Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte
Radio: Radio Darmstadt.
Ausstrahlung am:
Montag, 27. Februar 2006, 17.00 bis 18.00 Uhr
Wiederholt:
Montag/Dienstag, 27./28. Februar 2006, 23.10 bis 00.10 Uhr
Dienstag, 28. Februar 2006, 08.00 bis 09.00 Uhr
Dienstag, 28. Februar 2006, 14.00 bis 15.00 Uhr
Zusammenfassung:
Ich sprach über den Unabhängigkeitskrieg im Zuge der israelischen Staatsgründung, über eine störende Blume in der Militärjustiz, über Frauenemanzipation in Palästina und über einen vom Abstieg bedrohten arabisch-israelischen Fußballverein.
Besprochene Bücher:
Playlist:
Jingle Alltag und Geschichte
Am 28. März [2006] wird in Israel ein neues Parlament gewählt. Neben der Arbeitspartei und dem Likud-Block treten wie immer mehrere religiöse Parteien an. Neu ist die Teilnahme der von Israels schwer erkranktem Ministerpräsidenten Ariel Scharon ins Leben gerufenen Bewegung Kadima, mit der er den traditionellen Parteienkonsens und Parteiendissens sprengen wollte. Ob diese neue Gruppierung ohne Scharon eine Chance hat, bleibt abzuwarten. Aber eigentlich ist es irrelevant. Wahlen sind nun einmal dafür da, das Personal zu bestimmen, welches die Politik des ideellen Gesamtkapitalisten durchführt. Diese Politik wird – wie überall auf der Welt – nicht von den Wählerinnen und Wählern bestimmt. Aber wer bestimmt die Richtlinien in Israel?
Der Staat Israel ist ein besonderer Staat. Dies liegt weniger an der offiziellen Darstellung, wonach er die Garantie dafür sei, daß sich der Holocaust niemals wiederholen könne. Abseits von dieser Ideologie handelt es sich bei diesem Staat um eine ehemalige Siedlerkolonie, die sich das Land durch Kauf, Raub und Krieg genommen hat. Nun ist dieser Staat ein Faktum, und es ist sinnlos, über die Berechtigung dieses Faktums zu debattieren. Genausogut könnte man und frau über die Berechtigung der Existenz Deutschlands reden [1]. Allerdings sind die Grundfesten dieses Staates alles andere als stabil. Ohne seine Armee und ohne die massive finanzielle und militärische Unterstützung durch die USA würde Israel nicht die dominante Rolle im Nahen Osten spielen können, welche das Land derzeit einnimmt.
Das Personal, das am 28. März gewählt wird, wird – in welcher Konstellation auch immer – die Politik seiner Vorgänger fortsetzen. Die Frage stellt sich, ob die Politik den Staat Israel damit nicht langfristig an die Wand fährt. Und so gibt es innerhalb wie außerhalb Israels bedeutende kritische Stimmen, die eine Abkehr von der bisherigen Politik der Stärke fordern. Das Überleben des Staates Israel könnte nämlich auch daran hängen, ob es der israelischen Gesellschaft gelingt, ihre militaristischen Wurzeln zu überwinden und kooperative Lösungen mit der palästinensischen bzw. arabischen Umgebung zu finden.
Zwei dieser kritischen Stimmen sind Uri Avnery und Felicia Langer. Uri Avnery ist gewissermaßen ein Dissident. Der Schriftsteller und Friedensaktivist saß zehn Jahre im israelischen Parlament. Er erlebte den Krieg, welcher die Unabhängigkeit Israels begleitete, als Soldat mit und schrieb hierzu zwei Bücher. Diese wurden im vergangenen Jahr bei Diederichs neu aufgelegt. Felicia Langer hat als Rechtsanwältin palästinensische Männer und Frauen vor israelischen Gerichten vertreten, bis sie zu der Einsicht gelangte, daß sie damit eine Farce legitimiere. 1990 emigrierte sie nach Deutschland. Der Publizist Hans-Dieter Schütt führte im vergangenen Jahr für den Karl Dietz Verlag Berlin mehrere Gespräche mit der (im positiven Sinn) streitbaren Autorin. Beide Bücher werde ich in meiner heutigen Sendung vorstellen.
Eine andere Stimme aus der Region ist die palästinensische Feministin und Schriftstellerin Sahar Khalifa. Von ihr erschien Ende 2004 der Roman Die Verheißung im Schweizer Unionsverlag. Mit der Autorin führte ich im Herbst 2004 ein Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse. Und zum Schluß bespreche ich ein Buch über einen arabisch-israelischen Fußballverein, der einen Ansatz darstellen könnte, die Kluft zwischen jüdischen und arabischen Israelis zu überwinden.
Für die Redaktion Alltag und Geschichte auf Radio Darmstadt ist am Mikrofon Walter Kuhl.
Besprechung von : Uri Avnery – In den Feldern der Philister, Diederichs Verlag 2005, 429 Seiten, € 28,00
Wie alles begann. So könnte man und frau bei der Neuauflage der deutschen Übersetzung des Buchs In den Feldern der Philister des israelischen Schriftstellers und Friedensaktivisten Uri Avnery denken. Denn der 1949 erstmals herausgebrachte Band berichtet von den Kriegserfahrungen und Reflexionen des idealistischen Pioniers, der sich freiwillig zum Kriegsdienst meldet, als die Unabhängigkeit des Staates Israel verkündet wird.
Das Buch ist eine seltsame Mischung aus Kriegstagebuch, Soldatenromantik, Kampfbericht und nachdenklicher Betrachtung des eigenen Tuns. Ursprünglich handelte es sich um Artikel für eine Tageszeitung, mit welchen der israelischen Bevölkerung der Heldenmut, die Opfer und die Erlebnisse an der Front nahegebracht werden sollten. Doch schon nach einigen Monaten stellt der junge Uri Avnery etwas fest, was ihm überhaupt nicht gefällt. Während nicht wenige Soldaten voller Idealismus das junge Heimatland zu verteidigen trachten, geht das Leben im bedrohten Tel Aviv weiter, so als wäre nichts geschehen. Dabei stehen die ägyptischen Truppen nur 20 Kilometer vor den Vororten der Hafenstadt und die junge israelische Armee ist hinsichtlich Ausrüstung und Mannschaftsstärke hoffnungslos unterlegen.
Den damaligen Zeitgenossen war nicht klar, daß der Krieg gewonnen werden konnte. Denn die israelische Seite war besser organisiert, während die Araber untereinander zerstritten waren und für Ziele kämpften, welche die Massen nicht richtig mobilisieren konnten. Auf beiden Seiten kam es zu dem, was wir heute ethnische Säuberungen nennen, nur daß eben die Israelis durch ihre territorialen Gewinne mehr Gelegenheit zum Säubern bekamen. Während die Israelis die erfolgreiche Etablierung ihres Staates auf arabischen Boden feiern konnten, betrachteten die Palästinenser das Ergebnis dieses Krieges als Katastrophe. Die ersten Flüchtlingslager entstanden, und sie stehen noch heute.
Doch Uri Avnery haßte schon damals die Araber nicht. Er war von der Notwendigkeit eines Krieges überzeugt, der viele Opfer kosten würde und dem auch er zum Opfer hätte fallen können. Seine verschriftlichten Kriegserlebnisse wurden zu seinem eigenen Erstaunen ein Bestseller. Er hatte offensichtlich den Nerv der Gesellschaft getroffen. So heroisch wollte man (und frau) sich selbst sehen. Die Kehrseite der Medaille hingegen wurde verdrängt.
Diese Kehrseite der Medaille ließ dem jungen Uri Avnery jedoch keine Ruhe. Er hatte zuviel gesehen und erlebt. Dörfer, die erobert wurden, indem man den Arabern die Wahl zwischen Massenflucht und Massenerschießung ließ. Alte Dorfbewohnerinnen, die nicht fliehen wollten, und die aus purer Lust am Töten erschossen wurden. Kinder, welche die Herden bewachten und die den schnellen Eingreiftruppen der jungen Armee in die Hände fielen – und dies nicht überlebten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es ähnliche Greueltaten auch auf der arabischen Seite gegeben hatte. Entscheidend ist: was für eine Gesellschaft entsteht auf dem Boden von Blut, Mord und Gewalt? Dies ist die Frage, die Uri Avnery in seinem zweiten Buch Die andere Seite der Medaille 1950 aufwarf.
Wurde er noch für sein erstes Buch überschwenglich gelobt, so wurde er für die Veröffentlichung der ganzen Wahrheit verdammt. Es bedurfte mehrerer Jahrzehnte, bis zumindest Teile der israelischen Gesellschaft bereit waren, den heroischen Gründungsmythos in Frage zu stellen. Denn die Gründung des Staates Israel ist auch eine Geschichte von Vertreibung, Vergewaltigung, Liquidierung, Plünderung und Massenmord. Wie eben jeder Krieg. Der israelische Gründungsmythos lautet jedoch: Unsere Armee ist rein.
Vielleicht kann eine auf Gewalt gegründete Gesellschaft nur mit Selbstbetrug überleben.
Zur Geschichte der Unabhängigkeit gehört auch die Vorgeschichte des Kampfes verschiedener Fraktionen des jüdischen Widerstandes gegen die britische Mandatsbesatzung und die arabische Bevölkerung – eines Kampfes untereinander. Den Keim, den diese Gewalt gelegt hat, beschreibt Uri Avnery 1950 so:
Töten – die Lösung für alles. Wenn du dich an den Gedanken gewöhnst, dass du für die Heimat töten darfst, kennst du auch keine anderen Grenzen mehr. Du beginnst mit dem Töten der Araber – den »Feinden«, den »Wilden aus der Wüste«, »Eindringlingen«, »Bandenmitgliedern«, »Untermenschen« – und dann verstehst du nicht mehr, warum du keine Juden umbringen darfst, die deiner Meinung nach der Heimat schaden. Am Ende bist du bereit, jeden umzubringen, der nicht deine Meinung teilt.
Und wenn man töten darf, darf man natürlich auch vergewaltigen. Denn Vergewaltigung ist ja nicht ganz so schlimm wie Mord. Und wenn du anfängst, Araberinnen in eroberten Dörfern zu missbrauchen – und die Gesellschaft lächelt darüber und zwinkert dir zu –, dann darf man natürlich auch stehlen. Und wenn man von Arabern stehlen darf, warum nur von Arabern? [2]
Uri Avnery weiß, wovon er spricht. Schon bei der ersten Eroberung eines arabischen Dorfes wurde geplündert. Geraubte Kriegsandenken aller Art erfreuten sich großer Beliebtheit. Müssen wir uns wundern, wenn diese Heldentaten auf die eigene Gesellschaft zurückwirken?
Der Autor ist eine der Stimmen des anderen Israel, die keinen Frieden auf der Basis der Kapitulation fordern, sondern auf Verständigung und Verständnis setzen. Wie genau der Autor abzuwägen weiß, mag ein Interview aus dem Neuen Deutschland vom 28. Mai 2005 belegen. Dort sagt er:
1948 war die Situation so, dass wir kämpfen mussten, die andere Seite aber auch. Ich war gegen diesen Krieg, bevor er ausgebrochen ist. Ich war schon damals Friedensaktivist, habe ein paar Wochen vor Kriegsbeginn eine Broschüre veröffentlicht, in der ich über einen möglichen Frieden und Zusammenarbeit zwischen beiden nationalen Bewegungen, der Araber und der neuen Hebräer, nachdachte. Als der Krieg ausbrach, haben beide um ihre Existenz gekämpft. Deshalb war es auch so ein verzweifelter Krieg. Es gibt keinen Zweifel, wir mussten ihn gewinnen. […] Sonst wäre uns das passiert, was der anderen Seite passiert ist: 700.000 Palästinenser wurden Flüchtlinge, daraus sind vier Millionen geworden. [3]
Und er sagt deshalb auch, er sei zwar Friedensaktivist, aber kein Pazifist. Denn er weiß darum, daß es gerechte Kriege, wie etwa den Krieg gegen Hitler, gibt. Der Frage, ob der Krieg von 1948/49 gerecht war, weicht er jedoch aus. Vielleicht ist diese Frage auch nicht so einfach zu beantworten. Umso mehr ist dies auch als Aufforderung zu verstehen, das Buch selbst zu lesen.
Die beiden Teile In den Feldern der Philister und Die andere Seite der Medaille sind unter dem Titel des ersten Buches letztes Jahr neu aufgelegt worden. Auf insgesamt 429 Seiten erfahren wir vielleicht nicht die ganze Wahrheit, jedoch einiges von der Wahrheit, wie sie sich für einen nachdenklichen Menschen 1949 darstellte. Die Neuauflage ist im Diederichs Verlag zum Preis von 28 Euro erschienen.
Besprechung von : Hans-Dieter Schütt – »Nicht gegen mein Gewissen«. Gespräche mit Felicia Langer, Karl Dietz Verlag Berlin 2005, 187 Seiten, € 9,90
Eine weitere Stimme dieses anderen Israel lebt seit fünfzehn Jahren nicht mehr dort. Felicia Langer, jüdische Rechtsanwältin, ehemalige Kommunistin, wanderte 1990 nach Deutschland aus. Ausgerechnet nach Deutschland, ist man (und frau) geneigt zu sagen. Aber Tübingen muß ihr sehr gut gefallen haben, dort, wo ihr Sohn lebt. So recht kann ich es nicht verstehen, denn ich habe selbst vierzehn Jahre in dieser Stadt gelebt. Für mich hat Tübingen etwas von Spielzeugstadt, eine Nische in der großen weiten Welt globaler Plünderung. Aber soll ich ihr vorhalten, daß sie sich dort wohlfühlt, daß sie dort nach all den aufreibenden Jahren Ruhe findet?
Felicia Langer hat als Rechtsanwältin nicht nur für die Rechte ihrer palästinensischen Mandantinnen und Mandanten gekämpft. Sie kam zu der Einsicht, daß es nicht ausreicht, vor ignoranten Richtern Recht einzufordern, wo es doch gar nicht um Recht, sondern um Macht und Politik ging. Und so fing sie an zu schreiben. In mehreren Büchern ließ sie uns seither teilhaben an ihrem Kampf für Menschenrechte in einem Land, dessen Besatzungspolitik kaum Platz für Menschen und ihre Rechte kennt.
Nun ist es ja nicht so, daß die jüdischen Israelis gänzlich uninformiert wären. So – wie wir hierzulande auch – können sie sehr wohl der Wahrheit ins Auge schauen. Israelische Zeitungen berichten durchaus über die Praxis der Besatzer. Allein – offensichtlich verschließt eine Mehrheit bewußt die Augen, um das Elend nicht sehen zu müssen. Ob sie sich dann auch selbst in die Augen schauen müßten?
Der Publizist Hans-Dieter Schütt hat mit der streitbaren Menschenrechtlerin ausführlich über ihr Leben und ihre Ansichten gesprochen. Herausgekommen ist hierbei ein fast zweihundert Seiten kleiner Band, der letzten Herbst im Karl Dietz Verlag Berlin herausgekommen ist. Es ist ein Band, bei dem der Interviewer nachbohrt, aber respektvoll nachbohrt. Und doch will er genau wissen, was eine Jüdin dazu bringt, sich bedingungslos für die Sache der Palästinenser einzusetzen. Eines wird hierbei deutlich: trotz aller Anfeindungen und Schwierigkeiten, mit denen sie sich in ihrer Arbeit konfrontiert sah, betrachtet sich Felicia Langer nicht als Opfer. Denn sie weiß, das sie im Vergleich zu vielen anderen Menschen im Luxus lebt. Auf die Frage, was sie damit meint, sagt sie:
Dass ich es nicht bin, die hinter einer Kaufhalle nach essbaren Resten sucht. Dass ich es nicht bin, die in einem Lager lebt. Dass ich es nicht bin, die hungert. Das ist Luxus, unverdienter Luxus. [4]
Was sie umtreibt, ist ihr Gewissen. Als israelische Staatsbürgerin kann sie nicht zusehen, wie Israelis mit ihren arabischen Nachbarn umgehen. Sie wurde Juristin, um zu helfen, um einzugreifen, vielleicht auch, um etwas zu bewirken. Aber sie war mehr als das:
Ich war nicht nur Anwältin, ich war Sozialarbeiterin, ich war Trösterin, ich war Erzählerin. [5]
Unvermeidlich die Frage nach ihrer Position zu palästinensischen Selbstmordattentaten:
Ja, Menschen sind bereit zu sterben. Man kann diese furchtbare Bereitwilligkeit, das eigene Leben zu opfern und Unschuldige mit in den Tod zu reißen, nur durch eines ändern. Der palästinensische Dichter Mahmud Derwisch hat es so ausgedrückt: »Das Problem der neuen Beziehung der Palästinenser zum Tod kann nur gelöst werden, wenn man ihnen die Pforte zum Leben öffnet.« Sie haben keine Raketen, sie haben keine Flugzeuge, sie haben keine Hubschrauber, sie haben keine Bomben. Sie haben nur den Körper, und mit dem handeln sie auf entsetzliche Weise. Das ist schrecklich, und ich sage es noch einmal: Ich verabscheue es. Aber man muss wissen, woher das kommt. Wenn man die Ursachen nicht bekämpft, wird der Terror weitergehen und sich ausbreiten. [6]
Und doch frage ich – warum müssen ausgerechnet diejenigen die palästinensische Gewalt verteidigen, die auf eine friedliche, kooperative Lösung drängen? Warum werden die Kriegsführenden und ihre Unterstützer nicht gefragt, wie sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren können? Gibt es hier eine Definitionsmacht, wessen Macht ist es? Warum gilt das eine Handeln als legitim, das andere aber nicht?
Hans-Dieter Schütt spricht mit Felicia Langer aber auch über andere Facetten ihres Lebens. Wer hat schon einmal etwas von der psychosomatischen Gesundheit gehört? Felicia Langer kennt sie genau. Und sie erzählt über die schikanösen Nichtsnutzigkeiten der israelischen Militärjustiz, der sie das Tragen einer schwarzen Blume abtrotzen mußte.
Die wollten mich sehr hässlich sehen. Gedrückt. Mühevoll schwitzend. Ausgelaugt. Ich galt als Objekt. Aber dieser Wille zu einem kulturvollen Äußeren gehörte schon immer zu meinem Leben. Ich habe gesehen, wie das meine Gegner nervte, wenn ich gut und auffällig anders gekleidet zu den Terminen und Prozessen kam. Frauen, die als Rechtsanwältinnen tätig waren, trugen entweder Krawatten oder eine Fliege. Ein Spiegel der totalen Vermännlichung auch des Justizwesens. Das hat mir nun gar nicht gefallen.
[…] Natürlich wurde sofort versucht, ein Problem daraus zu machen: Frau Langer ist nicht vorschriftsmäßig gekleidet. Von da an schienen die mich zu begutachten, als seien wir in einem Striptease-Club; naja, ich muss schon zugeben, ich habe sie alle mächtig gereizt. Aber es war nicht vordergründige Provokation, es war Selbstachtung. Ich habe nicht nur für meine Mandanten gekämpft, ich habe auch für diese Blume gekämpft. Man kann sagen: Mein Gott, das ist doch blöd – sie kämpft gegen Folterungen, gegen Vertreibungen, gegen Mörder und Landdiebe, und dann hat sie noch Kraft für so eine Blume. Ja, ich habe für diese arme Blume gekämpft, und ich setzte sie durch. [7]
Ich kann mir gut vorstellen, wie das diesen Apparat genervt hat. Deutsche Gerichte sind da nicht besser. Doch zu ihren Plädoyers kamen ihre juristischen Gegner dennoch. Das waren keine heruntergeleierten Standardphrasen, sondern spannende Argumentationsgänge. Natürlich hat ihr das wenig genutzt, ebensowenig wie ihren MandantInnen, und ihre Gegner vor Gericht zogen ihre Prozesse dennoch knallhart durch.
Felicia Langer, 1930 in Polen geboren, flieht mit ihrer Familie vor den Nazis in die Sowjetunion. Ein barbarisches Leben in der Fremde. Sie kehrt nach dem Krieg zurück, lernt ihren Ehemann Mieciu kennen, der fünf faschistische Konzentrationslager überlebte. Sie emigrieren 1950 nach Israel, finden sich in der Jubelstimmung nach dem Unabhängigkeitskrieg jedoch nicht wieder. Felicia Langer sieht das Elend der besiegten arabischen Bevölkerung, wird Mutter eines Sohnes, studiert, wird 1965 Anwältin, läßt sich nach dem 6-Tage-Krieg in Jerusalem nieder. 1990 schließt sie ihre Kanzlei und wandert nach Deutschland aus.
Eine bemerkenswerte Frau; und deshalb ist es auch zu begrüßen, wenn sich Hans-Dieter Schütt ihr auf eine einfühlsame Weise nähert. Ob er sie wirklich verstanden hat, bezweifle ich. Aber es ist ein interessantes Zeitdokument, das hoffentlich geistigen Appetit macht auf ihre Bücher und die Auseinandersetzung mit dem darin Beschriebenen. Denn sie ist und bleibt eine kompromißlose Verteidigerin der palästinensischen Sache.
Hans-Dieter Schütts Gespräche mit Felicia Langer sind unter dem Titel »Nicht gegen mein Gewissen« im Karl Dietz Verlag Berlin erschienen. Das Buch kostet 9 Euro 90.
Besprechung von : Sahar Khalifa – Die Verheißung, Unionsverlag 2004, 253 Seiten, € 19,90
Ende der 80er Jahre habe ich das Buch Die Sonnenblume von Sahar Khalifa in die Hände bekommen und war beeindruckt von einer palästinensischen Autorin, die über die Befreiung von Frauen schrieb. Ein wichtiges Ziel für ihre Gesellschaft, wie ich schon damals fand. Doch wie stellt sich die Situation für Frauen in Palästina heute dar? Ich sprach mit der feministischen palästinensischen Schriftstellerin im Oktober 2004 auf der Frankfurter Buchmesse bei der Präsentation ihres jüngsten Romans Die Verheißung. Mein schreckliches Englisch mute ich euch nicht zu, aber die Antworten von Sahar Khalifa, finde ich, sind sehr wohl hörenswert.
O–Ton Sahar Khalifa
Well, now the conflict between the fundamentalist and modernized women like me is getting harder and harder. You know, thirty years ago or twenty-five years ago you couldn't find a fundamentalist woman in the street. At that time you could have never found a woman with the islamic clothing. It's all very recent, very new. It's after the defeat, and the more defeat we have, the more poverty we have, the more depression and oppression we have, the more people try to find refuge with God. Because the Islamists tell them that nationalism has failed to bring you a solution, and socialism has failed to bring you a solution. The one who is governed to solve your problems is God. So why don't you follow us? People who … [?] education and simple minded people usually believe this. And they follow Islam blindly.
Well, we have enlightend Islam, but this type of Islam which threatens women and threatens development of society this is really very new. And now the situation of women – you find women who are following Islam and women who are modernized like me. But the conflict is getting more and more and more. And the more we have education and the more we have defeat. One one hand we have more education, so women like me get more powerful. And we have more defeat and poverty, and women who follow Islam become even larger. So the conflict is getting harder and harder and harder. [8]
Ich sprach sie auf die beiden von ihr mitgegründeten Frauenzentren in Nablus und in Gaza an, in denen sie viele Jahre versucht hat, das Bildungsniveau und die Emanzipation der palästinensischen Frauen zu fördern.
O–Ton Sahar Khalifa
Now, after sixteen years working in those centers I decided that I have to be a full-time writer. I stopped working for those centers. But of course I'm still very active with those centers, and I will never forget what I have thought it [?].
Has your work failed or what are the reasons?
No, it's I felt that I have given women's studies so much. And it's becoming more and more responsibility. This gives me little time to dedicate it to my literature. Being more and more successful, to tell you the truth, I feel that I'm more and more responsible of doing something which is bigger than just the women's issue. It's something which can last for long and long. This is literature. It goes along ages. I am getting older, to tell you the truth, this is also an aspect. And I believe there aren't many women who can write good literature and successful literature that can reach so many people whether within the Arab world or outside the Arab world. But you can find younger women who are not as talented who can give a lot of their time and maybe all their time to this dimension. Now I have given a lot from my time to women's issues and of course I will continue writing about these issues.
Sahar Khalifas Buch Das Erbe, das an die enttäuschten Hoffnungen des Oslo-Prozesses anschließt, endet in völliger Konfusion und Verzweiflung. Beschreibt sie hierin auch die Situation palästinensischer Frauen, die keine Perspektive mehr haben, oder gibt es doch noch einen Hoffnungsschimmer, den wir nur nicht sehen?
O–Ton Sahar Khalifa
The end is the conflict with the Israelis, right? So, if you are asking me about how I view the conflict with the Israelis I find that we are in a vicious circle. A vicious circle, endless violence on both sides, and Israel has the upper hand of course because it is backed by America all the time, having their weapons from America, being, of course, pitied and sorrowed for by the Europeans. I find that if Israel was less harsh, if Israel wanted less land …
Because Israel is trying to expand more and more, grabbing more water, grabbing more land, not being satiesfied with the border of '67. Can you imagine yourself in my place? The Palestinians have all Palestine for themselves for thousands of years. And originally we were Hebrew ourselves, we were Jews ourselves. And later on we were converted to Christianity and later on we were converted to Islam. So in this particular region nobody knows whose origin is this whether Christianity or Judaism or Islam. So it's a mess.
I have very pessimistic view about the situation. But for women we are still fighting, we are still doing our best to modernize our women, to educate them more, to have better education, to have better jobs, to have more decision making on the part of women towards our nation. And it's working. Now we have so many women who are educated, and so many women who are aware. When you read Sunflower at that time twenty years ago when I published that book almost everybody was against me, almost, even women, even conscious women. But now so many women are like me, thousands, even millions. So, this is the situation of women.
Ich sprach Sahar Khalifa auf eine Szene in ihrem Roman Die Sonnenblume an, in der die weibliche Hauptperson Rafif ohne Rücksicht auf die Verkehrsampeln die Straße überquert und auf die Vorhaltungen ihres männlichen Beschützers sagt:
Das grüne Licht ist Augenwischerei und ein Komplott. Sie wollen uns doch nur hindern, schnell zu gehen, damit sie ihre Ziele durchsetzen. Den Rest überlassen sie den Fußgängern. [9]
O–Ton Sahar Khalifa
Of course, we don't like to have limitations for women's liberation. Because once you put limits then what's this? This is not liberation. Women are learning from their mistakes, from the historical mistakes, and historical crimes that were committed against women. I don't tell you that the situation is good now in the Arab world. Otherwise we don't need to fight. But this is the center of the fight, we are in the middle of the fight. We need all the help, we need all the encouragement whether from our society or from friendly society like yours. WE NEED HELP. And in order to make this society less … less what? … fundamentalist. Women have, I mean educated women, modernized women, women in our society they are a very good factor, an enlightning factor and a smoother factor, a factor that makes life more humane, more tender, more loving, more aesthetic. So this is what we are working for. To have more women who are involved in everyday life and on leadership levels.
Der jüngste auf Deutsch übersetzte Roman von Sahar Khalifa heißt Die Verheißung. Es ist ein Roman, der mehrere Jahrzehnte überspannt. Ibrahim, der Ich-Erzähler des Romans, verknallt sich unsterblich in eine christlich erzogene Araberin. Boy meets girl, möchte man meinen, das übliche eben. Und so üblich die Geschichte beginnt, so wird sie doch unterbrochen von den kriegerischen Ereignissen des Jahres 1967. Israel besetzt das Westjordanland und Ibrahim muß sich entscheiden zwischen seiner Liebe zur inzwischen schwangeren Mariam und dem revolutionären Kampf. Na, was wird er wohl tun? Ibrahim zieht die männlichen Illusionen in Gewalt und Befreiung einer anstrengenden Beziehung vor, die er ganz offensichtlich nicht auf die Reihe kriegt. So verlieren sich die beiden aus den Augen.
Jahrzehnte später. Längst ist Ibrahim ein reicher Unternehmer geworden, doch sein Gewissen regt sich. Er erfährt von einem Sohn, einem Erben, den er haben soll, und so sucht er sowohl diesen wie auch die Mutter – Mariam. Wir landen mitten im palästinensischen Alltag und erleben mit, was Ibrahim finden wird. Es wird ihm nicht gefallen.
Nun ist die Geschichte vielschichtiger als eine alberne Liebesromanze. Es geht nicht nur um die Suche nach dem Sohn und Erben und der ehemaligen Geliebten. Der Roman handelt genauso von der Suche nach einer Identität in einer Region mit drei Religionen, von einer Suche, in der Jerusalem eine besondere Bedeutung besitzt.
Sahar Khalifas Roman Die Verheißung ist 2004 in deutscher Übersetzung im Schweizer Unionsverlag erschienen. Der Roman hat 253 Seiten und kostet 19 Euro 90.
Besprechung von : Roger Repplinger – Die Söhne Sachnins, Bombus Verlag 2005, 495 Seiten, € 19,90
Eine Gesellschaft, die sich mit Ariel Scharon einen Kriegsverbrecher zum Ministerpräsidenten wählt, in der Hoffnung, hierüber endlich Frieden zu erlangen, handelt nur bedingt inkonsequent. Frieden kann vielerlei bedeuten, es kommt immer auf die Bedingungen an. [10] Doch Krieg findet nicht nur in den besetzten Gebieten statt, sondern auch auf den Fußballplätzen der ersten israelischen Liga. Der Spruch Tod den Arabern gehört zum guten Ton, und wenn die Nivchéret, die Nationalmannschaft Israels, vor vollbesetzten Rängen spielt, dann lauten die Schlachtrufe allen Ernstes Rache und Krieg. Ob dies nun Ausdruck einer seit Jahrzehnten durch Gewalt regierten Gesellschaft ist oder ein Teil ganz normaler Fankultur, sei dahin gestellt.
Arabische Teams haben es auf israelischen Fußballplätzen schwer. Einzelne arabische Spieler fanden zwar ihren Platz in israelischen Teams, aber es dauerte bis 1997 [11], ehe ein arabisches Team erstmals in Israels erste Liga aufstieg – um gleich wieder abzusteigen. Die Sensation fand am 18. Mai 2004 statt, als ein kleiner Verein aus dem Norden Israels die Hackordnung im dortigen Fußballgeschäft durcheinanderbrachte und den hohen Favoriten Hapoel Haifa im Pokalfinale mit 4:1 besiegte. Der Verein heißt Hapoel Bnei Sachnin, und von diesem Verein und seiner Bedeutung für das jüdisch-arabische Zusammenleben in Israel handelt das letzten Herbst im Bombus Verlag erschienene Buch Die Söhne Sachnins des Sportjournalisten Roger Repplinger.
Um es vorwegzunehmen – es ist ein eher ungewöhnliches Buch über den Fußball. Aber es ist eben auch eine ungewöhnliche Geschichte. Sachnin ist eine Kleinstadt mit 25.000 Einwohnerinnen und Einwohnern; doch der Fußballclub dieser kleinen Stadt dürfte die größte Anhängerschaft im ganzen Land haben. Der Verein Hapoel Bnei Sachnin ist ein arabischer Fußballverein, und es spielen in ihm nebeneinander Araber, Juden und Christen – Israelis und Ausländer. Und was in der israelischen Gesellschaft nicht funktioniert, lebt der Verein vor. Zusammen leben, zusammen arbeiten, zusammen spielen. Die Mannschaft spielt jetzt in ihrer dritten Spielzeit in Israels höchster Liga und steht derzeit auf einem Abstiegsplatz. Aber die Saison dauert noch drei Monate, da kann noch viel geschehen.
Nun dürfen wir uns hierunter nicht die heile Welt, umgeben von Chaos und Gewalt, vorstellen. Die Fans von Bnei Sachnin sind ganz normale Fans und einige von ihnen benehmen sich deshalb auch einmal voll daneben. Diese Fans kommen aus dem Norden und der Wüste im Süden, sie nehmen Hunderte von Kilometern Anfahrt auf sich, nur um ihren einzigartigen Club anzufeuern. Denn Bnei Sachnin steht auch dafür, daß die arabischen Underdogs der israelischen Gesellschaft ab und zu einmal vormachen, daß sie keine Menschen 2. Klasse sind.
Wie wenig heil diese Welt ist, zeigt sich auch dort, wo innerhalb des Vereins bewußt nicht über Politik gesprochen wird, oder auch dort, wo der jüdische Trainer der Mannschaft mit einem afrikanischen Spieler handgreiflich aneinander gerät. Es ist eben auch ein ganz gewöhnlicher Verein mit ganz gewöhnlichen Problemen ganz gewöhnlicher Menschen. Aber er steht aufgrund seiner Bedeutung auch im Fokus der israelischen Medien.
Der in Israel und der umliegenden arabischen Welt bekannteste Spiele von Bnei Sachnin ist Abbas Suan, der es auch zum Nationalspieler gebracht hat. Israels Nationalmannschaft konnte sich lange Zeit reelle Hoffnungen auf die Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 machen, und Roger Repplinger schildert uns deshalb in epischer Länge das Heimspiel gegen Irlands Nationalelf, das durch ein Tor des Auswechselspielers Abbas Suan in der 90. Spielminute noch unentschieden endete.
Selbst dieses Tor zeigt die Realitäten der israelischen Gesellschaft schonungslos auf. Das Tor ist erwünscht, der Torschütze nicht. Abbas Suan läuft nach seinem wichtigen Tor nicht über das Spielfeld, er hat unter seinem Trikot keinen Dank an Jesus versteckt, was zum gern gezeigten Ritual nicht nur in der Fußball-Bundesliga gehört. [12] Nein, Abbas Suan kniet nieder und berührt mit seiner Stirn den Rasen. Er betet und dankt Gott für dieses Tor. Das israelische Fernsehen zeigt in den folgenden Tagen dieses ungemein wichtige Tor dutzendfach, doch der betende Abbas Suan wird herausgeschnitten, zensiert. Allenfalls gibt es eine Andeutung, er habe den Rasen … geküßt. Die Definitionsmacht über die Wirklichkeit liegt bei den Medien, und die Medien wissen, wem sie gehören.
Roger Repplinger hat im vergangenen Jahr drei Reisen nach Israel unternommen, um dem Phänomen Bnei Sachnin auf die Spur zu kommen. Herausgekommen ist eines der besten Fußballbücher, die ich kenne. Denn der Autor erzählt uns nicht stur von den Erfolgen und Mißerfolgen einer Mannschaft, sondern zeigt das soziale und politische Umfeld dieses außergewöhnlichen Vereins auf.
Viel mehr, als wir dies aus gängigen Reportagen in Zeitschriften oder im Fernsehen verfolgen können, können wir den Schilderungen entnehmen, aus denen sich der Autor selbst nicht herausnimmt. Er läßt uns teilhaben an seinem eigenen Erkenntnisprozeß, an seinen Erfahrungen im Umgang mit Land und Leuten. Dabei läßt er die Fettnäpfchen nicht aus, in die er zielsicher getappt ist. Einblicke in das Leben und Denken der arabischen Menschen vermitteln neben unvermeidlicher Kulturexotik auch ernsthafte und wichtige Hintergründe. Vielleicht ist es nicht zuviel gesagt, wenn wir hieraus auch eine Ahnung über die realen Gewaltstrukturen im Staat Israel erhalten. Und deshalb wird es uns möglich nachzuvollziehen, weshalb ein ordinäres Spiel mit einem runden Ball für eine ganze Gesellschaft bedeutsam werden könnte. Aber es ist zu befürchten, daß diese Gesellschaft hierfür noch nicht reif ist.
Doch was, wenn Bnei Sachnin tatsächlich absteigen sollte? Roger Repplingers dritte Reise fand im Mai und Juni 2005 statt – und der Klassenerhalt des Vereins stand auf der Kippe. Erst im letzten Spiel wurden die drei wichtigen Punkte eingefahren. Bnei Sachnin steht eben nicht nur für den Erfolg des arabischen Sektors der israelischen Gesellschaft, sondern beim Scheitern erst recht für den Mißerfolg. Jeder Spieler, der Trainer und der Vereinschef – sie alle müssen in Interviews jedes Wort auf die Goldwaage leben. Denn anders als andere Vereine werden sie als Repräsentant von über einer Million Araberinnen und Arabern wahrgenommen; jede negative Äußerung fällt auf den gesamten arabischen Sektor zurück.
Und wo andere Vereine mit der einen oder anderen Schiedsrichterentscheidung hadern und sich verschaukelt fühlen, so gewinnt dies bei dem ungeliebtesten und finanzschwächsten Verein der Liga eine ganz besondere Bedeutung. Roger Repplinger beschreibt ein Spiel der Frauenmannschaft des Vereins, wie eine Schiedsrichterin diese systematisch benachteiligt und wie der israelische Fußballverband sich anschließend weigert, den Namen der angeblich Unparteiischen herauszurücken. Die Erstligamannschaft von Bnei Sachnin spielt zudem einen modernen, sprich: körperbetonten Fußball – und jedes Foul wird als Gewaltakt des unterdrückten Teils der Gesellschaft betrachtet, als typisch arabische Gewalt.
Im großen und ganzen, so der Autor, fallen diese Vorurteile von Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern jedoch nicht ins Gewicht. Er hätte dennoch vielleicht hinzufügen sollen, daß auch Israels Fußball vor vier Jahren von einem Fußballwettskandal erschüttert wurde, und die israelische Tageszeitung Ha'aretz zitierte einen anonym gehaltenen Fußballspieler, daß so manches Spiel der ersten und zweiten Liga verwettet wird. [13] Wenn also die Fans von Bnei Sachnin Schiebung bei Spielen der direkten Abstiegskonkurrenz vermuten, dann sollte der Autor dies nicht so leichtfertig abtun. Dennoch hat Bnei Sachnin jetzt zweimal den Klassenerhalt geschafft – und das ist mehr, als jede arabische Mannschaft in den vergangenen fünf Jahrzehnten erreicht hat. [14]
Ein Hoffnungsschimmer – mehr nicht.
Liga | Platz | Spiele | Punkte | Tore | Anmerkung | |
1996/97 | A (3) | ? | ? | ? | ? | Aufstieg in die 2. Liga. |
1997/98 | 2 | 9 | 30 | 38 | 43:41 | Spiel gegen Hapoel Taibe aufgrund von Zuschauerausschreitungen mit 0:0 Toren und 0 Punkten gewertet. |
1998/99 | 2 | 9 | 30 | 43 | 56:35 | |
1999/2000 | 2 | 4 | 36 | 50 | 51:49 | Soccerway gibt 50:49 Tore an. |
2000/01 | 2 | 7 | 38 | 51 | 45:43 | Davon fünf Spiele in der Abstiegsrunde. 2 Punkte Abzug wegen Verstosses gegen finanzielle Auflagen. |
2001/02 | 2 | 6 | 33 | 41 | 32:41 | |
2002/03 | 2 | 2 | 33 | 58 | 36:25 | Aufstieg in die 1. Liga. |
2003/04 | 1 | 10 | 33 | 35 | 31:38 | Israelischer Pokalsieger und UEFA-Cup-Qualifikation. |
2004/05 | 1 | 10 | 33 | 36 | 40:51 | |
2005/06 | 1 | 12 | 33 | 25 | 28:54 | Abstieg in die 2. Liga. |
2006/07 | 2 | 2 | 33 | 60 | 54:29 | Aufstieg in die 1. Liga. |
2007/08 | 1 | 4 | 33 | 55 | 35:29 | Qualifiziert für UI-Cup. |
2008/09 | 1 | 9 | 33 | 33 | 26:41 | |
2009/10 | 1 | 7 | 33 | 41+6 | 31:31 | Nach Ende der regulären Saison wurden die Punkte halbiert. Bnei Sachnin spielte in den bedeutungslosen Mittel-Playoffs (Platz 7 bis 10) und gewann dort zwei der drei Spiele. |
2010/11 | 1 | 13 | 35 | 25+10 | 25:44 | Nach Ende der regulären Saison wurden die Punkte halbiert. Bnei Sachnin spielte in der Abstiegsrunde und rettete sich vor der Relegation erst durch ein Tor im allerletzten Spiel in der 85. Minute gegen den Erzfeind Beitar Jerusalem. |
2011/12 | 1 | 8 | 37 | 50 | 60:53 | Bnei Sachnin war nach Ablauf der regulären Saison Dritter mit 47 Punkten und 49:35 Toren. 2 Punkte Abzug aufgrund vertraglicher Unregelmäßigkeiten. |
2012/13 | 1 | 12 | 33 | 37 | 31:49 | Bnei Sachnin war nach Ablauf der regulären Saison ebenfalls Zwölfter mit 26 Punkten und 25:45 Toren. |
2013/14 | 1 | 6 | 36 | 47 | 37:47 | Bnei Sachnin war nach Ablauf der regulären Saison Fünfter mit 40 Punkten und 30:25 Toren. Da es in der Finalrunde für Sachnin nichts zu gewinnen gab, wurden dort 7 von 10 Spielen verloren. |
2014/15 | 1 | 7 | 33 | 44 | 43:44 | Bnei Sachnin war nach Ablauf der regulären Saison Neunter mit 30 Punkten und 32:37 Toren. |
2015/16 | 1 | 5 | 36 | 48 | 46:40 | Bnei Sachnin war nach Ablauf der regulären Saison Fünfter mit 36 Punkten und 32:25 Toren. |
2016/17 | 1 | 5 | 36 | 48 | 32:46 | Bnei Sachnin war nach Ablauf der regulären Saison Vierter mit 39 Punkten und 26:26 Toren. |
2017/18 | 1 | 11 | 33 | 38 | 32:47 | Bnei Sachnin war nach Ablauf der regulären Saison Neunter mit 30 Punkten und 24:35 Toren. |
2018/19 | 1 | 14 | 33 | 27 | 27:50 | Bnei Sachnin war schon bei Ablauf der regulären Saison Letzter, mit 21 Punkten und 21:39 Toren. |
2019/20 | 2 | 2 | 37 | 67 | 60:32 | Bnei Sachnin verlor nach einer dreimonatigen Corona-Pause die beiden ausstehenden Spiele der regulären Saison; ein Aufstiegsplatz lag in weiter Ferne. Zwischenstand: Vierter mit 48 Punkten und 46:30 Toren. Doch von den sieben Spielen der Aufstiegsrunde gewann man sechs und spielte das siebte remis. Das reichte, bei schwächelnder Konkurrenz, letztlich locker zum Wiederaufstieg. |
2020/21 | 1 | 12 | 33 | 34 | 22:45 | Die reguläre Saison beendete Sachnin als Elfter mit 29 Punkten und 15:36 Toren. In der Abstigsrunde verlor Sachnin zwar die letzten vier Spiele, aber der Abstand zu den beiden Absteigern war ausreichend groß. |
2021/22 | 1 | 6 | 36 | 49 | 33:43 | Die reguläre Saison beendete Sachnin als Vierter mit 42 Punkten und 28:29 Toren. Das vorletzte Spiel der Meisterschaftsrunde gegen Makkabi Haifa wurde mit 0:3 gewertet. Aufgrund von vorherigen Fanausschreitungen war das Spiel nach Petach Tikwa verlegt worden. Sachnin konnte dort kurzfristig keine ausreichende Anzahl von Ordnern einkaufen, so daß das Spiel aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde. Fanausschreitungen scheinen (auch) in Israels Fußball ein beliebter Männersport zu sein, nicht nur in Sachnin. |
2022/23 | 1 | 9 | 33 | 37 | 39:44 | Die reguläre Saison beendete Sachnin als Neunter mit 30 Punkten und 26:30 Toren. |
2023/24 | 1 | 6 | 36 | 44 | 39:45 | Die reguläre Saison beendete Sachnin als Sechster mit 33 Punkten und 26:31 Toren und erhielt wegen seiner Fans einen Punkt abgezogen. |
Quellen: The Rec.Sport.Soccer Statistics Foundation und Soccerway
Eine Webseite und Facebookseite von Bnei Sachnin sind zuweilen auf Hebräisch und Arabisch verfügbar.
Dieses Jahr werden zur Fußball-Weltmeisterschaft jede Menge Bücher auf den Markt geworfen. Die Konjunktur für derartige Literatur ist so günstig wie nie zuvor und sicher auch danach. Gerade deshalb möchte ich auf dieses Buch verweisen, das vielleicht sogar für Menschen von Interesse sein kann, die dem Geholze ums Runde, das ins Eckige soll, nicht viel abgewinnen. Die Söhne Sachnins von Roger Repplinger ist eine außergewöhnliche Reportage. Das Buch ist locker geschrieben und mit seinen knapp 500 Seiten eine immer wieder aufs Neue anregende Lektüre. Es ist Ende letzten Jahres im Bombus Verlag erschienen und kostet 19 Euro 90.
Jingle Alltag und Geschichte –
heute über mögliche Hoffnungsschimmer im Verhältnis zwischen Israelis und Palästinenserinnen. Hierzu habe ich vier Bücher vorgestellt, und zwar:
Diese Sendung der Redaktion Alltag und Geschichte wird auf Radio Darmstadt in der Nacht von Montag auf Dienstag um 23.10 Uhr, am Dienstagmorgen nach dem Radiowecker um 8.00 Uhr und noch einmal am Dienstagnachmittag um 14.00 Uhr wiederholt. Das Manuskript zur Sendung werde ich in den kommenden Tagen auf meine Homepage stellen: www.waltpolitik.de.
Nächste Woche könnt ihr auf diesem Sendeplatz die Redaktion Gegen das Vergessen mit ihrer gleichnamigen Sendung hören. Im Anschluß an diese Sendung folgt Äktschn!, eine Sendung der Kulturredaktion. Am Mikrofon war Walter Kuhl.
»» [1] "Die Lehre aus der Geschichte Deutschlands wäre seine Demontage." [Sonja Vogel]
»» [2] Uri Avnery : Die andere Seite der Medaille, in: In den Feldern der Philister, Seite 310–311
»» [3] "Wer sich nicht versteht, kann sich nicht versöhnen", einstmals gefunden und wieder verloren auf der Webseite der AG Friedensforschung an der Uni Kassel
»» [4] Felicia Langer in: Hans-Dieter Schütt : »Nicht gegen mein Gewissen«, Seite 62–63
»» [5] Langer Seite 120
»» [6] Langer Seite 125
»» [7] Langer Seite 109
»» [8] Nicht autorisierte Verschriftlichung des Interviews; mir unverständliche Passagen sind gekennzeichnet.
»» [9] Sahar Khalifa : Die Sonnenblume, Seite 9
»» [10] Fairerweise sei angemerkt, daß die Wahlbeteiligung nicht sehr hoch war, weil die Wahl zwischen Kriegstreiber Scharon und Kriegstreiber Barak nun wirklich keine Wahl war.
»» [11] Diese Information ist nicht ganz korrekt. Es handelt sich hierbei um den Verein Hapoel Taibe, der in der Saison 1996/97 in der ersten israelischen Liga gespielt hat und dort mit 15 Punkten aus 30 Spielen Tabellenletzter wurde. Siehe hierzu die Spielübersicht von RSSSF und die Geschichte des Fußballs in Israel.
»» [12] Gerd Fischer und Jürgen Roth geben diesen religiösen Quark in ihrem Buch Ballhunger über den Mythos des brasilianischen Fußballs trefflich wieder.
»» [13] Stefan Mayr : Zwischen Intifada und Champions League: Fußball in Israel, in: Dietrich Schulze-Marmeling (Hg.) : Davidstern und Lederball, Seite 488–505
»» [14] Bnei Sachnin ist am 12. Mai 2006 nach einem 2:2 gegen den Meister Maccabi Haifa als Tabellenletzter abgestiegen. Fünf Siege waren bei 10 Unentschieden und 18 Niederlagen dann doch etwas dürftig.
Diese Seite wurde zuletzt am 3. November 2024 aktualisiert. Links auf andere Webseiten bedeuten keine Zustimmung zu den jeweiligen Inhalten, sondern sind rein informativer Natur. © Walter Kuhl 2001, 2006, 2024. Die Wiedergabe, auch auszugsweise, ist nur mit dem Einverständnis des Verfassers gestattet.
URL dieser Seite : https://www.waltpolitik.de/kv/kv_hoffn.htm
Zur vorangegangenen Sendung
Zur nachfolgenden Sendung