Ausschnitt Buchcover
Venezuela Bolivariana

Kapital – Verbrechen

Revolution des 21. Jahrhunderts?

Sendemanuskript

 

Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte

Radio: Radio Darmstadt

Redaktion und Moderation: Walter Kuhl

Ausstrahlung am:

Montag, 25. Februar 2008, 17.00 bis 18.00 Uhr

Wiederholt:

Montag/Dienstag, 25./26. Februar 2008, 23.10 bis 00.10 Uhr
Dienstag, 26. Februar 2008, 08.00 bis 09.00 Uhr
Dienstag, 26. Februar 2008, 14.00 bis 15.00 Uhr

Zusammenfassung:

Übernahme eines Beitrags vom Freien Radio für Stuttgart mit einem Vortrag von Dario Azzellini über Venezuela. Anschließend Kurzbesprechung seines Buchs über Venezuela.

Besprochenes Buch:

 


 

Inhaltsverzeichnis

 


 

Geheimes Betriebsgeheimnis

Jingle Alltag und Geschichte

Interessante Dinge geschehen in diesem Land. Da wird zum einen eine Kommunistin in den niedersächsischen Landtag gewählt. Das ist so fürchterlich, daß die Redaktion des Fernsehmagazins Panorama den antikommunistischen Zeitgeist wiederbeleben muß. Christel Wegner, so heißt diese Kommunistin, wird von den versierten Medienfüchsen auch gleich vorgeführt. Sie plaudert ahnungslos drauflos und wird als eine Ewiggestrige vorgestellt, welche die Stasi bejubelt. Zur gleichen Zeit, und das ist die andere Geschichte, entwickelt sich eine Kampagne gegen Steuerflüchtlinge. Ermöglicht wurde diese nun wirklich populistische Kampagne durch den Bundesnachrichtendienst, der durch die Zahlung von einigen Millionen Euro das Liechtensteiner Bankgeheimnis geknackt hatte.

Der Verdacht liegt nahe, daß die öffentliche Mobilisierung gegen die Steuersünder einem guten Zweck dient. Nämlich davon abzulenken, daß nicht etwa die Steuersünder für Kinderarmut und Hartz IV verantwortlich sind, sondern die Damen und Herren in Wirtschaft und Politik, die über unsere Lebensbedingungen be- und abstimmen. Sie selbst leben zum Teil in einem Luxus, der ganz offensichtlich die steuerkriminellen Phantasien weckt. Wer hat, will noch mehr.

Nun sind Geheimdienste eigentlich nicht für die Steuerflucht zuständig, sondern zur Wahrung der Interessen der sie beauftragenden Staatsmacht. Nichts anderes war die Stasi auch. Weil die DDR jedoch laut offizieller Geschichtsschreibung eine Diktatur war und in der Bundesrepublik alles demokratisch vonstatten geht, auch die Steuerflucht, sind die Äußerungen von Christel Wegner ein Skandal. Die immer ausufernderen Möglichkeiten der Verfassungsscützer oder Nachrichtendienstler hingegen nicht. Dabei konnte die Stasi von den finanziellen und technologischen Möglichkeiten ihrer heutigen westdeutschen Kollegen nur träumen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: ich kann der Stasi nichts Positives abgewinnen. Aber auch Christel Wegner hat in dem von Panorama gesendeten Interviewausschnitt [pdf] keineswegs der Stasi das Wort geredet.

Sie hat nur das Betriebsgeheimnis jedes Staates offen ausgeplaudert: Zur Sicherung der Macht der jeweils herrschenden Klasse bedarf es eines geheim arbeitenden Organs. In Deutschland heißt dieses Organ Verfassungsschutz. Ganz demokratisch quatscht dieser in regelmäßigen Abständen junge Antifaschistinnen und Antifaschisten an, nicht etwa, um Einblicke in die Neonazi-Szene zu erhalten. Das ist bekanntlich nicht nötig, weil der Verfassungsschutz seine inoffiziellen Mitarbeiter schon längst mit Funktionären der NPD besetzt hat. Nein – konsequent gilt es, den Antifa-Sumpf zu durchleuchten. Auch hier in Darmstadt. [1]

In Venezuela gibt es einen Präsidenten, der aus sehr ähnlichen Gründen ein negatives mediales Echo erhält (imd zwar nicht, weil er die Stasi gut findet). Hugo Chávez, in den 90er Jahren angetreten, die elenden Lebensverhältnisse der meisten Menschen Venezuelas zu verbessern, propagiert inzwischen den Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Während die Jusos im Landkreis Darmstadt-Dieburg sich vom Begriff Sozialismus nun auch offiziell verabschieden [2], wagt es doch tatsächlich das mit Ölreichtum gesegnete Land Südamerikas, die Geschichtsuhr umzudrehen. Ohne daß ein Geheimdienst die vorher herrschende Oligarchie bespitzeln und drangsalieren müßte. Diese Oligarchie darf sogar putschen, ohne daß ihr etwas passiert. Merkwürdige Zustände, wohl wahr.

Dario Azzellini, Politikwissenschaftler, Autor und Filmemacher, kennt dieses Land und seinen bolivarianischen Prozeß wie kaum ein anderer. Die Redaktionsgruppe Talking Disco vom Freien Radio für Stuttgart hat uns nun einen rund 48-mintigen Beitrag zur Verfügung gestellt, in dem Dario Azzellini auf die Frage zu sprechen kommt, wie denn die Revolution des 21. Jahrhunderts aussehen könnte.

 

Der bolivarianische Prozeß

Zusammenschnitt eines Vortrags von Dario Azzellini im Juni 2007 über die gesellschaftlichen Veränderungen in Venezuela, Einblicke in den "bolivarianischen" Prozess, Moderation inclusive. Dieser Audiobeitrag ist auf dem Audioportal des Bundesverbandes Freier Radios zu finden.

 

Venezuela Bolivariana

Kurzbesprechung von : Dario Azzellini – Venezuela Bolivariana, Neuer ISP Verlag 2006, 2. Aufl. 2007, 319 bzw. 328 Seiten, € 19,80

Jingle Alltag und Geschichte

Buchcover Dario Azzellini: Venezuela BolivarianaIhr hörtet auszugsweise einen Vortrag von Dario Azzellini über den revolutionären Prozeß im Venezuela des 21. Jahrhunderts. Vielen Dank an die Redaktionsgruppe Talking Disco beim Freien Radio für Stuttgart, die uns diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat. Das, was Dario Azzellini in seinem Vortrag eher angerissen hat, ist ausführlich und durch eigene Forschungen belegt in seinem Buch Venezuela Bolivariana – Revolution im 21. Jahrhundert? nachzulesen. Dieses inzwischen in 2. Auflage vorliegende Buch aus dem Neuen ISP Verlag zeichnet sich jedoch nicht nur durch eine fundierte Analyse dieses Prozesses aus. Umfangreiche Gespräche mit den Aktivistinnen und Aktivisten der Basisorganisationen zeigen sowohl die Fortschritte wie auch die Widersprüche einer Entwicklung auf, die nicht nur, aber eben auch von der Person Hugo Chávez bestimmt wird.

Aus diesen Gesprächen wird zudem deutlich, daß die vorherrschende Medienberichterstattung über Venezuela und Hugo Chávez den tatsächlichen Geschehnissen wenig gerecht wird. Diese Berichterstattung ist in demselben Denken ge- und befangen, das den vorherrschenden neoliberalen Diskurs ausmacht. Wer sich auf die Seite der Bourgeoisie stellt, egal ob in Venezuela ider in Deutschland, kann nur ein verzerrtes Bild herstellen. Dies ist nicht nur ein struktureller Fehler dieser Medienberichterstattung, sondern geradezu ihr Markenzeichen. Dario Azzellini hingegen lebt nicht nur vor Ort, sondern verbindet mit seiner Arbeit vor allem die Absicht, emanzipatorische Prozesse zu begleiten. Dies geschieht durchaus nicht unkritisch. Ein Loblied auf Hugo Chávez ist dieses Buch daher nicht.

Dario Azzellini gelingt es jedoch auf eine Weise, wie sie selten zu vernehmen ist, einen Prozeß voller Widersprüche so zu vermitteln, daß linkes Besserwissen vermieden wird. Es ist eine angemessene und daher äußerst lesenswerte Arbeit, die hier vorliegt. Sein Buch Venezuela Bolivariana – Revolution im 21. Jahrhundert? erschien erstmals im Juni 2006 und ist in einer aktualisierten Fassung im November 2007 neu herausgebracht worden. Die 328 Seiten starke Lektüre ist im Neuen ISP Verlag erschienen und kostet 19 Euro 80.

 

Schluß

Zum Schluß noch drei Veranstaltungshinweise.

Am heutigen Montagabend stellt der Historiker Wolfram Pyta im Literaturhaus seine Biografie über den Feldmarschall und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg vor. Pyta sieht in Hindenburg keinen Getriebenen, sondern einen verantwortlichen Akteur. Wenn wir bedenken, daß die Stadt Darmstadt auch weiterhin einen derartigen Täter mit einer Straße ehrt, ist der Besuch dieser Veranstaltung sicherlich lohnenswert. Sie findet heute abend im Literaturhaus in der Kasinostraße 3 um 20.00 Uhr statt. Karten gibt es an der Abendkasse. Wer diese Sendung in der Wiederholung am Dienstag hört, kann Ausschnitte des Vortrags in meiner nächsten Sendung am Montag, den 10. März, hören.

Am Dienstag, den 4. März, begibt sich Annelies Laschitza mit ihrer politischen Rosa Luxemburg-Biografie auf eine Zeitreise. Die Autorin des Buchs "Im Lebensrausch, trotz alledem!" wird nächste Woche Dienstag um 19.30 Uhr im DGB-Haus in der Rheinstraße 50 zu hören sein. Auch hier wird sich die Redaktion Alltag und Geschichte um einen Mitschnitt bemühen.

Zwei Tage später, am 6. März, spricht Frank Oschmiansky vom Wissenschaftszentrum Berlin über Anspruch und Wirklichkeit von Hartz IV. Veranstalter ist die Darmstädter Sozialhilfegruppe. Frank Oschmiansky ist bekannt dafür, daß er den Faulheits-Diskurs der deutschen Politik und ihrer Medien über Arbeitslose und Sozialhilfeempfängerinnen kritisch auf ihre Funktion und ideologische Aufgabenstellung hin abklopft. Diese Veranstaltung findet im Gemeindesaal der katholischen Kirchengemeinde St. Elisabeth am Schloßgartenplatz 5 statt. Und zwar nächste Woche Donnerstag, also am 6. März, um 19.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.

 

Diese Sendung wird wiederholt, und zwar in der Nacht von Montag auf Dienstag gegen 23 Uhr 10, sowie am Dienstagmorgen um 8.00 Uhr und am Dienstagnachmittag ab 14.00 Uhr. Das Manuskript zur Sendung werde ich in den kommenden Tagen auf meine Webseite stellen: www.waltpolitik.de. Diese Sendung entstand mit Unterstützung der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt. Im Anschluß folgt eine Sendung der Kulturredaktion. Am Mikrofon war Walter Kuhl.

 

ANMERKUNGEN

 

Mittels eines Klicks auf die Nummer der jeweiligen Anmerkung geht es zur Textpassage zurück, von der aus zu den Anmerkungen verlinkt wurde.

 

»» [1]   Siehe hierzu die Pressemitteilung der Bunten Hilfe / Rote Hilfe Darmstadt vom 29. Januar 2008.

»» [2]   Was soll das auch sein – neoliberaler Sozialismus? Siehe hierzu den Artikel Kreis-Jusos nennen sich nicht mehr Sozialisten im Darmstädter Echo vom 25. Februar 2008.

 


 

Diese Seite wurde zuletzt am 27. Februar 2008 aktualisiert. Links auf andere Websites bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. ©  Walter Kuhl 2001, 2008. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.

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