt), ohne dabei zynisch zu werden. Denn sein Thema sind die ideologischen Sprechblasen der imperialistischen Aggressoren und die daraus resultierende Praxis der Ausplünderung und des Völkermordes. Das einzige, was zuweilen stören mag, ist, wenn er zwischen einzelnen Beispielen hin- und herspringt.

Für mich gibt es einen Unterschied zwischen Sarkasmus und Zynismus, der nicht unwesentlich ist. In einer Welt voller Lügen und Lebenslügen ist Sarkasmus ein Mittel, ziemlich scharf auf den Widerspruch zwischen Anspruch und Realität, zwischen den erhabenen Motiven und ihrer Umsetzung in praktische Politik hinzuweisen. Mehr noch, es geht dabei darum, nicht nur immanent von den postulierten hehren Motiven auszugehen, sondern sie gleichzeitig als verlogene Ideologiekonstrukte darzustellen.

Zynismus hingegen ist die resignative Variante davon. Man kann ja doch nichts ändern. Politiker sind alle Verbrecher. Ist doch klar, daß es so ist. Das alles aber ohne den Anspruch und den Versuch einzugreifen. Emanzipatorisch einzugreifen natürlich. Denn es kann ja nicht darum gehen, es denen da oben einfach mal zu zeigen. Nein, mit einem zynischen Verhältnis zur Realität, den davon betroffenen Menschen und zu sich selbst ist keine emanzipatorische Politik zu machen. Zynismus ist Ausdruck von Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit.

Doch welche Hoffnungen gibt es dann angesichts einer Welt, in der ... und jetzt könnte ich die Verbrechen unserer kapitalistischen Leistungs- und Ausbeutungsgesellschaft hundertfach aufzählen. Wir kennen sie aber alle. Vielleicht nicht im Detail – da mag uns das Buch von Noam Chomsky mit seinen Beispielen weiterhelfen. Nur – was machen wir daraus? Eine Frage, die ich derzeit auch nicht beantworten kann. Allerdings weiß ich auch, daß dies nicht das Ende der Geschichte und schon gar nicht das Ende des Versuches ist, sich aus dieser Welt zu befreien.

Laßt mich daher zu meinen einleitenden Worten zurückkehren. Spielen wir doch einmal Wer wird Millionär? und befragen die Experten in dieser Frage, etwa Roland Koch oder Silke Lautenschläger:

Der ehemalige indonesische Diktator Suharto ist in den 60er Jahren an die Macht gekommen, nachdem, obwohl und weil er mehrere Hunderttausend angebliche oder echte Regimegegner hat foltern und umbringen lassen. Massenmord also in einer Dimension, von der Saddam Hussein, Slobodan Milosevic, Muammar al-Qaddafi oder Osama bin Laden noch viel lernen könnten. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl tat daher kurz vor seiner Abwahl 1998 folgendes:

  • A) er vertraute Suharto seine schwarzen Koffer an
  • B) er wollte nichts mit diesem Dikator zu tun haben
  • C) er setzte sich für einen NATO-Militäreinsatz zur Bewahrung der Menschenrechte ein
  • D) er besuchte Suharto und ging mit ihm freundschaftlich schwimmen.

Ihr könnt ja mal das Publikum befragen oder den Fifty/Fifty-Joker ziehen.

Das Problem der US-Außenpolitik, so Noam Chomsky, bestand schon seit den 40er Jahren darin, daß Indonesien als Sprungbrett nach Südostasien wie nach Australien eine starke, organisierte kommunistische Bewegung hatte. Indonesien wurde bis Mitte der 60er Jahre vom Nationalisten Sukarno regiert, den die USA mit Argwohn betrachteten. Die CIA und andere Regierungsstellen ermunterten das indonesische Militär mehrfach zu putschen. 1965 war es dann soweit. Selbst die CIA gibt zu, daß dabei 250.000 Menschen umgebracht wurden. Anschließend gab es von den USA verstärkte Wirtschaftshilfe.

Der damalige Verteidigungsminister und spätere Weltbankpräsident Robert McNamara kommentierte dies gegenüber Präsident Lyndon B. Johnson so: als besonders wertvoll habe sich hierbei ein Ausbildungsprogramm für indonesische Militärs an US-amerikanischen Universitäten erwiesen, wo sie das gelernt hätten, was sie dann in Indonesien so perfekt in die Praxis umgesetzt hätten. Das ist auch Zynismus, aber ein noch anderer, nämlich der Zynismus der Herrschenden. Die Opfer zählen nur noch als Witzelieferant.

Die New York Times berichtete dann auch ein Jahr nach dem Putsch über das größte öffentliche Ereignis in der Hauptstadt Jakarta: Indonesier gehen wieder in US-Filme. Berichtet wurde weiter über elegant gekleidete Indonesierinnen, die aus teuren Limousinen gestiegen seien – als Zeichen dafür, daß das Land die anti-amerikanische, pro-kommunistische Politik der gestürzten indonesischen Regierung zurückweise. [2]

Ähnlichkeiten zu den begeisterten Menschen in Kabul sind rein zufällig, vor allem deshalb, weil die Leichen durch US-Kampfbomber und Marines mit deutscher Hilfe woanders produziert werden, wo sie die Weltöffentlichkeit noch weniger zur Kenntnis nimmt als in Indonesien.

Doch Helmut Kohl hatte allen Grund, mit Suharto zu plauschen und baden zu gehen. Schließlich ließ der seine Truppen 1975 in das von Portugal aufgegebene Osttimor einmarschieren und richtete auch dort ein Blutbad an. Doch leider hat diese Geschichte noch eine andere Pointe. Der ehemalige US-Präsident Carter gibt sich gerne als Freund der Menschenrechte aus und stellt sich ebenso gerne auch einmal als Wahlbeobachter zur Verfügung. Er besitzt daher ein hohes moralisches Ansehen. Doch Chomsky ist nicht so vergeßlich wie andere. Er schreibt:

Carters tief empfundene Abneigung gegen das Kriegsverbrechen der Aggression zeigte sich [...] an seiner Reaktion auf Indonesiens Invasion in Osttimor. In diesem Falle wurde ein mörderischer Angriff auf die Bevölkerung nicht beendet [...]. Als die indonesische Gewaltanwendung 1978 [...] völkermordähnliche Ausmaße erreichte und die militärischen Ressourcen [Indonesiens] langsam zur Neige gingen, hob die Regierung Carter die Waffenlieferungen an den indonesischen Verbündeten drastisch an und schickte auch Flugzeuge [...]. [3]

Warum Carter so und nicht anders reagiert hat, wird deutlich, wenn wir bei Noam Chomsky die essentials der US-amerikanischen Außenpolitik nachlesen können. Nun handelt es sich meist um Beispiele vergangener Tage und spätestens nach dem zweifelhaften Wahlsieg von George W. Bush ist natürlich alles ganz anders geworden. Erst recht nach dem 11. September hat Bush von Joschka gelernt, was Menschenrechte sind; und Kriege führen die westlichen Mächte seither nur noch aus den lauteren Motiven, die ihnen Winston Churchill souffliert hat.

Apropos Churchill: Welches Mittel empfahl Winston Churchill gegen unzivilisierte Stämme wie Afghanen und Kurden?

  • A) Schulbildung
  • B) Wirtschaftshilfe
  • C) Giftgas
  • oder D) einen Kreuzzug?

Nun – 1988 hat Saddam Hussein im Sinne Winston Churchills mit deutschem Giftgas und US-amerikanischer Billigung in Halbja ein Massaker angerichtet, bei dem etwa 5000 Kurdinnen und Kurden umgebracht worden sind. Carla del Ponte [Chefanklägerin beim UN-Kriegsverbrechertribunal] wurde natürlich nicht tätig, weil hier die Komplizenschaft des Westens hätte mit thematisiert werden müssen.

Doch Noam Chomsky erläutert uns überzeugend, warum Saddam Hussein erst dann zum Problem geworden ist, als er die Spielregeln verletzt hat. Wer wann in welches Land einfällt und Regierungen stürzt, wird eben nicht in Bagdad, sondern in Washington entschieden. Insofern ist Bush jr. gerade auf dem besten Weg, das unvollendete Werk seines Vaters zu Ende zu bringen. Doch wie steht es in der Bibel: Du sollst keine anderen Terroristen neben dir dulden.

Die Stärke des Buches von Noam Chomsky liegt jedoch weniger in der historischen Darstellung der mehr oder meist weniger bekannten Massaker der USA in den letzten 200 Jahren; auch wenn wir hier noch einmal das zum Thema Menschenrechte rekapitulieren können, was wir vielleicht vor lauter Betroffenheit und positivem Denken vergessen haben mögen. Chomskys Darstellung läuft darauf hinaus, daß so ziemlich jede Regierung der Vereinigten Staaten, beginnend mit George Washington, vor der Haager Kriegsverbrechertribunal gehört hätte. Doch die Sieger schreiben die Geschichte und sie haben immer Recht. Das Recht des Stärkeren nämlich. Und so betrachtet Chomsky vor allem die Verlogenheit der Menschenrechtsrhetorik und mißt die US-amerikanische Politik sowohl an ihren Ansprüchen an die ewigen Wahrheiten als auch an ihren Forderungen anderen Staaten und Regierungen gegenüber.

So wenn Bush sr. zum 50. Jahrestag des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor von Japan eine Entschuldigung fordert und gleichzeitig von Vietnam eine Liste der paar hundert vermißten GI's, die mitgeholfen haben, das Land zu zerbomben, mit chemischen Kampfstoffen zu zerstören und drei Millionen Menschen umzubringen. Eine US-amerikanische Entschuldigung für diese Verbrechen wird es hingegen wohl nie geben. Warum auch?

Unter [dem so hoch angesehenen Präsidenten John F. Kennedy] verfeinerten sich die Methoden und Begriffe; der Präsident war für sein großes Interesse an der unkonventionellen Kriegsführung bekannt. US-Militärhandbücher und Antiterrorismus-Experten der damaligen Epoche befürworteten die Taktik, sorgfältig ausgesuchte Mitglieder der Opposition auf eine Weise einzuschüchtern, zu entführen oder zu töten, die ein Höchstmaß an psychologischem Gewinn erbringt, wobei das Ziel darin besteht, die allgemeine Angst vor einer Zusammenarbeit mit der Guerillabewegung zu schüren.

Vielleicht sollte ich euch einmal aus solch einem Aufstandsbekämpfungs-Leitfaden der Menschenrechtsapostel vorlesen. Da stehen alle Greueltaten als Schulungsprogramm der US-Armee schon drin.

Geachtete amerikanische Historiker und Moralisten stellten später die geistig-ethischen Begründungen für diese Vorgehensweise bereit, [wovon einer] in seiner viel bewunderten Geschichte des Vietnam-Krieges erklärt, die USA hätten sich (gewissermaßen per definitionem) keiner Verbrechen gegen unschuldige Zivilisten schuldig gemacht. Denn wer unserer gerechten Sache folgte, wurde nicht weiter belästigt (es sei denn, durch Unachtsamkeit, die schlimmstenfalls als Totschlag gilt). Wer aber mit der durch US-Gewalt eingesetzten rechtmäßigen Regierung nicht zusammenarbeitete, ist per definitionem nicht unschuldig und kann gar keine Unschuld reklamieren, wenn er sich weigert, in die ihm von seinen Befreiern angebotene Sicherheit zu fliehen, auch wenn es sich dabei um Kinder in einem Dorf im Mekong-Delta oder im tiefsten Kambodscha handelt. Solche Menschen haben ihr Schicksal nicht anders verdient. [4]

So argumentieren in der Tat nur von sich selbst überzeugte Philanthropen. Und wenn wir ein ganz anderes Beispiel heranziehen, das aber genauso philanthropisch ist, dann erfahren wir eine Menge über Ideologie und Sprechblasen. Denn was bedeuten die Vokabeln, mit denen wir in Zeitungen und anderen Medien gefüttert werden, wirklich? Etwa wenn von der Schaffung von Arbeitsplätzen die Rede ist?

Das Wort Arbeitsplätze hat eine ganz neue Bedeutung angenommen und meint eigentlich Gewinne oder Profite. Wenn also George Bush mit einem Schwarm von Autokonzernmanagern im Schlepptau nach Japan fliegt, schwenkt er das Banner mit dem Slogan Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze. In Wirklichkeit meint er damit, wie ein Blick auf seine Sozial- und Wirtschaftspolitik unzweideutig verrät, Profite, Profite, Profite. Der Lüfte und der Presse Wellen widerhallen von leidenschaftlichen Versprechungen, die Zahl der Arbeitsplätze zu vermehren. Und dabei tun sich gerade jene hervor, die alles mögliche unternehmen, um die Arbeiter in die Billiglohnwüsten zu schicken, wo Unterdrückung herrscht, und ihnen auch noch den Rest an sinnvoller Arbeit und an Rechten zu nehmen. Dies alles geschieht im Interesse eines zu verschweigenden Wortes mit sieben Buchstaben. [5]

Wer meine Sendung letzte Woche Montag gehört hat, erinnert sich sicher an den von mir wegen seiner Rechenkünste verspotteten Roland Koch und an den Arbeitsplatzschaffer Edmund Schaumschläger. Doch dabei möchte ich nicht Gerhard Volkswagen Schröder und seine rotgrüne Arbeitslosen-Quälcombo vergessen. Wer diese Sendung verpaßt hat, kann sie im Internet nachlesen unter www.waltpolitik.de.

Fragen wir also ein Mitglied dieser Quälcombo –, etwa Renate Künast oder Otto Schily: Wieviele Kinder müssen sich in Brasilien als Sklavinnen oder Sklaven durchschlagen, nicht weil die Brasilianer besonders brutal sind, sondern weil Brasiliens Wirtschaft im Würgegriff des Internationalen Währungsfonds und seiner Profiteure gefangen ist:

  • A) keine
  • B) ein paar Hunderttausend werden's wohl schon sein
  • C) 7 Millionen [6]
  • D) das ist Verleumdung und wir haben damit absolut und überhaupt nichts zu tun.

 

Werner Cohn – Partners in Hate

Bevor ich die Besprechung des Buches von Noam Chomsky beende und damit auch meine ganz und gar nicht pisa-konforme Quizshow (weil: bei mir lernt man und frau ja hoffentlich etwas Nützliches), möchte ich noch auf einen anderen Sachverhalt eingehen: Noam Chomsky ist nicht nur einer der bissigsten Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik, sondern auch der Politik Israels. Ihm wird daher von verschiedener Seite Antisemitismus vorgeworfen.

Das ist deswegen von Relevanz, weil sich die Antiglobalisierungsbewegung auch auf Chomskys Analysen, Artikel und Bücher bezieht. Teile dieser Bewegung haben jedoch ein Kapitalismus-Verständnis, das ich nachsichtig als unbedarft und weniger freundlich als höchst problematisch bezeichnen möchte. Und ich beziehe mich hier auf eine Bewegung wie ATTAC und eine Forderung nach Besteuerung von Spekulationsgewinnen und Finanztransaktionen.

Und genauso, wie bei vielen Linken oder bei solchen, die sich dafür halten, ziemlich krude Verschwörungstheorien die Runde machen, weil sie nicht begreifen, wie Kapitalismus funktioniert, so ist auch die Sichtweise, das Finanzkapital sei von Übel, mindestens in Ansätzen antisemitisch. Das raffende Kapital im Gegensatz zum schaffenden. Als gäbe es da einen Unterschied.

Die Schuldenkrise der meisten Länder der Dritten Welt ist zwar eine Finanzkrise, aber ohne das von Banken und vor allem von Konzernen angelegte Geld gar nicht denkbar. Daß dieselben Konzerne dann fleißig in den ausgeplünderten Ländern shoppen gehen und ganze Industriezweige zum Dumpingpreis erwerben können, sei nur nebenbei erwähnt.

Nun geistert auch zu Chomsky die eine oder andere Bemerkung durchs Internet, er sei Antisemit – so wie vieles im Internet herumgeistert, ohne daß es konkret belegt wird. Die einzige Fundstelle mit einer gewissen Substanz, die ich bislang ausmachen konnte, ist die Internet-Seite des emeritierten Soziologie-Professors Werner Cohn.

Und dort gibt es in der Tat Bedenkliches zu vermelden. Wenn Cohns Ausführungen stimmen, dann läßt Chomsky seine Bücher in Frankreich in einem Verlag drucken, der Sprachrohr von Holocaust-Leugnern ist. Weiterhin hat er sich für einen französischen Holocaust-Leugner eingesetzt, der deswegen von der Universität geflogen ist. Nur muß ich Cohn deswegen nicht gleich zustimmen, wenn er Chomsky deshalb einen Neonazi nennt. Dafür ist das, was Cohn schreibt, zu dünn. Dennoch hat Noam Chomsky folgendes erklärt:

Ich sehe keine antisemitischen Folgerungen, die aus der Verneinung der Existenz der Gaskammern zu ziehen wären, oder sogar aus der Leugnung des Holocaust. Auch nicht darin, wenn behauptet wird, der Holocaust (egal ob er stattfand oder nicht) werde verwerflich von den Verteidigern der israelischen Repression und Gewalt ausgebeutet. [7]

Und Chomsky – das wußte Cohn noch nicht, als er das schrieb – ist ja auch ein Anhänger von Norman Finkelstein, der in der Entschädigungsfrage für die Zwangsarbeit jüdischen Organisationen Betrug und Ausbeutung des Holocaust vorwarf.

Ein Punkt ist klar: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Insofern ist es völlig daneben, wenn sich Chomsky für Rede- und Pressefreiheit auch für Faschisten und Holocaustleugner einsetzt. Das liegt, so denke ich, an seiner anarchistisch-libertär-freiheitlichen Grundhaltung; was es aber nicht besser macht.

Insofern ist es schon bedenklich, wenn Noam Chomsky in der Antiglobalisierungsbewegung hohes Ansehen genießt. So geistert eben im Internet nicht nur der Antisemitismusvorwurf gegenüber Chomsky herum. Von einigen Linken wird hier auch ein Zusammenhang gesehen. Seine Akzeptanz bei den Gegnerinnen und Gegnern neoliberaler Ausplünderung der Welt könnte ebenfalls antisemitische Wurzeln haben.

Das macht es nicht nur schwierig, seinem Buch unbefangen gegenüberzustehen, sondern es stellt sich erst recht die Frage: dürfen seine Bücher überhaupt besprochen werden? Nun ist Wirtschaft und Gewalt kein antisemitisches Buch, sondern eine ziemlich sarkastische und dennoch nachdenklich machende Beschreibung von Menschenrechtsrhetorik und imperialistischer Machtpolitik. Als solches kann ich es empfehlen. Es ist im zuKlampen! Verlag erschienen und kostet etwa 24 Euro.

Die Internetseite von Werner Cohn lautet: www.wernercohn.com. Und damit sollten sich alle befassen, die Noam Chomsky positiv rezipieren. Nur – auch Cohn hat eine Schlagseite. Er ist Anhänger der etwas moderateren israelischen Gewaltpolitik gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern, in seinen Worten:

Die erste Ausgabe meines Buches wurde von einer Organisation namens Americans for a Safe Israel herausgegeben. Ich schulde denen Dank, die mir bei dieser Ausgabe halfen [...]. Da diese Organisation die rechte Opposition gegen die [damals] regierende Arbeitspartei aktiv unterstützt, wurde angenommen, mein Buch sei mit dieser Position zu identifizieren. Ich glaube zwar nicht, daß dies relevant ist in Bezug auf Chomsky, aber viele Leserinnen und Leser sahen das anders. Da ich keine Schwierigkeiten sehe, meine Position zu erläutern, erkläre ich, daß ich kein Mitglied der Americans for a Safe Israel bin und – anders als diese – vorsichtig erfreut bin über die [damaligen] Friedensverhandlungen zwischen Israel und der PLO.

Dennoch vertritt Werner Cohn das Recht Israels, sich mit allen gebotenen Mitteln zu behaupten. Ob dazu nun aber die systematische Wirtschaftsblockade und terroristische Aktionen gehören dürfen, halte ich für mehr als fraglich. Doch wer dieses Recht Israels in Frage stellt, wird schnell mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert. Das mag einer der Beweggründe Cohns sein, Chomsky zu denunzieren.

Doch einiges von Cohns Beweisführung finde ich fragwürdig und zum Teil einfach an den Haaren herbeigezogen. So nach dem Motto: Chomsky hat seine politischen Weihen in linksradikalen Zirkeln erhalten, in denen Kapitalisten und Regierungen für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht werden. Das ist eine Verschwörungstheorie, und Verschwörungstheorien neigen nun einmal dazu, antisemitisch zu sein.

Allerdings sollte Cohn da etwas genauer sein, weil er letzten Endes ähnlich argumentiert: A kennt B, B kommt aus der politischen Gruppe C, also vertritt A die von C geäußerte Position. Was einfach Unsinn ist.

Was jedoch bleibt, ist, daß Noam Chomsky wenig Berührungsängste zu französischen Holocaust-Leugnern hat. Ob das jetzt antisemitisch oder gnadenlose Dummheit ist, könnt ihr selbst entscheiden, wenn ihr bei Werner Cohn nachlest. Daher noch einmal die Fundstelle im Internet: www.wernercohn.com.

 

Notweniger Nachtrag, Sommer 2002: In ihren Ausgaben 26 und 27/2002 veröffentlichte die National-Zeitung ein zweiteiliges Interview, das Noam Chomsky mit ihr geführt hat. Einmal unabhängig davon, was er dort sagte – es wirft ein bezeichnendes Licht auf eine der Leitfiguren der Antiglobalisierungsbewegung, wenn Chomsky ausgerechnet einer rechtsradikalen Zeitung Rede und Antwort steht, vor allem, wenn es im Interview um Israel und Palästina geht... Es steht zu befürchten, daß dieses Interview bei seiner Fangemeinde nicht die nötige Aufmerksamkeit finden wird.

 

Die Hethiter und ihr Reich

Neben der großen Troia-Ausstellung ist derzeit in der Bundeskunsthalle in Bonn auch die Ausstellung Die Hethiter. Das Volk der 1000 Götter zu sehen. Zu jeder Ausstellung gibt es üblicherweise einen Katalog, zu manchen Ausstellungen auch ein fundamentales Werk, das mehr sein will als bloßer Austellungskatalog. Der Begleitband zur Hethiter-Ausstellung mit dem Titel Die Hethiter und ihr Reich gehört zur Kategorie der Standardwerke – wie übrigens auch der im Theiss Verlag erschienene Begleitband zur Troia-Ausstellung.

Die Beschäftigung mit den Hethitern müßte eigentlich zum oberflächlich multikulturellen Zeitgeist passen. Denn hier von einem Volk zu sprechen, ist völlig verfehlt. Insofern ist der Titel der Ausstellung irreführend. Das Hethiterreich umfaßte in seiner größten Ausdehnung das Gebiet zwischen der Ägäis im Westen und dem heutigen Kurdistan im Osten, vom Schwarzen Meer im Norden (zumindest teilweise) bis hin zum Libanon im Süden. Ob und inwieweit indoeuropäische Einwanderer nur die herrschende Klasse bildeten oder assimiliert worden sind, ist unklar.

Jedenfalls wurden im Hethiterreich mehrere Sprachen gesprochen und es herrschte eine religiöse Toleranz, die für die damalige Zeit ungewöhnlich war und selbst heute gewissen christlichen Fundamentalisten übel aufstoßen würde. Daher kommt dann auch der Name Volk der 1000 Götter.

Noch ungewöhnlicher, und darauf geht der Begleitband zur Ausstellung überhaupt nicht weiter ein, war das Rechtsstaatsverständnis, von dem sich selbst heutige law and order-Politiker so manche Scheibe abschneiden könnten. Nicht Rache, sondern das Entschädigungsprinzip stand im Vordergrund. Und – auch der König konnte zur Rechenschaft gezogen werden.

Weiterhin scheint es, zumindest ist dies für die herrschende Klasse belegt, eine relative Gleichberechtigung von Frauen gegeben zu haben. Im Gegensatz zu allen zeitgenössischen Reichen und auch zur griechischen und römischen Antike waren sie nicht Eigentum der Männer. Sie waren voll geschäftsfähig und konnten eigenen Grundbesitz haben.

Und wem oder welcher das nicht weiter erwähnenswert erscheint, die oder der möge sich daran erinnern, daß selbst in den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland Frauen von ihren Ehemännern untersagt werden konnte, arbeiten zu gehen. Birgit Brandau und Hartmut Schickert schreiben dazu in ihrem jüngst erschienenen Buch Hethiter – Die unbekannte Weltmacht:

[Frauen] hatten in Haushaltsdingen weitgehende Mitspracherechte, vor allem bei der Verheiratung der Töchter, und unter bestimmten Bedingungen konnten sie Söhne verstoßen und sich von ihren Männern scheiden lassen. Und sie waren erbberechtigt. [8]

Die Gemahlin des Großkönigs hatte – zumindest im letzten Jahrhundert der hethitischen Großreichszeit – zudem das Recht auf eigenständige diplomatische Korrespondenz mit den anderen Großkönigen; war also faktisch die Nummer Zwei im Reich. Wenn man und frau bedenkt, daß Frauen im so hochgelobten klassischen Griechenland, auf das sich die zivilisierte Welt so gerne beruft und bezieht, weggeschlossen worden sind (zumindest gilt das für Athen), dann ist der emanzipatorische Fortschritt der Hethiter geradezu sensationell.

Und das im 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung.

Doch leider finden Frauenemanzipation, Rechtsstaatsvorstellungen und Selbstreflektion nur wenig Eingang in den Begleitband zur Hethiter-Ausstellung. Allenfalls die Selbstreflektion hethitischer Herrscher wird einer näheren Betrachtung unterzogen. In den erhaltenen Geschichtswerken des König Mursili (um 1300 vor unserer Zeitrechnung) wird deutlich erkennbar mit den Prinzipien glorifizierender Selbstdarstellung gebrochen.

Der Wettergott von Chattusa war oberster himmlischer wie irdischer Herrscher und Wahrer der gesamten Weltordnung; er war Herr über das Land und damit zugleich über alles, was auf diesem Land lebte, einschließlich der Menschen. Er legte das Land in die Hände seines irdischen Stellvertreters, des Großkönigs von Chattusa, der es im göttlichen Auftrag verwalteten und ihm »zu Wohlstand und gutem Gedeihen« verhelfen mußte. Die Mittel waren ihm dabei freigestellt, aber er mußte seine Leistung, seinen Erfolg oder Mißerfolg, am Ergebnis messen lassen. [9]

Da der Wettergott allwissend war, nutzte es auch nichts, ihn anzulügen. Die Rechenschaftsberichte des Herrschers, seine Annalen, verhelfen der historischen Forschung daher zu relativ verläßlicher Geschichtsschreibung.

Schönfärberei oder gar Geschichtsklitterung wie bei Zeitgenossen, deren Aufzeichnungen eher der politischen Propaganda dienten, wären wegen der Allwissenheit des Gottes zwecklos gewesen. Natürlich versuchten die Großkönige von Chattusa, die Ereignisse in einem für sie günstigen Licht erscheinen zu lassen. Siege etwa errangen sie grundsätzlich selbst, auch wenn sie sich gar nicht persönlich ins Kampfgetümmel gestürzt hatten, während Niederlagen meist darauf zurückzuführen waren, daß sie den »falschen Feldherrn gesandt« hatten. Dennoch beweist letztere Formulierung, daß sie sich nicht um die persönliche Verantwortung drückten; eine verlorene Schlacht blieb eine verlorene Schlacht und wurde nicht nachträglich zu einem Sieg umgedeutet, wie das die Ägypter gern taten. [10]

Diesen Umgang mit der eigenen Geschichte beweisen auch die erhaltenen Vertragsdokumente, in denen auf die Vergangenheit und die gemeinsamen Wurzeln Bezug genommen wurde. Auch hier wäre eine einseitige Interpretation sinnlos gewesen. Vielmehr – und das scheint ohnehin ein Grundprinzip hethitischer Herrschaft gewesen zu sein – ging es darum, argumentativ und überzeugend eine Legitimation des eigenen Handelns herzustellen. So waren die hethitischen Großkönige – anders als ihre Kollegen in Assyrien, Babylonien oder Ägypten – keine unfehlbaren absoluten Herrscher. Sie waren ihrer eigenen Klasse gegenüber rechenschaftspflichtig.

Der König, der im rechtlichen Sinne regierte, vereinigte zwar in seiner Person die legislative, exekutive und juridische Gewalt, konnte diese jedoch nur mit der Unterstützung der königlichen Sippe verwirklichen. Die Ausübung der Königsherrschaft setzte daher einerseits notwendig voraus, daß sich die Sippenmitglieder gegenüber dem König loyal verhielten [...], doch mußte andererseits auch der König sich dieser Loyalität immer wieder versichern, indem er die Mitglieder der Sippe durch Darlegung seiner Motive und durch rationale Argumentation für seine Entscheidungen zu gewinnen bzw. von der Richtigkeit seines Handelns zu überzeugen suchte. [11]

An diesem Loyalitätskonflikt ist – soweit das heute rekonstruierbar ist – das Hethiterreich zu Beginn des 12. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung zerbrochen, da die genau definierte rechtmäßige Thronfolge ausgehebelt worden war.

Der Begleitband zur Ausstellung nimmt von sich in Anspruch, das Standardwerk zur hethitischen Geschichte und Kultur zu sein; und soweit ich das überblicken kann, wird er diesem Anspruch auch gerecht. Die Darstellung der hethitischen Geschichte, Religion und Kultur ist umfassend – zumindest was die herrschende Klasse angeht. Landkarten und Zeittafeln sind geradezu vorbildlich.

Ob und inwieweit religiöse Vorstellungen und archäologisch nachweisbare Kultur auch den Rest der Gesellschaft betraf, ist offensichtlich nicht feststellbar. Wir können daher eigentlich nur von der hethitischen Kultur im Sinne der Kultur der herrschenden Klasse sprechen, zumal die Funde zum überwiegenden Teil aus Gebäuden, Tempeln und Burgen stammten, in denen ganz offensichtlich nicht ganz normale Menschen gelebt haben dürften.

Dennoch werden interessante Einblicke in die religiösen Vorstellungen geboten, was insbesondere die rational betriebene Orakelschau betrifft. Ein Orakel wie das in Delphi, das mit kryptischen Sprüchen mehr für Verwirrung als für Klarheit gesorgt hat, wäre in Chattusa, der Hauptstadt, undenkbar gewesen. Auch hier gingen die Hethiter streng rational vor, um den Willen der Götter absolut sicher interpretieren zu können.

So kann ich mich abschließend darauf beschränken anzugeben, was ich in diesem fast 400 Seiten starken und reich bebilderten Band vermißt habe. Die hethitischen Vorstellungen über Frauenemanzipation und rechtsstaatliches Handeln habe ich schon erwähnt. Der Blick auf den Alltag der verschiedenen im Hethiterreich nach kriegerischer Eroberung friedlich vereinten, in der Geschichtsschreibung künstlich als ethnische Gruppen zusammengefaßten Menschen fehlt fast vollständig; dies könnte jedoch auch weitgehend den Fundumständen geschuldet sein.

Für die Schreibung von Personen-, Götter- und Ortsnamen gibt es in der Forschung keine festgelegten Richtlinien. Wir haben die diesbezüglichen Angaben der einzelnen Verfasser umgesetzt, so daß es zwischen verschiedenen Autoren zu Abweichungen in der Orthographie kommt, [12]

heißt es im Impressum. Schade eigentlich, daß hier nicht der Versuch unternommen worden ist, diese verschiedenen Schreibweisen zumindest zu erklären. Entweder man und frau weiß, wie ein mit einem Kringel unterstrichenes h zu lesen oder zu sprechen ist, oder eben nicht. Das wäre doch eine nützliche Angabe gewesen. Oder wie man und frau im Hethitischen ein s mit Hachek auszusprechen hat. Kein Wunder, daß in der Literatur so seltsame Aussprachen wie Hattuscha statt Chattusa für die Hauptstadt des Hethiterreiches herumgeistern.

Standardwerk ja – aber mit Schlagseite:

Große Stadtanlagen, beeindruckende Felsreliefs und vor allem die über 30.000 Schrifttafeln geben genaueren Aufschluß über geschichtliche Ereignisse, Staatsgeschäfte und religiöse Kulte der Hethiter. Keramiken, Tontafeln und Siegel, Bronzestatuetten und Goldschmiedearbeiten vermitteln einen beispiellosen Einblick in ihre Kultur. [13]

Empfehlenswert daher: ja, aber am besten mit der Ergänzung durch das Buch von Birgit Brandau und Hartmut Schickert.

Der Begleitband zur Ausstellung heißt Die Hethiter und ihr Reich. Er ist im Konrad Theiss Verlag erschienen und kostet in der Buchhandelsausgabe 29 Euro 90. Das Buch von Birgit Brandau und Hartmut Schickert heißt Hethiter – Die unbekannte Weltmacht. Dieses Buch ist im Piper Verlag herausgekommen und kostet 20 Euro 35.

 

Schluß

Jingle Alltag und Geschichte –

zum Schluß der Sendung noch einmal eine Übersicht über Bücher und Internetseiten:

Das Buch über Kolonialismus und die neue Weltordnung von Noam Chomsky heißt Wirtschaft und Gewalt. Es zeigt nur einmal mehr auf, daß das kapitalistische Wirtschaftssystem ein Gewaltsystem ist, und deshalb wird dieses Buch garantiert von den Freundinnen und Freunden der rotgrünen Menschenrechtsregierung ignoriert werden. Dabei könnten diese dabei etwas lernen, und sei es, wie die ideologischen Begründungen für Gewalt und Ausplünderung zu verfeinern wären. Dieses Buch ist im zuKlampen! Verlag erschienen.

Werner Cohns Vorwurf des Antisemitismus gegenüber Noam Chomsky ist im Internet unter www.wernercohn.com nachzulesen.

Der Begleitband zur Ausstellung Die Hethiter – Volk der 1000 Götter ist im Konrad Theiss Verlag erschienen. Mehr zur Ausstellung kann man und frau im Internet unter www.bundeskunsthalle.de erfahren. Lesenswert ist auch das Buch von Birgit Brandau und Hartmut Schickert. Es heißt Hethiter – Die unbekannte Weltmacht und ist bei Piper erschienen.

Diese Sendung wird am Mittwoch in der Nacht gegen 1 Uhr, morgens gegen 9 Uhr und nachmittags gegen 15 Uhr wiederholt. Fragen, Anregungen oder Kritik könnt ihr wie immer auf zwei Wegen loswerden – einmal über meine Voice-Mailbox bei Radio Darmstadt. Die Telefonnummer lautet (06151) 87 00 192. Oder per Email an geschichte@alltagundgeschichte.de. Oder, falls ihr noch einmal in Ruhe nachlesen wollt, dann könnt ihr das Sendemanuskript zu dieser Sendung in den nächsten Tagen auch im Internet einsehen unter www.waltpolitik.de. Jetzt gleich folgt Audiomax und haut euch das Hirn raus, wo ich mich dann doch frage, ob nicht vielleicht die rot-grüne Menschenrechtspolitik Pate gestanden hat.

Wie auch immer, bevor ich mich von euch verabschiede, kommt jetzt die Millionenfrage: Im New England Journal of Medicine war 1990 zu lesen, daß Schwarze in Harlem

  • A) höchstwahrscheinlich älter als 65 Jahre alt werden
  • B) mit größerer Wahrscheinlichkeit vor dem 65. Lebensjahr sterben als Bangladeshis
  • C) es in New York keine Slums gibt
  • oder D) es auch gelogen ist, daß in den USA mehr als 30 Millionen Menschen hungern müssen, weil sie in Zeitarbeitsfirmen, Sweatshops oder in Wisconsins Wohlfahrtsprogramm arbeiten dürfen. [14]

Das war's für heute – am Mikrofon für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt war Walter Kuhl.

 

 

ANMERKUNGEN

 

[1]   Noam Chomsky : Wirtschaft und Gewalt, Seite 9   » [1]
[2]   Chomsky, Seite 197   » [2]
[3]   Chomsky, Seite 361   » [3]
[4]   Chomsky, Seite 344   » [4]
[5]   Chomsky, Seite 312   » [5]
[6]   Chomsky, Seite 249   » [6]
[7]   http://www.wernercohn.com/Chomsky.html. Die Internetfassung von Cohns Buch hat leider keine Seitenzahlen, so daß der exakte Beleg dieses wie auch das folgende Zitats nur durch eigenes Suchen aufgefunden werden kann. Cohn zitiert hier Chomsky.   » [7]
[8]   Birgit Brandau und Hartmut Schickert : Hethiter, Seite 94   » [8]
[9]   Brandau / Schickert, Seite 78   » [9]
[10]  Brandau / Schickert, Seite 79   » [10]
[11]  Frank Starke, in: Die Hethiter und ihr Reich, Seite 317   » [11]
[12]  Impressum, in: Die Hethiter und ihr Reich, Seite 4   » [12]
[13]  Verlagsmitteilung zu: Die Hethiter und ihr Reich   » [13]
[14]  Chomsky, Seite 393 und 397   » [14]

 

 

Diese Seite wurde am 4. Januar 2004 noch einmal vollständig durchgesehen und dabei leicht überarbeitet. Letzte Aktualisierung am 4. Januar 2006.
Links auf andere Websites bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. Dies gilt insbesondere für den auf dieser Seite angelegten Link auf die beiden Ausgaben der National–Zeitung (Interview mit Noam Chomsky). Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! Zur Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus siehe auch das Sendemanuskript meiner diesbezüglichen Sendung.
©  Walter Kuhl 2001, 2002, 2006
Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.
 Startseite Waltpolitik 
 Zum Seitenanfang 
 Email an Walter Kuhl 

 

 Vorherige Sendung     Nachfolgende Sendung