Überwachung in Aberdeen.
Allgegen­wärtige Über­wachung in Aberdeen unter dem Vorwand, Diebe auf frischer Tat ertappen zu wollen.

Kapital – Verbrechen

Im Schutze der Verfassung

Sendemanuskript

Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte

Radio: Radio Darmstadt

Redaktion und Moderation: Walter Kuhl

Ausstrahlung am:

Montag, 23. Januar 2012, 17.00 bis 18.00 Uhr

Wiederholt:

Montag/Dienstag, 23./24. Januar 2012, 23.10 bis 00.10 Uhr
Dienstag, 24. Januar 2011, 05.10 bis 06.10 Uhr
Dienstag, 24. Januar 2011, 11.10 bis 12.10 Uhr

Zusammenfassung:

Verfassungsschützer kungeln mit der Rechten und überwachen die Linken. Kein Systemversagen, sondern folgerichtig. Vor 40 Jahren zog der Überwachungsstaat anderweitig blank. Er erfand das alsbald auch im Ausland legendäre Berufsverbot. Gegen Linke, logischerweise.

Zur Neoliberalisierung von Radio Darmstadt und seinem Trägerverein und zur Ausgrenzung mehrerer Mitglieder meiner Redaktion seit 2006 siehe meine ausführliche Dokumentation.


Jingle Alltag und Geschichte

Das Nachrichtenmagazin für deutsche Befindlichkeiten, der „Spiegel“, schreibt in seiner aktuellen Ausgabe, daß der Verfassungs­schutz 27 Bundestags­abgeordnete der Partei „Die Linke“ bespitzelt. Das einzig Erstaunliche an dieser Meldung ist, daß nicht alle Abgeordneten dieser Partei überwacht werden. Denn überwacht werden keineswegs nur diejenigen, die in den Augen des aus dem Kalten Krieg entstammenden Geheimdienstes sogenannten links­extremistischen Bestrebungen nachgehen.

Vielmehr werden systemkonforme und damit vollkommen ungefährliche Realos und praktischerweise auch gleich die ganze Führungsebene dieser sozial­demokratischen Partei überwacht. Sieben Verfassungsschützer verbraten nach Angaben des orwellesken Verfassungs­geheimdienstes jährlich rund 390.000 Euro allein dafür, daß sie Zeitungsschnipsel sammeln und öffentlich zugängliche Redemanuskripte akribisch auswerten. Es handelt sich hierbei nicht um eine Arbeitsbeschaffungs­maßnahme für Langzeit­erwerbslose, sondern um die Spitzel eines Eisberges.

Nun ist ein Verfassungsschutz, der mit Spitzelmethoden im Geheimen werkelt, bei denen sogar die Stasi neidisch geworden wäre, nur in der Theorie ein Widerspruch zu einer aufgeklärten parlamentarischen Demokratie. Vielmehr muß sich jede derartige Demokratie davor schützen, daß die Nutznießer dieser Demokratie, die sogenannten Eliten, ihre Pfründe und Privilegien verlieren. Denn jede bürgerliche Demokratie ist den Werten der herrschenden Klasse verpflichtet, und diese bestehen nun einmal darin, den Mehrwert abzuschöpfen, den die arbeitenden Männer und Frauen so einer Republik mit ihren Muskeln, Sehnen, Gehirnfasern und auch unter Schmerzen erwirtschaften.

Nur wer dies nicht begreift, hält die Kungelei des Verfassungs­schutzes mit rechten Banden für einen Skandal. Der Feind steht auch 79 Jahre nach der Machtübergabe an die Nazis und 67 Jahre nach der Befreiung des Konzentrations­lagers Auschwitz selbst­verständlich links, und das war überhaupt schon im Kaiserreich so, und nicht anders. Die nützlichen Bundesgenossen standen und stehen rechts, verbreiten gesellschafts­konformes reaktionäres und rassistisches Gedankengut, und müssen mit Geld und Mord bei Laune gehalten werden.

Vor vierzig Jahren wagte die Bundesrepublik Deutschland, nach den Worten eines friedensnobelbepreisten Bundeskanzlers, mehr Demokratie. Allein dies ist schon ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, denn wer Demokratie, gar sogar mehr davon, wagen muß, verrät, daß Demokratie nur einem auserwählten Publikum zusteht. Deswegen ist es auch folgerichtig, wenn die heutigen neoliberalen Marktideologen fordern, daß wirtschaftsfeindliche Demokratie­hemmnisse und damit einhergehend Bürgerinnen- und Bürgerrechte unbedingt beseitigt werden müssen.

Und wenn ich das hier nebenbei einflechten darf. Aurel Jahn, Vorstand von Darmstadts Vereinsfunk, ist es aufgefallen, daß in manchen Sendungen meiner Redaktion nicht die Grußfrequenzen selbigen Vereinsfunks gemäß irgendwelcher Sendekriterien eingespielt werden. Hat diesem Vorstands­vereinsfunker niemand verklickert, daß die Sendekriterien kein Teil der Sendelizenz sind und deshalb nur für Vereinsfunker gelten, nicht jedoch für mich, der aus ganz und gar demokratischen Gründen in Darmstadts Vereinsfunk ein Hausverbot genießt?

Denn es ist ja so: ich habe ein Hausverbot, weil ich das Grundgesetz auf meiner Seite habe. Glaubt ihr nicht? Tja, aber das ist die Begründung. Anders gesagt: wer links und kritisch ist – oder in den Worten eines Vereinsfunk­vorstandes: ein „Stalinist“ –, muß halt draußen bleiben. Was nur besagt, daß selbiger Vorstand keine Ahnung hat, was Stalinismus wirklich gewesen ist. Wohl zu viel Guido Knopp geguckt …

Aber um auf die Geschichte zurückzukommen: Vor besagten vierzig Jahren gossen die Minister­präsidenten der Länder mit Hilfe des mehr Demokratie wagenden Bundeskanzlers Willy Brandt ihr Verständnis von Demokratie in den sogenannten Radikalenerlaß. Vierzig Jahre später sprach Mechthild Dortmund vom freien Radio Flora in Hannover mit drei Betroffenen über die politische Dimension dieser bis heute formal existierenden Regelung zur Gängelung der Demokratie. Ich danke Radio Flora für die Überlassung dieser Sendung. Am Mikrofon war Walter Kuhl aus der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt.

»»  Zum Podcast: „Vor 40 Jahren: Einführung der Berufsverbote – Betroffene melden sich zu Wort“.


Diese Seite wurde zuletzt am 4. Februar 2012 aktualisiert. Links auf andere Webseiten bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. ©  Walter Kuhl 2001, 2012. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.

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