Das Hinterhofstudio. Das Hinterhofstudio von Radio Darmstadt.

Darmstadt 2014

Der Blowjob von Radio Darmstadt

Zwei Plakate und eine Kampagne

Zwanzig Jahre nach Gründung des Vereins Radar e.V. stellt sich die Frage vermehrt, ob der von ihm betriebene Lokalsender „Radio Darmstadt“ überhaupt gehört wird. Stimmen aus dem Sendehaus nähren diese Furcht, so daß der Vorstand des Vereins beschloß, in die Offensive zu gehen. Er kaufte einen Haufen Papier und Giveaways zum Verteilen, veranstaltete im Schatten des Heinerfestes ein sogenanntes Heinerfestradio und ließ im September 2014 eine Reihe von Plakaten kleben, auf denen zwei Badenixen und ein simulierter Blowjob abgebildet waren. So viel nackte Haut und prickende Erotik läßt tief blicken. Ist Darmstadts Lokalradio schon so tief gesunken, daß es die miesen Methoden sexistischer Werbung nachäffen muß? Nun, eine nüchterne Analyse wird zeigen, wer und was dahintersteht und daß nicht alle Vereinsmitglieder von dieser Kampagne so begeistert sind wie der Vorstand des Vereins.


Anfang September 2014 entdeckte ich in der Pallaswiesenstraße zwei nebeneinander verklebte Plakate, die eilig vorbeipreschende Autofahrer und im gegenüberliegenden türkischen Laden Einkaufende zum Einschalten des Geburtstagsradios von „Radio Darmstadt“ animieren sollen. Damit der Blickfang gelingt, wird auf dem einen ein bißchen nackte Haut und auf dem anderen ein Frauenhintern gezeigt.

Plakatwand in der Pallaswiesenstraße.
Bild 1: Plakatwand in der Pallaswiesen­straße (Bildzitat).

Vermutlich wird sich die Animationsabteilung von „Radio Darmstadt“ etwas dabei gedacht haben, wenn sie dergestalt auf Hörerfang geht. In einem Verein, dessen Mitgliedschaft zu etwa 70% männlich ist, und einem Radio, bei dem die Sendenden wohl ebenfalls zu 70% männlich sind, liegt es nahe, daß mit derlei Bildern vornehmlich auf eine Kundschaft gezielt wird, die ebenfalls größtenteils aus Männern besteht. Diese werden visuell mit mehr oder doch wohl eher weniger geschmackvollen Bildchen geködert.

Jede Werbekampagne, die mit Frauenposen auf Kundenfang geht, muß sich fragen lassen, ob und wieweit sie damit sexistische Klischees bedient. Derlei Werbung ist per se suggestiv; hier kommt es nicht auf nüchterne Aussagen, sondern eher auf nackte Tatsachen an. Zur Einschätzung, ob mit einer derartigen Kampagne ein sexistischer Hintergrund verbunden ist, können wir uns als Leitschnur die Frage stellen, ob der angepriesene Inhalt auch ohne derartige Kleidungsfreiheit und Posen zu vermitteln wäre. Bei einem dem Anspruch nach nichtkommerziellen Lokalradio, wie es „Radio Darmstadt“ ist, käme hinzu, wie sich Nacktheit und Pose mit dem in den Statuten des Vereins verankertem Gedanken der Männer- und Frauenemanzipation verträgt.

Wasserfreuden mit Radar

Schauen wir uns zunächst das rechte Plakat etwas näher an. Hier planschen zwei Wassernixen im Darmstädter Jugendstilbad, wobei die eine der anderen ein Mikrofon unter die Nase hält. Darüber prangt die Frage: „Interview ins Wasser gefallen?“ – um nachzuschieben: „Wir fragen mal nach!“ Nun sind wir uns sicherlich darin einig, daß ein Interview unterhalb der Wasseroberfläche eine schwierige Angelegenheit ist. Fragt die eine: „Gluck, gluck?“ Worauf die andere antwortetet: „Gluckgluck … hust … keuch … gluck.“ Was als Gag auf den ersten Blick noch witzig daherzukommen scheint, wirkt beim ersten ernsthaften Gedanken schon albern.

Wenn ein Interview (metaphorisch) ins Wasser fällt, dann war entweder die Interviewpartnerin nicht im Studio oder die Sendetechnik hat gestreikt. Die hier vorzufindende Aussage wird sich kaum auf ein anderen audiovisuelles Medium beziehen, denn wen interessiert es, ob der Hessische Rundfunk mit seinem Interview im Regen steht? Also kann sich die Aussage nur auf „Radio Darmstadt“ selbst beziehen. Offenkundig ist wieder einmal ein Interview von Darmstadts Lokalradio ins Wasser gefallen, weshalb es umso mehr verwundert, daß hier jemand oder eine genauer nachfragen würde. Was soll dabei schon herauskommen? Etwa: Petra Schlesinger, weshalb ist dein Telefoninterview im KultTourKalender ins Wasser gefallen? Das interessiert doch keine einzige Hörerin, weshalb mal wieder etwas nicht geklappt hat, es sein denn, wir sind bei „Radio Darmstadt“, bei dem nicht das Ereignis, sondern die redaktionelle „Recherche“ und Gestaltung zum Thema wird.

Legendär sind hier Moderationen, in denen zum Ausdruck gebracht wird, man lese jetzt eine Meldung vom Blatt oder besser gleich aus dem Internet ab, und wenn es dann dumm läuft, auch noch mit der Bemerkung, daß die Maus klemmt, weshalb der Moderator beim Vorlesen ins Stocken gerät. Oder es gibt den Textbaustein, daß den dürren Worten nun eine Musik folge, weil: das für dumm verkaufte Auditorium bemerkt das ja von selbst nicht. Deshalb muß das klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Dabei ist auch keine Entschuldigung, wenn derlei Unfug zum Einschleimen der auf die nachfolgende Werbung zugerichteten Hörerinnen und Hörer ebenso auf den Kommerzsendern dieser Republik verbreitet wird.

Allenfalls könnten wir ein gewisses Maß an Selbstironie hinter den wasserglucksenden Badenixen vermuten, die ihr Interview schnell vom Sendestudio ins Jugendstilwasser verlegen, wohin schon das Mikrofon gefallen ist. Vermutlich wird hier ein Charme suggeriert, der „Radio Darmstadt“, wie zuweilen eine Kinderstimme zwischen zwei banalen Musikstücken verspricht, „umso sympathischer“ mache. Doch der Charme verfliegt schnell, wenn wir in die Realität zurückkehren. Wann, bitte sehr, fragt der Sender „mal“ nach, wenn und warum etwas in den eigenen Räumlichkeiten nicht geklappt hat? Wird hier gar investigativer Journalismus praktiziert? Kaum. Viel mehr als affirmativ geführte Interviews sind auf Darmstadts Lokalsender kaum zu vernehmen. Werden Vertreterinnen und Vertreter aus Kultur, Vereinsleben und – seltener – Politik befragt, dann doch kaum dergestalt, daß der oder die Gegenüber konfrontativ angegangen wird. Meist verlaufen diese Interviews hingegen so, wie das Plakat verspricht: sie plätschern vor sich hin. Es erinnert stark an die allbekannte Phrase vom „man könnte mal …“ – um es dann zu unterlassen.

Die beiden Wassernixen planschen nicht nur herum, sondern sind gewollter Blickfang. Es wäre durchaus möglich, das Setting so zu verändern, daß nackte Frauenhaut vollkommen unnötig wäre. So könnte ein Mikrofon (buchstäblich) ins Wasser fallen und der Redakteur faßt sich ein Herz und springt hinterher. Oder an Stelle der beiden Nixen tummeln sich zwei Jünglinge im wohltemperierten Naß. Aber entstünde dann dieselbe Wirkung? Wohl kaum. Das intendierte Zielpublikum ist männlich; und außer bei einigen schwulen Betrachtern würden die Jünglinge dann eher abtörnen. Das Plakat ist demnach wohlberechnet auf männliche voyeuristische Bedürfnisse abgestimmt; und schon aus diesem Grund stellt sich die Frage der sexistischen Zurschaustellung ganz konkret. Warum die Nixen ihre nackte Haut bewußt diesem voyeuristisch-anzüglichen Blick der anonymen Meute zum visuellen Fraß vorwerfen, bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht hat hier die freizügige Facebook-Generation ihre Spuren hinterlassen, wo es „hip“ ist, so zu tun, als existierte der männliche Konsum von Frauenkörpern nicht. Das Kokketieren mit einer Freizügigkeit, die keine ist, sondern Verfügbarkeit zum Ausdruck bringt, fällt all den Frauen (und manchen Männern) in den Rücken, die sich nicht zum Objekt einer Werbepropaganda machen wollen, die Frauen für Werbeziele vernutzt. Was meint ihr – hat sich eine Frau oder ein Mann diese Wasserpistole ausgedacht?

Einfach näher dran

Während das im Wasser geführte Interview eher deplaziert als gekonnt wirkt, hat der Autor der Aussage des zweiten Bildes ganz gewollt in die voyeuristische Werbekiste gegriffen. Das fast mittig plazierte bißchen nackte Haut zwischen Rock und Schuhen ist der Blickfang, um das Plakat näher zu betrachten.

Plakatwand in der Pallaswiesenstraße.
Bild 2: Der simulierte Blowjob (Bildzitat).

Die Frau kniet, und die Örtlichkeit ist offensichtlich eine Toilette. Im Bildhintergrund sitzt ein Jüngling auf der Kloschüssel und blickt angenehm verzückt nach oben. Die bewußt devot inszenierte Haltung der knienden Frau verbunden mit dem zumindest angedeuteten Blowjob sagt uns, was die Jungs bei „Radio Darmstadt“ in ihrer penisverlängerten Birne haben. Eine Wunschphantasie. Und unten drunter lesen wir: „Überraschend anders. Näher dran.“ Überraschend ist daran allenfalls, wie dreist hier Männerphantasien zum Ausdruck gebracht werden. Als der Trägerverein von „Radio Darmstadt“ vor zwanzig Jahren gegründet wurde, hätten sich die Männer und Frauen, die Lust aufs Radio Machen hatten und nicht auf devote Spielchen in der sagrotansterilen Naßzelle, wohl nicht träumen lassen, wie weit der Sender sich von den emanzipatorischen Vorstellungen der 90er Jahre entfernen würde. Doch es ist viel geschehen. Die vielzitierte „Mitte der Gesellschaft“ mit ihren Werten und Normen hat den Sender übernommen und diejenigen, die vielleicht noch den progressiven Zielsetzungen der 90er Jahre verbunden sind, weitgehend verdrängt. Und als „näher dran“ wird hier eine Frau stilisiert, und woran sie näher dran ist, können wir uns ja wohl alle denken.

Selbstredend kamen die hetereosexuellen Männer bei ihrem als erniedrigend inszenierten Hirngespinst auch hier nicht auf die Idee, anstelle der auf dem Boden knienden Frau ein schwules Pärchen abzubilden. Vorausgesetzt, hier würde ein Junge vor einem anderen hocken, so wäre auch dies eine würdelose Projektion; aber vermutlich wären die Jungs bei ihresgleichen nicht ganz so erniedrigend gestimmt gewesen.

Bemerkenswert ist nun der hinzu montierte Slogan: „Musik aus? DJ verschwunden? Wir fragen mal nach!“ Demnach handelt es sich bei dem Jungen, der sich auf der Kloschüssel „bedienen“ läßt, wohl um einen DJ. Vermutlich ist ein Klo für einen DJ der passende Ort für einen Blowjob. Daß die hier phantasierte Frau unterwürfig vor dem großen Meister der Tanzmusik kniet, muß aus einem ziemlich schlechten Film geklaut worden sein. Der Film von Andy Warhol ist es jedenfalls nicht.

Es ist nun vollkommen logisch, daß, wenn keine Musik mehr das Sendehaus verläßt, weil der DJ verschwunden ist, dann wer auch immer sich mit dem Mikrofon aufmacht, um „mal“ nachzufragen. Selbstredend wird nur der Autor dieser Werbeillusion auf die vollkommen naheliegende Idee kommen, mit dem Mikrofon in der Hand auf den Toiletten dieser Welt nachzuschauen, wo denn der verantwortliche Musikproduzent abgeblieben ist. Anders gesagt: ist schon die Darstellung bewußt provozierend sexistisch, so lassen sich diesem Plakat noch ganz andere Aussagen entnehmen; Aussagen, die womöglich nicht einmal im Hirn des Plakatdesigners vorhanden gewesen sind.

Zum einen wissen wir nun, was investigativer Journalismus bei „Radio Darmstadt“ bedeutet, vorausgesetzt, der Sender schaut „mal“ nach. Hier wird ganz selbst­verständlich in die Intimsphäre eingegriffen; dabei interessiert es außerhalb der Gedankengänge einer gewissen Männergruppe keine und niemanden, ob sich ein DJ einen blasen läßt oder nicht. Das ist noch uninteressanter als die bange Frage, ob die vierte Kusine dritten Grades der angeheirateten Schwägerin der Baronin von Flockenstein in den nächsten fünf Jahren Zwillinge gebiert; womit ganze Gazetten und Lifestylemagazine zugemüllt werden. Zum anderen muß ich davon ausgehen, daß die DJs dieser Welt es als selbstverständlich erachten, daß Frauen ihnen in jeder gewünschten Art zu Füßen liegen, auch und gerade im Sendehaus. Ich frage mich, ob sich durch eine derart provokativ Unterwürfigkeit einfordernden Botschaft das Klima im Sendehaus signifikant verbessert. Laßt ihr Frauen euch eigentlich jeden Dreck gefallen, den sich die Jungs in eurem Sender ausdenken?

Eine virtuelle Kontroverse

Tatsächlich kam es zu einer kleinen Kontroverse, wenn auch nicht im Sendehaus, sondern ganz virtuell auf der Facebook-Seite von „Radio Darmstadt“. Dort wurden beide Plakate vorgestellt. Während die Badenixen zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes dreizehn Likes und drei Kommentare auf sich zogen, gefiel der angedeutete Blowjob neununddreißig Männern und Frauen und er erhielt siebenundzwanzig Kommentare. Neben einigen Äußerungen nicht näher zuzuordnender Dritter traten hier ehemalige oder derzeitige Mitglieder zweier Redaktionen besonders hervor: die DJ-Zone und die Musikredaktion. Wenig erstaunlich ist, daß die sich hier zu Wort meldenden DJs sich unisono begeistert von diesem Plakat zeigten. Das Plakat scheint vollauf ihr Weltbild zu bedienen. Erstaunlicher finde ich, daß aus der Musikredaktion zum Teil scharfe Kritik geäußert wurde, und zwar auch von einzelnen Männern.

Und es kam, wie es kommen mußte. Die Kritik wurde abgewehrt damit, daß einerseits endlich mal frischer Wind durchs Sendehaus heule und andererseits diejenigen, die das Plakat anstößig finden, wohl nur ihre eigenen Phantasien ausleben, die – natürlich – nichts mit der Aussage des Bildes zu tun haben. So schreibt Nils Paeschke aus der DJ-Zone:

„Ich weiß gar nicht warum ihr so rumheult. Was sieht man denn auf dem Bild? NICHTS! Aber es wird drüber geredet und das ist gut so. Das ist Werbung genau in die heutige Zeit passend. Sie regt die Phantasie an und jeder sieht das was er sehen will. Wenn ihr da drin irgendwas anstößiges seht ist es euer Problem. Ich kann aus meiner Sicht nur sagen tolle Werbung, Werbewirksamer gehts kaum.“

Eine junge Frau sekundiert ergänzend, hier handele es sich um das Schaffen von Aufmerksamkeit durch eindeutig zweideutige Szenen. Das war Franziska Maurer, einer ehemaligen Redakteurin der Musikredaktion, dann doch zu viel des dummen Geplärres, und sie konterte gekonnt:

„Eindeutig zweideutig? Entschuldigung, aber was ist an diesem Motiv zweideutig? Obwohl, klar, es bietet wirklich viel Interpretations­spielraum: bestimmt ist der Businesslady im kurzen Minirock auf der Unisex-Toilette von RaDar die Hornbrille runtergefallen, was sie allerdings erst kurze Zeit später bemerkte. Aber weil der gemeine Radar ‚DJ‘ während der Sendung am liebsten auf dem Pott hockt, muss die Dame eben während er drauf sitzt danach suchen. Dann kann es eben schonmal zu einer solchen ‚zweideutigen‘ Situation kommen. Genau das, habt ihr doch bestimmt auch alle gedacht, oder? Ganz ehrlich: Auch, wenn ich nicht mehr bei RaDar aktiv bin, ich schäme mich für diese Werbung. Sie ist plump und primitiv und eben jenen Eindruck vermittelt sie auch von RaDar. Peinlich! Oder was soll mit dieser Szene genau beworben werden? Doch nicht etwa die Qualität von RaDar's Lokal-Journalismus, oder? Dessen männliche Verkörperung lässt sich nämlich offensichtlich lieber einen auf der Toilette blasen! Dumm gelaufen.“

Die schon erwähnte junge Sekundantin hat zudem ganz gewiß „Radio Darmstadt“ mit einem Klamottenladen verwechselt, als sie kommentierte:

Ehemalige HEAG-Hallen.
Bild 3: In die bisherige Markthalle soll ein Klamottenladen einziehen. Auch Radio Darmstadt muß demnächst wieder einmal umziehen. Da geht doch was!

„Die halbnackten Models auf den Werbeplakaten von H&M, Dior usw. haben den gleichen Zweck wie unsere Kampagne auch: Aufmerksamkeit durch eindeutig zweideutige Szenen!“

Das ist nachzuvollziehen: zu Klamottenketten gehört die Präsentation der Kleidung, und daß diese Kleidung dann eben auch mitunter knapp ausfällt, gehört zum wohlkalkulierten Geschäft: sex sells. Aber weshalb soll ein Lokalradio derlei kopieren, wo es sich doch sonst so gerne als nichtkommerziell geriert? Da müßt ihr euch schon einmal entscheiden. Wollt ihr kommerzielle Werbemaschen kopieren oder nichtkommerzielle Inhalte verbreiten? Warum nur erinnert mich das an eine Geschichte aus der Vergangenheit dieses Lokalradio­vereins? Vor etwa zehn Jahren wuchs die Mitgliedschaft desselben wunderlicherweise ausgerechnet im Raum Köln signifikant an. Des Rätsels Lösung war: die jungen dortigen Vereinsmitglieder hatten die Möglichkeit für sich entdeckt, sich mittels eines moderaten jährlichen Radar-Mitgliedsbeitrages einen Vereinsausweis zu besorgen, mit dem sie dann, Medienbericht­erstattung vortäuschend, freien Eintritt zu Konzerten und anderen Events erhielten. Einer dieser Veranstalter fragte vorsichtshalber bei „Radio Darmstadt“ nach, und so flog diese Masche auf. Denn die Frage wurde dann an die Kölner Mitgliedschaft weitergereicht: in welcher Redaktion von „Radio Darmstadt“ arbeitet ihr denn mit? Die Antwort kam schlecht recherchiert: wir sind bei „Young Fashion“. Die Jugendredaktion heißt jedoch „Young Power“; auch da werden wohl die Klamotten die Gedanken vernebelt haben. Kann ja mal vorkommen, daß frau nicht weiß, ob sie sich in einem Konsumtempel oder einem nichtkommerziellen Lusttempel befindet. Dies zeigt aber auch, daß die Unterschiede doch nicht so groß sein können, wenn es da zu Verwechslungen kommt. Abwiegelnd meint sie noch:

„Ich jedenfalls weiß nicht, was ihr habt; als Frau fühle ich mich nicht sexistisch angegriffen.“

Bemerkenswert, wie sie von sich auf andere schließt und damit anderen Frauen vorschreibt, was sie zu denken und zu empfinden haben. Das ist genauso, als würde man oder frau sich darauf berufen, daß es schwarze Sklaven gab, welche die Sklaverei nicht so schlimm fanden, um die Sklaverei zu legitimieren; daß es Sinti oder Roma gibt, die sich auch Zigeuner nennen lassen, um weiterhin ein Zigeunerschnitzel ordern zu können; oder daß es Frauen gibt, die nichts dabei finden, wenn sie als Huren oder Schlampen bezeichnet werden, weswegen es dann wohl legitim ist, Frauen derart zu titulieren. Nur vergißt die junge Frau hierbei, daß es auch andere Empfindungen gibt, die nicht nur legitim, sondern vor allem auch begründet sind. Sie anderen Frauen einfach abzusprechen, heißt, das Spiel der Männer mitzuspielen und Frauen, die sich gegen den alltäglichen Sexismus zur Wehr setzen, zu diskreditieren und zu diffamieren. Vielleicht sollte die junge Frau weniger Facebook konsumieren und sich einmal mit anspruchsvoller Lektüre aus der Frauenbewegung der letzten 150 Jahre versorgen. Oder sie folgt dem Ratschlag von Alexandra Kanuczynka* in der Kommentarspalte zum Blowjobbild und schaut sich einmal das empfohlene Youtube-Video an, in dem Carline Heldmann erklärt, „what sexual objectification is and why girls are taught that it can be empowering when the reality is far from that.“ Ich fürchte jedoch, daß hier, wie im gesamten ideologischen Dickicht des Neoliberalismus, Argumente nicht zur Kenntnis genommen werden, weil sie dem eigenen bornierten Weltbild widersprechen. Der frische Wind im Sendehaus, von dem auch das Vorstandsmitglied Marc Gilbert in einem seiner Kommentare zum Plakat schreibt, entpuppt sich eher als eine Methode, den „Muff“ emanzipatorischen Gedankenguts wegzublasen (oh, ein Wortspiel!), um ihn durch Marketing und „tolle Werbung“ zu ersetzen.

Die Musikredaktion hat übrigens wenig Grund, sich über das frischen Wind bringende eindeutig zweideutige Gesicht von „Radio Darmstadt“ zu beschweren. Vor nicht einmal zehn Jahren gab es noch Männer und Frauen im Verein, die sich derlei nicht gefallen gelassen hätten und die offensiv gegen derart bescheuerte sexistische Vorstellungen auch vorgegangen wären, ja sind. Die Musikredaktion war eifrig daran beteiligt, diese Menschen mit, sagen wir mal, windigen Methoden aus dem Verein zu kicken [dokumentation]. Sie hat das, was daraus entstanden ist, folglich mit zu verantworten.

Abschweifung: wir fragen mal nach

Kaum hingen die Plakate an den dafür vorgesehenen Flächen, fiel die Musik aus und kein DJ ward gesehen. Was war geschehen? Am Freitagabend, 12. September, sollte ab 23 Uhr ein DJ-Set laufen. Laut Facebook-Auftritt der zugehörigen Redaktion gab es „Spektrum“ mit, wie es dort heißt, „zeitlosem Techno. Von Deep- bis Looptechno puren Ursprungs.“ Des weiteren wird auf selbiger Facebook-Seite behauptet, drei Personen haben daran teilgenommen. Nun soll die DJ-Sendung die ganze Nacht über bis morgens um 9 Uhr laufen, ehe die Sendeautomation zwei Stunden Wiederholung des Vorabendprogramms einspielt. Doch als ein Vereinsmitglied am frühen Morgen das Sendehaus betrat, lief gar nichts. Der Sender war mucksmäuschenstill und – mehr noch – keine und niemand hat „mal“ auf der Toilette im Sendehaus nach dem DJ geschaut, wie er – ach!, lassen wir das.

Nur die wenigsten Hörerinnen und Hörer ahnen, daß das Sendekonzept der DJ-Zone darauf ausgerichtet ist, daß eben keine und niemand, vor allem niemand, denn die DJ-Zone ist laut Auskunft der eigenen Webseite eine reine Männer­versanstaltung, daß also niemand im Sendehaus anwesend ist. Vielmehr können sich die einzelnen DJs von zuhause aus im Sender einloggen und ihre Sets als Internetstream ins Studio einspielen, von wo sie dann frequenzmoduliert den Radiogeräten zugeführt werden. Demnach müssen wir das auf dem Plakat vorgestellte Settiing leicht abwandeln. Die DJs sitzen zu Hause und warten vielleicht darauf, daß die Businessfrau bei ihnen vorbeischaut, weil sie mal schnell ein Blowjob zu erledigen hat. Sie könnten natürlich auch einen Abstecher in die Kirschenallee unternehmen, wären sie tatsächlich „mal“ im Sendehaus anzutreffen; so weit entfernt vom Sendehaus am Steubenplatz ist die dortige sogenannte „Toleranzzone“ ja nun nicht. Vielleicht ist ein derart einfach zu erkaufender Blowjob jedoch unterhalb der Würde eines gemeinen DJs. Obi Oka, einst Musikredakteur, schreibt in seinem Kommentar zum Plakat nicht nur, daß er daraufhin seine Mitgliedschaft im Verein kündigt, sondern scheint geradezu ein Gespür dafür entwickelt zu haben,

dass einige das plakat so heftig verteidigen, weil da eine situation dargestellt wird, in die sie sich insgeheim projizieren, aber – gehe ich nach den profilfotos – nie in realita kommen werden …

Und wenn doch, dann kann es schon einmal vorkommen, daß der DJ so abgelenkt ist, daß der Stream zusammenbricht und „Radio Darmstadt“ statt Technogesummse nur Stille ausstrahlt, aber auf gar keinen Fall nachfragt.

Wenn der Mainstream Geburtstag feiert

Zu beiden Werbeplakaten gehört ein Kleingedrucktes, das nur für diejenigen zu entziffern war, die dicht davor standen, um entweder dem Blowjob interessiert zuzusehen oder die Nixen aus der Nähe zu begaffen. In dem Text, der auf zwanzig Jahre Radioverein verweist, wird die Lebenslüge der neoliberalen Spielkinder nachgebetet: wir sind nicht Durchschnitt, wir sind nicht Mainstream, wir sind ganz individuell und etwas ganz Eigenes. Auf diesem Trug baut die gesamte multimediale Werbebranche auf.

Plakatausschnitt mit Text.
Bild 4: Bist du Durchschnitt? Wir auch nicht!

„Bist Du Durchschnitt? Wir auch nicht!
Radio Darmstadt ist kein normales Radio – und das wollen wir auch so! Du schaltest ein und hörst die merkwürdigste Musik, die Du je gehört hast. Genauso gut kann es aber auch sein, dass Du einschaltest und genau deine Musik hörst, ohne Werbung, ohne Kompromisse. Das ist RadaR.“

Und damit die Angesprochenen auch zum richtigen Zeitpunkt einschalten, um in ihrem Radio ihre Musik zu empfangen, gibt es ein Programmheftchen, das mit dem Slogan „Deine Stadt – Dein RadaR!“ wirbt. Nun ist dieser Bezug auf „Du“, „Dein“ und „nur für Dich“ ein ausgelutschter Werbespruch, mit dem schon seit Jahren kommerzielle Radio­bauernfänger ihr Zielpublikum einzulullen versuchen. Irgendwie ist das ja niedlich, daß ausgerechnet ein dem Anspruch nach nichtkommerzielles Lokalradio diesen Werbemumpitz nachplappert. Doch schauen wir in dieses Heftchen hinein, dann werden wir darüber informiert, was bei „Radio Darmstadt“ der Begriff „merkwürdige Musik“ bedeutet.

Zu den Neuerungen radar-eigener Veröffentlichungen gehört hier, daß zu den jeweiligen Themen- und Musiksendungen auch die Musikfarbe angegeben wird. Offenkundig ist es für das anstrebte hörende Publikum von Relevanz, welche Musikrichtung in einer Sendung zu Politik oder Kultur gespielt wird; als sei diese Musik in der betreffenden Sendung wichtig und nicht einfach nur Beiwerk. So denken musikfixierte Kinder des Neoliberalismus, aber nicht Menschen, denen der Inhalt einer Themensendung wichtig ist. Wir lesen folglich im Heft, welcherlei Musikfarben es so zu hören gibt: Pop und Rock, Oldies der 1960er Jahre, Punk und Crossover, Country, Schlager und Disko, Charts und schon wieder Pop, Jazz, ja sogar explizit „Mainstream“! Natürlich gibt es auch „Musik aus Darmstadt“, aber wer hier einmal hineinhört, wird nur die lokale Variante altbekannter gefälliger Musik in all ihren mainstreamigen Variationen wiederfinden. Wer sich des weiteren „mal“ ein wenig in die Weltmusik eingehört hat, wird auch die diversen von Migrantinnen und Migranten gestalteten Sendungen musikalisch nicht „merkwürdig“ finden. Sicher, es gibt auch in Darmstadts Lokalradio das, was es in öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Radios gibt: Nischen für etwas ausgefallenere Musik, zu später Stunde oder in versteckten Ecken am Wochenende. Bei Kommerzradios steht die Abwehr dessen, was als Quotenkiller gilt, im Vordergrund, aber bei Radar? Und dann gibt es bei „Radio Darmstadt“ jede Menge elektronischer DJ-Musik, die von ihrem selbstgefälligen Anspruch her ja unter keinen drei Umständen auch nur annähernd etwas mit Mainstream und Durchschnitt zu tun haben kann und will. Muß ich das dann so verstehen, daß sich auf der von denselben DJs in ihren Sendungen und auf ihrer Facebook-Seite bis zum Abwinken beworbenen Techno-Massen­veranstaltung „Nature One“ Tausende von Egomanen treffen, die ganz und gar nicht-mainstreamig sich denselben schamanistischen Beat- und Tonkaskaden hingeben? Das ist doch lächerlich! Natürlich ist auch der Techno in all seinen Schattierungen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Avantgardistische Musik, Musik also, die über ihren Tellerrand hinausschwappt, Musik, die sich und ihre Bedingungen kritisch befragt, ist im Sendehaus nirgends (mehr) zu vernehmen. Ob das im Sendehaus ungeliebte „Radio Theater“ von Norbert Büchner, das bis 2012 noch versuchte, mit sogenannter „neuer“ Musik einen Kontrapunkt zu setzen, diesen avantgardistischen Anspruch eingelöst hat, möchte ich bezweifeln. Aber hier war tatsächlich eine Auseinandersetzung mit dem Sinn und der historischen Einbettung von Musik zu vernehmen; und wenn es überhaupt in den vergangenen zehn Jahren bei „Radio Darmstadt“ diese „merkwürdige“ Musik je gegeben hat, dann dort. Aber dem Vereinsgründer von 1994 verpaßte man und frau lieber ein Sende- und Hausverbot, anstatt sich mit unbequemen Inhalten auseinanderzusetzen.

Im April 2014 hat die Mitgliederversammlung des Trägervereins von „Radio Darmstadt“ die antifaschistische Redaktion „Gegen das Vergessen“ aufgelöst und statt dessen eine DJ-Redaktion ins Leben gerufen. Besser läßt sich der Bewußtseinsstand des ehemals mit progressivem Anspruch angetretenen Radiovereins nicht ausdrücken. An die Stelle kritischer Auseinandersetzung tritt die Autosuggestion des Technobeats. Die neoliberal sozialisierten Spielkinder schaffen sich ein Paralleluniversum, in dem sie sich auskennen, in dem sie sich (am liebsten als DJs) Meriten erwerben können, in dem sie etwas gelten können – anders als in der rauhen „Normalwelt“, in der sie nichts zu sagen haben. Dieses Paralleluniversum ist die Musik, und zwar eine Musik, die bestimmten Codes folgt, deren Entstehungsgeschichte und Einbindung in den kapitalistischen Normalzustand jedoch nicht reflektiert wird. Folgerichtig halten sie sich für wichtiger, als sie es sind, und erklären alles, was nicht in ihr selbstgestricktes Paralleluniversum paßt, zu „Mainstream“. Dabei leben sie selbst den Konformismus der Konsumgesellschaft, haben deren Werte und Entfremdung verinnerlicht.

Das geht so weit, daß sie es nicht einmal bemerken, wenn sie die New Age-Ideologie des positiven Denkens nachplappern, weil sie einfach so selbstverständlich in ihren Köpfen eingebettet ist. Das Jobcenter Darmstadt hatte im Sommer 2014 ein Motivationsseminar mit einem Berliner Motivationscoach durchgeführt, der nicht nur Unsinn über Hummeln zum Besten gibt, sondern auf seiner Webseite unverblümt fragt: „Welche Ausrede haben Sie“ – In derartigen Motivations­veranstaltungen geht es darum, schlummernde Potentiale der Verwertung zuzuführen, bevor deren motivierte Trägerinnen und Träger ausgebrannt und ausgelutscht weggeworfen werden. Ein ähnliches Konzept finden wir in einem in demselben Sommer verteilten Flyer von „Radio Darmstadt“ wieder. Dort wird der Sender knapp vorgestellt, gefolgt von der Frage: „Gibt es jetzt noch eine Ausrede, nicht bei uns mitzumachen?“ Zugegeben, der Slogan des Lokalradios ist nicht so knackig, aber er bemüht dieselbe Motivationsmetaphorik.

Insofern ist es folgerichtig, wenn sich der Radiosender am Steubenplatz als nicht normal präsentiert. Auf den großformatigen Plakaten war mit kleiner Schrift zu lesen: „Bist Du Durchschnitt? Wir auch nicht!“ Durchschnitt – das sind die Anderen. Wer unter Durchschnitt oder „Mainstream“ nur seichten Pop und Schlager versteht, hat jedoch nichts, aber auch gar nichts von Massenkultur, Massenmedien, Konsum- und Musikindustrie verstanden, und will es wohl auch nicht; oder aber: belügt sich und sein Publikum. Und damit sind wir bei der Aufgabe der Werbung in einer spätkapitalistischen Konsumgesellschaft angelangt.

Die Kampagne

Im Frühjahr 2014 stellte das ehemalige Vorstandsmitglied Benjamin Gürkan, auch weiterhin so etwas wie die „graue Eminenz“ im Verein, dem amtierenden Männervorstand sein Marketingkonzept zur Promotion von „Radio Darmstadt“ vor. Neben einer Plakat- und Postkartenaktion sollten für das Heinerfestradio Anfang Juli jede Menge Jutebeutel, Kugelschreiber, Aufkleber und mit Helium füllbare Luftballons angeschafft werden. Marketingmaßnahmen zur Verbesserung des Programms und vor allem zur inhaltlichen und personellen Stärkung der schrumpfenden Themenredaktionen waren nicht vorgesehen. Der Vorstand scheint vielmehr auf eine Positionierung des Darmstädter Lokalradios zu setzen, bei dem die Musik und nicht das Wort im Vordergrund steht, weshalb im bald darauf erschienenen Sendungsheft nicht nur dort, wo es sinnvoll erscheint, nämlich bei den Musiksendungen, sondern auch bei den thematischen Wortsendungen eine Musikfarbe angegeben wird. Eine derartige Positionierung, die fernab der Wurzeln des Senders in den 90er Jahren angesiedelt ist, benötigt Marketing und Giveaways, um Hörerinnen und Hörer ans Programm zu locken, und nicht ausgefeilte, spannende und vielleicht auch kontroverse (lokal)politische Themen. Bewilligt hat sich der Vorstand hierfür 10.000 Euro; und Benjamin Gürkan scheint mit der Umsetzung des Konzepts und der Beschaffung des Materials beauftragt worden zu sein.

Das Heinerfestradio, so es denn überhaupt an seinem kleinen Stand am Rande des Heinerfestes wahrgenommen wurde, versendete sich bald wieder.

Benjamin Gürkan ist laut eigenem Webauftritt „spezialisiert auf politische Kommunikation und [berät] Parteien, Unternehmen und NGO's bei der Analyse, Konzeption und Umsetzung politischer Kommunikation.“ Seine Masterarbeit schrieb er über „Der dialogorientierte Onlinewahlkampf zur Bundestagswahl 2009“ und es ist anzunehmen, daß er sich ausführlich mit Werbekonzepten und ihrer Wirksamkeit befaßt hat. Vermutlich wird ihm dabei nicht entgangen sein, daß gezielte Provokation zu den durchaus wirksamen Mitteln einer Art von Kommunikationsguerilla gehört. Ich gehe davon aus, daß er für den Werbespruch wie für die grafische Umsetzung verantwortlich ist; das bedeutet nicht, daß das alles auf seinem Mist gewachsen ist. Daß er sich früher nebenbei als DJ betätigt hat, sei nur nebenbei angemerkt.

Wenn eine derartige Kampagne jedoch die Pose der nach ihrer Hornbrille suchenden und dabei den DJ versehentlich blasenden Businessfrau benötigt, um aufzufallen, dann muß es dem Sender in der Hörerinnen- und Hörergunst wahrlich dreckig gehen. Michael Deschamps, bis 1999 das für die Finanzen zuständige Vorstandsmitglied im Trägerverein, hatte ein Jahr zuvor (also 1998) den Vorschlag auf einer Mitglieder­versammlung eingebracht, mittels einer auf einem Straßenbahn­wagen aufgebrachten Folie für den Sender zu werben. Nie wäre er auf die Idee gekommen, auch nur einen Hauch von Anzüglichkeit für ein derartiges Aushängeschild vorzusehen. Leider wurde diese Idee damals verworfen. Doch sechzehn Jahre später werden die Mitglieder gar nicht erst gefragt, sondern vor vollendete und zudem auch noch teuer eingekaufte Tatsachen gestellt.

Ich frage mich, wer die Kosten dieser Plakat- und zugehörigen Postkartenaktion trägt. Die hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien bezuschußt den weitaus größten Teil des Jahresetats des Darmstädter Lokalradios. Es wäre sicherlich interessant zu erfahren, ob die für die Abrechnung der Fördermittel zuständige Sachbearbeiterin die Abrechnung für das Blowjob-Plakat beanstandet. Vermutlich nicht; wahrscheinlich weiß die Landes­medienanstalt nicht einmal, was sie da finanziert.

Dann wäre es natürlich auch möglich, daß der Kostenrahmen, den die LPR Hessen finanziert, schon ausgeschöpft ist, so daß der Rest des Etats aus Mitgliedsbeiträgen oder Spenden zu bestreiten wäre. Hierüber würde ich ja gerne einmal eine Abstimmung auf einer Mitgliederversammlung sehen; oder haben die DJs den Laden inzwischen komplett übernommen? Oder wurden während des Heinerfestradios gezielt Spenden für die Blasenummer eingeworben?

Allerdings enthält die Provokationskampagne noch ein weiteres spannendes Element, nämlich die Bereinigung der Mitgliedschaft. Ich erwähnte schon, daß der ehemalige Musikredakteur Obi Oka den Austritt aus dem Verein erwägt. Ein Walter Büchner, den ich für einen Fake-Account bei Facebook halte, meint daraufhin:

„Also, das ist ein Radiosender und zwar keiner der konservativen Sorte, dazu ist RadaR viel zu bunt und vielseitig! Ja sie sind alternativ. Und dennoch: so ein Sender geht nunmal mit dem Puls der Zeit, das ist die aktuellste Art wie man gescheites Marketing betreibt. Wenn es euch stört oder ihr dort kündigt, ist das vermutlich genau das, was die verantwortlichen Leute dort erreichen wollten, also: Good (Blow-)Job!“

Wenn ich mir als Nicht-Facebooker das Facebook-Profil dieses Walter Büchner anschaue, der irgendetwas mit der TU Darmstadt zu tun haben will und dessen einzig aufgeführte Liebe dem Sender „Radio Darmstadt“ gilt, der aber ansonsten der gugeligen Datenkrake ebenso unbekannt ist wie dem Sendehaus, dann verwundert eine derart dezidierte Aussage schon. Er scheint ja viel zu wissen. Doch dies, so scheint mir, gehört zur Guerillakampagne dazu. Das zugehörige Profilbild zeigt eine Figur aus der US-amerikanischen Fernsehserie Breaking Bad und der zugehörige Facebook-Account scheint eigens für diesen einen Kommentar am 15. September angelegt worden zu sein.

Drei Jahre zuvor führte der Verein 2011 schon einmal ein sogenanntes Heinerfestradio durch. Unter Selbstaufgabe aller Eigenständigkeit unterwarfen sich die sendenden Vereinmitglieder einem Sendekonzept, das aus streng formatierten und der kommerziellen Radiolandschaft entlehnten Elementen bestand. Ich hatte mir damals erlaubt, parallel zum gesendeten Programm auf meiner Webseite die daraus resultierende Ansammlung von Peinlichkeiten zusammenzutragen und zu kommentieren. In den Abendstunden des letzten Sendetages hielten insbesondere die beiden Vorstandsmitglieder Marco Schleicher und Benjamin Gürkan diese Kritik nicht aus, weshalb sie auf dem Sender mittels einer sogenannten Satire zurückschlugen. Sie erfanden die Popanze namens „Kalter und Mobby – die coole Gang“ und prügelten anschließend auf ihren Popanz ein. Das ließ tief in die Seelenlage des Vereins und seines Radios blicken, die satirische Qualität hingegen war zu vernachlässigen. Mit Kalter und Mobby waren die ehemaligen Vereinsvorstände Walter Kuhl und Norbert Büchner gemeint; und deshalb finde ich es naheliegend, in „Walter Büchner“ eine Neuauflage dieser schalen Comedy zu sehen.

Die Botschaft dieses „Walter Büchner“ an die mosernde Mitgliedschaft jedenfalls ist klar: wenn es euch nicht paßt, dann geht doch. Dann hätten die Kinder des Neoliberalismus auf ganzer Linie gesiegt und könnten ihr Spielradio frei von Kritik und Unmutsäußerungen, also dem, was sie ohnehin nur für eine Störung ihres Selbst halten, durchgestylt betreiben. Es mag „gescheites Marketing“ sein, mißliebige, weil aufmüpfige Vereinmitglieder herausekeln, Kommunikation jedoch geht anders – dazu würde jedoch gehören, daß man und frau miteinander redet. Nur: wozu reden oder sich gar Argumenten aussetzen, wenn man am längeren Hebel sitzt?

Der Oberbürgermeister verabschiedet sich

Weil „Radio Darmstadt“ sich ja ganz und gar nicht mainstreamig sieht, sondern anders, nämlich laut Selbstauskunft „kein normales Radio“ sein will, versteckte sich der Sender auf seinem Facebook-Titelbild seit Dezember 2012 hinter Darmstadts grünem Oberbürgermeister Jochen Partsch. Wenn das nicht Mainstream ist! Diesem wurde auf dem Titelbild nachgesagt, er höre RadaR, „weil hier Lokalpolitik groß geschrieben wird.“

Screenshot des Facebook-Auftritts.
Bild 5: Unfreiwillige Werbeverwandtschaft (Screenshot und Bildzitat). Und dann ist nicht der DJ, sondern der OB verschwunden.

Lassen wir einmal den unfreiwilligen Kalauer beiseite, der darin besteht, daß selbstverständlich im Deutschen das Wort „Lokalpolitik“ groß geschrieben wird, dann entdecken wir, daß die Lokalpolitik bei „Radio Darmstadt“ als ein zartes, gar marginales Pflänzchen wenig gehegt und gepflegt wird. Zwar gibt es eine lokalpolitische Sendung am Freitagnachmittag, die zudem am Mittwochnachmittag wiederholt wird, aber nur deshalb, weil sich keine andere Sendung für diesen Sendeplatz finden ließ. So wird auch hier die Not als Tugend vermarktet. Und wenn wir großzügig noch die „Hörzeitung“ der Darmstädter Tonband- und Stereofreunde dazuzählen, die uns in ihrem allwöchentlichen Podcast am Donnerstagabend das „Darmstädter Echo“ der Vorwoche vorliest, dann erhalten wir drei Stunden Sendezeit für explizit lokalpolitische Themen. Es kann zwar einmal vorkommen, daß auch der „treffpunkt eine welt“ die Lokalpolitik kurz streift oder eine der wenigen anderen Sendungen im Themenradio, aber in der Regel wird es so sein, daß eben zwei bis drei Stunden pro Woche (ohne die Wiederholungen nachts und am Vormittag zu berücksichtigen) alles ist, was an lokalpolitischer Relevanz verbreitet wird; das sind umgerechnet vier Prozent des mehr oder weniger live ausgestrahlten Programms. Ich weiß ja nicht, was Jochen Partsch wirklich hört, aber die anderen 96% scheint er vollkommen zu ignorieren.

Seit dem 24. September, also knapp zwei Wochen nach Beginn der Plakataktion, hat „Radio Darmstadt“ mit den Badenixen ein neues Facebook-Titelbild. Ob Jochen Partsch „not amused“ war, als er sich in Verbindung mit dem „eindeutig zweideutigen“ Blowjob gestellt gesehen hat? Ich kann es mir vorstellen. Zumindest findet sich auf der Webseite der Stadt Darmstadt ein Hinweis darauf:

„Unter der Federführung von Herrn Oberbürgermeister Jochen Partsch (ehemals Stadtrat) tagte bereits ein Arbeitskreis mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Parteien des Darmstädter Stadtparlaments mit dem Ziel, zu sensibilisieren und sich gegen frauenfeindliche, sexistische Werbung in Darmstadt zu positionieren.“

Der hier zutage tretende Widerspruch, einerseits sich gegen frauenfeindliche, sexistische Werbung auszusprechen, andererseits einem Sender, der genau damit wirbt, als Konterfei zu dienen, wurde beseitigt. Das Konterfei verschwand stillschweigend. Das ist konsequent, auch wenn diese Konsequenz wohl eher vom OB als vom Vorstand von Radar ausgegangen sein dürfte. Was mich hingegen verwundert, ist die Zaghaftigkeit, ja geradezu die Feigheit der Verantwortlichen bei Radar, die Situation nicht klar und demonstrativ dafür zu nutzen, das anstößige Plakat nun selbst zum Titelbild zu erheben. Statt dessen prangt dort nun die weichgespülte Fassung mit den Badenixen. Steht doch dazu, wie ihr den Verein und sein Radio zu positionieren gedenkt! Der Vorstand des Vereins hat es für gut befunden; oder fürchtet ihr, daß eure Provokation bei einer derart prominenten Plazierung auf eurer Facebook-Seite – wie das nicht gegebene Interview – ins Wasser fällt, ohne daß „mal“ nachgefragt wird?

Kleinformatiges und – ein Plenum und noch einige Andere fragen mal nach

Das Darmstädter Ordnungamt hingegen scheint weder einen Blick auf die hauseigene Webseite zum Thema frauenfeindliche Werbung geworfen noch gar eine blasse Vorstellung von dem gehabt zu haben, was es zu plakatieren erlaubt hat. Nachdem die wenigen großen Plakate recht schnell wieder verschwunden waren, setzt der Sender seine Kampagne mit kleineren, Wahlplakaten nicht unähnlichen Werbemitteln fort. Das hierbei gewählte Format ist jedoch hochkant, so daß die auf den Plakaten noch zu bewundernde Aussage im Falle des Blowjobs verstümmelt wird. Die Businesslady ist also solche mitsamt dem ihr untergeschobenen Handlungsfaden kaum noch zu erkennen.

Der Blowjob im Kleinformat.
Bild 6: Plakat in Kinonähe (Bildzitat).

Interessanter ist hier eher noch das aufgeklebte Verfallsdatum. Die Plakatierung ist demnach vom 20. September bis zum 3. Oktober genehmigt. Immerhin gibt es nun ein drittes Motiv. Einige wenige Radar-Mitglieder ließen sich in den vergangenen Monaten am Rande des Dagger-Komplexes sehen, um der NSA ihre Aufwartung zu machen. Dabei wird wohl das weiter unten zu betrachtende Bild entstanden sein. Dennoch stellt sich recht schnell die Frage, weshalb ausgerechnet die NSA Radar mögen sollte. Das Programm ist recht einfallslos und unkritisch; und die wenigen, einen Geheimdienst möglicherweise interessierenden Sendeminuten kann selbiger Schnüffelapparat auch ohne Verlust an sensitiver Information ignorieren. Allerdings scheint die Werbeaussage darauf zu zielen, daß es für Radar ehrenvoll sein könnte, wenn sich sogar ein so mächtiger illegal operierender Apparat für das in Darmstadt ausgestrahlte Programm begeistern könnte. Etwa für die DJ-Sendungen? Beobachtet er undercover den Blowjob? Nun, „wir fragen mal nach“.

Andererseits gibt das Plakat zum Dagger-Komplex auch noch eine weitere Lesart her. Angesichts der Orientierung des Senders auf ein Musik hörendes junges Publikum, dem der Inhalt weitgehend egal ist, ist es naheliegend, wenn Radio Darmstadt ab und an auch „mal“ inhaltlich nachfragt; die Regel jedenfalls ist es nicht.

Dagger-Komplex.
Bild 7: „Radio Darmstadt“ hat einen Dagger-Komplex (Bildzitat).

Obwohl – wer von euch hat denn bei der NSA „mal“ nachgefragt? War das Ergebnis auf den bei wunderlicher Musik näher dran seienden Planschwellen von „Radio Darmstadt“ auch zu hören? Oder wird hier bloß eine kleine Plakatshow ohne weiteren inhaltlichen Wert aufgezogen?

Während die Plakatkampagne in Darmstadt im Meer vielfältig anderer Werbung eher versandet sein dürfte und deshalb auf der Webseite und dem Facebookauftritt des Senders bewundert werden muß, wurde sie andernorts aufmerksam zur Kenntnis genommen. So gibt es leichte Überschneidungen zwischen Darmstadts Lokalradio und „Radio Unerhört Marburg“. Mindestens ein Darmstädter Sendender strahlt in Marburg seine Musiksendungen als Konserve aus und mindestens ein Sendender aus Marburg wird ab und an am Steubenplatz vor dem Mikrofon gesichtet. Wie nun im einzelnen die Plakatkampagne ihren Weg nach Marburg genommen hat, ist ungewiß; Tatsache ist jedoch, daß das Sendendenplenum von „Radio Unerhört Marburg“ „mal“ nachgefragt hat, wenn auch nicht so, wie man und vielleicht auch frau sich das in Darmstadt vorgestellt haben mag. Offensichtlich ist die Darmstädter Kampagne dort sauer aufgestoßen.

„Wie wollt Ihr Euch von sexistischen Mainstreammedien abgrenzen, wenn Ihr mit Sexismus Werbung macht? Wie wollt Ihr Frauen* vermitteln, dass sie bei Euch als Gleiche unter Gleichen willkommen sind, wenn sie sich in Eurer Kampagne lediglich als Blowjob-Gebende ohne Gesicht und (weiße, dünne, able-bodied) Bikini-Models repräsentiert sehen ‚dürfen‘?

Auf eine qualifizierte Antwort aus dem Sendehaus bin ich gespannt.

Am 24. Oktober 2014 befaßt sich der Darmstädter Blog fem* mit der sexistischen Kampagne von „Radio Darmstadt“: Radio Darmstadt ganz daneben und erntet einen süffisanten Kommentar der Kampagnenbefürworter auf ihrem Facebook-Auftritt: „Vielen Dank für die konstruktive Kritik“, gefolgt von einem Smiley. Darüber wundert sich Obi Oka nun überhaupt nicht.

„… es nervt einfach diese zunehmende EDM-Atzen-Humorisierung des Senders, seitdem ‚Junge Liberale‘ dort ein letztes Sprungbrett vor dem Abgrund entdeckt zu haben glauben … was sagt denn Herr Rößler alias Ray Sheep dazu?“

Es sind nicht nur junge Liberale. Gleichgesinnte finden sich auch im sozialdemokratischen oder grünen Umfeld des Senders. – Das Darmstädter Frauenmagazin Mathilde hat seine ganz eigene, aber auch sehr typische Erfahrung mit Darmstadts Blowjobsender gemacht, nachzulesen als Kommentar bei fem*:

„Auch wir, die Redaktion der Darmstädter Frauenzeitschrift MATHILDE begrüßen diesen fem-Artikel. Wir haben auf unsere Weise auf das sexistische Plakat von RADAR reagiert: mit einem Protestbrief an den Radiosender, der auf sehr hochnäsige, unverschämte Art und Weise beantwortet wurde. Und wir haben RADAR für das Plakat den Antipreis ‚Stinkmorchel‘ für sexistische Werbung im Raum Darmstadt verliehen. Nachzulesen in der neuen MATHILDE (Nr. 133), Heft November / Dezember 2014, auf Seite 35. Die ‚Gemeine Stinkmorchel‘ (ein Pilz mit dem lateinischen Namen Phallus impudicus, dt. ‚unzüchtiger Penis‘) stinkt im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel. Genauso wie uns das Plakat von Radio Darmstadt stinkt.“

Ich kann mir gut vorstellen, wer aus dem Sendehaus den Antwortbrief verfaßt hat. Dabei, so habe ich mir sagen lassen, soll dies nur die abgemilderte Fassung des Briefs gwesen sein, den der Deutsche Werberat auf dessen Schreiben erhalten hat. Was Mathilde vielleicht nicht ahnt, ist, daß es den Verantwortlichen im Sendehaus vollkommen schnuppe ist, wie er von taffen und emanzipierten Frauen wahrgenommen wird. Das durch Plakat und Musikauswahl angesprochen Publikum ist männlich und meint angepaßte Frauen [Beispiel, hier am 61. Bautag beim Putzen] allenfalls mit.

Jedenfalls – „Stinkmorchelsender“ wäre eine hübsche Charakterisierung. Ob sich der Begriff einbürgert?

Die Beschwichtigungsmasche

Am 9. Dezember 2014 ließ sich der Sender zu einem kurzen Statement auf seiner Facebookseite herab. Vorausgegangen war nicht nur Kritik aus dem Verein selbst oder aus Marburg, sondern auch aus verschiedenen Ecken der Stadt Darmstadt. Ob der Vorstand seinen Mitgliedern das Schreiben des Darmstädter Oberbürger­meisters – beispielsweise auf der letzten Mitglieder­versammlung im November 2014 oder durch Aushang im Sendehaus – zur Kenntnis gebracht hat, in dem sich dieser sehr klar und eindeutig gegen diese sexistische Werbemasche ausgesprochen hat? Jedenfalls kam drei Monate nach dem fait accompli ein Abwiegeln, das nur eines verdeutlicht: es wird bei Radar auch zukünftig mit dem Schwanz gedacht, aber an Einsicht und Respekt fehlt es weiterhin.

„RadaR ist bunt und vielfältig. Aus diesem Grund gibt es ein sehr breit gefächertes Meinungsspektrum zu unserer letzten Plakataktion. Wir bitten alle um Entschuldigung, deren Gefühle durch die Werbekampagne, insbesondere das Plakat ‚DJ verschwunden?‘, verletzt wurden. Dies war nicht in unserem Sinn.“

Ja sicher ist Radar bunt und vielfältig. Sexistische Plakataktionen gehören zu dieser bunten Vielfältigkeit unbedingt dazu. Es ist ja nur eine Meinung, eine Meinung allerdings, die sich bewußt und gezielt gängiger Klischees bedient, um die geheimen Fantasien eines erwünschten Publikums (vorwiegend Männer) breit gefächert zu bedienen. Daß dabei Gefühle (vorwiegend von Frauen) verletzt werden, tut uns ja wahnsinnig leid, ist aber Bestandteil unserer Masche. Unsere Masche, als Meinung getarnt, lassen wir uns nämlich nicht nehmen. Eine Musikredakteurin kommentiert auf Facebook: „Das ist immer noch zu wenig Distanz zu dem was dort abgebildet wurde! Aber immerhin ein guter Anfang!“ Nein, ist es nicht. Es ist Vernebelung, kein Anfang. Gibt es hierzu eine offene, vom Vorstand initiierte und an emanzipatorischen Werten orientierte Diskussion im Sendehaus? Gibt es Anzeichen dafür, daß derlei zukünftig auf dem Sender und seinen Nebenorganen geächtet wird? Nein, das sieht nicht so aus. Und so hat sich die Musikredakteurin einfach einseifen lassen, denn sie begreift den Sinn des verlautbarten Textbausteins nicht, und darin äußert sich ein Mangel an politischem Bewußtsein.

Ich weiß ja nicht, ob dieser Textbaustein auf dem Mist von Markus Lang gewachsen ist, aber es würde zu ihm passen. Beschwichtigen anstelle von Einsicht Zeigen. Das erinnert stark an den schon etwas ansgestaubten CIA-Witz: „Sure, we planned to assassinate Fidel Castro, but there was no harm intended.“

Anstelle eins Fazits

Verwantwortlich für diesen Auftritt sind neben dem Kampagnenleiter zumindest die Vorstände Marc Gilbert, Markus Lang und Ramon Rößler. Lang und Rößler arbeiten beim Sendungsprojekt „Film Radar“ zusammen. Lang und Gürkan schreiben zusammen in Politiblog, dem Blog für politische Kommunikation, auch wenn die dort zu lesenden Aufsätze eher spärlich sind. Lang ist zusammen mit der auf der Radar-Mitglieder­versammlung im Juni 2014 nachgewählten Vorstandsfrau Astrid Schütz bei Greenpeace Darmstadt tätig; beide gestalten auch die monatliche Greenpeace-Sendung des Lokalradios. Gilbert und der sich vom Plakatauftritt begeistert zeigende Paeschke haben bei dem sanft eingeschlafenen Computerspiele-Magazin des Senders zusammen gewirkt.

Bleibt noch ein Kommentar aus dem Off zu vermelden: „Lieber geile Musik als notgeile DJs.“ Hintergrund: Der Hessische Rundfunk wirbt zur gleichen Zeit mit einem Plakat, das die „geile“ Musik der 80er Jahre beschwört – Mainstream pur.

*  Der Name wurde zur Vermeidung von Suchmaschinen­fakes geändert.


 
 
 
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