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Radiowecker

Redaktionelle Beiträge Januar 1999

Sendemanuskripte

 

Mit Beginn des Dauersendebetriebs am 1. Februar 1997 nahm auch der morgendliche Radiowecker seine redaktionelle Arbeit auf. Mit wechselnden Teams wurde in der Regel täglich von 6.00 bis 8.00 Uhr und an Wochenden und Feiertagen von 7.00 bis 9.00 Uhr Darmstadt und die nähere Umgebung geweckt. Ursprünglich war der Radiowecker in der Unterhaltungsredaktion angesiedelt. Im Herbst 2001 lösten sich die meisten Teams aus dieser Redaktion, weil sie ihre Belange dort nicht vertreten sahen, und gründeten eine eigene Redaktion. Von Ende 2001 bis Sommer 2006 gab es daher das Kuriosum, daß (zuletzt) an sechs Tagen die Redaktion Radiowecker das Programm gestaltete, nur am Donnerstag ein einsamer Kämpfer für die Unterhaltungsredaktion zu hören war. Im Herbst 2006 wurde die Redaktion Radiowecker aufgrund vereinspolitisch motivierter Anfeindungen zerschlagen und aufgelöst. Bis in den Sommer 2007 torkelte eine Art Not-Radiowecker durch den Äther, bevor nach und nach weitere feste Sendeplätze gefüllt werden konnten. Im ersten Halbjahr 2008 war der Radiowecker montags, dienstags, manchmal mittwochs, donnerstags, freitags und samstags on air. Das zweite Halbjahr zeigte eine nachlassende Sendefrequenz. [1]

Diese Seite enthält die Sendemanuskripte meiner Beiträge für den Radiowecker im Januar 1999.

 


 

Freitag, 15. Januar 1999

     Bessunger Wahlversprechen

Freitag, 22. Januar 1999

     Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Freitag, 22. Januar 1999

     Keine Kündigung bei steigenden Gewinnen

Freitag, 29. Januar 1999

     Schulpausen sind Arbeit

 


 

Bessunger Wahlversprechen

Freitag, 15. Januar 1999
 

Die Spaßvögel sterben in dieser Stadt nicht aus. Seit einigen Tagen hängen auf Wahlplakaten in Bessungen Aufkleber mit Wahlversprechen, wie sie von einigen Oberbürgermeisterkandidaten nicht besser erfunden worden sein könnten.

Peter Benz fordert uns dazu auf, soziele Kompetenz zu wählen. Sein Wahlversprechen umfaßt die zukünftige kostenlose Benutzung von Bahnen und Bussen für die Armen dieser Stadt. Außerdem setzt er sich demnach für ein Wohnungsbauprojekt für Obdachlose ein.

Aber auch Klaus Feuchtinger blieb nicht tatenlos. Sein Konterfei ziert ein Spruchband mit der Forderung nach kostenlosem Eintritt für Arme ins Staatstheater. Aber geradezu spannend wird es, wenn beide Kandidaten auch noch die Schwimmbäder für die Ärmsten dieser Stadt zur Benutzung freigeben wollen.

Wahrscheinlich haben sie sich gedacht, im Winter geht eh niemand ins Freibad.

Ich deutete es schon in der Einleitung an: es sind natürlich keine echten Wahlversprechen dieser beiden Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters. Es sind eher Aussagen, die frau oder man von sozial kompetenten und verantwortlichen Politikern dieser Stadt erwarten könnte.

Könnte – die Realität sieht dann doch etwas anders aus. Sicher, die Zustände in Darmstadt sind noch nicht so wie in Offenbach, wo standortunwürdige Einrichtungen wie Schwimmbäder oder Büchereien einfach geschlossen werden, um das damit eingesparte Geld lieber an Banken oder subventionsbedürftige Abzocker weiterzuleiten.

Vor etwa zwei Jahren war auch Darmstadt als Standort für ein Wohnprojekt von Obdachlosen für Obdachlose im Gespräch. Der zuständige Dezernent Gerd Grünewaldt versprach eine wohlwollende Prüfung; seither schlummert dieses Projekt in irgendwelchen Schubladen. Statt dessen herrschen in den städtischen Obdachloseneinrichtungen weiterhin katastrophale Zustände.

Wir haben jetzt fast zwei Jahre eine rot-grüne Koalition in Darmstadt. Peter Benz fördert seine Lieblingsprojekte sozusagen als städtischer Kunstmäzen; Klaus Feuchtingers Grüne haben zwar einige kleinere und auch sinnvolle Projekte auf den Weg gebracht, aber sie decken auch die Bekämpfung der Armen statt der Armut durch den Ordnungsdezernenten Horst Knechtel.

Dieser läßt die Ärmsten dieser Stadt für drei Mark die Stunde die Arbeit des von der rot-grünen Koalition zusammengestrichenen Gartenamts erledigen, um den korrekten Tariflohn zu umgehen. Da wäre es sicher das mindeste, die so Ausgebeuteten umsonst fahren, schwimmen und ins Theater gehen zu lassen.

 


 

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Freitag, 22. Januar 1999
 

Anmoderation : Im folgenden Beitrag geht es um rechtliche Möglichkeiten, sich gegen zudringliche Kollegen zur Wehr zu setzen.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist nach wie vor ein verbreitetes Problem, gegen das sich Frauen oft nur schwer wehren können. Seitdem vor knapp fünf Jahren das Beschäftigtenschutzgesetz in Kraft getreten ist, hat sich die Zahl der Beschwerden zwar erhöht. Ebenso haben die Gerichtsurteile zugenommen, die Frauen vor den Nachstellungen ihrer Kollegen oder ihres Chefs in Schutz nehmen.

Dennoch klafft zwischen der offiziellen Rechtslage und der rauhen Wirklichkeit immer noch eine Lücke. Zu diesem Ergebnis kommt die Rechtsanwältin Barbara Degen in der Januar-Ausgabe der Fachzeitschrift Der Personalrat aus der gewerkschaftlichen Bund-Verlags-Gruppe. Darin analysiert sie die jüngste Rechtsprechung zu dieser Thematik ausführlich.

Ihr Beitrag zieht eine eher ernüchternde Bilanz. Ein Grund dafür sind teils erhebliche Unschärfen in den gesetzlichen Regelungen. So haben Arbeitgeber zum Beispiel kaum Sanktionen zu befürchten, wenn sie ihrer Verpflichtung zu vorbeugenden Maßnahmen nicht nachkommen. In vielen Betrieben und Verwaltungen hängt noch nicht einmal der Gesetzestext aus, obwohl dies ausdrücklich verlangt wird.

Ähnlich nachlässig wird mit der Einrichtung von Anlaufstellen für Betroffene oder mit dem Angebot von Fortbildungen umgegangen. Grundsätzlich können Arbeitnehmer zwar auf Schadenersatz klagen, wenn ihr Arbeitgeber gegen seine Pflichten verstößt. In der Praxis kommt dies jedoch nur selten vor.

Die beste Möglichkeit, die Schwächen des Gesetzes auszugleichen, bieten Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die Betriebs- und Personalräte mit den Arbeitgebern aushandeln. Die rechtlichen Vorgaben können darin genau definiert und konkrete Maßnahmen festgelegt werden. Als sehr nützlich hat es sich auch erwiesen, in solchen Vereinbarungen den betreffenden Frauen die Anonymität zuzusichern.

Ergänzend möchte ich hinzufügen, daß es immer nützlich ist, sich vertrauensvoll an die zuständige Gewerkschaft zu wenden. Dort wie auch im städtischen Frauenbüro mit seiner engagierten Frauenbeauftragten Edeltraud Baur gibt es kompetente Frauen.

Allerdings frage ich mich, ob es nicht möglich ist, die Firmen, die immer noch ihre Pin-Up-Kalender gerade um die Weihnachtszeit vertreiben, sozial zu ächten und von jeder Auftragsvergabe auszuschließen.

 


 

Keine Kündigung bei steigenden Gewinnen

Freitag, 22. Januar 1999
 

Anmoderation : Darf ein Unternehmen seine Belegschaft feuern, wenn es hohe Gewinne einfährt? Mit einem bemerkenswerten Urteil beschäftigt sich der folgende Beitrag.

Erzielt ein Unternehmen über mehrere Jahre Millionengewinne, darf es seinen Arbeitnehmern nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen nicht betriebsbedingt kündigen. Wie der Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Däubler in der Fachzeitschrift Arbeit und Recht aus der gewerkschaftlichen Bund-Verlags-Gruppe schreibt, hat das Gericht damit ein Tabu gebrochen.

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wurde eine betriebsbedingte Kündigung mit der Begründung für unwirksam erklärt, das Unternehmen habe angesichts seiner steigenden Gewinne die Willkürgrenze überschritten. Laut Däubler ist dieses Urteil von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Kündigungsschutzes, da die bisher praktizierte Einseitigkeit nun nicht mehr aufrechterhalten werden könne.

Bislang hatten sich Arbeitgeber häufig darauf zurückziehen können, daß ihr Unternehmen Gewinn erwirtschaften müsse und dazu notfalls auch Arbeitsplätze abbauen könne. Die Arbeitsgerichte hatten diese unternehmerische Entscheidung grundsätzlich akzeptiert.

Der entscheidung der Gelsenkirchener Richter lag ein Fall zugrunde, in dem das Tochterunternehmen eines Mineralölkonzerns dabei war, seine Belegschaft um fast die Hälfte zu reduzieren, während gleichzeitig die Dividenden kontinuierlich stiegen und das Unternehmen an die Konzernmutter mehrfach dreistellige Millionengewinne abführte.

Die Arbeitsrichter gaben der Klage eines Mitarbeiters statt und entschieden, daß eine betriebsbedingte Kündigung in diesem Fall unzulässig sei. Betriebsbedingt gekündigt werden darf laut Gesetz nur aufgrund dringender betrieblicher erfordernisse. Diese lagen hier aber nicht vor – so das Gericht.

Leider, so muß ich hinzufügen, sind derartige Urteile viel zu selten. Die soziale Verantwortungslosigkeit von Unternehmen ist eine in dieser Gesellschaft – erst recht nach 16 Jahren Kohl-Regierung – eine längst akzeptierte Tatsache. Solange jedoch die Standortlogik in den Köpfen von Politikern, Richtern, abhängig Beschäftigten, aber auch Gewerkschaftern steckt, wird sich daran nicht viel ändern. [2]

 


 

Schulpausen sind Arbeit

Freitag, 29. Januar 1999
 

Anmoderation : Schulpausen sind Arbeit. Zu dieser auf den ersten Blick kuriosen Behauptung gibt der nun folgende Beitrag Aufschluß.

Auszubildende lernen sowohl in ihrem Betrieb als auch in der Berufsschule. Beides wurde auch schon bisher auf die Arbeitszeit angerechnet. Neu ist allerdings eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln, wonach auch die Pausen in der Schule als Arbeit zu werten sind.

Weil die Unterrichtspausen Bestandteil des Berufsschulunterrichts seien, heißt es in dem Urteil vom 18. September 1998, muß der Arbeitgeber die Zeit auf dem Schulhof ebenfalls auf die Arbeitszeit anrechnen. In ihrer neuesten Ausgabe nimmt die Zeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb aus der gewerkschaftlichen Bund-Verlags-Gruppe das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, genauer unter die Lupe.

Der Beitrag erläutert die komplizierte Rechtslage sowie die bisher widersprüchlichen Gerichtsurteile dazu. Weil sich bislang nicht einmal das Bundesarbeitsgericht zu einer klaren Rechtssprechung hatte durchringen können, regeln die Betriebe das Problem weitgehend nach Gutdünken.

Dem jüngsten Urteil liegt die Klage einer angehenden Bäckerin zu Grunde, die nicht nur auf eine Anrechnung von Pausen und Wegezeit auf ihre tarifliche Arbeitszeit geklagt hatte, sondern auch auf eine Bezahlung der dadurch entstehenden Mehrarbeit.

Mit der Forderung, auch den Schulweg als Arbeit zu definieren, konnte sich die Auszubildende zwar nicht durchsetzen. Aber die Kölner Richter kamen ihr auf halbem Weg entgegen. Sie entschieden, daß der Arbeitgeber die Zeit, die sie für den Schulweg braucht, zumindest vergüten muß.

Ich hoffe, daß gerade Schülerinnen und Auszubildende diesen Beitrag hören werden und sich – möglichst zusammen mit der zuständigen Gewerkschaft – dafür einsetzen, daß auch sie einfordern, was ihnen zusteht. Erfreulich fand ich hierbei, daß sich eine Auszubildende trotz der Lehrstellensituation und trotz möglicher Konsequenzen für einen zukünftigen Arbeitsplatz nicht davon hat abschrecken lassen, ihr Recht zu fordern.

 

ANMERKUNGEN

 

Mittels eines Klicks auf die Nummer der jeweiligen Anmerkung geht es zur Textpassage zurück, von der aus zu den Anmerkungen verlinkt wurde.

 

»» [1]   Siehe hierzu auch die Dokumentation des Radioweckers im Jahr 2007.

»» [2]   Dieser Beitrag wurde nicht im Radiowecker, sondern am Nachmittag im Infomagazin gesendet.

 


 

Diese Seite wurde zuletzt am 10. Oktober 2008 aktualisiert. Links auf andere Websites bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. ©  Walter Kuhl 1999, 2001, 2008. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.

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