Burnout Folie
Folie zum Vortrag

Kapital – Verbrechen

FDP ist wirtschaftsfeindlich ;-)

Sendemanuskript

Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte

Radio: Radio Darmstadt

Redaktion und Moderation: Walter Kuhl

Ausstrahlung am:

Montag, 28. Mai 2012, 17.00 bis 18.00 Uhr

Wiederholt:

Montag/Dienstag, 28./29. Mai 2012, 23.10 bis 00.10 Uhr
Dienstag, 29. Mai 2012, 05.10 bis 06.10 Uhr
Dienstag, 29. Mai 2012, 11.10 bis 12.10 Uhr

Zusammenfassung:

Darmstadts FDP beklagt die Nutzung von Meldedaten für wirtschafts­freundliche Zwecke. Die Polizei, dein Freund, naja. Frauenförderung beim HSV. Nadja Rakowitz über Burnout. Blühende Landschaften und was Archäologinnen ihnen entnehmen können. Ein Bankier mag nicht mehr.

Besprochene Bücher:

Zur Neoliberalisierung von Radio Darmstadt und seinem Trägerverein und zur Ausgrenzung mehrerer Mitglieder meiner Redaktion seit 2006 siehe meine ausführliche Dokumentation.


Inhaltsverzeichnis


Meldedaten und Frauenförderung auf Hamburgisch 

Jingle Alltag und Geschichte

Vor zehn Tagen schlug ich die Onlineseiten von Darmstadts Lokalpresse auf und dachte, ich lese nicht richtig. Beklagt sich doch die FDP darüber, wie offen das Scheunentor der Nutzung von Meldedaten in Darmstadt ist. Die hessischen Meldeämter dürfen nämlich die zwangsweise erhobenen und somit erfolgreich gesammelten Daten weitergeben, sofern ein Antragsteller ein „berechtigtes Interesse glaubhaft“ machen kann. Was dann ein derart berechtigtes Interesse ist, erfahren wir auch, nämlich vorzugsweise ein wirtschaftliches. Soll heißen: staatliche Stellen subventionieren die Laufkund­schaft der FDP beim Aufbau einer Kundenstammdatei. Das fand Sandra Klein, Fraktions­vorsitzende der Darmstädter FDP, gar nicht lustig, denn so hatte sie sich den Umgang mit ihrer Privatsphäre nicht vorgestellt.

Liebe Sandra Klein, wie kann frau denn so wirtschafts­feindlich sein? Denn nur der freie Datenmarkt ermöglicht ein erfolgreiches Geschäfts­modell. Ihr seid doch auch sonst für den Abbau jeglicher Investitions­hemmnisse. Aber rumpiensen, wenn es euch einmal selbst trifft …

Nun sind die größten Datenkraken nicht Google oder Facebook. sondern der jeweilige nationale Staatsapparat. Alles, was ihm legal oder illegal in die Hände kommt, wird einkassiert. So hatte das Dresdener Amtsgericht im Vorfeld einer erfolgreichen Anti-Nazi Demonstration im vergangenen Jahr den Polizeischnüfflern un den ungehemmten Zugang auf alls Handydaten erlaubt. Klagen dagegen wurden abgebügelt. Es wäre ja auch merkwürdig, wenn dasselbe Gericht, welches die Schnüffelei ermöglicht hat, im Nachhinein denselben Einsatz für illegal erklärt. So funktioniert eben ein ordentlicher deutscher Rechtsstaat.

Kreativ erwies sich die Berliner Polizei beim Erstellen einer möglichst ressentimentgeladenen Kriminalstatistik. Immer dann, wenn bei einem Tatverdächtigen die Nationalität nicht bekannt war, wurde er automatisch als Ausländer erfaßt. Woraus wir messerscharf den Schluß ziehen können: Traue den Aussagen der Polizei und ihrer Helfer grundsätzlich nicht. Erst recht nicht, wenn sie in Frankfurt ein Horrorszenario schlicht und einfach erfunden haben, um bei willfährigen Gerichten das Verbot der Blockupy-Aktionstage zu erwirken. Während Hessens Innenminister Boris Rhein eine Randale herbeifabulierte, um zu begründen, warum nicht Zigtausende, sondern seine eigene Polizei den Bankenstandort Frankfurt blockierten, wußten Teilnehmende einer Demonstration ganz andere Dinge zu berichten. Da wurden illegale Platzverweise erteilt oder eine jugendliche Demonstrantin von mehreren Staatsbütteln brutal zusammengeschlagen. Also, Randale gab es schon, aber die Akteure wurden dafür bezahlt und waren uniformiert.

Da lobe ich mir doch die Darmstädter Polizei, die nicht herumprügelt, sondern nur sinnlose Aufrufe verfaßt. Vor einigen Nächten rummste es an der Kreuzung Kasinostraße / Bleichstraße, weil eine Fahrerin aus Seeheim und ein Fahrer aus Darmstadt gleichzeitig Grün gesehen hatten. Und weil bekanntlich nächtens an dieser Kreuzung die Hölle los ist, ruft die Polizei nun Zeuginnen und Zeugen des Geschehens auf, sich zu melden. Da wird sie wohl lange warten müssen.

Wir ernst Frauenförderung in diesem Land gemeint ist, bewies kürzlich der Hamburger Sportverein. Er schickte seine Frauenmannschaft aus Kostengründen von der Bundesliga zurück in die Ebenen der Regionalliga. Logisch, die gerade am Abstieg vorbeige­schrammten Jungs wollen ja auch weiterhin gut bezahlt werden, da muß man nehmen, was man kriegen kann, und Frauen, die Fußball spielen und dann auch noch etwas kosten, sind reichlich überflüssig.

Bleibt noch zu vermelden, daß der Deutsche Städtebund Schäden in Millionenhöhe durch auf Häuserwände gesprühte Graffiti beklagt. Wobei es ihm nicht nur um den materiellen Aspekt geht. Ebenso wichtig ist das beeinträchtigte Lebensgefühl des Bürgertums. Das kann ich gut nachvollziehen. So Graffiti sind einfach häßlich, während stinkende und dröhnende Blechgefährte in Fußgänger­zonen und Straßen­schluchten das wahre urbane Lebensgefühl vermitteln. Manchmal denke ich, diese Lebens­künstlerinnen und Lebenskünstler haben einen Knall. Am Mikrofon ist Walter Kuhl aus der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.

 

Ausgebrannt und weggeworfen

In den folgenden vierzig Minuten werdet ihr einen Vortrag von Nadja Rakowitz über Burnout hören. Nadja Rakowitz ist Geschäfts­führerin des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte und sie sprach am 4. Mai [2012] im Heiner-Lehr-Zentrum auf Einladung der SPD-Unter­abteilung namens AfA Hessen Süd und Darmstadt zu Betriebsrätinnen und Personalräten über ein Thema, das bei Manchen als Mode­erscheinung gilt. Zu Unrecht, wie die Referentin ausführte. Denn es ist der ganz hunds­ordinäre Kapitalismus, der zu Mehrung seines Profits dafür sorgt, daß Menschen krank werden und sich dies auch noch als eigene Schuld zurechnen lassen müssen. Zum Schluß dieses Podcasts stelle ich dann noch zwei Bücher vor, eines über Landschafts­archäologie und eines über einen Bankier, der nicht mehr Bankier sein mag. Doch zunächst hören wir Nadja Rakowitz.

Der Mitschnitt

Der Vortrag kann mit nebenstehendem Player angehört oder über das Audioportal des Bundesverbandes Freier Radios angehört und/oder heruntergeladen werden.

Und damit kommen wir zu etwas vollkommen Anderem.

 

Sorgfältige Vorgaben

Besprechung von : Peter Haupt – Landschafts­archäologie. Eine Einführung, Konrad Theiss Verlag 2012, 222 Seiten, € 39,95

Die Landschaftsarchäologie ist als Spezialdisziplin eine relativ junge Erscheinung. Sie befaßt sich im wesentlichen mit der Entstehung und Veränderung von Kulturland­schaften durch menschliche Tätigkeit in historischen Zeiträumen. Sie betrachtet derartige Landschaften schon deshalb nicht als Natur, weil der Mensch seit Tausenden von Jahren selbige, so er sie noch unberührt vorgefunden hat, systematisch verändert und mehr oder weniger erfolgreich kultiviert hat. Dies schließt die Zerstörung der Lebens­grundlagen mit ein. Der Archäologe Peter Haupt, Privatdozent an der Universität Mainz, hat hierzu eine Vorlesung, die er an der Universität Marburg gehalten hat, verschriftlicht und als Buch veröffentlicht. Es ist unter dem Titel „Landschafts­archäologie – Eine Einführung“ Anfang des Jahres im Theiss Verlag erschienen.

Buchcover LandschaftsarchäologieNach einer Definition seines Gegenstandes behandelt der Autor Quellen und Methoden, betrachtet verschiedene Arten der Nutzung von Ressourcen wie Erze, Wald, Wasser oder Böden, und beschreibt anhand von Fallbeispielen, worauf zu achten ist, welchen Fallen man oder frau entgehen sollte, und wie eine erfolgreiche archäologische Prospektion kostengünstig und effizient organisiert werden kann. Als Handbuch für angehende Studierende wie als Wegweiser für Laien wie mich ist dieses Buch überaus anregend und interessant, zumal es Maßstäbe in Sachen wissenschaft­lichen Vorgehens setzt, die zukünftig nicht unterschritten werden sollten. Vor allem aber sind es eingestreute Hinweise, die einer oder einem das Gefühl geben, ein nützliches Handwerkszeug erworen zu haben, etwa in der Einleitung, bei der es um den definitorischen Rahmen geht:

Kulturlandschaft ist also mehr als nur Naturlandschaft mit menschlichen Einflüssen. Sie ist immer auch ein gedankliches Konstrukt ihrer Bewohner, ihrer Nachbarn und sogar der Landschafts­archäologen, die sich scheinbar objektiv mit ihr im Rahmen wissenschaftlicher Studien befassen. [1]

Hier vermittelt der Autor ganz nebenbei die Mahnung, die eigene subjektive, soll heißen ideologische Vorein­genommenheit bei der Betrachtung des Gegenstandes zu reflektieren. Zudem, so meint er, sollen bei der Betrachtung des zu untersuchenden Gegenstandes ethische oder moralische Erwägungen möglichst keine Rolle spielen, auch wenn

[d]iese Bewertungen […] ausgesprochen interessant und wichtig [sind], zum Beispiel bei Populations­veränderungen und Migration. Die Landschafts­archäologie kann und muss solche emotions­geladenen Faktoren in der Kulturland­schaftsgenese erforschen. Sie darf aber nicht selbst von ihnen geleitet werden. [2]

Derlei im Hinterkopf, können nun Quellen und Methoden betrachtet werden. Hierbei beschreibt Peter Haupt die Möglich­keiten und Grenzen, vor allem aber die möglichen Fallstricke, die zu fehlerhaften Interpretationen führen können. So sei es zum Beispiel bei einer Gelände­begehung in der Theorie möglich systematisch vorzugehen, in der Praxis sind Erfahrung, Konzentrations­fähigkeit bei stundenlanger monotoner Tätigkeit, aber auch Ignoranz wichtige, die Qualität der Begehung beeinträchtigende Faktoren. Eine möglichst genaue Dokumentation dessen, was man und frau weshalb getan hat oder auch nicht, ist dringend angeraten, um im Nachhinein eine Überprüfung zu ermöglichen. Moderne Meß- und Auswertungs­methoden können unterstützend helfen, sind jedoch mitunter derart kostspielig, daß ein eingeschränkter Einsatz zu erheblichen Qualitäts­verlusten führen kann. Ich möchte das an der Radiokarbondatierung verdeutlichen.

Mittels einer Analyse des Gehalts an Kohlenstoffen des radioaktiven Isotops C-14 läßt sich mit einer gewissen Verläßlichkeit das Datum eines Fundstücks herleiten. Allerdings kostet die Analyse einer einzigen Probe etwa 300 bis 400 Euro. Nun sind mehrere Fundstücke selbst an einem begrenzten Fundort niemals eindeutig auf das Jahr genau zu bestimmen. Es gibt eine statistische Varianz, die durchaus erheblich sein kann. Je mehr Proben untersucht werden, desto besser läßt sich die Streuung berechnen; je weniger Geld vorhanden ist, desto zufälliger wird das Ergebnis ausfallen. In der Tat widersprechen sich C-14-Daten so mancher Fundorte. Was ich aus dieser Darstellung gelernt habe, ist, den C-14-Datierungen eines Ereignisses, die in diversen historischen und archäologischen Werken und Artikeln vorzufinden sind, viel grund­sätzlicher zu mißtrauen. Sie mögen nicht falsch sein, aber geben selten das her, was sie vorzugeben behaupten.

So ist zum Beispiel eine kalibrierte C-14-Datierung, die mit fast 100%iger Wahrschein­lichkeit in dem Bereich zwischen 1200 und 1100 v. Chr. liegt, nicht auf 1150 v. Chr. zu mitteln – denn solches sagt eine Wahrschein­lichkeit für ein Datum in einer bestimmten Zeitspanne eben nicht aus. [3]

Mehr noch: da es sich um eine statistische Wahrschein­lichkeit handelt, kann es ganz blöd kommen, und der Zeitpunkt, der mit der Probe bestimmt werden soll, liegt sogar außerhalb des hier berechneten Zeitrahmens. Deshalb ist es prinzipiell unzulässig, ein bestimmtes Ereignis auf das Jahr genau mit einer bestimmten C-14-errechneten Probe zusammen­zubringen. Es ist allenfalls wahrscheinlich und in der Regel nie sicher.

Um ein Beispiel aus einem anderen Zusammenhang zu nehmen: die statistische Wahrscheinlichkeit eines Super-GAUs mag ein Mal in zig Jahrtausenden liegen, aber es kann schon morgen geschehen.

Manchmal hält sich der Autor jedoch nicht so recht an seine eigenen Vorgaben. So schreibt er zum Bergbau am Donnersberg in der Pfalz in einem seiner vier Fallbeispiele:

Wesentliches Regulativ jeder bergbaulichen Betätigung ist das Verhältnis von Investitionskosten und zu erzielendem Gewinn. Da der Profit von wechselnden Größen abhängt – nämlich von der Effizienz der Abbau- und Verhüttungs­techniken und den vom Markt abhängigen Preisen für das geförderte Erz/Metall – ist Bergbau an ein und derselben Stelle immer wieder zum Erliegen und zur Wieder­aufnahme gekommen, je nach Stand der Technik. [4]

Klingt logisch, ist aber falsch. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß steinzeitlicher Bergbau einen break even point kannte oder daß Profitdenken vor dem Aufkommen organisierter Herrschaft eine Rolle gespielt haben mag. Es handelt sich hierbei eindeutig um eine Projektion neoliberaler Wirtschafts­theorie in die Vergangenheit. Insofern ist auch dieses Buch, das ich ansonsten uneingeschränkt empfehlen mag, ideologie­kritisch zu lesen.

Peter Haupts Einführung in die Landschafts­archäologie ist im Theiss Verlag erschienen; das Buch hat 222 Seiten, einen gut nutzbaren weiterführenden bibliografischen Anhang und kostet etwa ein Zehntel der Analyse einer C-14-Probe, nämlich 39 Euro 95.

 

Unter den Brücken des Finanzkapitals

Besprechung von : Fritz Deppert – Ein Bankier steigt aus, Verlag Brandes und Apsel 2012, 228 Seiten, € 19,90

Moralische Fragen um den Zustand dieser Welt sind nicht erst seit der Finanzkrise des Jahres 2007 angebracht. Mitunter jedoch fokussiert ein derartiges Ereignis Fragstellungen, die tief im Innern der menschlichen Seele schlummern, und birgt erstaunliche Antworten. Nicht jede Fragestellung und jede Antwort mögen angemessen sein, aber das Nachdenken darüber, was diese Welt lebenswert macht oder auch nicht, ist gewiß nicht verkehrt. Der Darmstädter Schriftsteller Fritz Deppert hat die Finanzkrise und die damit verbundene Unmoral des Bankensektors auf literarische Weise verarbeitet und einen Protagonisten erschaffen, der dieser Welt den Rücken kehrt, sich als Aussteiger versucht, zwar nicht scheitert, aber irgendwann herausgefordert wird, Antworten zu finden, die jenseits des eigenen Lebensweges stehen.

Albrecht, so heißt sein Bankier, ist einer der alten Schule, soll heißen: kein neoliberal durchgeknallter Profitgeier wie sein Sohn, dem er die Bank überlassen hat. Albrecht gefällt so gar nicht der raffgierige Zynismus der Bankiers der neuen Schule, doch dabei hätte er sich ruhig fragen dürfen, was denn so viel besser gewesen ist an der althergebrachten Art und Weise, den ausbeuterischen Markt mit Krediten zu befeuern.

Buchcover Ein Bankier steigt ausAlbrecht steigt aus, tippelt als Obdachloser in eine andere Stadt, gibt jedoch nie den letzten Rest Sicherheit auf, der es ihm ermöglicht, den Kontakt zu seiner früheren Lebensweise zu halten. Allein, dieser mentale Kontakt zu seinem früheren Leben führt zu manch ungeschicktem Verhalten, ungeschickt jedenfalls nach den Regeln des Aussteigerlebens, womit er sich verwundbarer macht als er zu sein scheint. Eben weil er sich nicht verhält wie ein Penner, landet er auf der Polizeiwache, und nur seine Herkunft bewahrt ihn vor der volkommenen Entwürdigung. Sein neu gewonnener Freund Franz sagt es ihm irgendwann auf den Kopf zu: er werde es nie schaffen und auch nicht durchstehen, als Aussteiger zu leben. Franz überlebt denselben Winter selbst jedoch nicht, nachdem er von einem der automobilen Autisten dieser Welt angefahren und beiseite geschleudert wurde.

Fritz Depperts Blick für wichtige Details, die seine Figuren überhaupt erst glaubwürdig machen, ermöglicht es ihnen, die Fragen des Lebens aus einer anderen Perspektive als der unseren neu zu stellen. Allein, wer stellt hier die Fragen: der Schriftsteller oder der ausgestiegene Bankier, der über bestimmte Tellerränder nicht hinausschauen kann?:

Manager ohne soziale und politische Verantwortung und ohne jegliche Bindung an den Standort ihrer Bank bildeten nichts anderes als eine Mafia, die für Profit bereit war, ganze Staaten zugrunde zu richten und sich über deren Krisen die Hände zu reiben. Sie schwebten mit ihrem Spekulantentum wie Aasgeier am Himmel und spähten nach Ländern mit finanziellen Schwächen. Die politisch Verantwortlichen hatten es bewusst oder unbewusst versäumt, Grenzen zu ziehen und waren der Raffinesse der Manager auch nicht gewachsen. [5]

Diese Politikerinnen und Politiker, die Albrecht in seiner neuen Rolle als hohlköpfige Inszenierungen erst noch kennenlernen muß, mögen der dummdreisten Generation neoliberal durchgeknallter Typen nicht gewachsen sein, aber es ist ihr Job, ihnen freie Bahn zu schaffen. Die Moral des Marktes ist die Moral der Politik, und dies nicht erst mit dem Auftauchen jungdynamischer Hasardeure. Es ist eine Moral, die über Leichen geht und eine Hackordnung perfide auslebt, die Albrecht selbst in der Welt der Ausgestoßenen und Obdachlosen wiederfindet. Der Ausstieg ist vielleicht nur dadurch möglich: zu lernen, wie diese Welt ohne die Moral des Systems zu verändern ist.

Und wenn Albrecht sich in sein früheres Leben zurückverkleidet, um unerkannt von seinen neuen Brüdern, den städtischen Pennern, einem Konzert zu lauschen, sich auf die Musik einzulassen, um in ihr aufzugehen, dann erinnert mich dies an eine recht prägnante Stelle in Jutta Ditfurths Autobiografie „Durch unsichtbare Mauern“, in der sie die klassische Musik als Instrumentarium der Zähmung beschreibt.

Womöglich ist Albrechts Schritt am Ende des Romans ein Weg zu etwas Neuem, obwohl ich aufgrund der hier vorzufindenden paternalistischen Note daran zweifle. Denn auch Albrecht kommt nicht aus der Haut heraus, in die ihn sein Autor gesteckt hat. – Fritz Depperts Roman „Ein Bankier steigt aus“ ist vor kurzem bei Brandes & Apsel zum Preis von 19 Euro 90 erschienen.

Am Mikrofon war Walter Kuhl aus der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.

 

ANMERKUNGEN
Mittels eines Klicks auf die Nummer der jeweiligen Anmerkung geht es zur Textpassage zurück, von der aus zu den Anmerkungen verlinkt wurde.

»» [1]   Peter Haupt : Landschaftsarchäologie, Seite 17.

»» [2]   Haupt Seite 19.

»» [3]   Haupt Seite 69.

»» [4]   Hauptz Seite 124.

»» [5]   Fritz Deppert : Ein Bankier steigt aus, Seite 105.


Diese Seite wurde zuletzt am 16. Juni 2012 aktualisiert. Links auf andere Webseiten bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. ©  Walter Kuhl 2001, 2012. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.

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