Aït Benhaddou
Aït Benhaddou (Marokko)

Geschichte

Reisen durch Zeit und Raum

Sendemanuskript

 

Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte

Radio: Radio Darmstadt

Redaktion und Moderation: Walter Kuhl

Ausstrahlung am:

Montag, 28. Juli 2008, 17.00 bis 18.00 Uhr

Wiederholt:

Mittwoch, 30. Juli 2008, 20.00 bis 21.00 Uhr
Donnerstag, 31. Juli 2008, 02.10 bis 03.10 Uhr
Donnerstag, 31. Juli 2008, 11.00 bis 12.00 Uhr

Siehe hierzu auch Anmerkung 12.

Zusammenfassung:

Die Reise durch Zeit und Raum führt uns zu den Ursprüngen der Katholischen Kirche, in den Süden Marokkos und in das Handelsnetz der Seidenstraße. Nebenbei werden einige grundsätzliche Fragestellungen aufgeworfen.

Besprochene Bücher:

Musikalisch untermalt wurde die Sendung durch Wall of Voodoo mit ihrer 1987 erschienenen Platte Happy Planet.

 


 

Inhaltsverzeichnis

 


 

Von stickigen Studios und Klangexperimenten

Jingle Alltag und Geschichte

Mein heutiges Thema ist das Reisen. Und weil es mitten im Sommer netter ist, sich draußen aufzuhalten, als im stickigen Studio zu sitzen, werde ich heute drei kleinere Beiträge zu Gehör bringen. Andererseits: ich sitze ja gar nicht im stickigen Studio, weil der Trägerverein des Radios, das ihr gerade hört, gemeint hat, mich mit einem Hausverbot belegen zu müssen, als Strafe dafür, auf meiner Webseite so einige für den Verein unangenehme Wahrheiten dokumentiert zu haben. Inzwischen – nach neun Monaten Internet-Öffentlichkeit – hat der Verein auch einen Rechtsanwalt damit beauftragt, das Internet von gefährlichen Wahrheiten zu säubern. Es reicht ja, wenn wir per PopUps die neueste Werbung präsentiert bekommen. Ein solches Internet ist sehr genehm. Mal sehen, wann die Webseite dieses Senders gründlich renoviert sein wird, angekündigt ist das ja schon seit anderthalb Jahren, und ob sie dann ebenfalls mit Werbebannern daherkommt.

Nun, wie schon gesagt, ich sitze hier nicht im Studio. Ihr könnt mich zwar hören, doch die Sendung wurde zwangsweise vorproduziert. Solltet ihr in der folgenden Stunde meine Stimme verzerrt oder sonstwie verändert wahrnehmen, dann liegt dies an den schon erwähnten Klangexperimenten auf diesem Sender und nicht an mir [1]. Ich bin immer noch derselbe. Am Mikrofon begrüßt euch für die Redaktion Alltag und Geschichte bei Radio Darmstadt Walter Kuhl von der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.

Doch laßt mich auf das Thema meiner heutigen drei Beiträge zurückkommen: das Reisen. Genauer: das Reisen durch Zeit und Raum, doch ohne Zeitreise. Beginnen werde ich mit der Besprechung eines Buchs über die Geschichte der Katholischen Kirche. Alsdann werde ich einen Reiseführer vorstellen, der uns in den Süden Marokkos führt. Und zum Schluß wandeln wir auf einem weiteren Kontinent entlang der Seidenstraße.

 

Das Wunder der Kirche

Besprechung von : Edward Norman – Geschichte der Katholischen Kirche. Von den Anfängen bis heute, Konrad Theiss Verlag 2007, 192 Seiten, € 32,90

Die Beschäftigung mit der Geschichte der Katholischen Kirche ist ein Unterfangen, das uns rund zweitausend Jahre in eine Zeit zurückführt, in der das Römische Imperium voll heidnischer Gottheiten die beherrschende Macht des Mittelmeerraumes war. Das Christentum entstand als Sekte in einer Zeit, als sich das Judentum in mehrere, miteinander konkurrierende Strömungen aufgesplittert hatte. Diese Sekte verselbständigte sich mit einer eigenen Hagiografie um den Begründer, einen gewissen Jesus von Nazareth, von dem auch nach jahrhundertelanger Forschung nicht gewiß ist, ob er je gelebt hat. Dies ist allerdings auch nicht wichtig, denn die meisten Religionen berufen sich auf Mythen oder historisch nicht oder nur schwer faßbare Gründer.

Buchcover Edward Norman - Geschichte der Katholischen KircheDas gilt für den Buddhismus oder den Zoroastrismus oder den Manichäismus oder andere religiöse Strömungen, die in den ersten Jahrhunderten vor und nach unserer eigenen Zeitrechnung entstanden sind. Wo jahrtausendelang menschliche Siedlungen, kleinere Fürstentümer, Königreiche und größere Imperien nacheinander existierten, entstanden aus lokalen spirituellen Vorstellungen verschiedenste Gottheiten, die sich im Laufe der Zeit vereinheitlichten und in meist monotheistischen Glaubensvorstellungen endeten.

Das Christentum ist insofern nichts Ungewöhnliches; und in den ersten drei Jahrhunderten seiner Existenz war noch nicht abzusehen, daß es ausgerechnet das Christentum war, das sich gegen die alten Gottheiten und andere, konkurrierende monotheistische Strömungen durchsetzen würde. Mit dem Christentum verbunden ist jedoch auch der Übergang von der antiken Sklavenhaltergesellschaft zur feudalen Welt des Mittelalters und daran anschließend der Siegeszug des Kapitals. Deshalb finden wir das Christentum in seinen unterschiedlichen Ausprägungen auch in Gegenden vor, die vor zweitausend Jahren den Menschen des Mittelmeerraums gänzlich unbekannt waren. Dies ist nicht etwa die Geschichte einer erfolgreichen spirituellen Sekte, sondern eine Erfolgsgeschichte, die ohne das Schwert und später die Gewehrkugel nur schwer erklärbar wäre.

Das ambitionierte Projekt einer Geschichte der Katholischen Kirche müßte also die sozialen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Triebkräfte offenbaren, die dazu geführt haben, daß ausgerechnet diese Glaubensrichtung so erfolgreich war. Das letztes Jahr im Theiss Verlag in deutscher Übersetzung herausgebrachte Buch des englischen Kirchenhistorikers Edward Norman über die Geschichte der Katholischen Kirche geht jedoch einen anderen Weg. In der Einführung zu seinem knapp 200–seitigen großformatigen Werk schränkt er zunächst den Fokus seiner Darstellung ein, wenn er schreibt, er erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit und es handele sich auch nicht um eine Kirchengeschichte im üblichen Sinn. Was also meint er dann?

Es mag für diejenigen Leserinnen und Leser eine Enttäuschung sein, die sich eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand erhofft haben. Diejenigen hingegen, die die historischen und sozialen Grundlagen ihres Glaubens ausgebreitet sehen möchten, werden schon eher auf ihre Kosten kommen. Denn es handelt sich um eine immanente Geschichte, also um eine Binnensicht, die keinen Platz läßt für allzu kritische Fragestellungen nach der Rolle der Kirche in den letzten zwei Jahrtausenden. Dem Autor Edward Norman gelingt es in der Regel, Geschehnisse, die zu einer kritischen Reflektion herausfordern sollten, auf eine Weise zu interpretieren, welche der Kritik den Stachel nehmen sollen. Nehmen wir beispielsweise das wenig rühmliche Kapitel der Inquisition:

1233 ernannte Gregor IX. mehrere Inquisitoren, die meisten von ihnen Franziskaner und Dominikaner, die Häretiker ausfindig machen sollten. Die Inquisitoren waren nur mit geistlichen Hilfsmitteln ausgestattet. Wer zum Katholizismus zurückkehrte, dem wurde eine Art Standardbuße auferlegt. Wer sich weigerte, wurde der weltlichen Obrigkeit überstellt und nach den örtlich geltenden Gesetzen bestraft. Diese Maßnahmen wurden praktisch überall in Europa vollzogen.

Die Strafen waren angesichts der üblichen drakonischen Strafen des Mittelalters nicht ungewöhnlich hart. Häretiker wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt, andere Verbrecher normalerweise gehängt. Mitte des 13. Jahrhunderts, auf dem Höhepunkt des Aufstands der Albigenser, wurden jährlich gerade einmal drei Menschen wegen Häresie verurteilt. [2]

Wir ersehen daraus, daß die Häretiker als Verbrecher behandelt wurden und man wusch sich die Hände in Unschuld dadurch, daß man die weltliche Macht die Schmutzarbeit machen ließ. Auch sind drei verbrannte Häretiker pro Jahr nicht der Rede wert. Es waren halt andere Zeiten. Nun war der Kampf der Katholischen Kirche gegen die Albigenser nicht einfach eine liturgische Frage, sondern es ging um knallharte Machtinteressen. Nicht nur, daß hier eine machtvolle lokale Bewegung mit einer eigenen Hierarchie die etablierte Katholische Kirche mit ihrer schon damals als verlogen angesehen Moral infrage stellte, es ging auch um die Einkünfte aus dem Kirchenzehnten, der nicht mehr entrichtet wurde.

Als sich die Albigenser weigerten, sich der Kirche zu unterwerfen, schickte Papst Gregor IX. nicht einfach nur ein paar Inquisitoren, die mittels Gehirnwäsche die Menschen zum rechten Glauben zurückführen sollten. Schon einer seiner Vorgänger, Innozenz III., initiierte 1208 einen regelrechten Kreuzzug, in dem Tausende Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet wurden. Diese Episode läßt Edward Norman an dieser Stelle aus und fährt in seinen Ausführungen fort:

Im Verruf kam die Inquisition erst, als König Philip IV. von Frankreich im 14. Jahrhundert damit begann, sie zur brutalen Unterdrückung der Templer einzusetzen. Größtenteils waren also die weltlichen und nicht die religiösen Institutionen dafür verantwortlich. [3]

Das ist eine praktische Argumentations­führung. Sehr her, sagt uns der Autor, die ganzen Anschuldigungen gegen die Katholische Kirche sind falsch! Nicht wir, sondern die weltlichen Herrscher haben die Inquisition zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung benutzt. Das ist zwar nicht ganz falsch, aber leugnet den Charakter der weltlich-kirchlichen Kooperation. Beide Seiten hatten kein Interesse an einer aufmüpfigen Bevölkerung, beide Seiten lebten ganz gut aus der Ausbeutung und den Einkünften der frommen Christenmenschen. Überhaupt – die Inquisition ist ja gar keine christliche Erfindung, sondern wurde unglücklicherweise der religiösen Konkurrenz abgeschaut:

Heute herrscht weitgehend eine bemerkenswert unkritische Einstellung gegenüber dem maurischen Spanien. Der Grund dafür ist, dass ausschließlich die künstlerischen und kulturellen Leistungen beachtet werden. Die politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge werden dafür fast vollständig ignoriert, denn die Mauren lebten unter zahlreichen Autokratien, die mit den öffentlichen Einrichtungen, dem Rechtssystem und den individuellen Freiheiten, die sich sonst in Europa entwickelten, nichts gemein hatten. Gesellschaft und Wirtschaft basierten auf Sklavenhaltung. [4]

Erstaunt nehmen wir hier zur Kenntnis, daß das mittelalterliche Europa so etwas wie ein Rechtssystem mit individuellen Freiheiten herausgebildet hatte, nur in Spanien unter der Herrschaft des Islam, da war das alles ganz anders. Ich glaube, die Bäuerinnen und Bauern des damaligen zeitgenössischen Europa werden wenig Unterschiede zur ihrer eigenen Leibeigenschaft entdeckt haben. Doch mit solchen floskelhaft eingestreuten Bemerkungen, die sich historisch nicht verifizieren lassen, wird die geneigte Leserin und der nicht weit nachhakende Leser nicht zum kritischen Nachdenken angehalten, sondern eher davon abgehalten. Der Gedankengang findet seine Krönung in folgender Bemerkung:

Im 11. und 12. Jahrhundert führten sufische Bruderschaften eine strenge Reformation des Islam durch, die deutlich radikaler war als die europäische Reform der katholischen Orden. Ende des 12. Jahrhunderts wurden schließlich islamische Gerichte eingeführt, die Häretiker verurteilen sollten – außerdem begann man durch den Einsatz schwerer Folter Geständnisse zu erzwingen. Als die erste katholische Inquisition 1478 in Kastilien eingesetzt wurde, wandte diese neben den traditionellen Verhören auch Foltermethoden an, die für islamische Häresiegerichte längst gang und gäbe waren. In gewisser Weise ist also die spanische Inquisition ein maurisches Erbe. [5]

Teufel aber auch! Da verdanken wir dem Islam die Inquisition. Das kann ja nur böse enden. Nehmen wir der Einfachheit halber einmal an, daß die maurischen Herrschaften in Spanien auf derartiger Folterei beruht haben. Doch wie ist es zu erklären, daß die gute und überaus christliche Katholische Kirche sich derartige Praktiken zu eigen gemacht hat? Diese Frage stellt sich Edward Norman vorsichtshalber nicht. Dabei ist einfach unhistorisch, das Erfoltern beliebiger Geständnisse dem maurischen Sufismus unterzuschieben. Diese Tradition ist älter und wurde auch an anderer Stelle mit Billigung der Katholischen Kirche jahrhundertelang exerziert.

Ich könnte durchaus noch andere Beispiele für den gezielten Umgang mit der historischen Wahrheit anführen. Zwar heißt der Autor nicht alles gut, was in zwei Jahrtausenden Christentum geschehen ist. Doch im Grunde bemüht er sich um eine Darstellung, bei der letztlich immer um den rechten Glauben gerungen wurde, auch wenn uns manchmal die Methoden seltsam erscheinen mögen.

Der Katholizismus des Mittelalters erscheint zu Recht autoritär. Die Christen des Mittelalters legten genauso viel Wert auf die richtige Einstellung zum Glauben, wie man heute auf die Gleichheit der Rassen oder der Geschlechter legt. [6]

Doch die Christen des Mittelalters dachten nicht daran, sich dieser autoritären Einstellung zu unterwerfen. Gerade deshalb erhielten Strömungen großen Zulauf, welche unter der richtigen Einstellung zum Glauben etwas anderes verstanden als die Katholische Kirche. Die ganzen Bewegungen, die als häretisch, ketzerisch oder sonstwie gefährlich angesehen wurden, sind Ausdruck eines vollkommen anderen Verständnisses der Welt und des eigenen Lebens, als dies uns der Autor dieses Buches vermitteln möchte. Die Kreuzzüge des Mittelalters richteten sich bekanntlich nicht nur gegen die islamischen Reiche des Vorderen Orients. Die Albigenser Okzitaniens wurden zu etwa derselben Zeit abgeschlachtet, als Konstantinopel 1204 von einem Kreuzfahrerheer erobert und dessen Reichtümer geplündert wurden. Dies alles ficht Edward Norman nicht an:

Liberale Westeuropäer werfen den Kreuzrittern heute vor allem kulturelle und religiöse Ignoranz gegenüber den überfallenen islamischen Völkern vor. In regelmäßigen Abständen kommt es zu der Forderung – die von den Kirchen nicht zurückgewiesen wird –, die Christen müssten sich für die Kreuzzüge entschuldigen. Vielleicht ließe sich ja ein "Gleichgewicht der Reue" herstellen, wenn die islamische Gemeinschaft sich im Gegenzug für die eigene Invasion des Byzantinischen Reichs und des Heiligen Lands etwa 350 Jahre zuvor entschuldigen würde. Damals fielen tausende friedliche Christen erbarmungslosen Eroberern zum Opfer, was in der Christenheit unvergessen blieb und nicht zuletzt mit ein Grund für die Entstehung der Kreuzzugsidee war. [7]

Soll also letztlich heißen: Die islamische Bevölkerung des Vorderen Orients ist ja selbst schuld, wenn sie den Kreuzfahrerheeren zum Opfer gefallen ist, weil: Hätten sie nicht Jahrhunderte vorher gemordet und gebrandschatzt, dann wäre ihnen das alles nicht passiert. Glaubt das wirklich eine oder jemand angesichts der gewalttätigen Geschichte des Mittelalters? [8]

Von den Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern des lateinamerikanischen Kontinents, welche der christlich unterstützten Eroberung und Plünderung zum Opfer fielen, reden wir dann wohl besser nicht. Denn die Conquistadoren handelten überaus richtig, weil sie die barbarischen Menschenopfer der Azteken abgeschafft haben. Diese Geschichte der Katholischen Kirche dient gewiß nicht dem Zweck der Aufklärung, sondern der inneren Verständigung. Der Autor ist ein Konservativer, der die anglikanische englische Kirche verlassen hat und zur römisch-katholischen Kirche übergewechselt ist. Hier spricht der religiöse Eiferer, der nach seiner Konversion seine neu entdeckte religiöse Einstellung ganz besonders unkritisch vertreten muß. Diese Geisteshaltung durchzieht die gesamte Darstellung. Es handelt sich somit um eine Reise durch die Geschichte auf einem ganz besonderen Weg der Erkenntnis.

Als Binnensicht konservativer Glaubensvorstellungen ist dieses Werk nicht uninteressant, als kritische Darstellung einer zweitausend­jährigen Geschichte ist es jedoch unbrauchbar. Edward Normans Geschichte der Katholischen Kirche ist letztes Jahr im Theiss Verlag in deutscher Übersetzung erschienen. Das großformatige und mit rund 150 Abbildungen ausgestattete Buch hat 192 Seiten und kostet 32 Euro 90.

 

Diebische Sitten, reisende Vorhut

Besprechung von : Lutz Redecker – Südmarokko, Michael Müller Verlag 2008, 264 Seiten, € 15,90

Eine ganz andere Art des Reisens können wir mit dem Südmarokko-Reiseführer des Ethnologen Lutz Redecker erleben, der vor kurzem im Michael Müller Verlag herausgebracht worden ist. Die Reiseführer aus diesem Verlag zeichnen sich dadurch aus, daß sie sich eher nicht an Urlauberinnen und Touristen wenden, die ihre Reise pauschal gebucht haben, sondern an Menschen, die Land und Leute ganz individuell erfahren möchten. Nun ist diese Art des Reisens nicht ohne Tücken, geht sie doch in der Regel davon aus, daß weiße mitteleuropäische Menschen Zeit, Geld und Muße haben, ein Land aufzusuchen, in dem die Menschen nicht über dieselben Ressourcen verfügen.

Buchcover Lutz Redecker - SüdmarokkoDie ökologische Katastrophe, per Flugzeug die Welt zu erleben, ist dabei noch gar nicht benannt. Der Tourismus per Billigflieger bringt uns Gegenden näher, die wir normalerweise nur im Fernsehen oder Kino erleben dürften – oder wir müßten ein gutes Buch zur Hand nehmen, um darüber etwas zu erfahren. Nur – wenn man oder frau sich einmal entschieden hat, etwas anderes als deutschen Beton sehen zu wollen, dann bleiben nicht viele Möglichkeiten offen, den eigenen Blick zu erweitern und andere Kulturen wahrzunehmen, als den nächsten Billigflug im Internet zu finden.

Es ist sicherlich eine falsche Vorstellung, daß die Millionen Touristinnen und Urlauber für den Flugverkehr mitsamt seiner unökologischen Folgen verantwortlich sind. Es ist nicht die Nachfrage, die ein Angebot schafft, sondern ein Angebot, das sich profitabel verwerten muß. Billigflüge sind Ausdruck einer kapitalistischen Welt, bei der auf Kosten der Beschäftigten und der Umwelt Profit gemacht wird – ohne Rücksicht auf die Folgen, die nach Möglichkeit ohnehin externalisiert werden. Müßten die Fluglinien all diese Folgekosten in ihren Kalkulationen berücksichtigen, bräche wohl der Flugverkehr zusammen.

Marokko ist eines der Länder Nordafrikas, dessen Kolonialzeit zwar erst Ende des 19. Jahrhunderts beginnt, selbige jedoch alles andere als unblutig verlaufen ist. So mußte gerade in den unwegsamen Bergregionen und im Süden des Landes der Widerstand der Bevölkerung durch massiven Bomben- und Giftgaseinsatz gebrochen werden; Lutz Redecker gibt die Zahl der hierbei in den 30er Jahren getöteten Marokkanerinnen und Marokkaner mit einer halben Million Menschen an – Zustände wie in Algerien oder wie in Vietnam ein paar Jahrzehnte später. Formal wird Marokko 1956 seine Unabhängigkeit zurückerhalten. Die autoritäre Herrschaft Hassans II. weicht seit Beginn der Regentschaft seins Sohns Mohammed VI. im Jahr 1999 langsam, aber immerhin, es tut sich etwas. Der Neoliberalismus benötigt ein flexibles Regime; hierbei sind allzu starre Strukturen, die von oben kontrolliert werden müssen, eher hinderlich.

Nach einer ausführlichen rund einhundertseitigen Einführung in die Geschichte, Geografie und Kultur Marokkos führt uns Lutz Redecker zielsicher mit vielen ausgefallenen Informationen und Reisetips von der Atlantikküste über das Atlasgebirge zu den Wüstenregionen im Süden Marokkos. Zwar wendet er sich hauptsächlich an die Individualreisenden, doch auch viele Individuen bilden eine ganze Horde. Das heißt: die vielen noch relativ freien Touristiknischen werden auch hier nach und nach gefüllt. Die Insividualreisenden sind die Vorläufer des Pauschaltourismus.

Das ist nicht unbedingt dem Autor anzulasten, aber manchmal frage ich mich schon, wohin das führt, wenn ein Reiseführer Tips gibt, vom Massentourismus noch weitgehend verschonte Gebiete möglichst vielen Reisenden zu öffnen. Andererseits schärft vielleicht gerade der Blick auf noch unerschlossene Regionen das Verständnis für den Respekt gegenüber anderen Kulturen und ihren uns mitunter skurril anmutenden Gepflogenheiten. Dennoch bin ich erstaunt, wenn ich Bemerkungen wie diese lesen muß:

Neuralgische Punkte des Diebstahls sind Grenzen, Eisenbahnen, Souks, Campingplätze, Teppichläden eines Onkels und Rausch­gifthöhlen. Die Spielarten, wie man um Geld oder Wertgegenstände erleichtert wird, sind orientalisch vielfältig. Wer eine Abteilung seines Denkens der Sicherheit widmet und auf sich und seine Sachen achtet, braucht sich nicht zu fürchten. [9]

Was, bitte sehr, habe ich unter "orientalisch vielfältig" zu verstehen? Und weshalb wird im Reiseführer derselbe Sicherheitsdiskurs fortgeführt, mit dem wir tagtäglich von den Schäubles und anderen Sicherheitsfanatikern geprügelt werden? Natürlich ist es in jedem Land so, daß krasse Gegensätze zwischen Arm und Reich dazu herausfordern, sich von denen etwas zu nehmen, die scheinbar mehr haben. Und im Süden Marokkos dürfte auch der abgerissenste westdeutsche Rucksacktourist immer noch für einen Reichtum stehen, der den meisten Menschen im Süden Marokkos für immer verschlossen bleiben wird. Darüber muß man und frau sich vor Reisebeginn im klaren sein. Alles andere wäre fahrlässig. Aber eine spezifische orientalische Vielfältigkeit ist eher Anlaß zu der Frage, welche Klischees der Ethnologe Lutz Redecker damit transportiert.

In gewisser Weise gilt dies auch für Frauen, vor allem wenn sie alleine unterwegs sind. Männer können sich Frauen gegenüber oftmals nicht benehmen, allerdings findet sich dieser respektlose Umgang in Marokko genauso wie in Darmstadt. Es mag hier kulturelle Unterschiede geben, aber ein patriarchales Grunddenken finden wir hier wie dort vor. Natürlich streiten dies gerade mitteleuropäische weiße Männer ab, weil sie ja alle so emanzipiert sind. Jede Frau, die aufmerksam durch Darmstadts Straßen läuft, weiß, was sie von solchen emanzipierten Männern zu halten hat. Weshalb ich dies hier erwähne, wird vielleicht klarer, wenn ich die Passage zum Thema "Frauen unterwegs" vorlese:

Auf der Straße, in Teehäusern und Restaurants wird frau gerne angesprochen. Dabei kann es durchaus sein, dass dieses Interesse einfach nur auf Neugierde beruht, doch oft können sich Männer nur eines vorstellen, was eine alleinreisende Frau wohl sucht. Europäische Reklame und Filme haben viele Vertreter des "starken Geschlechts" zu der falschen Vorstellung verleitet, dass ausländische Frauen erotische Annäherungen grundsätzlich erwarten. Unpassende Kleidung (kein BH, anregende T-Shirts, enge Jeans, aufregende Kleidchen …) bekräftigen das Missverständnis, dass alleinreisende Frauen in Sachen Sex unterwegs sind. Daher ist zu empfehlen, möglichst sittsam angezogen herumzulaufen, keinen Blickkontakt zu Männern zu suchen und allgemein Distanz zu halten. Am nervenschonendsten aber ist vermutlich doch ein männlicher Reisebegleiter. [10]

Die Frage ist, ob dieser männliche Reisebegleiter nicht vom selben Gedankengut durchtränkt ist. Nun weiß ich nicht, inwieweit die Männer im Süden Marokkos diesem hier verbreiteten Klischee unterliegen. Vielleicht ist sogar etwas dran. Vielleicht ist es sogar so, daß europäische Touristinnen mit derselben Unbefangenheit mehr oder weniger bekleidet Marokko erkunden wie sie hier zum Public Viewing strömen.

Doch die Penetranz, mit der hier die freiwillige Unterwerfung unter Sittlichkeitsvorstellungen – von Männern – eingefordert wird, wie sie zum Glück hierzulande nicht mehr mehrheitsfähig sind, finde ich eher erschreckend. So nach dem Motto: Frauen, seid sittsam und keusch, dann passiert euch nichts. Eine Vorstellung, die schon seit Jahrtausenden Männer dazu eingeladen hat, sich erst recht das zu nehmen, was sie haben wollen. Auch ohne Reklame und Filme im Kopf.

Nicht, daß ich hier die Lösung wüßte. Aber wenn sich deutsche Männer und Frauen in Gegenden bewegen, die vom Kapitalismus und seinen patriarchalen Werten und Normen noch nicht so durchzogen sind, dann sollten sie ohnehin kurz darüber nachdenken, ob es ratsam ist, sich so verhalten, als sei dies ihr Land.

Leider sind es diese kleinen Randbemerkungen, die bei mir haften bleiben, und nicht der insgesamt positive Eindruck des Reiseführers zu den zum Teil noch unberührten Landschaften im Süden Marokkos. Der hier besprochene Reiseführer stammt von Lutz Redecker. Er umfaßt 264 Seiten, kostet durchaus angemessene 15 Euro 90 und ist im Michael Müller Verlag erschienen.

 

Das besondere Interesse an Seidenraupen

Besprechung von : Frances Wood – Entlang der Seidenstraße, Konrad Theiss Verlag 2007, 192 Seiten, € 36,00

Eine gänzlich andere Art, uns eine Region nahezubringen, die langsam, aber sicher den weltweiten Tourismusströmen erschlossen wird, hat die Leiterin der chinesischen Abteilung der British Library in London, Frances Wood, mit ihrem Buch Entlang der Seidenstraße vorgelegt. Die englische Originalausgabe erschien vor sechs Jahren und wurde letztes Jahr in deutscher Übersetzung vom Theiss Verlag herausgebracht. Um es vorwegzunehmen: ihr Buch ist vieles nicht. Es ist kein Reiseführer und auch kein Geschichtsbuch. Auch handelt es sich nicht um eine geografische Abhandlung, die Ort für Ort abklappert. Vielmehr handelt es sich um ein Lesebuch, das mit zahlreichen historischen Bildern unterfüttert ist – und zum Schmökern einlädt.

Als Seidenstraße wird ein Geflecht von Handelsrouten bezeichnet, das im zentralen China beginnt und sich entlang der Wüsten Zentralasiens an den Hochgebirgsausläufern des Himalaya und Pamir entlang hangelt und die durch Persien in den Mittelmeerraum führen. Der Begriff Seidenstraße ist neueren Datums und wurde erstmals 1877 vom deutschen Forscher und Geografen Ferdinand von Richthofen verwendet. Tatsächlich spielt Seide nur eine geringe Bedeutung, doch der Begriff erwies sich als einprägsam, weil er eine Transportroute für Luxuswaren aller Art von Ost nach West suggeriert.

Buchcover Frances Wood - Entlang der SeidenstraßeWas uns als Fernhandelsweg erscheint, erweist sich bei näherer Betrachtung eher als eine Abfolge von Handelsstationen, zwischen denen Waren hin- und hertransportiert wurden. Karawanen, die von Luoyang oder Chang'an, den alten Hauptstädten Chinas, aufbrachen, um nach Antiochia in Syrien oder Tyros am Mittelmeer zu gelangen, dürften eine rare Seltenheit gewesen sein. Vermutlich wurden Teilstücke dieser Routen schon zu Zeiten genutzt, als das chinesische Kaiserreich und das römische Imperium noch nicht existierten. Es gab schon von früh an nur wenige Möglichkeiten, die weiten Steppen, die schmalen Gebirgspässe oder die heißen und kalten Wüsten zu durchqueren, so daß sich hier bestimmte Routen als besonders geeignet etablierten.

Entlang der Seidenstraße bzw. der verschiedenen Seidenstraßen lebten unterschiedliche Menschengruppen, also das, was wir heute Völker oder moderner Ethnien nennen, deren Sprachvielfalt weder mit ethnischen noch kulturellen Grenzen übereinstimmten. Sie lebten nebeneinander und ließen sich meist in Frieden. Der Handel war Teil ihrer Lebensweise, aber ohne Produktion von handelbaren Gütern wäre die Seidenstraße vollkommen nutzlos gewesen.

Frances Wood führt uns mit ihrem Buch durch die Jahrhunderte, erzählt uns Mythen und Geschichten, und ehe wir uns versehen, haben wir wieder eine Kleinigkeit über die vielen interessanten Facetten entlang der Seidenstraße gelernt. Insgesamt mangelt es dem Buch ein wenig an historischer Stringenz, aber das ist dem Schmökern überhaupt nicht abträglich. Wir erfahren, daß die Römer ganz dunkel etwas von den Chinesen wußten – und umgekehrt; auch wenn wir mangels erhaltener Schriftquellen das Ausmaß dieser gegenseitigen Kenntnis nicht mehr rekonstruieren können. Durch den vorangegangenen Eroberungsfeldzug Alexanders von Makedonien wurde ohnehin das geografische Wissen der Mittelmeerwelt erweitert, auch wenn es östlich des Indus und jenseits des Pamir-Gebirges eher spekulativ gewesen zu sein scheint.

Ost und West trafen sich Jahrhunderte später im Jahr 751 am Fluß Talas in der Nähe der heutigen kasachisch-kirgisischen Grenze. Arabische Truppen des Abbassiden-Kalifats von Bagdad besiegten hier eine chinesische Armee der Tang-Dynastie unter ihrem koreanischen Ober­befehlshaber Gao Xianzhi. Diese Niederlage hatte auf China verheerende Auswirkungen. Obwohl die arabischen Truppen nicht weiter nach Osten vordrangen, wurde das Kaiserreich von schweren inneren Unruhen erschüttert. Hierbei wurden Pogrome gegen die zahlreichen Ausländer im Land veranstaltet; die Aufstände sollen drei Viertel der Bevölkerung das Leben gekostet haben. Auf die Zeit dieser glorreichen Tang-Dynastie bezieht sich die antikommunistische Sekte Falun Gong als spirituelle Grundlage.

Über die Seidenstraße gelangte auch der Buddhismus nach China, der während der Tang-Dynastie seine Blütezeit erlebte. Die Anfänge des Buddhismus in China sind jedoch legendär und entspringen zum Teil anachronistisch zusammengebastelten Überlieferungen. Es spricht einiges dafür, daß die neue Religion China im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung erreicht hat. Doch auch in den nachfolgenden Jahrhunderten blieb die Seidenstraße wichtig für die buddhistische Lehre. Nun waren es chinesische Reisende, die es nach Indien zog, um Originalmanuskripte zu erwerben, nachdem sie festgestellt hatten, daß die ihnen vorliegenden chinesischen Übersetzungen nur bedingt brauchbar waren. Eine richtige spirituelle Erleuchtung benötigt eben eine buchstabengetreue (oder in diesem Fall: eine silbengetreue) Wiedergabe.

Im 13. Jahrhundert geriet die Seidenstraße unter mongolische Herrschaft, auch wenn es zweifelhaft ist, ob es eine Art Pax Mongolica tatsächlich gegeben hat. Nach dem Tod Dschingis Khans zerfiel das Riesenreich in mehrere, sich erbittert bekämpfende Teilreiche, was es nicht nur den Händlern, sondern auch den ersten europäischen Reisenden, von denen wir wissen, erschwert haben dürfte, nach China zu gelangen. Frances Wood geht in diesem Zusammenhang ausführlich auf die Reisen von Marco Polo ein, deren Überlieferung sie durchaus begründet mit großer Skepsis begegnet.

Jahrhunderte später begann das Great Game, das große Spiel um Macht und Einfluß in Zentralasien. Erste Protagonisten dieses großen Spiels waren russische und britische Forscher; die einen kamen über Sibirien, die anderen aus Indien. Der Niedergang Chinas unter der Qing-Dynastie verhalf diesen Forschern zu mehr Bewegungsfreiheit, die dann auch weidlich ausgenutzt wurde. Insbesondere zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts liefen sich europäische Karawanen fast buchstäblich über den Weg. Sie schossen nicht nur alles jagdbare Wild ab, das sie vorfanden, sondern gruben und plünderten die im Sand und in Höhlen verborgenen Kulturdenkmäler und Handschriften. Frances Wood zeichnet diese Barbarei geradezu minutiös nach, ohne dieses Vorgehen zu verurteilen. Das mag damit zusammenhängen, daß ihre British Library Nutznießerin dieser Sammelwut geworden ist.

Nur manchmal schimmert ein gewisses Unbehagen durch, etwa bei den Forschungsreisen von Sven Hedin, der ganz offensichtlich seine Männer und Kamele nicht nur durch die Wüste hetzte, sondern sie regelrecht verheizt haben muß. Sven Hedin macht es uns allerdings einfach, ihn negativ zu bewerten, war er doch in den 1930er Jahren ganz offen mit einigen Nazi-Führern befreundet. Die Jagd nach Trophäen entlang der Seidenstraße führte jedoch auch zu einer fast schon industriell zu nennenden Fälschertätigkeit, denn für die verschiedensten Expeditionen mußten ausreichende Mengen an Manuskripten vorbereitet werden. Der Schaden, den diese Expeditionen angerichtet haben, dürfte weit über den ignoranten Umgang der einheimischen Bevölkerung hinausgegangen sein, von denen der Völkerkundler Alfred Grünwedel schrieb, unglücklicherweise

dient die Stadt als Materiallager für moderne Bauten, als Goldmine für Schatzsucher, als Spielplatz für Zerstörungswillige, die hier im Namen Allahs Fresken und Buddha­statuen zerstören – ganz zu schweigen von der praktischen Anwendung der Lehm­bruchstücke als Dünger für die Zuckerrohr-, Baumwoll- und Sorghum­hirsefelder zwischen den Ruinen. [11]

Derartige Zustände dienten den Europäern als willkommene Rechtfertigung dafür, die bedrohten Kunstwerke und Schriftrollen auszugraben oder abzutragen, sprich: zu rauben und zu plündern. Erst die chinesischen Truppen Mao Zedongs konnten diesem Raubbau ein Ende setzen.

Dies – und noch viel mehr erfahren wir aus dem reichlich bebilderten Band Entlang der Seidenstraße, geschrieben von Frances Wood. Das 192 Seiten umfassende Buch ist im vergangenen Jahr in deutscher Übersetzung im Theiss Verlag zum Preis von 36 Euro erschienen.

 

Wenn Musik mangelnde Inhalte verdeckt

Jingle Alltag und Geschichte

Heute mit drei Buchbesprechungen zur Geschichte der Katholischen Kirche, zum Reisen in Südmarokko und zum Mythos Seidenstraße.

Edward Norman schrieb die Geschichte der Katholischen Kirche, die bei Theiss erschienen ist. Lutz Redecker bereiste Südmarokko und schrieb für den Michael Müller Verlag den gleichnamigen Reiseführer. Von Frances Wood stammt der Band Entlang der Seidenstraße, ebenfalls aus dem Theiss Verlag.

Ich danke der Dissent – Medien­werkstatt Darmstadt für ihre Unterstützung bei der Produktion dieser Sendung. Diese wird übrigens wiederholt, und zwar in der Nacht von Montag auf Dienstag nach den Deutschlandfunk-Nachrichten gegen 23 Uhr 10. Und dann noch einmal am Dienstag um 8 und wahrscheinlich um 14 Uhr [12]. Das Manuskript zu dieser Sendung kann in den nächsten Tagen auf meiner Webseite nachgelesen werden: www.waltpolitik.de.

Im Anschluß folgt eine Sendung der Kulturredaktion von Radio Darmstadt. Doch bevor es soweit ist, passe ich mich dem Mainstream auf diesem Sender an. Vielleicht werde ich dann irgendwann einmal wieder gnädig aufgenommen, weil ich inzwischen die hier gepflegten Rituale perfekt imitieren kann.

Manche Moderatorinnen und Moderatoren pflegen nämlich, wenn sie nichts mehr zu sagen haben, aber unbedingt noch etwas loswerden müssen, den nächsten Musiktitel anzusagen, manchmal auch mit Angabe der Track-Nummer und der Laufzeit des Stücks. Oder aber sie sagen einfach nur: jetzt folgt Musik, verbunden mit der Aufforderung, viel Spaß zu haben. Manchmal frage ich mich, was besonders spaßig daran ist, möglichst wenig zu sagen und einfach irgendwelche x–beliebige Chartmusik abzududeln, die wir ja auch bei jedem Kommerzsender bis zum Erbrechen vorgesetzt bekommen. Dafür hat RadaR eigentlich keine Sendelizenz erhalten. Egal – also: es folgt jetzt Musik. Am Mikrofon für die Redaktion Alltag und Geschichte bei Radio Darmstadt war Walter Kuhl von der Dissent – Medien­werkstatt Darmstadt.

 

ANMERKUNGEN

 

Mittels eines Klicks auf die Nummer der jeweiligen Anmerkung geht es zur Textpassage zurück, von der aus zu den Anmerkungen verlinkt wurde.

 

»» [1]   Seit Juli 2008 hat der Sender mit Inbetriebnahme seines neuen Preßspan­studios – das alte, sauber ausbalancierte Studio mit maßangefertigtem Mobiliar war ja auch einfach zu schön – auch den Sound "verbessert". Angeblich, um Pegel und Hub den technischen Normen anzupassen, wird eine Kompressionstechnik eingesetzt, die den jugendlichen Spielkindern des Vereins das Gefühl gibt, ihre Stimmen klingen jetzt genauso "schön" wie die ihrer kommerziellen Vorbilder. Die Herstellung dieses Quetschsounds hat den unangenehmen Seiteneffekt, daß bei unsachgemäß eingestellter Kompression auch sauber ausgepegelte vorproduzierte Sendungen den Hang zur Verzerrung entwickeln. Hauptsache, der Sender klingt genau so laut wie der Rest der quäkenden Radiowelt. Ich fürchte, unsere Stimmenoptimierer hören ihr eigenes Radio nicht, und wenn, dann bemerken sie nicht, was sie angerichtet haben. Sollten sie es doch bemerken, zeigt ihr Unwille, etwas daran zu verändern, daß es ihnen an Geschmack mangelt. Aber Geschmacksfragen entziehen sich ohnehin der argumentativen Beweisführung. Sie hören sich einfach nur sch**** an.

»» [2]   Edward Norman : Geschichte der Katholischen Kirche, Seite 93.

»» [3]   Norman Seite 93. Bei der Übersetzung wurde die englische Fassung des Namens Philipp seltsamerweise beibehalten.

»» [4]   Norman Seite 67.

»» [5]   Norman Seite 68.

»» [6]   Norman Seite 56.

»» [7]   Norman Seite 56.

»» [8]   Dieses Argument ist perfide und dient im Grunde der eigenen Entlastung. Die Kreuzfahrerheere wüteten, so ganz nebenbei bemerkt, in Syrien und Palästina ausgerechnet dort, wo Jahrhunderte zuvor arabische Heere die (natürlich positiv belegte) byzantinische Herrschaft beendeten. Es handelt sich also weitgehend um dieselbe Bevölkerungsgruppe, die nun wirklich nichts dafür kann, sich ausgerechnet dort seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden aufzuhalten, wo Eroberer von Nord und Süd vorbeimarschierten. Aber so genau hat unser Autor vorsichtshalber nicht über sein "Argument" nachgedacht.

»» [9]   Lutz Redecker : Südmarokko, Seite 76. Die in den meisten Reiseführer zu findenden Vorsichtsmaßregeln lassen sich durchaus auch anders, nämlich unspezifisch hinsichtlich bestimmter Bevölkerungsgruppen formulieren. Andererseits sehe ich nicht, wie ein Verlag dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn die Touristinnen und Touristen, die ihn nutzen, so tun, als seien sie in ihren weißen Wagenburgen bestens geschützt. Der Begriff der Rauschgifthöhle zeichnet sich zudem durch ein Verständnis des Drogenkonsums aus, welches in der kriminologischen Forschung schon seit Jahren überholt ist. Drogen gehören zum Ertragen jeder menschlichen Klassengesellschaft einfach dazu. Wer sich dieser simplen Wahrheit verstellt, bedient den voyeuristischen Umgang mit dem "Laster". Zur Sache trägt diese Wortwahl hingegen nichts Erhellendes bei.

»» [10]   Redecker Seite 60–61.

»» [11]   Zitiert nach Frances Wood : Entlang der Seidenstraße, Seite 157.

»» [12]   Das war natürlich frommes Wunschdenken. Schon in der Erstausstrahlung befand ein schlecht gewarteter CD-Player, sich in einen anderen Modus schalten zu wollen. Das hieraus resultierende Sendeloch wurde von einer Büroangestellten des Radios bemerkt und umgehend abgestellt. Dennoch fehlte eine Minute der Argumentation. Kurz nach Ende der Erstausstrahlung verabschiedete sich ein Teil des Darmstädter Stromnetzes für zehn bis zwanzig Minuten. Betroffen war auch Radio Darmstadt. Da die seit Jahren geplante unterbrechungsfreie Stromversorgung nicht vorhanden war, schaltete sich der gesamte Sender mit all seiner Computerperipherie ab und – nach Wiederkehr des Stroms – auch wieder ein. Weil die Aufzeichung der zu wiederholenden Sendungen nun jedoch von vorne begann, wurde die vorherige Aufzeichung der Erstausstrahlung vollständig ignoriert. Bis 2006 wurden Sendungen noch auf ein DAT-Band aufgezeichnet; bei dieser Methode wäre das Malheur zu begrenzen gewesen. Seither regieren Computer die Senderwelt mit all ihren Nebenwirkungen. Daher entfielen die Wiederholungen der Sendung in der Nacht von Montag auf Dienstag und auch tagsüber am folgenden Dienstag. Um diesem Mißstand abzuhelfen wurde eine für den Sendeplatz des Alltag und Geschichte Magazins geplante Sendung verschoben, zumal schon die Erstausstrahlung unter der zum Teil maroden Sendetechnik zu leiden hatte.

 


 

Diese Seite wurde zuletzt am 20. September 2008 aktualisiert. Links auf andere Websites bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. ©  Walter Kuhl 2001, 2008, 2009. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.

Ausnahme: Die Aufnahme der Kasbah von Aït Benhaddou stammt von Jerzy Strzelecki und ist lizenziert unter der GNU Free Documentation License.

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